Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon Bahndamm 68 » 10. August 2020, 19:17

OaZ hat geschrieben:Es waren nicht zwingend die mit Parteibuch oder die SED-Freundlichen, die sehr nahe am oder im Schutzstreifen oder dem Grenzsignalzaun GSZ wohnen durften. Oft waren es Gründe, die etwas mit Bindung an den Hof oder Verlässlichkeit ganz allgemein zu tun hatten. Echte Heimatverbundenheit und Familie waren bspw. sehr wichtige Kriterien.
Demnächst schreibe ich was zu einem Rhöner Original aus Apfelbach, der am und im Sicherungsabschnitt 7 als Zivilist und Nichtangehöriger der Grenzutruppen Dinger abgezogen hat ... das glaubt kein Mensch! Der war nicht in der Partei.

Leider kann ich hierüber nur spekulieren, aber Heimatverbundenheit kann es mit Sicherheit nicht sein. Über die Aktion „Ungeziefer“, die mit Beginn der 50-ziger Jahre sich vollzogen hatte, auch in Hötensleben. Da wurden die Häuser von kritischen Personen einfach enteignet, sie ins Landesinnere verfrachtet und nur die Systemtreuen durften bleiben.
Es gab den Absperrbereich zu meiner Zeit 67/68 nur Hecke und Gartenzaun, aus Holz oder leichten Draht. Nicht umsonst waren die Posten so eng aneinander.
Der Kompaniesicherungsbereich war 3,20km lang, tagsüber waren 3 feste Postenpaare und nachts in zwei Schichtsystemen, eine beginnend um 20Uhr und eine um 22Uhr, waren es 16 Postenpaare. Zum Teil an Wochenenden oder Feiertagen waren es bis zu 22 Postenpaare, dazu noch die laufenden Streifen. Und gerade in diesen Ortsbereich, wie bereits schon geschrieben standen wir zwischen 80 und 100m auseinander.
Ein Fluchtversuch scheiterte von einem jungen Mann aus Hötensleben, weil er sich in einer von 3 Kneipen Mut angetrunken hat. Dort hatte er mit vertraulichen Personen darüber gesprochen. Die Flucht endet bereits in der Gartenanlage mit entsprechenden Warnschüssen. Er wurde bereits erwartet. Wir, im Sperrbereich konnten dies erst registrieren mit den Warnschüssen. Alarmgruppe und Offiziere waren bereits in den Gartenanlagen. Eine Festnahme in der Kneipe war nicht mehr möglich. Er war bereits auf seinem Weg.
Da dies nun genau in Ortsmitte lag, hätte er nach dem Überwinden der Gartenanlagen noch ca. 100-130m über freie Fläche laufen müssen. Doch dann hätte er die Hundelaufanlage vor dem Metallgitterzaun überspringen müssen. Nie und nimmer wäre dies im Ortsbereich von Hötensleben gelungen.
Tagelang war dies unser Gespräch in der Kompanie und im Dienst. Offen hat man dann über eine Festnahme unter Waffengewalt gesprochen. Einige von uns hätten geschossen, andere sagten einfach, dass man sich solch eine Situation nicht wünschte.

VG Bahndamm 68
Wer die Vergangenheit nicht kennt,
kann die Gegenwart nicht begreifen
und die Zukunft nicht gestalten.
Benutzeravatar
Bahndamm 68
 
Beiträge: 4003
Bilder: 110
Registriert: 25. Februar 2015, 21:13
Wohnort: Bärlin

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 10. August 2020, 19:35

Die beiden "Säuberungsaktionen" an der Grenze sind mir bekannt.
Vielleicht hätte ich "Heimattreue" schreiben sollen. Und eben Bindungen. Hier vor allem im familiären Sektor. Äußerst interessant war ja, wer für AO 13/81 (Feindwärtseinsatz) ausgewählt und bestätigt wurde. Da spielte das SED-Parteibuch absolut keine Rolle.
OaZ
 
Beiträge: 513
Registriert: 1. Juli 2020, 08:44

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon Bahndamm 68 » 10. August 2020, 20:53

OaZ hat geschrieben:Die beiden "Säuberungsaktionen" an der Grenze sind mir bekannt.
Vielleicht hätte ich "Heimattreue" schreiben sollen. Und eben Bindungen. Hier vor allem im familiären Sektor. Äußerst interessant war ja, wer für AO 13/81 (Feindwärtseinsatz) ausgewählt und bestätigt wurde. Da spielte das SED-Parteibuch absolut keine Rolle.

