Im letzten Grunde wird Geschichte durch den Geist und nicht durch die Materie bestimmtHausfreund hat geschrieben:Verfasser hat geschrieben:[...]atheistisch-kommunistischen Verbrecher[...]
[...]aus atheistischen Elternhäusern stammende und zum Christentum konvertierte Jugendliche[...]
Ich möchte bezweifeln, daß der Atheismus (in dem oben angesprochenen engeren Sinne) für die SED-Herrschaft wesentlich war.
Der Atheismus war für die SED-Herrschaft insofern wesentlich, als dass ein DDR-Bürger, der an Gott glaubt,
suspekt war.
Wer an Gott glaubt, glaubt nicht, bzw. nicht ausreichend genug, an den
kommunistischen Verbrecherstaat "DDR". Das war ein großes Problem für die SED, da das ja (zumindest in der SED-Führungsspitze) alles
Verbrecher waren, an die Christen selbstverständlich nicht glauben wollten. Wer glaubt schon gern an
Verbrecher?
Hausfreund hat geschrieben:Die Kirchen waren eher politische Konkurrenten, die man zu schwächen, unterwandern und später mit Kompromissen zu binden suchte. Es gab nur kurzzeitig (in den 60ern) eine relativ offene Religionsforschung (speziell in Jena) bzw. Propagierung des Atheismus. Natürlich zielte die Schulbildung (z.B. die Evolutionsbiologie) unterschwellig gegen religiöse Vorstellungen, aber nicht als besondere Konfrontation.
Nein. Die
Konfrontation bei der Schulbildung hielt bis zum Schluss an. Wo sie in den 60er Jahren noch offen war:
In der Grundschule meiner Frau (katholisch) sagte der Geschichtslehrer im Unterricht:
"Alle Katholiken aufstehen. Seht euch diese Sumpfblüten an." Es gab etliche
"Sumpfblühten", die dann aufgestanden sind, darunter auch meine Frau. Die
"Sumpfblüte", meine Frau, ließ man dann aber doch zur Oberschule, ja man zwang sie sogar dazu, obwohl sie die Jugendweihe abgelehnt hatte (siehe
hier)
war sie in den 80er Jahren nur etwas subtiler:
In der Grundschule meiner Tochter (katholisch,
Klassenbeste, Jungpionier-Kassenwart) sagte die Klassenlehrerin, ohne zu begründen, warum:
"Ich möchte, dass ein anderer den Jungpionier-Kassenwart macht", nachdem meine Tochter die Funktion schon längere Zeit ausgeübt hatte. Der Grund war, dass man eine Katholikin nur sehr ungern zum Studium schicken wollte. Wenn sie schon sehr gute schulische Leistungen hatte (wie meine Tochter), dann durfte sie auf gar keinen Fall gesellschaftlich gute Leistungen vorzeigen können.
Die kleinen Jungpioniere, die ja meine Tochter zum Kassenwart vorgeschlagen und gewählt hatten, protestierten:
"C. (also meine Tochter) soll das weitermachen, weil sie es gut macht". Die Klassenlehrerin konnte nichts machen. Die Demokratie im Kleinen funktionierte noch recht gut.
Meine Tochter war sehr beliebt in der Klasse, weil sie den Kindern in der 1. Klasse bei einem Stundenausfall spannende Geschichten aus einem Märchenbuch vorgelesen hatte, wo noch keines der Kinder lesen konnte. Die Kinder waren begeistert. Ob die Schule begeistert war, weiß ich nicht. Von Hochbegabtenförderung hielt man nicht allzu viel, wenn sie nicht politisch passte. Im Westen hat meine zweite
Tochter, auch hochbegabt (hat sich vor der Einschulung auch selbst das Lesen beigebracht) eine Klasse übersprungen.
Hausfreund hat geschrieben:Meine Erfahrung ist sogar, daß Kommunion / Firmung hingenommen wurde - im Gegensatz zur Kirche, von der die Jugendweihe strikt untersagt wurde. Beim Eintritt in die SED riet mir übrigens die Parteileitung von einem Kirchenaustritt ab!
