Zwangskollektivierung in der DDR

Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon manudave » 7. Mai 2010, 08:34

Bericht über einen Vortrag, den ich kürzlich besuchte:

http://www.fuldaerzeitung.de/newsroom/h ... t17,284442
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Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Feliks D. » 7. Mai 2010, 11:41

Zwangskollektivierung ein Thema mit positiven sowie negativen Aspekten.

Grundsätzlich ist die These der Konzentration und Spezialisierung auch in der Landswirtschaft richtig. Gerade heute erleben wir ja immer wieder den Protest der Bauern das die Preise zu niedrig sind. Eher ist das Gegenteil der Fall, ihre Kosten sind zu hoch. Viele kleine Firmen sind heute Konzerne oder gehören großen AG's an, nur die Bauer die versuchen sich diesem Zwang zu widersetzen und wollen die Globalisierung nicht mitmachen. Es ist wahnsinn, wieviel die EU da an Subventionen zahlt in ihrem Haushalt, Sozialismus pur. Die kleinen Bauern im Süden meckern über den Milchpreis, die großen Genossenschaften im Norden können jedoch gut damit leben. Das sagt doch schon einiges aus.

Die DDR hat damals mit Zwang das durchgesetzt, was heute auch fällig und nötig wäre wenn die EU endlich einmal die Subventionen insgesamt streichen würde. Die Bauern wären gezwungen sich zu Spezialisieren und zu Produktionsgemeinschaften umzubilden und wir müßten die Landwirtschaft nicht mehr mit allein in Deutschland 3.000.000.000,00€ unserer Steuergelder unterstüzen.

Zudem wurden damals auch viele Neubauern die mit Haus und Hof überfordert waren vor dem Ruin gerettet. Kehrseite war jedoch der Zwang gegenüber anderen, letztendlich war die Aktion doch richtig und wäre auch heute von Nöten.
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Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon manudave » 7. Mai 2010, 11:46

Oh Mann,

so ein Grützmist unter mir.

Wenn selbst Stalin die Zwangskollektivierung in der DDR für einen Fehler hielt und Ulbricht DAS gegen den Willen der KPDSU durchsetzte, dann spricht das eine deutliche Sprache.

Gerade die Unproduktivität in der Landwirtschaft war eines der größten Finanz-Probleme der DDR-Führung.

Warum sind denn die LPG´s heute so erfolgreich?
Weil sie den ganzen Schwachsinn von damals abgeschafft haben und bis zu 90% der Belegschaft wegrationalisiert haben. Mit den großen Maschinen - ja da kann man heute erfolgreich arbeiten.
Das hat aber nichts mit dem zu tun, was die SED damals unter Gewalt, Drohungen und Vertreibung eingeführt hat.
Das war einfach - aus wirtschaftlicher Sicht - schwachsinnig.

Und heutige Suventionen haben damit gar nichts zu tun - bei diesen Zahlungen geht es um ganz andere Sachen.
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Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Feliks D. » 7. Mai 2010, 12:11

manudave hat geschrieben:Oh Mann,

so ein Grützmist unter mir.

Wenn selbst Stalin die Zwangskollektivierung in der DDR für einen Fehler hielt und Ulbricht DAS gegen den Willen der KPDSU durchsetzte, dann spricht das eine deutliche Sprache.

Gerade die Unproduktivität in der Landwirtschaft war eines der größten Finanz-Probleme der DDR-Führung.

Warum sind denn die LPG´s heute so erfolgreich?
Weil sie den ganzen Schwachsinn von damals abgeschafft haben und bis zu 90% der Belegschaft wegrationalisiert haben. Mit den großen Maschinen - ja da kann man heute erfolgreich arbeiten.
Das hat aber nichts mit dem zu tun, was die SED damals unter Gewalt, Drohungen und Vertreibung eingeführt hat.
Das war einfach - aus wirtschaftlicher Sicht - schwachsinnig.

Und heutige Suventionen haben damit gar nichts zu tun - bei diesen Zahlungen geht es um ganz andere Sachen.


Na wenn schon dann über dir, wo oben und unten ist können wir aber gerne noch üben.

Außerdem verwechselst du noch eine zweite Sache, ich habe nicht die Landwirtschaftspolitik und -ökonomie befürwortet sondern den Grundgedanken der Konzentration und Spezialisierung also die Kollektivierung an sich. Die Idee war so schwachsinnig aus wirtschaftlicher Sicht nicht, den die Kollektivierung also die Zusammenlegung zu großen Genossenschaften bietet viele ökonomische Vorteile. Die weitere Planung und Steuerung war natürlich absolut falsch und unökonomisch, jedoch solltest du bedenken das es Anfangs solche große Maschienen nicht gab. Als es diese gab hätte dafür Personal eingespart werden müssen, dies wurde versäumt und war doch das allseits bekannte Grundübel in allen Wirtschaftszweigen der DDR. Stichwort fehlendes Leistungsprinzip.

Also der Anfang, der Zwang zum zusammenlegen der war richtig... alles weitere fürn Ars** da die nachfolgend durchzuführenden Maßnahmen unterlassen wurden.


Zählt Grützmist eigentlich auch zu der "Art wie hier miteinander umgegangen wird" oder sind solch beleidigende Anwürfe, bis auf wenige Ausnahmen wie scheinbar den Captn, für die Moderatoren die Standartäußerungen wenn ihnen etwas nicht genehm ist? [mundzu]
Zuletzt geändert von Feliks D. am 7. Mai 2010, 12:22, insgesamt 1-mal geändert.
Feliks D.
 

Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Berliner » 7. Mai 2010, 12:19

hier ein Clip zum Thema "Zwangskollektivierung".

Berliner [hallo]




Quelle: Damals in der DDR, Teil 1: Neubeginn auf Russisch - mdr
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Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon karl143 » 7. Mai 2010, 12:24

Wenn sich heute Bauern zu Gemeinschaften zusammenschließen, und das kommt ja auch wirklich vor, dann tun sie das aus wirtschaftlichen
Erwägungen heraus.Und ein ganz großer Unterschied zur damaligen Zwangskollektivierung ist die Tatsache, das sie ihr eigener Herr bleiben.
Das war ja damals nicht der Fall. Der Staat, bzw. die Partei bestimmte über alles. Und das obwohl dort keine Fachleute die Richtung vorgaben,
sondern ideologisch geschulte Parteisekretäre.

Zweiter Punkt: Wenn schon die Subventionen hier angesprochen werden: Die größten Nutznieser dieser Subventionen sind die flächenmäßig
großen Zusammenschlüsse in den neuen Ländern. Von deren Zahlen träumt der "kleine" Bauer in den alten Ländern. So ist das nun mal.
Aus der Not heraus haben sich viele landwirtschaftl. Betriebe in Maschinenringen o. ä. organisiert und nutzen die Geräte alle.