Vielleicht sind es die heutigen Temperaturen. Ich verstehe es nicht und bitte um Übersetzung.
Ich hatte von einem Fluchtversuch geschrieben, es versteht sich von Ost nach West (Feindwärtseinsatz ?).
Was ist nun AO 13/81? Egal was es nun ist, aber an der Grenze hat doch das Parteibuch schon immer eine große Rolle gespielt, zu mindestens in meiner Zeit 1967/1968.
Wir als Soldaten und Gefreite sind nach Gruppen, in „A“ oder „B“ eingeteilt. A-Personen waren die 1000 prozentigen Leute, die hinter dem System standen. Ich war „B“-Mann und durfte, warum auch nur einmal den K6-Streifen ablaufen. Glück gehabt, dabei konnte ich in einer Wanderpause meine Kaschi in eine Betonsäule des Metallgitterzaunes stecken.
Gehe ich zurück zu meiner Geschichte mit dem Pulli. Da ist mir schon bekannt aus Erzählung damaliger Zeit, dass der Vater in der Partei gewesen ist, wie aber auch die angrenzten Häuser. Für eine vollständige Planierung von Hötensleben, war der Ort einfach zu groß.
Nach meinen Systemwechsel ist der Postenplatz Bahndamm in Richtung Ortsmitte verlegt worden und mit einem BT9 oder 11 und einer Alarmgruppe ausgestattet. Das Flüchten über den Hundelaufzaunbereich und anschließenden Metallgitterzaun war schon fast unmöglich. Für freie Sicht sind jede Menge Bäume gefällt und ein Teil von Stallungen eines Bauernhofes an diesen Postenplatz Bahndamm abgerissen. Böse Zungen erzählen heute noch, dass die Stasi sogar in der Nähe von diesem Postenplatz eine Feldscheuen abgebrannt haben. Täter hat man nie ermitteln können. Wir hatten uns in den Wintermonaten Stroh geholt. War trotz höchster oder niedrigster Temperatur von minus 18Grad recht angenehm zum Sitzen. Husten Schnupfen Heiserkeit kenne ich nicht. Wir waren alle gesund
VG Bahndamm 68
Wer die Vergangenheit nicht kennt,
kann die Gegenwart nicht begreifen
und die Zukunft nicht gestalten.
Benutzeravatar
Bahndamm 68
 
Beiträge: 4003
Bilder: 110
Registriert: 25. Februar 2015, 21:13
Wohnort: Bärlin

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 10. August 2020, 21:42

AO 13/81 war ein Befehl bzw. eine Anordnung (aus dem Ministerium für Nationale Verteidigung oder vielleicht dem Kommando der GT - das weiß ich jetzt nicht) welcher Personenkreis vor dem letzten Sperrelement handeln durfte. Diese wenigen Soldaten & Offiziere konnte man in aller Regel an 2 Händen pro Grenzkompanie abzählen. Die Berufsoffiziere und Grenzaufklärer gehörten nahezu alle dazu und außerdem noch sehr wenige Soldaten (Kraftfahrer zählten oft dazu).
Bei den Soldaten waren die Auswahlkriterien ansonsten sehr undurchsichtig. Es waren auch sehr junge und ledige Soldaten mit dabei, die das vollste Vertrauen genossen und feindwärts eingesetzt waren.

Das würde besser in den hiesigen Thread mit den sog. "Blutgruppen" passen (blöde Formulierung nebenbei gesagt!)
OaZ
 
Beiträge: 513
Registriert: 1. Juli 2020, 08:44

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon Bahndamm 68 » 10. August 2020, 22:16

OaZ hat geschrieben:AO 13/81 war ein Befehl bzw. eine Anordnung (aus dem Ministerium für Nationale Verteidigung oder vielleicht dem Kommando der GT - das weiß ich jetzt nicht) welcher Personenkreis vor dem letzten Sperrelement handeln durfte. Diese wenigen Soldaten & Offiziere konnte man in aller Regel an 2 Händen pro Grenzkompanie abzählen. Die Berufsoffiziere und Grenzaufklärer gehörten nahezu alle dazu und außerdem noch sehr wenige Soldaten (Kraftfahrer zählten oft dazu).
Bei den Soldaten waren die Auswahlkriterien ansonsten sehr undurchsichtig. Es waren auch sehr junge und ledige Soldaten mit dabei, die das vollste Vertrauen genossen und feindwärts eingesetzt waren.

Das würde besser in den hiesigen Thread mit den sog. "Blutgruppen" passen (blöde Formulierung nebenbei gesagt!)

