Missbrauch bei Domspatzen: Chor-Erfolg stand über allem
Warum mussten die Regensburger Domspatzen jahrzehntelang körperliche und sexuelle Gewalt erdulden? Weil dem Erfolg des Knabenchors alles untergeordnet wurde, auch das Wohl der Kinder. Das ist das Fazit zweier Studien zu den Vorfällen.
Die komplette Fokussierung auf den Chor hat laut einer Studie der Kriminologischen Zentralstelle Wiesbaden die jahrzehntelangen Gewalt- und Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen begünstigt. Dem Chor sei alles untergeordnet worden, auch das Wohl der Kinder.
Nur die Stimmen waren wichtig
Die Schulen und Internate seien für die Domkapellmeister nur unter dem Aspekt interessant gewesen, wie viele gute Stimmen sie bekommen, etwa aus der Vorschule in Etterzhausen. Die pädagogische Qualität des Personals in den betreffenden Jahrzehnten sei schlecht gewesen und habe auch nicht interessiert. Zudem sei systematisch Angst erzeugt worden, etwa durch Gewaltsanktionen im Beisein anderer.
Abgeschottetes System begünstigte Missbrauch
Eine weitere, historische Studie des Lehrstuhls für Bayerische Landesgeschichte an der Universität Regensburg sieht auch das komplexe Organisationsgeflecht der Domspatzen als begünstigenden Faktor. Die Verfasser werfen diversen Behörden und Instanzen, aber auch der damaligen Elternschaft zudem mangelnde Kontrolle und mitunter Desinteresse vor.
Was wusste Chorleiter Georg Ratzinger?
Die Studie geht auch auf die Rolle des früheren Domkapellmeisters Georg Ratzinger ein. Von einem sadistischen System könne man bei ihm im Gegensatz zum damaligen Internatsleiter der Grundschule, Johann Meier, nicht sprechen. Zwar habe Ratzinger bei Chorproben zu Jähzorn und überzogener Strenge geneigt, einschließlich harter Körperstrafen und psychischer Demütigungen. Seine Gewaltausbrüche seien allerdings viel eruptiver und reaktiver gewesen. Außerhalb der Chorproben hätten ihn Schüler als persönlich wohlwollend erlebt.
"Es ist ausgeschlossen, dass Ratzinger nichts vom Prügelregime Meiers gewusst hat. Wirkungsvoll eingegriffen hat er nicht." Professor Bernhard Löffler, Verfasser der Studie
Unter Johann Meier waren im Grundschulinternat Demütigungen, Schläge und Übergriffe aller Art Alltag für die Jungen.
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