Drittens: Ich bin eigentlich generell gegen diese Art von Subvention. Der Landwirt war schon immer ein "Selbständiger" der aber immer von
der Subvention erst aus Bonn und später aus Brüssel provitierte. Bei vielen Erzeugnissen weiß er ja vorher schon, was er in der Tasche hat.
Von einem unternehmerischen Risiko kann da keine Rede sein. Aber die Landwirte habe es schon immer verstanden, ihre Lobby richtig ein-
zusetzen.
karl143
 

Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Ernest » 7. Mai 2010, 13:21

Ich bin nicht der Experte auf diesem Gebiet, gehe eher von meinem Bauchgefühl aus. Darum lasse ich mich auch gern belehren.
Wenn es in der Landwirtschaft heute Zusammenschlüsse gibt, dann ist das mehr eine sich ergänzende Zweckgemeinschaft, da nicht jeder alles haben kann. Man ergänzt sich halt nur (auch bezüglich Maschinen und so), wobei jeder Bauer doch sein eigener Herr ist und auch entsprechend entscheidet. Aber alles vielleicht mit entsprechender Absprache.
Eine Kollektivierung im großen Stil wäre bestimmt nicht von Vorteil, denn je größer, um so träger wird entschieden und umgesetzt. Im kleinen Rahmen kann jedoch schnell und flexibel reagiert werden. Ein kleiner Betrieb kann sich schneller auf wechselnde Ansprüche einstellen und entsprechend handelt.
(wie gesagt.......Bauchgefühl) [flash]

Gruß
Herbert
Ernest
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Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Hans-Peter » 17. Mai 2010, 14:48

wolle1978 hat geschrieben:Zwangskollektivierung ein Thema mit positiven sowie negativen Aspekten.

...Die DDR hat damals mit Zwang das durchgesetzt, was heute auch fällig und nötig wäre wenn die EU endlich einmal die Subventionen insgesamt streichen würde. Die Bauern wären gezwungen sich zu Spezialisieren und zu Produktionsgemeinschaften umzubilden und wir müßten die Landwirtschaft nicht mehr mit allein in Deutschland 3.000.000.000,00€ unserer Steuergelder unterstüzen.

Zudem wurden damals auch viele Neubauern die mit Haus und Hof überfordert waren vor dem Ruin gerettet. Kehrseite war jedoch der Zwang gegenüber anderen, letztendlich war die Aktion doch richtig und wäre auch heute von Nöten.



Lieber Wolle, besonders der letzte Abschnitt zeugt von wenig Wissen über die wirklichen Ereignisse der damaligen Zeit. Deshalb möchte ich einiges vertiefen, anderes geraderücken, was Du hier schilderst, wenn Du bitte gestattest.

Zum Geraderücken: Die Neusiedler, die nach der Bodenreform plötzlich Neubauern mit eigener Scholle und eigenem Hof waren, wurden Anfang der 50er Jahre schnell vom Staat - und das war damals schon erklärte SED-Agrarpolitik unter Führung Ulbrichts - unter Druck gesetzt durch rapide Erhöhung des Ablieferungssolls. Davor durften die Bauern landwirtschaftliche Erzeugnisse, wenn sie ihr Ablieferungssoll erfüllt hatten, "auf freie Spitzen" verkaufen. Und das brachte ihnen erst die Einnahmen auf den Hof, um Futter und Saatgut einzukaufen für das nächste Wirtschaftsjahr. Doch je höher das Zwangablieferungssoll wurde, je weniger blieb für "freie Spitzen" und nötige Betriebsinvestitionen übrig. Im Gegenteil nicht wenige Neubauern schafften ihr Soll nicht mehr und wurden sogar "Rückenteignet" durch Parteibeschluss. . Die Folge war, dass durch utopische Zahlen beim Ablieferungssoll immer weniger Neusiedler mithalten konnten. Das Kalkül der SED war, je mehr Neubauern in Schwierigkeiten geraten, um so schneller greifen sie zum Notnagel und schließen sich den geplanten LPG an - das wardie Abkürzung für die gepanten Landwirtschaftlichen Produktions Genossenschaften. Doch die SED verkalkulierte sich: Denn gleichzeitig kam es zu einer ersten Ernährungskrise, weil es plötzlich durch "die Zerschlagungstaktik" der Neubauernhöfe auch viel weniger landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Mehl, Milch, Butter, Margarine, Fleisch und Wurst gab.

Aber dazu habe ich im Internet auch einen aussagekräftigen Bericht am konkreten Beispiel eines Dorfes gefunden.
Der Link dazu:
http://www.horch-und-guck.info/hug/archiv/2000-2003/heft-41/04104/

Zum Vertiefen: Obwohl die Stasi damals noch lange nicht den Personalstand von 90 000 wie zum DDR-Kollaps 1989 hatte, mischte sie im Auftrag der Partei schon kräftig auf dem Lande mit. Trafen sich Bauern, um über Protestmöglichkeiten gegen das steigende Ablieferungssoll zu sprechen, war die Stasi informiert oder saß sogar mit im Dorfkrug. Verständlich, dass die aufmüpfigsten Neubauern zuerst "Rückenteignet" wurden. Aber die Stasi überwachte auch die angestammten Bauern. Und war einer "zu groß" - was Hof-, Acker-, Wiesen- oder sogar Waldfläche und seinen Einfluß auf andere Bauern betraf - fand eine plötzliche Buchprüfung statt, ob finanziell etwas nicht stimmte oder an dem staatlich festgelegten Ablieferungsoll vorbei heimlich mehr produziert und zusätzlichen Gewinn brachte. Und wen die "Prüfer" auf dem Kieker hatten, bei dem fanden sie was. Viele Bauern retteten sich im letzten Moment durch den Zugriff vor Polizei oder Stasi durch die Flucht in den Westen. Den Hof, Nutzflächen und Vieh kassierte der Staat für die LPG, nicht ohne die Geflüchteten noch als "Verräter, Saboteure und Agenten" propagandistisch zu verleumden, "die im Auftrag der westdeutschen Kriegstreiber die Landwirtschaft in der DDR sabotiert, für die Ernährungskrise verantwortlich seien, weil sie sich um ihr Ablieferungssoll gedrückt und ihre Erzeugnisse gegen harte Westmark nach Westberlin und Westdeutschland verschoben" hätten.