Danke und gute Nacht
Wer die Vergangenheit nicht kennt,
kann die Gegenwart nicht begreifen
und die Zukunft nicht gestalten.
Benutzeravatar
Bahndamm 68
 
Beiträge: 4003
Bilder: 110
Registriert: 25. Februar 2015, 21:13
Wohnort: Bärlin

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 10. August 2020, 22:27

Mal noch ein Gedanke zu den Eingruppierungen derer, die an der Grenze auf Streife gingen (in aller Regel waren das reguläre Postenpaare, die zu zweit aufzogen). Etwas vereinfacht gesagt gab es die Einstufungen

AO 13/81 - extrem verlässlich, durften de facto mit jedem anderen aufziehen (eine seltene Ausnahme hatte ich im Thread Abteilung 2000 beschrieben)
1 - zuverlässig
2 - durften nur mit mindestens Einstufung 1 aufziehen
3 - durften nur mit mindestens Einstufung 1 in Minen gesperrten Abschnitten eingesetzt werden (sehr selten, mir ist nur 1 Bsp. bekannt; meistens schoben sie Objektwache ohne GD)
4 - Grenzdienstverbot

Mir ist durchaus bewusst, dass in den Dienstbüchern der Kompanie, in denen die Befehle zum Grenzdienst mit Einsatzgebiet verzeichnet waren, nur AO 13/81 (kurz: AO 13), 1 und 2 standen. Insbesondere die, die nicht in den Grenzdienst durften, waren am Namen farbig gekennzeichnet. Mir ist hier das Bsp. des Küchenleiters der 8. GK Andenhausen bekannt.

Dann gab es noch Soldaten, die nicht mit auf die Führungsstelle durften (man hatte wohl bedenken, dass sie dort unter Ausnutzung der technischen Möglichkeiten und des Überblicks über den gesamten Abschnitt (Lage, Posteneinsatz, geografische/meteorologische Bedingungen, Technikzugriff usw.) ihre Flucht planen und realisieren konnten - übrigens nicht ganz zu Unrecht, wie das Bsp. Fähnrich Klaus-Peter Braun zeigt). Braun wurde 1981 durch seinen Posten erschossen, möglicherweise galt dies tatsächlich erst nach 1981.

Siehe hier: https://www.fu-berlin.de/sites/fsed/Das ... index.html
oder hier: https://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/2451633

Zwei Grenzer mit Einstufung 2 konnten also niemals zusammen in den Grenzdienst. interessanterweise waren diese Einstufungen jedoch nicht in Stein gehauen, sie konnten sich in unregelmäßigen Abständen ändern.

Dazu mal später mehr.
OaZ
 
Beiträge: 513
Registriert: 1. Juli 2020, 08:44

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 11. August 2020, 10:03

Änderungen in den Eingruppierungen der Grenzsoldaten gab es auch.

So passierte es gar nicht so selten, dass ein Soldat, der früher eine Einstufung/Eingruppierung 1 hatte, nun eine 2 bekam. Umgekehrt natürlich auch. Wenn diese Änderungen nach einem halben Jahr erfolgten, nährte das den Verdacht, dass das MfS (Abt. 2000) hier seine Hände im Spiel hatte. Es ging nicht selten darum, die Zuverlässigkeit der Soldaten (insbes. der Neuankömmlinge aus den Ausbildungskompanien, die nun ihren eigentlichen Dienst an der Grenze antraten) zu testen.
Manchmal fanden diese Änderungen auch ziemlich spontan statt. Plötzlich sah man (natürlich inoffiziell), dass im Dienstbuch radiert wurde und statt einer 2 nun eine 1 stand.

Allgemein bekannt ist, dass es in allen Grenzkompanien IM gab, die entsprechende Infos weiterleiteten. Vordergründige Aufgabe war es, geplante Fahnenfluchten zu verhindern und auch die allgemeine Stimmung in den Linieneinheiten zu erfassen und notfalls gegenlenken zu können.

Ich habe selbst einen Fall erlebt, bei dem der betroffene Soldat mit Einstufung 2 in die Einheit kam.
Sein Dienst war tadellos, er zeigte Engagement, war aber nie ein "Schleimer" und schoss auch manchmal übers Ziel hinaus (extremer Alkoholkonsum im Ausgang). Etwas verwunderlich war, dass er nur wenige Kilometer von zu Hause aus diente (das war in aller Regel nicht so vorgesehen, man wollte nicht, dass man später sozusagen die Fluchtmöglichkeit vor der Haustür hatte).
Das nährte den Vermutung, dass er mit einer speziellen Aufgabe hier war. Als er nach einem halben Jahr (er war zwischenzeitlich Postenführer) plötzlich mit 1 eingestuft war, verdichtete sich die o.g. Verdacht.
Auch den Soldaten selbst war aufgefallen, dass "Harti" nun mit Unteroffizieren auf Streife ging, mit denen er vorher nie draußen war. Auch in Vorgesetztenkreisen vermutete man, dass er legendiert war. Er wurde von seinesgleichen auch mehrmals angesprochen (insbesondere im Ausgang nach einigen Bierchen und paar Klaren).

