Islam und Antisemitismus
Verfasst: 16. Dezember 2017, 14:02
Islam und Antisemitismus : „In Cafés sitzen keine Frauen mehr“
Kommt es durch die Einwanderung von Muslimen zum Erstarken des Antisemitismus? Und was bedeutet diese Diskussion für Feministinnen? Ein Gespräch zwischen der französischen Philosophin Elisabeth Badinter und der deutschen Journalistin Alice Schwarzer.
Führt Masseneinwanderung aus dem islamischen Kulturraum zu einem Erstarken der Judenfeindlichkeit in unseren Gesellschaften?
Elisabeth Badinter: Die Antwort ist schwierig. Die erste Generation und auch die zweite Generation der Einwanderer in Frankreich sind überhaupt nicht durch eine antisemitische Haltung aufgefallen. Ein radikaler Antisemitismus hat sich erst in der dritten, in Frankreich geborenen Generation entwickelt, die sich zugleich zum radikalen Islamismus bestimmter Imame hingezogen fühlt. Es gibt heute in Frankreich keine andere Bevölkerungsgruppe, die wie die Juden ausschließlich aufgrund ihrer Religion schikaniert, gefoltert und sogar getötet wird. Diese Straftaten werden immer von Personen mit muslimischem Einwanderungshintergrund begangen, die sich dem Islamismus verschrieben haben.
Die kürzlich veröffentlichte Studie „Jüdische Perspektiven zum Antisemitismus in Deutschland“ kommt zu dem Ergebnis, dass drei Viertel der befragten Juden Antisemitismus als großes Problem wahrnehmen. Drohen Deutschland französische Verhältnisse?
Alice Schwarzer: Das Phänomen ist neu, aber kein muslimisches. Bei den ersten beiden Generationen türkischer Einwanderer gab es weder verschleierte Frauen noch offenen Antisemitismus. Es kommt eher von jüngeren Arabern, die in Deutschland nicht immer, aber häufig neu zugezogen sind. Es scheint mir relativ wenig mit dem Islam an sich zu tun zu haben, sondern mit dem politisierten Islam, der offensiv antisemitisch beziehungsweise antizionistisch ist. Mich wundert also nicht, dass die wenigen Juden in Deutschland, die aus gutem Grund noch sensibler als die französischen sind, sich Sorgen machen.
Der algerische Schriftsteller Boualem Sansal hat kürzlich als Zeuge vor Gericht in Paris gesagt, der Antisemitismus sei Teil der islamischen Kultur, er werde im Koran, in den Moscheen und in den Familien verbreitet. Sollte der Vorwurf der Naivität angesichts des Islams ernst genommen werden?
Schwarzer: Ich schätze Boualem Sansal sehr, seine Romane wie seine kritischen Analysen. Natürlich gibt es im Islam einen traditionellen Antisemitismus, aber – mit Verlaub – auch im Christentum. Es ist an den Muslimen selbst, selbstkritisch zu sehen, was sie bei sich ändern müssen. Doch ich bleibe dabei: Das Phänomen des Antisemitismus bei Muslimen ist in dieser Virulenz bei uns neu und geschürt vom politischen Islam.
Badinter: Boualem Sansal kennt den Koran besser als ich. In jedem Fall erleben wir heute eine islamische Radikalisierung, die den Antisemitismus zu einer Art religiösen Pflicht erhebt. Das Beunruhigende dabei ist, dass in Frankreich zugleich der gesellschaftliche Konsens bröckelt, nach der Schoa nie wieder Antisemitismus – in welcher Form auch immer – zu dulden. Ein Teil der Linken bei uns jedoch lehnt es ab, den neuen Antisemitismus als solchen zu benennen, geschweige denn zu verurteilen. Es sind die gleichen Leute, die sich auf den Antizionismus berufen. Auch ich halte Kritik am Staat Israel für notwendig, aber Kritik kann nicht bedeuten, das Existenzrecht Israels zu leugnen. Antizionismus läuft aber im Kern genau darauf hinaus.
http://www.faz.net/aktuell/politik/alic ... 33514.html
Schwarzer: „Emma“ hat kürzlich eine Umfrage unter Lehrerinnen gemacht, und die stehen wirklich mit dem Rücken zur Wand. Diese Jugendlichen, die sich mit einer Attitüde der Gewalt inszenieren, schüchtern die anderen ein. Da braucht es nur vier, fünf Schüler in einer Klasse, die geben dann den Ton an, vor allem in Sachen Sexismus. Und da kommt neuerdings noch der Antisemitismus dazu. Auf den Schulhöfen sind „du Jude“, „du Schwuler“ oder „du Opfer“ heute Schimpfwörter. Lehrerinnen werden von Schülern als Nutten beschimpft. Doch die Schulleitungen und auch die Politik wollen jeden Konflikt vermeiden. Wenn die Lehrerinnen sich beschweren, heißt es: Setzen Sie sich mal durch, Sie haben anscheinend Ihre Klasse nicht im Griff.