Und wie SED und sogar Stasi in den Folgejahren Bauern, die nicht in die LPG wollten, unter Zwang setzten und terrorisierten ist gleichzeitig aus dem Bericht zu erfahren, auf den obenstehender Link deutet. Sogar wir Schüler wurden mit Bussen und Losungszetteln auf die Dörfer zu den kritischen Bauern gekarrt, um diese stundenlang mit monotonen Sprechchören zu terrorisieren, sogar in den Abendstunden. Und wir Kinder wurden dazu gezwungen. Andernfalls hätten wir Ärger mit unserer Schule bekommen und die Eltern mit dem Staat. Sogar wir Heimkinder wurden da nicht ausgenommen. Ja lieber Wolle1978, mein Vater ist gleich nach dem Krieg auf das Land gegangen als Schmied, baute Pflüge für die Neubauern, reparierte Lanz Bulldogs und und und - auch er hatte im Zuge der Bodenreform eine Scholle abbekommen und fütterte noch Schweine, hielt Ziegen, Gänse und Hühner. Eigentlich war er ein Nebenerwerbsbauer, musste aber trotzdem auf immer höher steigendes Soll abliefern. Und dann liefen noch "sogenannte Spät-Kriegsheim kehrer" durch die Dörfer, Behördenspitzel, die im Spätherbst oder Winter schnüffelten, dass ja keine Schweine ohne Schlachtschein für den Privatverbrauch geschlachtet wurden, besonders "keine Schweine mit zwei Köppen". Manche versuchten nämlich mit der Schlachtgenehigung für ein Schwein gleich zwei zu verwursten. Als Kind - als ich acht war wurden meine Ollen geschieden - hatte ich zwar noch nicht so eine Auffassungsgabe, aber später hat mir mein Vater viel aus dieser Zeit erzählt, und andere ehemalige Neubauern. Jau, so wier dat na de Kriech up de Dörper in de Sowjetzon un speiter DeeDeeErrr. Hol de Urhn stiep wolle. gruss Hp [wink] [hallo]
Zuletzt geändert von Hans-Peter am 17. Mai 2010, 15:18, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Berliner » 17. Mai 2010, 15:16

Die Bauernfamilie Pohl zum Thema "Zwangskollektivierung".

Berliner [hallo]


Quelle: Das war die DDR, Kapitel 1: Ich war Buerger der DDR
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Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Hans-Peter » 17. Mai 2010, 15:38

Achso zur Ergänzung. So ungefähr lautete einer der "geistreichen Sprüche", mit denen wir Kinder bereits Bauern terrorisieren mussten, die freie Bauern bleiben und nix von LPG und so wissen wollten: "Bauer ... Schluss mit alter Zunft, Auf zu sozialistischer Vernunft, warum tust Du dich noch wehren, da hilft auch nicht das Rias-Hören, sein nicht länger unser Feind, denn wir brauchen Dich als Freund, und wir fordern jetzt von Dir, geh auch Du vom ich zum Wir." Soweit aus der Einnerung "rekonstruiert" [laugh] [flash] hp
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Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Turmwache » 31. Mai 2010, 13:57

Den Mitgliedern oder Angestellten in den LPG´n, PGH´n oder anderen Genossenschaften ELG´n ging es genüber den Arbeitern und Angestellten der VEB´s richtig gut, wenn ich das mal so in einem Stz verdichten darf.
Es gab also in diesen Genossenschaften Mitglieder, begründet darauf was diese mehr oder weniger freiwillig in die LPG eingebracht hatten, zB einen 3-Seitenhof oder Äcker oder Technik oder Tiere. Dazu gab es dann die entsprechende Gewinnausschüttung oder auch Deputat zu den selbst beschlossenen (innerhalb der staaatlichen Vorgaben) Satzungen und Terminen gab es dann Rechenschaftslegungen und "Kohle".
Die Genossenschaften hatten hervorragende Ferienheime an den begehrten Brennpunkten der DDR-Urlaubszentren.
(Ich schweife jetzt mal kurz ab: Bei der DR der DDR nannte sich diese Ausschüttung "Dividende")
Wie gesagt die Mitglieder und Angestellten hatten Urlaubs und Ferienheime und konnten richtig Urlaub machen - welcher kleine Bauer kann das noch heute.
Da also in den Verschiedensten Arten der Genossenschaften private Gelder angelegt waren kamen die vollen Preissteigerungen bei der Berechnung von erbrachten Leistungen durch zB VEB´s welche dort Reparatur oder Handwerksarbeiten ausgeführt hatten in keinem Falle zur Anwendung. Die Preise waren auch in dem Fall wie gegenüber der Bevölkerung gestützt, wenn auch nicht in vollem Umfang, den Faktor weiß ich leider nicht mehr.
Anders wenn von VEB zu VEB berechnet wurde, dann kam der aktuelle Faktor zur Anwendung, also höher als "1".
Die somit eingefahrenen Verluste wurden durch Nachweisführung vom Staat zurückgeholt, waren aber grundsätzlich im Rahmen der Planwirtschaft vorher innerhalb des zu erwartenden Planjahres in einem festen Rahmen geplant, was zu merkwürdigen Absurditäten führte.
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Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Nostalgiker » 20. August 2015, 18:08

Wurde den Bauern wirklich "ihr Land" geraubt?
Demzufolge müßte alles Land was später durch eine LPG bewirtschaftet wurde Staatseigentum gewesen sein. Warum nannte sich dann eine LPG "Genossenschaft"?

Ich gehe davon aus das hier in diesem Artikel, und nicht nur da, suggeriert werden soll das die Kollektivierung in der DDR Landraub war, also privates Eigentum an Land ersatzlos enteignet wurde.
War dem so? Wenn ja beweist es.


Thoth
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Kumpel » 20. August 2015, 18:16

Bei meinen Großeltern wurde zwangsweise ein Propagandist einquartiert , der saß dann mit am Küchentisch und hat sich bei meinen Großeltern durchgefressen und so lange auf sie eingeredet bis sich mein Opa
entschlossen hatte der LPG beizutreten. Das hat so eine Woche lang gedauert.
Freiwillig hätte der das nie gemacht. Im Lauf der Jahre wurden Einfamilienhäuser und Kleingartenanlagen auf Teilen des Landes errichtet , ohne das meine Großeltern gefragt oder vorher informiert wurden.
Das Land war de facto geraubt.
Kumpel
 

Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 20. August 2015, 18:21

DDR- Bürgerrechtler Michael Beleites, Verfasser der vor der Wende ausgegebenen Untergrundschrift „Pechblende“ über die Folgen des sowjetisch- deutschen Uranbergbaus in der DDR, hat auch Agrarwissenschaften studiert und war von 2000- 2010 Leiter der Stasi- Unterlagenbehörde in Sachsen. Er sagt (sinngemäß):

Die ostdeutschen Agrarstrukturen entstanden durch blanke Gewalt der Enteignung. Sie waren Folge von flächendeckenden Zwangsmaßnahmen einer menschenverachtenden Diktatur. Die Bodenreform, die Kollektivierung und die Industrialisierung waren drei Teile desselben Plans und sie dienten einem zentralen Ziel der kommunistischen Ideologie, der kompletten Auslöschung des Berufsstandes der freien Bauern“.