Seinen Dienst versah er bis zur Entlassung ordentlich. Was aus ihm geworden ist, weiß ich nicht.
OaZ
 
Beiträge: 513
Registriert: 1. Juli 2020, 08:44

Re: Grenzertagebuch, Dienstze sie aber bei Fotoarbeitit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon zoll » 11. August 2020, 11:23

Mir ist aus Befragungen geflüchteter GAK bekannt, dass sie auf jeden Fall überprüft wurden. Überprüfung bestand u.a. aus ihrer politischen und gesellschaflichen Zuverlässigkeit gegenüber dem Staat (DDR).

Die Jungs waren so standfest, dass sie nicht einen Schritt zufällig über die Grenzlinie getreten sind. Nun konnten sie aber bei Fotoarbeiten ihr Gesicht nicht vom "Feind" abwenden und wurden dadurch, zu ihrem sicher größten Leidwesen, auch frontal abgelichtet.

Wenn sie, was sehr selten vorkam, einmal als größerer Gruppe am Kanten standen und ihnen nur ein einzelner Zollbeamter gegenüber stand dann waren sie doch etwas mutiger. Da wurden dem Beamten auch schon Aufforderungen herüber gerufen, wie z. B. "komm doch rüber, wir tun dir nichts".

Interessant auch die Bemerkung wegen einer Postenkontrolle. Das hat während meiner Dienstzeit einmal ein Vorgesetzter gewagt sich an einen Beamten anzuschleichen. Der Beamte hatte nämlich einen wachsamen Helfer, sein "Harras". Es ist dem oberschlauen Vorgesetzten
nicht gut bekommen. Von dem Zeitpunkt ist keine Kontrolle ohne eine Ankündigung (nachts), z. B. mittels eingeschalteter Scheinwerfer,
durchgeführt worden.
zoll
 

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 11. August 2020, 11:29

Dass GAK flüchteten, passierte nur extremst selten. Mir ist kein Bsp. bekannt. Ich zweifle jedoch nicht am von dir Geschriebenen.
OaZ
 
Beiträge: 513
Registriert: 1. Juli 2020, 08:44

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon ratata » 11. August 2020, 13:02

OaZ hat geschrieben:Mal noch ein Gedanke zu den Eingruppierungen derer, die an der Grenze auf Streife gingen (in aller Regel waren das reguläre Postenpaare, die zu zweit aufzogen). Etwas vereinfacht gesagt gab es die Einstufungen

AO 13/81 - extrem verlässlich, durften de facto mit jedem anderen aufziehen (eine seltene Ausnahme hatte ich im Thread Abteilung 2000 beschrieben)
1 - zuverlässig
2 - durften nur mit mindestens Einstufung 1 aufziehen
3 - durften nur mit mindestens Einstufung 1 in Minen gesperrten Abschnitten eingesetzt werden (sehr selten, mir ist nur 1 Bsp. bekannt; meistens schoben sie Objektwache ohne GD)
4 - Grenzdienstverbot

Mir ist durchaus bewusst, dass in den Dienstbüchern der Kompanie, in denen die Befehle zum Grenzdienst mit Einsatzgebiet verzeichnet waren, nur AO 13/81 (kurz: AO 13), 1 und 2 standen. Insbesondere die, die nicht in den Grenzdienst durften, waren am Namen farbig gekennzeichnet. Mir ist hier das Bsp. des Küchenleiters der 8. GK Andenhausen bekannt.

Dann gab es noch Soldaten, die nicht mit auf die Führungsstelle durften (man hatte wohl bedenken, dass sie dort unter Ausnutzung der technischen Möglichkeiten und des Überblicks über den gesamten Abschnitt (Lage, Posteneinsatz, geografische/meteorologische Bedingungen, Technikzugriff usw.) ihre Flucht planen und realisieren konnten - übrigens nicht ganz zu Unrecht, wie das Bsp. Fähnrich Klaus-Peter Braun zeigt). Braun wurde 1981 durch seinen Posten erschossen, möglicherweise galt dies tatsächlich erst nach 1981.

