Zu den Beiträgen betreffs Egon Schultz auch noch dieser Bericht aus dem Jahr 2014:
Intrige – wie die Stasi einen DDR-Grenzer erschossVermutlich wurde auf diesem Bild der Schütze stehend dargestellt, um den Fluchthelfer Christian Zobel zu belasten.
In Wahrheit hatte der DDR - Grenzer Volker Maier gelegen.
Quelle: MfS
Eigentlich war alles schon vorbei. 29 Ost-Berliner waren am Abend des 4. Oktober 1964 in das enge, schmutzige Loch gesprungen und in die Freiheit gekrochen. Obwohl in dieser Nacht keine Flüchtlinge mehr erwartet wurden, blieben vier West-Berliner Fluchthelfer noch im Hof des Hauses Strelitzer Straße 55 im Bezirk Mitte. Sie wollten Spuren verwischen.
Plötzlich erschienen im Hausflur zwei Männer. Doch die beiden kannten das Losungswort nicht, das allen Flüchtlingen mitgeteilt worden war: „Tokio“. Kurz redeten sie mit einem der Fluchthelfer und kehrten dann um. Um einen Freund zu holen, der ebenfalls flüchten wolle. Behaupteten die zwei jedenfalls.
Wenige Minuten später näherten sich vier Uniformierte mit Stahlhelmen und Kalaschnikows im Anschlag. Die beiden Männer, Mitglieder der Staatssicherheit, hatten die „Alarmgruppe“ der Grenztruppen am Stützpunkt Arkonaplatz benachrichtigt. Vorneweg ging Egon Schultz, 21, der seinen Wehrdienst beim Grenzkommando Berlin absolvierte. Er war wie alle seine Kameraden gedrillt, Fluchtversuche um jeden Preis zu verhindern, auch mit gezielten Schüssen. Und Schultz kannte den ständigen Befehl, dass „Grenzverletzer“, also auch Fluchthelfer, zu „vernichten“ seien.
Zobel feuerte mit seiner PistoleIm Hausflur stand der West-Berliner Physikstudent Reinhard Furrer. Er sah den Schatten eines Grenzers und erkannte, dass der Tunnel aufgeflogen war. Sofort machte er kehrt, rief seinen Freunden Hubert Hohlbein, Joachim Neumann und Christian Zobel etwas wie „Weg hier! Gefahr!“ zu. Dann sprang Furrer hinter Hohlbein in den Tunneleingang, der sich im alten Toilettenhäuschen auf dem Hof befand.
Neumann folgte, doch Zobel war nicht schnell genug: Er stand noch auf dem Hof, als Egon Schultz mit dem Sturmgewehr im Anschlag durch die Tür kam. In seiner Angst feuerte Zobel mit seiner Pistole. Er wusste: DDR-Grenzer machten mit Fluchthelfern kurzen Prozess, schossen erst und fragten dann.
Schultz wurde getroffen und stürzte zu Boden. Dann folgten mehrere Schüsse, doch Zobel hatte den Moment genutzt und war wie seine drei Freunde im Stollen verschwunden. Solange sie noch im Tunnel waren, befanden sie sich in Lebensgefahr: Der Druck einer Handgranate, gezündet in der engen Röhre von weniger als einem Meter Durchmesser, hätte ihre Lungen zerfetzt.Egon Schultz erlag seinen Verletzungen. „Hinterhältiger Mord an Grenzsoldaten“, schrieb die „Berliner Zeitung“, das SED-Blatt von Ost-Berlin. Und das „Neue Deutschland“ behauptete: „Unteroffizier Egon Schultz von West-Berliner Agenten ermordet“. Zur selben Zeit wussten SED-Chef Walter Ulbricht und MfS-Chef Erich Mielke längst die Wahrheit: Zwar hatte Christian Zobels Schuss Egon Schultz getroffen und zu Boden geworfen.
Doch tödlich war seine Kugel nicht: Sie verletzte den Grenzsoldaten an der linken Schulter. Getötet wurde Egon Schultz durch mehrere Geschosse aus der Kalaschnikow seines Untergebenen Volker Maier. Das ergab die gerichtsmedizinische Untersuchung eindeutig. Doch natürlich unterschlug die SED-Führung diese Tatsache und hetzte stattdessen gegen die Fluchthelfer.Christian Zobel glaubte bis ans Ende seines Lebens 1992, er habe Schultz getötet. Daran ging er zugrunde. Erst danach erbrachte ein Ermittlungsverfahren, angestrengt von alten SED-, Stasi- und Grenztruppenkadern gegen die noch lebenden Fluchthelfer, dass Maier der Todesschütze war. Dennoch blieb unklar, was genau in jener Nacht auf dem Hinterhof der Strelitzer Straße 55 geschehen war.
Weiter mit dem Bericht und vielen Fotos geht es hier:
https://www.welt.de/geschichte/article1 ... choss.html