Weiter schreibt er (hier an die sächs. Landesregierung, 2012):
„Was die DDR noch nicht zu Ende gebracht hatte, wird heute vollbracht. Die 1945 von den Gutsbesitzern enteigneten Flächen werden heute dazu verwendet, um die Begünstigten der Kollektivierung mit riesigen Eigentumsflächen auszustatten... Die Begünstigten der SED- Agrarpolitik wurden in den letzten 20 Jahren weiter begünstigt und die von den Kommunisten geschädigten wurden weiter benachteiligt. Diese (Roten Barone) haben nun einen Großgrundbesitz, der den jener Gutsbesitzer und Junker, die von den Kommunisten als zu groß befunden und enteignet wurden, etwa um das zwanzigfache übertrifft“.

Interessant, nicht wahr?

AZ
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Re: Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten

Beitragvon Volker Zottmann » 20. August 2015, 18:52

Augenzeuge,
das ist nicht nur interessant, das ist auch nachweisbar. Man sollte sich nur mal als Beispiel die riesigen Ackerflächen der Magdeburger Börde anschauen. Ich habe da vor wenigen Jahren schon um Langenweddingen gestaunt. Bester Boden , kein Großgrundbesitzerland mehr seit 1950 etwa. Heute immer noch kein Klein-oder Neubauernland wieder. Alte Besitzstände, ob vor oder nach der Bodenreform finden sich nicht mehr.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten

Beitragvon karnak » 21. August 2015, 09:42

Volker Zottmann hat geschrieben: Heute immer noch kein Klein-oder Neubauernland wieder. Alte Besitzstände, ob vor oder nach der Bodenreform finden sich nicht mehr.


[flash] Ganz einfach weil es sich so in der Landwirtschaft nicht mehr effizient wirtschaften lässt.Weil kaum ein ehemaliges "Zwangsgenossenschaftsmitglied" auf ein paar Hektar rumwerkeln wollte. Und so haben sich die Leute sehr schnell wieder in Agrargenossenschaften zusammengefunden, diesmal freiwillig. Die Typ ist einfach einer der vielen Dummschwätzer, der von der Materie nicht die geringste Ahnung zu haben scheint, dafür sich etwas in seinem"Wiederstandsgehirn" zusammenspinnt.
Übrigens waren die LPG,die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften nie so ein Staatseigentum wie ein VEB oder ein Volkseigenes Gut. Die dort arbeitenden Mitglieder der LPG hatten im Rahmen ihrer Mitgliederversammlung zumindest ein bestimmtes Recht auf die"unternehmerischen Entscheidungen" ihres Betriebes Einfluss zu nehmen und haben das auch getan und sie waren am Gewinn ihres Unternehmens über ein Prinzip von Einheiten nach denen die Lohnzahlung erfolgte am Gewinn ihrer Genossenschaft beteiligt und hatten bis zum Ende die Möglichkeit über eine individuelle Viehhaltung zusätzlich Geld zu verdienen. Ich weiß das weil meine Eltern ihr Leben lang in solch einer LPG gearbeitet haben. Als sich diese LPG für DDR-Verhältnisse zu durchaus profitablen Unternehmen gemausert haben, gab es nicht wenige der übrig gebliebenen wenigen Einzelbauern die in dieses LPG wollten weil sie die Vorteile für sich erkannt hatten. NUR, dann lehnte die Mitgliederversammlung solche Aufnahmen oft ab weil die maroden Krauter nur noch Kosten befürchten ließen.
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Re: Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten

Beitragvon augenzeuge » 21. August 2015, 09:54

karnak hat geschrieben:Die Typ ist einfach einer der vielen Dummschwätzer, der von der Materie nicht die geringste Ahnung zu haben scheint, dafür sich etwas in seinem"Wiederstandsgehirn" zusammenspinnt.

Der hat das nur studiert.... Hast du dich nie gefragt wie das im Westen funktioniert? Also, dass das überhaupt.... [denken]
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Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon karnak » 21. August 2015, 10:01

augenzeuge hat geschrieben:
karnak hat geschrieben:Die Typ ist einfach einer der vielen Dummschwätzer, der von der Materie nicht die geringste Ahnung zu haben scheint, dafür sich etwas in seinem"Wiederstandsgehirn" zusammenspinnt.

Der hat das nur studiert.... Hast du dich nie gefragt wie das im Westen funktioniert? Also, dass das überhaupt.... [denken]
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[grin] Ich kenne nun genug studierte bei denen ich mich frage ob das einen Sinn gehabt hat.
Und im Westen hat es auch immer weniger funktioniert, der größte Teil der"freien Bauern" betrieben ihre Landwirtschaft als Zweitjob oder es haben sich ein paar zu Großbauern gemausert, Flächen von den kleinen Bauern auf"eigener Scholle" aufgekauft und zwar von denen die schlichtweg aufgegeben haben, produzieren dann auch im großen Stil.
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Re: Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten

Beitragvon Olaf Sch. » 21. August 2015, 10:18

wir verpachten unser Land an die "ehemalige" LPG
Olaf Sch.
 

Re: Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten

Beitragvon karnak » 21. August 2015, 10:43

AkkuGK1 hat geschrieben:wir verpachten unser Land an die "ehemalige" LPG

[grin]
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Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 21. August 2015, 15:29

Schau mal was meine Lieblingsseite dazu schreibt....:

Auch die DDR-Landwirtschaft litt unter den üblichen Problemen der Planwirtschaft. Doch seit 1990 hat sie sich zu einem Erfolgsmodell entwickelt. Im Agrarbereich wird heute im Osten mit besseren Ergebnissen gewirtschaftet als im Westen.


http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-e ... haft?p=all

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Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Edelknabe » 21. August 2015, 17:23

Irgend wo schrieb ich das schon mal. Der Rainer mit Frau vor paar Jahren nahe Stuttgart zu Besuch bei unserer Jüngsten, denn das Mädel arbeitete zu der Zeit dort in der Ecke. Die Felder ringsum auch in Richtung Schwarzwald so ne Art Handtuchgrößen, ich dachte ne Gott was ist das denn diese mickrige Kleinbauernwirtschaft, das hat sich doch längst überlebt sowas.