Siehe hier: https://www.fu-berlin.de/sites/fsed/Das ... index.html
oder hier: https://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/2451633

Zwei Grenzer mit Einstufung 2 konnten also niemals zusammen in den Grenzdienst. interessanterweise waren diese Einstufungen jedoch nicht in Stein gehauen, sie konnten sich in unregelmäßigen Abständen ändern.

Dazu mal später mehr.

@OaZ , seid wann gab es diese Aussortierung von Grenzsoldaten . ich kannte so etwas bisher noch nie . Obwohl wir damals ein gutes Zusammenleben in der GK hatten,
ging diese Zusammenarbeit an dem Tag zu Bruch , als man uns zu einer Aussprache über die Daten der geflüchteten Grenzsoldaten übermittelte .

Der Polit oder was der Ausführende hatte ein solches Verhalten gezeigt , der hätte an Ort und Stelle den ehemaligen Grenzer erschossen .
Wir hatten so ein Vertrauen , hätten sogar unseren Hausmeister mit in den Grenzdienst genommen .
MfG ratata
Benutzeravatar
ratata
 
Beiträge: 2516
Bilder: 17
Registriert: 20. Oktober 2012, 19:05
Wohnort: DEUTSCHLAND/ A 2

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 11. August 2020, 13:13

Seit wann die GT ihre Soldaten "katalogisierten" und Verlässlichkeitseinstufungen durchführte, weiß ich nicht. Ich bin mir aber sicher, dass es das auch zu deiner Zeit gab. Natürlich wurde keinem gesagt, wie er eingestuft war. Man merkte es am Einsatz, wann und wo und mit wem man aufzog. Die von mir gemachten Beobachtungen im Dienstbuch des Kompaniechefs waren natürlich keine, die ich offiziell wissen konnte.
Bei der Erteilung des Befehls zum Grenzdienst (Dienstausgabe) und auch bei der Auswertung des GD saß ich jedoch oft so, dass ich gesehen habe, was im Dienstbuch stand, auch wenn ich die Schrift aus der anderen Richtung sah.
OaZ
 
Beiträge: 513
Registriert: 1. Juli 2020, 08:44

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon Volker Zottmann » 11. August 2020, 14:47

Gesiebt wurde immer Ratata.
Im Vorfeld am meisten!
Mich hat man schon vor der Musterung gefragt, ob ich schießen würde. Nach meiner Antwort brauchte ich nicht an die Grenze.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 11. August 2020, 16:08

Grenzertagebuch 14

Wir fahren die halbe Strecke innerhalb des SiA 8 zurück bis zur Straße Andenhausen - Tann und verlassen den Abschnitt durchs Tor 39.

Unser LO fährt nach links und wir passieren den Erbhof.
Hier befand sich in den 1960er Jahren die 8. Kompanie, ehe sie dann in den ca. 800 m entfernten Neubau ober- und außerhalb Andenhausens, also quasi an den Arsch der Welt, umzog.

1961, nachdem er gerade die Arbeiten zum Berliner Mauerbau koordiniert hatte, besuchte Erich Honecker die Kompanie.
Im Klubraum und den Dienstzimmern der Kompanieführung meiner neuen Einheit wird mir der junge Erich, der damals die bislang weitestgehend unbekannte Telefonistin Margot Feist, die allerdings bereits 1949 Wilhelm Pieck zur Wahl des ersten und einzigen Präsidenten der DDR einen Blumenstrauß überreicht hatte, heiratete, entgegen lächeln und ich werde nichts dagegen unternehmen können und werde dies tapfer aushalten müssen.

Von nun an gings abwärts ... ach so, ich bin grad wieder bei der Schilderung der Rückfahrt auf dem LO nach Geisa.

Eine vorerst letzte Nacht werde ich noch in der 5. Kompanie im Doppelstockbett verbringen, ehe ich am kommenden Morgen abgeholt und in meiner neuen Kompanie begrüßt werde.
OaZ
 
Beiträge: 513
Registriert: 1. Juli 2020, 08:44

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 12. August 2020, 18:27

Grenzertagebuch 15 A

Meine neue Dienststelle

Gegen 6.30 Uhr klingelt der Wecker.
Ich vermisse den Frühsport nicht, weiß, dass ich heute in meine neue Einheit, die für die kommenden 2 Jahre meine GT-Zeit bestimmen soll, kommen werde.
Zum Frühstück gibts die übliche rote Marmelade aus dem großen 10kg-Pappeimer, richtig tolle Bäckerbrötchen vom Geisaer Faber-Bäcker (noch heute !!! eine Institution im Ort, wie ich zum 2010er Fasching und 2016 feststellen konnte) und die armeetypische Schmierwurst, die nach unbestätigten Angaben Homosexualität auslösen kann.
Der Kaffee ist in Ordnung, eigentlich gefällts mir hier in der Rudi-Arnstadt-Kompanie richtig gut. Schade, dass ich weg muss.

