Grenzöffnungen im Harz

Grenzöffnungen im Harz

Beitragvon Interessierter » 8. September 2016, 07:56

Das unschätzbare Glück der Deutschen

Da war es plötzlich eingetreten, das Ereignis, an das eigentlich nur noch wenige beharrlich glaubten und sich dafür belächeln und eine gewisse Realitätsferne vorwerfen lassen mussten: der Fall der deutsch-deutschen Grenze. Am Abend des 9. November aber war es unvermittelt Realität: Politbüro-Mitglied Günter Schabowski sprach in der legendären Pressekonferenz ein wenig ungläubig, aber letztlich mit klaren Worten, was die Welt mit einem Schlag verändert hat: Dass man ab sofort ungehindert über die deutsch-deutsche Grenze in den Westen übertreten könne.

Zwei Tage später erreichte der Mauerfall die Grenze in Stapelburg. Auch hier sind die Menschen scharenweise durch den kleinen Spalt des Eisernen Vorhangs herüber gekommen, den Norbert Heindorf und Peter Röhling eigenhändig aufgeschraubt hatten. Ein Tag, den alle, die dabei waren, nie und nimmer in ihrem Leben vergessen werden.


11.11.1989, 16:00 Uhr, Eckertal – Stapelburg

Samstagmittag kommen mehrere hundert Bundesbürger zum Deutschlandhaus auf der Westseite der Grenze. Zwei junge DDR-Bürger klettern über den Grenzzaun und überqueren die Ecker. Sie berichten, dass auch auf der Ostseite 50 bis 100 Menschen warten. Dann klettern sie zurück. Laut Zeitungsartikeln von 1989 berichtet der Privatsender Radio ffn, die Grenze bei Stapelburg werde um 15 Uhr geöffnet. Die Menschen auf beiden Seiten setzen sich in Bewegung und strömen zur Grenze. DDR-Grenztruppen wiegeln jedoch ab: Eine Grenzöffnung sei technisch nicht möglich.

Bild

Der Druck auf die Grenzer wird immer größer. Als schließlich Offizielle aus dem Ort Kontakt mit vorgesetzten Stellen aufnehmen, gibt es Grünes Licht für eine kurzfristige Einrichtung eines Übergangs für Fußgänger und Fahrradfahrer. Jetzt kommt Bewegung in die Sache: Zäune werden aufgekniffen, Gräben zugeschüttet, und vor den Augen der „Grenzer“ und mittlerweile Hunderter Zivilisten klettert ein Stapelburger auf jene Blechwand, die das letzte künstliche Hindernis auf dem Weg von Ost nach West und zugleich noch Sichtschutz ist. Als gegen 16Uhr das erste Element demontiert ist, gibt es kein Halten mehr: Durch eine schmale Öffnung bahnt sich ein Strom von Menschen seinen Weg nach „drüben“.

Weiter mit diesem Bericht und Zeitzeugenschilderungen, Fotos und Videos von anderen Orten im Harz hier:
http://www.grenzoeffnung-im-harz.de/
Interessierter
 

Re: Grenzöffnungen im Harz

Beitragvon Volker Zottmann » 8. September 2016, 09:26

Eine Stunde später hat Ministerpräsident Ernst Albrecht schon in Stapelburg in derKneipe Bierg ausgegeben bekommen.
Abends wurde aber der Spalt wieder dicht gemacht.
Dann ackerten auf bundesdeutscher Seite die Bautrupps des THW und was weiß ich wer die ganze Nacht und errichteten provisorische aber recht stabile Querungen über die Ecker.
Am 12. dann vormittags wurde auch in unserem Beisein ein ganzes Streckmetallelement etwa 150 m südlicher der ersten Stelle entfernt und etwa 3000 schon Wartende setzten ihren Fußmarsch fort.
Drüben begrüßten uns Niedersachsen mit Handschlag, reichlich Tränen in den Augen, Kaffee und den vielen Bananen. 100m weiter standen unzählige Busse, damit die Ostdeutschen die 6 km ins niedersächsische Bad Harzburg chauffiert wurden.

Unvergesslich.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Grenzöffnungen im Harz

Beitragvon Interessierter » 8. September 2016, 09:34

Unvergesslich.

Gruß Volker


Volker, das ist es wirklich. Selbst nach so vielen Jahren bewegt es mich immer noch sehr, wenn ich solche Berichte lese und einstelle.
Wer das real miterlebt hat, vergisst es sein ganzes Leben nicht.

[rose]
Interessierter
 

Re: Grenzöffnungen im Harz

Beitragvon augenzeuge » 8. September 2016, 09:42

Wie sich die Massen den Weg durch das Gestrüpp bahnen, das ist schon außergewöhnlich. Fast wie die Massenflucht von Böseckendorf... [denken]

AZ
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Re: Grenzöffnungen im Harz

Beitragvon Bahndamm 68 » 8. September 2016, 10:09

Interessierter hat geschrieben:Weiter mit diesem Bericht und Zeitzeugenschilderungen, Fotos und Videos von anderen Orten im Harz hier:
http://www.grenzoeffnung-im-harz.de/

Eine umfangreiche Homepage. Ich habe sie sehr schnell vorab herunter gescrollt. Hauptsächlich die Bilder mit kurzen Textsekmenten gelesen.
Meine Augen wurden leicht feucht, über die damalige Freude der Grenzöffnung, Euphorie purr in den Menschen. Schön, dass wir dies alles so miterleben konnten.

Einmalig diese Geschichte, es ist kein Märchen gewesen.

Was ist geblieben, die Begeisterung ist hinüber, der Alltag ist wieder eingekehrt, Deutschland ist wieder Deutschland. Ist das Leben nicht wunderbar.
Und dennoch, die Menschen werden nie zufrieden sein, immer mehr ist die Device.

Denken heute die Menschen über die beiden Weltkriege und die schwere Zeit danach. Gott sei Dank, dass ich das Eine nicht erlebt habe und das Andere, als Kind nicht so wahrgenommen habe.

Und dennoch, die Menschen von heute, sie schaffen sich immer wieder neue Problem.

Muss das alles sein?
Ist das Leben nicht lebenswert?

An dieser Stelle einen ganz besonderen herzlichen Dank den Bearbeitern dieser und unserer Homepage. Was steckt da für eine Arbeit dahinter. Für viele Internet-User ist das heute schon alles selbstverständlich. Deshalb auch meine Worte des Dankes, egal ob dies nun die richtige Stelle ist, hier in diesen Thread

Herzliche Grüße Hermann
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Re: Grenzöffnungen im Harz

Beitragvon Spartacus » 8. September 2016, 17:53

Ja Danke kann man da immer wieder sagen und den Südkoreanern wünschen, dass sie ähnliches erleben dürfen. [hallo]

Hatte vor kurzem wieder Koreaner in der Firma, die schauen sich die DOKUS liebend gerne an und bekommen dann immer feuchte Augen.
Für die ist das auch ein ganz großes Thema, man mag es kaum glauben.

LG

Sparta


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Re: Grenzöffnungen im Harz

Beitragvon Volker Zottmann » 8. September 2016, 18:29

Spartacus hat geschrieben:Ja Danke kann man da immer wieder sagen und den Südkoreanern wünschen, dass sie ähnliches erleben dürfen. [hallo]

Hatte vor kurzem wieder Koreaner in der Firma, die schauen sich die DOKUS liebend gerne an und bekommen dann immer feuchte Augen.
Für die ist das auch ein ganz großes Thema, man mag es kaum glauben.

LG

Sparta



Ich wünsche mehr den Nordkoreanern die Grenzöffnungen, denn nur sie sind eingesperrt.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 


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