Dann paar Ländereien dabei, du dachtest der Trecker an deren Scheune ist aus dem 18. Jahrhundert, so steinalt sah die Karre aus? Dort bissel Kohlköpfe, da paar Rüben, die haben doch nie und nimmer das Zeugs beim Großhändler zu nem ordentlichen Preis vertuckern können so das deren kleine Ernte auch in den örtlichen Laden kam? Oder doch? Gar mit Bioanbau?

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Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon EMW-Mitarbeiter » 21. August 2015, 18:08

Na, heute gibts dafür die Zwangsteamisierung....
Ich lese nur noch.
Manchmal platzt mir der Kragen, manchmal schmunzel ich.
Aber weiterhin gegen ewige Betonköpfe diskutieren werde ich nicht.
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Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Edelknabe » 21. August 2015, 18:32

Das musst du unbedingt näher erklären EMW? Ist Bauer West etwa anders drauf wie Bauer Ost? Wie hieß das..."Zwangsteamisierung" oder so?

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Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 13. Oktober 2015, 21:27

Die ostdeutsche Landwirtschaft ist das Spezialgebiet von Jens Schöne, Historiker und stellvertretender Berliner Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen.
Jetzt beschreibt er die "Landwirtschaft der DDR 1945 bis 1990" in einer Broschüre für die Thüringer Landeszentrale für politische Bildung.

Die SED hielt Bauern für ideologisch unzuverlässig. Deshalb wurden traditionelle Strukturen durch Bodenreform und Kollektivierung zerstört.

Mehr als die Hälfte jener Menschen, die 1958 bis 1961 meist über Berlin in die Freiheit der Bundesrepublik flüchteten, kamen vom Land.

Mit großer Härte setzte die SED die Kollektivierung der Landwirtschaft durch. Aus mehr als 850.000 meist sehr kleinen Einzelbetrieben wurden 20.000 Kollektive, darunter manche gigantischen Agrarkombinate. Erst nach zehn oder mehr Jahren erreichten diese Betriebe die Ertragszahlen der zerschlagenen Strukturen.
http://www.welt.de/geschichte/article14 ... lacht.html

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Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Interessierter » 4. Mai 2016, 11:01

"Eigensinn" im ländlichen DDR-Alltag

Ein thüringisches Dorf zwischen Anpassung und Widerstand auf dem Wege der Kollektivierung

Vorbemerkungen:
"Horch und Gucks" – ein mir völlig fremder Begriff – begegnete mir zum ersten Male in Merxleben, einem thüringischen Dorf, über dessen Alltagsleben zu DDR-Zeiten ich als Münchener Kulturwissenschaftlerin gerade zu recherchieren begonnen hatte. Ich erfuhr, daß der Begriff die umgangssprachliche Umschreibung für Stasi-Mitarbeiter und ihre Tätigkeit gewesen sei, daß man ihn aber nur hinter vorgehaltener Hand verwenden durfte. Fünf Stasi-Offiziere habe es im Dorf gegeben und jeder vierte im Dorf sei ein Spitzel und Zuträger gewesen, erzählte mir eine Bäuerin am Telefon weiter, und ich solle besser nicht zu ihr auf den Hof kommen, denn man wisse ja nie, wie ihr das heute ausgelegt werden würde, weil "die alten Seilschaften" alle noch Einfluß hätten.

Eine weitere Überraschung war die Mitteilung, daß der erste Vorsitzende der ersten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) der DDR, seinerzeit Mitglied des Zentralkomitees der SED, bereits zu DDR-Zeiten als SS-Mann enttarnt worden war und angeblich KZ-Bewacher gewesen sein soll. Als mich dann noch die Information (das Gerücht?) erreichte, Stallungen der Merxlebener LPG, moderne freitragende Hallen, seien in Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit als Isolierungslager für Systemgegner im sogenannten "Ernstfall" vorgesehen gewesen, war mein Forschungsenthusiasmus stark gebremst. Ich begann zu ahnen, daß das dörfliche Alltagsleben in Merxleben doch wohl etwas komplexer gewesen sein müsse, als ich es mir als Westdeutsche bislang vorgestellt hatte.

Merxlebens Entwicklung vom Gutsdorf zum "sozialistischen Dorf" – ein Überblick

Merxleben kann auf eine 120jährige Geschichte zurückblicken* und hat seit dem 19. Jahrhundert ca. 500 Einwohner. Es liegt im fruchtbaren Thüringer Becken unweit von Bad Langensalza, nahe dem Fluß Unstrut und war seit jeher landwirtschaftlich geprägt. Vor dem Kriege gab es ein Rittergut mit 124 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und 85 ablieferungspflichtige Betriebe, davon einige großbäuerliche, vorherrschend aber mittelbäuerliche Betriebe. Die kleinbäuerlichen Höfe waren bei Kriegsende stark dezimiert. Schon während des Krieges, vor allem aber danach kamen Flüchtlinge nach Merxleben, so daß die Bevölkerungszahl sich um mehr als 50% erhöhte und der Wohnraum nicht mehr ausreichte. Soziale Konflikte waren vorprogrammiert. Einige Flüchtlingsfamilien zogen weiter, andere, vor allem aus dem Sudetenland, Schlesien und Ostpreußen aber blieben – Umsiedler hießen sie fortan.

Im Zuge der Bodenreform 1945 wurde das Rittergut und der Besitz des ehemaligen NS-Kreisbauernführers enteignet und an Landarme und Flüchtlinge verteilt. 35 anspruchsberechtigte Familien wurden ermittelt, die Land, Nutztiere und kleinere Landmaschinen erhielten. Der Gutsbesitzer wurde zeitweise inhaftiert, später des Dorfes verwiesen, das Gutshaus 1948 trotz Widerstandes der Dorfbevölkerung auf Weisung des Landrats abgerissen. Die Umsiedler errichteten sich aus Abbruchmaterial ehemaliger Kasernen Neubauernhöfe, hatten aber mit deren Bewirtschaftung aufgrund der unzureichenden technischen Ausrüstung und des zu kleinen Viehbestandes große Schwierigkeiten. Sie wurden von den Alteingesessenen nicht unterstützt, sondern mußten für jeden Maschinenleih mit Hand- und Spanndiensten bezahlen. Die Maschinen-Ausleih-Stationen (MAS) arbeiteten lieber auf den ausgedehnten Flächen der Großbauern, "die den Traktoristen Würste einpackten" – so ein Bericht eines Neubauern – als auf den winzigen Feldern der Neubauern.