Pünktlich gegen 8 Uhr werde ich abgeholt. Ein P-3 fährt vor, ein blonder Soldat mit extremem Hallenser Dialekt erklärt, er solle hier den neuen Ultn. abholen. Ich steige ein und bin ein wenig verunsichert, weil ich die Strecke und das ganze Drumrum hier noch nicht kenne. Wir holen den Techniker, der in Geisa wohnt. Gemeinsam geht es nach Andenhausen.
Seine Begrüßung fällt mir gegenüber eher kühl aus. Kein Problem - mit dir werde ich eh nichts zu tun haben, denke ich mir.

Nach ca. 15 min kommen wir in Andenhausen an. Wir passieren den Erbhof, ich erinnere mich, denn vor weniger als 24 Stunden war ich ja bereits hier. Der P-3 biegt nach links ab und plötzlich sehe ich, mitten in der Pampa, die Grenzkompanie. So thront weit oben, im Herbst und im Winter wird es verdammt zügig hier sein. Der ausblick auf das Hinterland ist jedoch genial ... Touristen würde es gefallen.
Oh Gott - hier ist ja der Hund begraben, denke ich mir. Meine Begeisterung hält sich arg in Grenzen, schon jetzt beneide ich meinen Kollegen, der in Geisa stationiert ist.

Wir passieren das Tor und der Techniker zeigt mir das KC-Zimmer. Ich klopfe und werde herein befohlen.
"Genosse Hauptmann, Ultn. ... meldet sich zum Dienstantritt!"
Er steht auf, gibt mir die Hand und fordert mich auf, Platz zu nehmen.
Das folgende Gespräch dreht sich um eher banale Dinge, er offeriert mir, dass ich Zugführer des 1. Zuges werde.

Er befiehlt via UvD einen Feldwebel zu sich. Ich lerne meinen Stellvertreter kennen. Klein, blond, aus Sangerhausen stammend, eher unscheinbar. Ein gutes Gefühl fühlt sich anders an. Er wird mir mein Zimmer zeigen, die ersten Wochen werde ich mit ihm gemeinsam im Dachgeschoss, schräge Wände, keine Aussicht auf die wirklich schöne Rhön, verbringen.
Ich bin frustriert, habe ich in Geisa doch das Zimmer meines ZF-Kollegen gesehen, der ein eigenes hatte, das auch aussichtsmäßig um Längen besser war.

Ich ahne nicht, dass ich in einigen Wochen auf Befehl des Polits ein besseres beziehen werde, das allerdings einen entscheidenden Nachteil haben wird: die Körperhygiene meines Zimmer"genossen", der dummerweise der stv. KC ist.
Seine männlichen Duftstoffe sind überdurchschnittlich ausgeprägt und er tut alles, dass es so bleibt! Seife und Deo sind seine Feinde und er wird gegen sie gewinnen.
OaZ
 
Beiträge: 513
Registriert: 1. Juli 2020, 08:44

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon Volker Zottmann » 12. August 2020, 18:46

Solche Kollegen wurden in voller Montur unter die Dusche gestellt und dann hatte sich das mit der Hygiene meist von selbst erledigt.
Von hinten zuerst ein Decke über den Kopf, dass der keinen erkennt... Wäre bei Deinem Kameraden auch hilfreich gewesen.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon steffen52 » 12. August 2020, 19:03

Volker Zottmann hat geschrieben:Solche Kollegen wurden in voller Montur unter die Dusche gestellt und dann hatte sich das mit der Hygiene meist von selbst erledigt.
Von hinten zuerst ein Decke über den Kopf, dass der keinen erkennt... Wäre bei Deinem Kameraden auch hilfreich gewesen.