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Kommt es durch die Einwanderung von Muslimen zum Erstarken des Antisemitismus? Und was bedeutet diese Diskussion für Feministinnen? Ein Gespräch zwischen der französischen Philosophin Elisabeth Badinter und der deutschen Journalistin Alice Schwarzer.
Führt Masseneinwanderung aus dem islamischen Kulturraum zu einem Erstarken der Judenfeindlichkeit in unseren Gesellschaften?
Elisabeth Badinter: Die Antwort ist schwierig. Die erste Generation und auch die zweite Generation der Einwanderer in Frankreich sind überhaupt nicht durch eine antisemitische Haltung aufgefallen. Ein radikaler Antisemitismus hat sich erst in der dritten, in Frankreich geborenen Generation entwickelt, die sich zugleich zum radikalen Islamismus bestimmter Imame hingezogen fühlt. Es gibt heute in Frankreich keine andere Bevölkerungsgruppe, die wie die Juden ausschließlich aufgrund ihrer Religion schikaniert, gefoltert und sogar getötet wird. Diese Straftaten werden immer von Personen mit muslimischem Einwanderungshintergrund begangen, die sich dem Islamismus verschrieben haben.
Die kürzlich veröffentlichte Studie „Jüdische Perspektiven zum Antisemitismus in Deutschland“ kommt zu dem Ergebnis, dass drei Viertel der befragten Juden Antisemitismus als großes Problem wahrnehmen. Drohen Deutschland französische Verhältnisse?
Alice Schwarzer: Das Phänomen ist neu, aber kein muslimisches. Bei den ersten beiden Generationen türkischer Einwanderer gab es weder verschleierte Frauen noch offenen Antisemitismus. Es kommt eher von jüngeren Arabern, die in Deutschland nicht immer, aber häufig neu zugezogen sind. Es scheint mir relativ wenig mit dem Islam an sich zu tun zu haben, sondern mit dem politisierten Islam, der offensiv antisemitisch beziehungsweise antizionistisch ist. Mich wundert also nicht, dass die wenigen Juden in Deutschland, die aus gutem Grund noch sensibler als die französischen sind, sich Sorgen machen.
Der algerische Schriftsteller Boualem Sansal hat kürzlich als Zeuge vor Gericht in Paris gesagt, der Antisemitismus sei Teil der islamischen Kultur, er werde im Koran, in den Moscheen und in den Familien verbreitet. Sollte der Vorwurf der Naivität angesichts des Islams ernst genommen werden?
Schwarzer: Ich schätze Boualem Sansal sehr, seine Romane wie seine kritischen Analysen. Natürlich gibt es im Islam einen traditionellen Antisemitismus, aber – mit Verlaub – auch im Christentum. Es ist an den Muslimen selbst, selbstkritisch zu sehen, was sie bei sich ändern müssen. Doch ich bleibe dabei: Das Phänomen des Antisemitismus bei Muslimen ist in dieser Virulenz bei uns neu und geschürt vom politischen Islam.
Badinter: Boualem Sansal kennt den Koran besser als ich. In jedem Fall erleben wir heute eine islamische Radikalisierung, die den Antisemitismus zu einer Art religiösen Pflicht erhebt. Das Beunruhigende dabei ist, dass in Frankreich zugleich der gesellschaftliche Konsens bröckelt, nach der Schoa nie wieder Antisemitismus – in welcher Form auch immer – zu dulden. Ein Teil der Linken bei uns jedoch lehnt es ab, den neuen Antisemitismus als solchen zu benennen, geschweige denn zu verurteilen. Es sind die gleichen Leute, die sich auf den Antizionismus berufen. Auch ich halte Kritik am Staat Israel für notwendig, aber Kritik kann nicht bedeuten, das Existenzrecht Israels zu leugnen. Antizionismus läuft aber im Kern genau darauf hinaus.
http://www.faz.net/aktuell/politik/alic ... 33514.html
Schwarzer: „Emma“ hat kürzlich eine Umfrage unter Lehrerinnen gemacht, und die stehen wirklich mit dem Rücken zur Wand. Diese Jugendlichen, die sich mit einer Attitüde der Gewalt inszenieren, schüchtern die anderen ein. Da braucht es nur vier, fünf Schüler in einer Klasse, die geben dann den Ton an, vor allem in Sachen Sexismus. Und da kommt neuerdings noch der Antisemitismus dazu. Auf den Schulhöfen sind „du Jude“, „du Schwuler“ oder „du Opfer“ heute Schimpfwörter. Lehrerinnen werden von Schülern als Nutten beschimpft. Doch die Schulleitungen und auch die Politik wollen jeden Konflikt vermeiden. Wenn die Lehrerinnen sich beschweren, heißt es: Setzen Sie sich mal durch, Sie haben anscheinend Ihre Klasse nicht im Griff.
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