Die ganze Geschichte kann man hier lesen:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... 4-schlier/
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Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Interessierter » 21. September 2016, 09:20

Zwangskollektivierung am Beispiel Fink

Die Familie Fink lebte in Kranlucken und zählte zu den größten Bauern des Ortes. Hermann Fink, der Vater der Familie, musste 1960 gemeinsam mit den anderen Bauern von Kranlucken der LPG beitreten und wurde somit Genossenschaftsbauer. Zu diesem Zeitpunkt wurde ihnen jedoch rechtlich zugesichert, dass sie wieder austreten könnten. Von diesem Recht machte Herr Fink ein Jahr später auch Gebrauch und kündigte den Vertrag. Neben ihm entschlossen sich noch drei weitere Bauern dazu. Dadurch verlor die LPG viel Land und der Fortbestand der Genossenschaft in Kranlucken war in Gefahr. Fast täglich wurden die Bauern, welche ausgetreten waren, mit Lautsprecherwagen terrorisiert, welche vor ihren Türen standen. Zusätzlich verteilte man Flugblätter mit Aufschriften, wie zum Beispiel: “Schluss mit dem Treiben der Schmutzfinken!“. Das Leben wurde ihnen so schwer gemacht, dass sie sich wieder für die Genossenschaft entschieden und der LPG erneut beitraten, außer Familie Fink.

Diese beharrte weiterhin auf ihrem Recht und Willi Fink, der Sohn, warf selbst den Landrat aus dem Haus. Bereits am folgenden Tag verhaftete man Willi Fink an seiner Arbeitsstelle und brachte ihn nach Geisa zur Volkspolizei, wo er verhört wurde. Man warf ihm vor, er habe die anderen Bauern aufgehetzt und somit zählte er zu den „Kriegstreibern“. Außerdem habe er laut Polizei Westkontakt. Willi Fink weigerte sich diese falschen Vorwürfe zuzugeben, woraufhin er Tritte und Schläge bekam. Er wurde so sehr misshandelt, dass er unter den Folgen Jahre später noch litt. Der erst Zwanzigjährige wurde auf einen Lastwagen gebracht, wo sein Vater wartete. Auch er bekam Schläge ins Gesicht, dass er blutete. Der Lastwagen transportierte sie in ein freies Gelände in der Nähe von Wiesenfeld. Dort wurden sie aus dem Wagen auf die Straße geworfen.

Um sie stand ein Kreis mit Polizeibeamten und Männern von der Staatssicherheit, welche Maschinengewehre auf sie richteten. Diese beschimpften Hermann und Willi Fink und riefen ihnen zu, dass sie in diesem Land nichts mehr verloren hätten. Danach bildeten sie ein Spalier bis hin zum Grenzzaun, wo beide um ihr Leben bangend durchrennen mussten. Sie wurden dabei von rechts und links getreten und geschlagen.

Als sie auf westlicher Seite waren, wurden sie von den Zöllnern mit zur Polizei nach Fulda genommen. Anschließend blieben sie einige Tage bei ihren Verwandten in Setzelbach und wurden danach zur Befragung nach Bonn gebeten. Willi und Hermann Fink lebten dann in Setzelbach bei ihren Verwandten. Die zurückgelassene Familie in Kranlucken wurde ausgewiesen und auf einen Gutshof nach Oberanschütz in der Nähe von Döbeln gebracht. Später durfte die Mutter ausreisen, jedoch mussten die beiden Geschwister von Willi Fink zurückbleiben. An diesem Beispiel wird deutlich, wie brutal und menschenverachtend der Staat zu dieser Zeit mit seinen Bürgern umging, welche eine andere Meinung hatten oder nicht im Sinne der Staats- und Parteiführung handelten.

Mit massiver Propaganda versuchte man die Menschen einzuschüchtern. Gelang dies nicht, so wurden härtere Maßnahmen eingeleitet. Der Fall Fink sollte als abschreckendes Beispiel dienen, um den Widerstand aller anderen Bauern in Kranlucken sowie im ganzen Geisaer Amt zu unterbinden. Aus dem Gespräch mit Herrn Fink ging hervor, wie sehr diese Aktion sein Leben beeinflusst hat. Auch heute noch fällt es ihm schwer über das Geschehene zu berichten. Außerdem kommt das Erlebte immer wieder in seinen Träumen vor und er hat seit dieser Zeit Angst bei Dunkelheit ohne Begleitung aus dem Haus zu gehen.

http://diddi-online.net/beta/index.php? ... view&id=97

Seit dem Bestehen der SBZ/DDR waren es immer wieder die Vopo und die Stasi, die ihre Macht missbrauchten und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begingen, wie auch hier gegenüber der Familie Fink.
Interessierter
 

Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Interessierter » 4. November 2016, 12:47

Sozialismus auf dem Lande - Genossenschaften und SED-Agrarpolitik 1952/53

Im Verlauf der 1950er Jahre wandelte sich die agrarökonomische Struktur der DDR auf Betreiben der SED-Führung grundlegend. Mehr als 800.000 privatbäuerliche Betriebe wurden im Rahmen einer Kollektivierung zu etwa 20.000 Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) zusammengefaßt und veränderten die wirtschaftlichen und sozialen Beziehungsgeflechte sowie die Machtverhältnisse in den Dörfern nachhaltig. Diese "sozialistische Umgestaltung" begann 1952, einen vorläufigen Höhe- und Schlußpunkt erlebte sie in den Tagen um den 17. Juni 1953. Im Folgenden soll nachvollzogen werden, wie dieser Prozeß begann, inwiefern er auf Zustimmung und Widerstände innerhalb der ländlichen Gesellschaft stieß, wie Spontaneität, Freiwilligkeit und Zwang hierbei zu gewichten sind und welche kurzfristigen Folgen sich daraus ergaben.

Von Moskau nach Merxleben: Die ersten LPG


In der Zeit vom 31. März bis zum 8. April 1952 weilte die Spitze der SED-Führung – Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl, Walter Ulbricht – zu politischen Gesprächen in Moskau. Und wie immer, wenn dies der Fall war, ging es um grundsätzliche Fragen. Nachdem kurz zuvor die deutschlandpolitischen Bestrebungen der Sowjetunion, manifestiert in den sogenannten "Stalin-Noten", an der Ablehnung der Westmächte gescheitert waren, stand nun der Aufbau eines ostdeutschen Separatstaates nach sowjetischem Vorbild auf dem Programm.