Gruß Volker

Solche Kameraden gab es auch bei uns, da war ein super Stinker dabei, zu meinem Glück im neben Zimmer, der hatte so was von einen Fußpilz und er kratzte sich da immer mit dem Spruch: Fußpilz ist besser als Geschlechtsverkehr,
der juckt länger. [sick] Ging aber für ihn nicht lange gut, die Gefreiten ( letztes Diensthalbjahr) machten ihn zur Sau, so das er dann von sich aus zum Doc ging und der hat ihn einen super Einlauf gemacht! [laugh]
Gruß steffen52
"Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen!"
Friedrich Schiller
Benutzeravatar
steffen52
 
Beiträge: 14400
Bilder: 0
Registriert: 19. Februar 2015, 21:03

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon Olaf Sch. » 12. August 2020, 19:42

Ja Steffen, so einen hatten wir auch auf der Stube, Genosse Poschmann... da lief sowieso einiges schief in unserer Kompanie, das erste Jahr war ich mit dem Waffenuffz. allein auf unserem 2 Mann Zimmer - dann kam der Akkuladewart (Poschmann - muss mit dem Sportansager Poschmann verwandt sein - sehen sich dermaßen ähnlich) und noch ein Fahrer aufs Zimmer, als der neue Signalzaun kam, wurden die beiden ausquartiert und Genosse Rudolph das Zaunferkel zog ein.
Olaf Sch.
 

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 12. August 2020, 21:11

Was ist ein "Zaunferkel"?
OaZ
 
Beiträge: 513
Registriert: 1. Juli 2020, 08:44

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon steffen52 » 12. August 2020, 21:20

OaZ hat geschrieben:Was ist ein "Zaunferkel"?

OaZ, kenne diesen Ausdruck auch nicht. Könnte im Zusammenhang mit den Grenzzaun zutun haben, denke der Olaf(Akku) wird es Dir genau erklären!!! [hallo]
Gruß steffen52
"Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen!"
Friedrich Schiller
Benutzeravatar
steffen52
 
Beiträge: 14400
Bilder: 0
Registriert: 19. Februar 2015, 21:03

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon Olaf Sch. » 12. August 2020, 21:54

Zaunferkel war bei uns der Begriff für den Uffz. der für den Signalzaun zuständig war. Die Planungsstelle wurde mit dem neuen Signalzaun II eingeführt.
Olaf Sch.
 

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon Volker Zottmann » 13. August 2020, 10:01

Wirklich Steffen 52?
Fußpilz wurde mit Einlauf bekämpft? [laugh]
Klasse Mittel, dient der Erheiterung. Weiter so!

Steffen ich weiß, dass es deinerseits nur eine Redewendung ist. Lustig ist es so aber trotzdem.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon augenzeuge » 13. August 2020, 11:48

Wow, was hab ich da alles verpasst. [laugh]
AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84842
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 13. August 2020, 12:28

Grenzertagebuch 16

Ich stelle meinen Sack ab, räume einiges ein und denke, dass ich mich "meinen" Gruppenführern und später "meinen" Soldaten vorstellen sollte. Ich gehe ins Uffz.-Zimmer und wir machen uns bekannt. Einer meiner GF stammt aus der Nähe von Gera, der andere aus Köthen. Sie sind im 3. bzw. 2. Diensthalbjahr.
Wir quatschen ne Weile, sie duzen mich sofort und ich stelle fest, dass dies hier nicht unüblich ist, obwohl es mir missfällt.
Ich bin 19, lasse es mir bieten, wohlwissend, dass ich letztlich aufgrund meiner Unerfahrenheit auch auf sie angewiesen bin. Nach gefühlten 20 min gehen wir in die Soldatenstuben ...

Erwartungsvolles Grinsen, als ich das große Zimmer (die Kraftfahrer des Zuges haben ihr eigenes 4-Bett-Zimmer) der Soldatenunterkunft betrete.
Die Soldaten sitzen um einen langen Tisch, darauf 2 große Kaffeekannen (in weniger als 1 Minute werde ich erfahren, dass man die hier "Boiler" nennt und diese Kannen eine überaus wichtige soziale Rolle im alltäglichen Soldatenleben spielen werden) und Tassen (sofort fällt mir auf, dass es welche aus Porzellan und auch die DDR-typischen grünen Plastiktassen sind). Kaffee geht immer und überall und die soziale Komponente des Kaffeetrinkens sollte man nicht unterschätzen.
Streng nach Diensthalbjahren getrennt, wird hier aus unterschiedlichen Tassen getrunken. Mir hat man die Stirnseite des Tisches freigehalten und eine Porzellantasse hingestellt. Im Moment des Hinsetzens ist mir nicht bewusst, dass dies eine sehr freundliche soldatische Geste mir gegenüber ist.