Na klar. Als ein Kollege meiner Frau (Wissenschaftler, aktiv in der katholischen Pfarrjugend, fleißiger Gottesdienstbesucher) oder ein Kollege von mir (Diplomingenieur, aktiv in meinem evangelischen Hauskreis, verheiratet mit einer aktiven evangelischen Christin) als
IM in den Staatssicherheitsdienst eintraten, riet ihnen die Stasi von einem Kirchenaustritt natürlich auch ab.
Hausfreund hat geschrieben:Insgesamt scheint es einen dauerhaften Trend bei der Entkirchlichung Deutschlands, speziell in der Ostzone, zu geben. Dabei werden natürlich auch umgekehrt wieder Leute ihren Weg in die Kirche finden - aus den verschiedensten Gründen. (Man müßte mal wieder die Statistischen Jahrbücher wälzen...)
Ein Klassenkamerad meiner Frau war in der DDR Chef-Arzt und hatte mit der Kirche nichts am Hut. Er war aus Karrieregründen SED-Mitglied. Er zog nach dem Zusammenbruch des Kommunismus nach Bayern, wurde wieder Chefarzt in einer Klinik, trat in die Kirche und machte damit Reklame im Internet. Daher wissen wir das.
Hausfreund hat geschrieben:PS Was die alten "kommunistischen Verbrecherhöhlen" angeht, so würde ich die Aufmerksamkeit gelegentlich auch auf das Schicksal der christlichen Sakralbauten werfen ... πάντα ῥεῖ.
Dass Kirchen aus Geldmangel an Muslime
verkauft werden, finde ich auch schrecklich, aber wiederum auch nicht so schlimm, wenn man den Gottesdienst in
"kommunistischen Verbrecherhöhlen" wie Cottbus feiert, was weniger Geld kostet und noch dazu lebendiger ist.
Hausfreund hat geschrieben:Vera Lengsfeld
Habe nochmal in ihrer Lebensschilderung geblättert ("ich wollte frei sein") und weder dort noch irgendwo anders auch nur die Andeutung einer Religiosität oder einer konfessionellen Bindung gefunden. mfG
Wenn
Vera Lengsfeld frei sein will und die Gemeinschaft von Christen sucht, was sie ja gemacht hat, glaubt sie natürlich auch an Gott:
"Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen." Matthäus 18,20
Das ist ja gerade das Schöne an der friedlichen Revolution. Sie wurde von Gott wohlwollend begleitet. Ich würde sogar sagen: die Revolution, der Sturz der
kommunistischen Verbrecher-Diktatur wurde von Gott ausgelöst und durchgeführt. Gott existierte schon immer, übte aber jetzt mit der Revolution seine geballte Macht aus.
Ohne Gott den Allmächtigen - keine Christen in der DDR, die an ihn glauben, ohne ehrliche echte Christen (und wenn es noch so wenige waren) - keine Kirchen, kirchliche Räume und Plätze, die der SED abgetrotzt wurden, ohne kirchliche Räume und Plätze - kein Versammlungsort der Revolutionäre (Vera Lengsfeld), ohne Versammlungsort der Revolutionäre - keine Organisation und Planung der friedlichen Revolution (die Revolution wurde in den Kirchen organisiert und geplant und nirgends woanders!!!), ohne Organisation und Planung der Revolution - keine friedlichen Massendemonstrationen auf den Straßen, ohne friedliche Massendemonstrationen auf den Leipziger Straßen (und die Gewaltherrschaft des Allmächtigen) - kein friedlicher Rückzug und Zusammenbruch der
kommunistischen Verbrecher-Diktatur. So einfach ist das.
"Der Kommunist, bewußt säkularistisch und materialistisch, hat keinen Platz für Gott. Das konnte ich niemals akzeptieren, denn als Christ glaube ich, daß es in diesem Universum eine schöpferische, persönliche Macht gibt, die der Grund und das Wesen aller Realität ist, eine Macht, die mit materialistischen Begriffen nicht erklärt werden kann. Im letzten Grunde wird Geschichte durch den Geist und nicht durch die Materie bestimmt." Martin Luther KingVerfasser K.