Besondere Bedeutung wurde dabei der ländlichen Gesellschaft beigemessen, hier regte Stalin persönlich einen grundlegenden Wandel der SED-Politik an.
Zwei Gründe scheinen dafür ausschlaggebend gewesen zu sein: Einerseits war die Agrarwirtschaft jener Bereich der DDR-Ökonomie, der sich dem staatlichen Zugriff jenseits von Pflichtablieferungen u. ä. am weitesten entzog, andererseits sollte gerade sie jene Mittel zur Verfügung stellen, die für die Finanzierung der auf der II. Parteikonferenz zu fassenden Beschlüsse dringend benötigt wurden. Entgegen der bisherigen Vorgehensweise sollten nun vereinzelte Produktionsgenossenschaften gegründet und diese als Initialzündung für eine sozialistische Massenbewegung auf dem Lande genutzt werden. Dabei sei es keineswegs notwendig, "lauthals vom Sozialismus zu reden", vielmehr müßten ökonomische Vergünstigungen und eine umfassende Propaganda zunächst für eine gewisse Akzeptanz der Kollektivwirtschaften unter den Kleinbauern sorgen.1

Es kann also kein Zweifel bestehen, daß der Übergang zur genossenschaftlichen Produktion im Frühsommer des Jahres 1952 auf Veranlassung Moskaus erfolgte. Allerdings wäre es verfehlt, hierin einen Befehl zu sehen, der den Interessen der deutschen Kommunisten entgegenlief oder diesen gar aufgezwungen worden wäre. Das Gegenteil ist der Fall: Seit spätestens 1948 – wenn nicht früher – hatte die SED-Führung konsequent darauf hingearbeitet, gewachsene Strukturen zu zerstören, um so Platz für neue, der marxistisch-leninistischen Ideologie entlehnte, zu schaffen. Der "verschärfte Klassenkampf" gegen die Großbauern zählte dazu ebenso wie die zielgerichtete Zerschlagung der traditionellen Züchterverbände und der Raiffeisengenossenschaften. Dabei war die Agrarpolitik von einer zunehmenden Radikalisierung gekennzeichnet, die in der Kollektivierung lediglich ihre konsequente Fortsetzung fand.2

Nun, da diese auf die tagespolitische Agenda rückte, griff die SED-Führung auf jene genossenschaftsähnlichen Zusammenschlüsse zurück, die sich bereits seit 1945/46 in zahlreichen Dörfern gebildet hatten und mit Hilfe deren vor allem die ökonomisch schwachen Bauern ihre Stellung zu verbessern suchten. Diese Zusammenschlüsse – u.a. Saatgut-, Ernte-, Ablieferungsgemeinschaften –, waren an den überlieferten Genossenschaften des 19. Jahrhunderts orientiert, bezweckten "die Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder"3 und hatten mit den nun entstehenden LPG oder gar dem Sozialismus auf dem Lande so gut wie nichts gemein. Dessen war sich durchaus auch die politische Führung der DDR bewußt, die derartige Allianzen bei Bekanntwerden konsequent auflöste.

Dies änderte sich im Frühsommer des Jahres 1952 jedoch grundlegend, denn nun sollten eben jene Kooperationsformen zu Produktionsgenossenschaften entsprechend der Definition Lenins und somit zur "Keimzelle des Sozialismus auf dem Lande" ausgebaut werden. So ist es natürlich kein Zufall, daß gerade ab Anfang Juni Forderungen von lokalen Partei- und Staatsfunktionären laut wurden, derartige Beispielgenossenschaften zuzulassen. Innerhalb weniger Tage sprachen Delegationen aus zahlreichen Dörfern der DDR beim Ministerium für Land- und Forstwirtschaft in Berlin vor und forderten hier ultimativ Unterstützung für die Gründung von LPG ein.

Weiter mit dem Beitrag geht es hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... -41/04102/

Irgendwie hatten die ostdeutschen Genossen mit der UDSSR einen schlechten Ratgeber, der vieles einforderte ,wozu die Bevölkerung überhaupt nicht bereit war. Was man 1953 nur mit Panzern niederwalzen konnte, gelang dann dem Volk endlich und glücklicherweise 1989. [denken]
Interessierter
 

Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Interessierter » 8. Dezember 2016, 12:40

Landtechnik und "Aufklärung"

Die Mitarbeiter des MfS in den Politischen Abteilungen der Maschinen-Traktoren-Stationen (MTS)

Nach dem Beschluß des II. Parteitages der SED Anfang Juli 1952 über den umfassenden Aufbau des Sozialismus standen enorme Aufgaben an, die sich unter anderem auf die ökonomische und politische Veränderung und Stabilisierung der Produktionsverhältnisse auf dem Lande richteten. Ziel war es, die privat-bäuerliche "kapitalistische" Wirtschaftsweise durch die genossenschaftliche abzulösen, ein Produktionsbündnis zwischen Arbeitern und Bauern mit der Bereitstellung effektiver Technik durch die MTS herzustellen und ökonomisch sowie ideologisch den Wettlauf der Systeme zu gewinnen. Diese Neuausrichtung, die ein Umdenken der verantwortlichen Institutionen erforderte, wollte man durch zielgerichtete Agitation unter Kontrolle der Funktionäre der Partei und der Mitarbeiter der Staatssicherheit vorantreiben. Bewußtseinsänderung und Kollektivierung waren, so der doktrinäre Glaube der Partei, die Voraussetzung der notwendigen Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft.

Auf die katastrophale wirtschaftliche Lage Ende 1952 reagierte das MfS mit einer Anweisung für die Arbeit vor Ort. Die "Festigung der demokratischen Ordnung und Liquidierung der feindlichen Tätigkeit auf dem Lande", so der stellvertretende Minister Otto Last am 5. Januar 1953 an die Leiter der Bezirksverwaltungen, "muß [von den Organen des MfS] entschiedener und erfolgreicher durchgeführt werden."6 Im Prozeß der Sozialisierung der Landwirtschaft sollte das MfS diesen gesellschaftlich und volkswirtschaftlich bedeutsamen Bereich verstärkt "sichern", d.h. ihn kontrollieren, lenken, in ihn eingreifen. Der bereits auf der Tagung der HA III am 19. Dezember 1952 an die Leiter der Abteilung III gegebene Auftrag, "in allen größeren MTS [der jeweiligen Bezirksverwaltung] Mitarbeiter zu schaffen", wurde durch Benennung der betreffenden MTS spezifiziert. Eine Meldung der Mitarbeiter, die möglichst schon landwirtschaftliche Erfahrungen haben sollten, wurde eingefordert.

