„Eine Schande für das ganze Korps”

„Eine Schande für das ganze Korps”

Beitragvon pentium » 12. November 2016, 16:41

Ein in der Militärgeschichte ungewöhnlicher, in der Bundesrepublik einmaliger Fall hat sich ereignet: Eine ganze Kompanie ist mit Schimpf und Schande aufgelöst worden. Der Kommandierende General des II. Korps, Generalleutnant Hepp, hat befohlen: „Die Fallschirmjäger-Ausbildungskompanie 6/9 in Nagold wird mit sofortiger Wirkung aufgelöst. Alle Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften, die vor dem 1. August 1963 in dieser Kompanie Dienst getan haben, sind unverzüglich zu anderen Einheiten zu versetzen. Die Nummer der Kompanie ist zu tilgen.“ Kommentar eines Offiziers beim Wehrbereichskommando V, der den Kommandeur als friedfertigen, ruhigen Menschen schildert: „Der General muß diesmal wahnsinnig aufgebracht gewesen sein.“
http://www.zeit.de/1963/45/eine-schande ... anze-korps

Zitat:
Was den General und auch seine Mitarbeiter derart in Harnisch gebracht hat, ist das Ergebnis der staatsanwaltlichen Ermittlungen über merkwürdige Ausbildungsmethoden in der Nagolder Eisberg-Kaserne. Ein Presseoffizier meinte dazu: „Nach dem, was ich gehört habe, stellt das die Schleiferei bei der alten, deutschen Wehrmacht in den Schatten.“ Allein höheren Ortes bei der Bundeswehr erfuhr man von diesen Ausbildungsmethoden erst nach dem tragischen Tod des Soldaten Trimborn. Der 19 Jahre alte Fallschirmjäger Gerd Trimborn aus Köln war am 25. Juli 1963 nach einem 15-Kilometer-Gepäckmarsch der 6. Kompanie zusammengebrochen und eine Woche später in einer Tübinger Klinik gestorben.

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Re: „Eine Schande für das ganze Korps”

Beitragvon Beethoven » 13. November 2016, 10:50

Ja, ich kenne diesen Fall. Noch heute erzählen alte FJ der BW davon und der Ruf der Männer in Nagold ist bis heute beschädigt obwohl die Soldaten dort sicherlich sehr gute Soldaten sind.

Du, lieber Pentium, hast ja meine Meinung dazu sicherlich schon im anderen Forum gelesen. Ich bin der Meinung, dass Schikane und Erniedrigung in einer gut geführten Armee nichts zu suchen haben und die Reaktion des kommandierenden Generals ist allzu verständlich, wenn auch wirklich einmalig.

Eine harte und fordernde Ausbildung jedoch, kann ich nur befürworten und erst recht bei einer Fallschirmjägereinheit.

Dass es dabei Verletzte und sogar Todesfälle gibt, sollte nicht vorkommen ist aber nicht auszuschließen, gerade wenn der Betreffende eine nicht erkannte schwere Krankheit mit sich trägt. Ich hatte als junger Kompaniechef auch mal einen Fall, der aber rechtzeitig erkannt wurde. Wäre dieser junge Soldat (es war noch in der Grundausbildung) erstmal in eine Fallschirmjägerkompanie versetzt worden, so könnte ich mir vorstellen, wäöre er auch gestorben ob der hohen physischen Belastung. Zum Glück kam es nicht so weit.

Gruß
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Re: „Eine Schande für das ganze Korps”

Beitragvon Volker Zottmann » 13. November 2016, 11:15

Auch bei der NVA in Neiden wurde 1970 auf protokollierte Gesundheitszustände der Rekruten keinerlei Berücksichtigung genommen!

Vorab:
Ich habe mir 1966 bei einem Unfall den Brustkorb aufgerissen, dazu einen Spontanpneu zugezogen. Daran hatte ich letztendlich bis zu meiner ersten Kur 1989 zu knabbern. Durch eigenes Bestreben habe ich besonders bei der NVA nach Dienst mit genehmigten Geländeläufen mein Luftvolumen von nur noch 3,60l bis auf 5,4l wieder aufgebaut. 1989 wurden dann durch einen sehr guten Arzt zwischen meinen Rippenbögen Nervenendigungen freigedrückt. Dadurch verlor ich erstmals seit 1966 Beklemmungen beim Atmen.

Weder den Feldscheer noch die Ausbilder scherten sich aber jemals um meine Befindlichkeiten. So wurde auch ich mit über die Sturmbahn gejagd. Und weil logischer Weise ich jedesmal zu den Langsameren gehörte, war jeweils mindestens eine weitere Runde die Belohnung. Durch die fehlende Rücksicht hätte auch weiterer Personenschaden entstehen können. Nun war ich ja keine Memme und habe mich stets selbst gefordert. Hier fehlte aber ein Hinweis vom Feldscheer an die Vorgesetzten.

Als zusätzlich ausgebildeter Hilfssani erlangte ich aber Kenntnis, dass in der Nachbarkompanie sogar ein Soldat mit Herzfehler über die Bahn gejagd wurde und alles im Krankenhaus/Notaufnahme endete.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: „Eine Schande für das ganze Korps”

Beitragvon Beethoven » 14. November 2016, 14:17

Ja, Feldschere sind keine Ärzte. Heute würde man die als ausgebildete Sanis bezeichnen.
Und nicht jeder Arzt ist ein Guter.

Einer meiner Söhne hatte oft Kopfschmerzen, ähnlich wie Migräne. Eine Freundin unserer Familie ist Ärztin und schickte den Bengel zum Orthopäden (übrigens ein ehemaliger Militärarzt aus Bad Saarow). Der schaute sich den Jungen an, ließ ihn ein paar Übungen machen, legte ihn dann auf die Seite und zog ein Knie unseres Sohnes, ruckartig an den Brustkorb. Von Stund an hatte unser Sohn keinerlei Beschwerden mehr. Das ist jetzt schon 10 Jahre her. Tja, so kanns gehen.

Gruß
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