Der vollständige Beitrag hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... 105-teske/

Selbst dort ging nichts ohne Überwachung, Schnüffeleien und Denunzierungen.
Interessierter
 

Re: Zwangskollektivierung in der DDR

Beitragvon Interessierter » 2. Mai 2017, 14:53

2011 - Die Zukunftsfragen nicht aus dem Blick verlieren
von Michael Beleites

Gedanken nach zehn Jahren als Landes­beauftragter für die Stasi-Unterlagen


Nach nunmehr zehn Jahren ging meine zweite Amtszeit als Sächsischer Landes­beauftragter für die Stasi-Unterlagen am 11. Dezember 2010 zu Ende. Ein weiteres Mal wollte ich nicht kandidieren. Aus meiner Sicht ist es weder für das Amt noch für die ausführende Person gut, ein solches Amt länger als zehn Jahre zu bekleiden.

Als ich im Jahr 2000 bezüglich des Landesbeauftragten-Amtes an­gesprochen wurde, war ich zunächst zurück­haltend. Dass ich dennoch diese Aufgabe an­genommen habe, hatte vor allem einen Grund: Ich stand sehr unter dem Eindruck der vielen intensiven Gespräche mit meinem 1999 verstorbenen Freund Jürgen Fuchs. Anfang der neunziger Jahre wollten wir gemeinsam in der "Gauck-Behörde" recherchieren; doch als er mit seinen Arbeiten beginnen konnte, hatte ich meine dortige Beschäf­tigung bereits vorzeitig be­endet. Seine Erfahrungen mit dieser Behörde, die Jürgen Fuchs dann in dem Roman "Magdalena"1 verar­beitet hat, waren größtenteils auch meine Er­fahrungen. Seine Intention, die Auf­arbeitung des Stasi-­Systems nicht allein denen zu überlassen, die sich noch als Vollstrecker eines geheimen Klassenauftrags betätigten oder "nur" wegen ihrer An­passung vor 1990 befangen waren, war auch meine Intention. Es war er­schreckend, im welchem Umfange sich alte und neue Karrieristen bar jeder inhaltlichen Motivation der Aufarbeitungs­institutionen bemächtigten, um dort nicht für, sondern in erster Linie von der Auf­arbeitung zu leben. Insoweit fühlte ich mich dem Vermächtnis von Jürgen Fuchs verbunden – und habe die Aufgabe des Säch­sischen Landes­beauftragten für die Stasi-Unterlagen als eine Chance an­gesehen, seinen Impuls weiter zu tragen.

Es ist längst überfällig, die Erinnerung an den kommunistischen Klassen­kampf gegen die Bauern in einen er­weiterten Kontext zu stellen. Zur Auf­arbeitung der nationalsozialistischen Dikta­tur hat sich eine demokratische Er­innerungskultur entwickelt, die der größten Opfergruppe dieser Barbarei eine große Empathie entgegenbringt. Es hat sich aus gutem Grund ein Engagement entwickelt, dass sich mit Respekt für eine Wieder­belebung jener Kultur und Religion einsetzt, welche die NS-Ideologie auslöschen wollte. Wenn man nun die globale Dimension der kommunis­tischen Diktaturen mit ihren insgesamt annähernd hundert Millionen Toten3 in den Blick nimmt, erkennt man, dass die Bauern die mit Abstand größte Opfergruppe sind, welche die Kommunisten aus ideologischen Gründen vernichten wollte. Auch wenn der Vollzug der kommunistischen Ideologie in Ostdeutschland seit 1945 mit vergleichsweise wenig Todesopfern verbunden war, waren alle drei Etappen der kommunis­tischen Agrarpolitik (Bodenreform – Kollek­tivierung – Industria­lisierung) dem Ziel der Eliminierung des Bauernstandes unter­geordnet. Es ging um eine flächendeckende Proletarisierung der vormals freien Bauern. Diese Etappen waren – auch wenn das ihren Akteuren und Profiteuren zum Teil bis heute nicht bewusst ist – Bestandteil der kommunistischen Großverbrechen. Ohne erkennbare parteipolitische Unterschiede hat die Agrarpolitik der ost­deutschen Bundes­länder in den letzten zwanzig Jahren ganz überwiegend die Interessen der Begünstigten der SED-Agrar­politik vertreten. Nun sollte endlich auch die Auf­arbeitung der kommunistischen Diktatur zu einer Erinnerungskultur führen, die der größten Opfergruppe, die dieses System aus ideologischen Gründen auslöschen wollte, mit Empathie und Respekt begegnet: dem Berufsstand der freien Bauern. Beim Schicksal der bäuerlichen Landwirtschaft zeigt sich zugleich, dass Vergangenheitsthemen aufs Engste mit Zukunftsthemen verknüpft sein können.

In den ersten Jahren nach der Wende war es sehr wichtig, in der politischen Bildung das in den Vordergrund zu stellen, was im DDR-Alltag verdeckt und für die Allgemeinheit unsichtbar ablief. Dies betraf in erster Linie die Rolle der Stasi-Täter und das Schicksal der Stasi-Opfer. Nur durch die Sichtbarmachung der bisher unsichtbaren Bereiche ließ sich der wahre diktatorische Charakter des DDR-Systems vermitteln. Doch heute, wo die Zielgruppe der politischen Bildung überwiegend aus jungen Menschen besteht, die an die DDR keine eigene Erinnerung haben, hat dieses Bildungskonzept fatale Nebenwirkungen. Wenn man nämlich nur über Täter und Opfer spricht, behandelt man die Lebenswirklichkeit von weniger als zwei Prozent der damaligen Bevölkerung. Die Schüler müssen etwas erfahren über die subtile Nötigung zur Anpassung im Alltag. Sie müssen verstehen lernen, warum fast alle zu den falschen Wahlen gingen oder am 1. Mai winkend an den SED-Bonzen vorbeimarschiert sind; und sie müssen er­fahren, was mit denen passierte, die nicht mitgemacht haben. Dabei geht es nicht um moralische Verurteilungen der Masse, sondern um ein Verstehen der sozialen Prozesse unter den Bedingungen subtiler Repressionsandrohung. Schließlich war es genau diese äußerlich angepasste Mehrheit, die es 1989 satt hatte und auf die Straßen ging. Die mutige Selbstbefreiung der Menschen hatte etwas mit Umkehr zu tun, sie war auch eine millionenfache individuelle Wende. Dies zu würdigen, ist wichtiger als der ausschließliche Verweis auf die wenigen hundert Bürgerrechtler, die schon vorher auf der richtigen Seite standen.

Den vollständigen Beitrag findet man hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... -71/07117/

Übrigens ist dies ein Beitrag aus " Horch und Guck " - Zeitschrift der Gedenkstätte Museum in der " Runden Ecke "
Leipzig, die der User Karnak als Propaganda meinte bezeichnen zu müssen.
Interessierter
 

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