Für mich ists ein komisches Gefühl. Vor mir sitzen erfahrene Soldaten, fast alle älter als ich, viele bereits mit Frau und Kind daheim. Und ich soll nun deren Vorgesetzter sein. Gerade mal 19, von praktischem Grenzdienst so viel Erfahrung wie ein Hausschwein mit Stabhochsprung, soll ich nun deren Zugführer sein.
Seitens der Soldaten gibts keine Berührungsängste, man spricht mich mit "Ulei" an und duzt mich sofort, was darauf hindeutet, dass man hier einerseits einen selbstgefälligen Kumpelton pflegt, der mir nicht gefällt, andererseits deutet die schlechte Aussprache auf Soldaten vorwiegend aus Sachsen und Thüringen hin.

Ich bin verunsichert, poche nicht darauf, gesiezt zu werden und lasse mich duzen. Später werde ich mich über diese Inkonsequenz ärgern und mit den im Herbst kommenden neuen Soldaten werde ich das "du" nicht wieder anfangen. Es wird jedoch eine komische Zeit, da mich ein Teil duzen wird und ich den Neuen später klarmachen muss, dass ich das nicht mehr dulde.

Man will wissen, woher ich komme, warum ich 3 Jahre zur Fahne gehe und was ich danach vorhabe. Ich gebe bereitwillig Auskunft.
Man erklärt mir, dass hier jeder seinen Einstand zu geben hat (als ob ich das nicht allein gewusst hätte ;-) ) und ich schicke 2 Soldaten in die Küche, damit sie 2 Boiler Kaffee holen.

Das Gespräch zieht sich ca. ne Stunde hin und ich habe recht schnell ein Gespür bekommen, wer in meinem Zug tonangebend ist. Es sind 2 sog. EK`s, einer aus Berlin (Abschluss 8. Klasse, unangenehm), der andere aus Stadtilm (ein Elektriker, ihn werde ich Jahre später, als ich eine Freundin aus Stadtilm haben werde, beim Karneval wiedersehen und wir werden uns prächtig über alte Zeiten unterhalten).
Nicht immer wird jedoch unsere Dienstzeit reibungsfrei sein ...

Am Tisch fallen (grenz)soldattypische Formulierungen wie "Rübe, Spritzer, Heimi, Vize, wohl kaum, zornig" und noch andere. Mit den meisten werde ich nichts anfangen können, hier bedarf es einer Aufklärung durch meinen OaZ-Kollegen, der bereits seit einem Jahr hier dient und der mir viel lernen wird. Bald kann ich mit allen Formulierungen etwas anfangen und kenne deren wahre Bedeutung.
OaZ
 
Beiträge: 513
Registriert: 1. Juli 2020, 08:44

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon augenzeuge » 13. August 2020, 16:30

OaZ hat geschrieben:andererseits deutet die schlechte Aussprache auf Soldaten vorwiegend aus Sachsen und Thüringen hin.


Oh...... [flash]

Vor mir sitzen erfahrene Soldaten, fast alle älter als ich, viele bereits mit Frau und Kind daheim. Und ich soll nun deren Vorgesetzter sein. Gerade mal 19, von praktischem Grenzdienst so viel Erfahrung wie ein Hausschwein mit Stabhochsprung, soll ich nun deren Zugführer sein.


Stell ich mir nicht einfach vor. Bekamst du einen Kosenamen...Frischling...oder so?

AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84842
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 13. August 2020, 16:46

OaZ wurden allgemein "Ulei" genannt. Das wurde wertneutral verwendet. Hat eher was mit schlechter bzw. nachlässiger Aussprache zu tun. Korrekterweise wäre Uleu nicht falsch gewesen. Bei der Marine spricht man ja auch nur kurz vom Kaleu und nicht vom Kapitänleutnant.
Manchmal verwendeten Soldaten "U-Boot" für Unterleutnante. Damit wollten sich einige Soldaten wohl für Befehle (meistens von der Führungsstelle aus) "rächen", deren Notwendigkeit sie aus der Froschperspektive nicht erkennen konnten.

Ansonsten ist mir nicht bekannt, dass man mir einen Spitznamen gegeben hätte. Der andere OaZ, auf den ich in Kürze nochmals zu sprechen kommen werde, erhielt den wenig schmeichelhaften Kosenamen "Stimmchen". Er war jedoch sehr geachtet bei den Soldaten, da er ein absolutes Technikverständnis hatte und bei jedem Parktag mit unter dem LO und anderen Fahrzeugen lag. Er stammte aus Oybin und seine UTP-Tage verbrachte er bei VEB ROBUR Zittau. Heute hat er eine leitende Funktion bei VW.
OaZ
 
Beiträge: 513
Registriert: 1. Juli 2020, 08:44

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 14. August 2020, 18:15

Grenzertagebuch 17 A

Ich bin seit 2 Tagen in der Grenzkompanie Andenhausen. Vom Ablauf des Innendienstes hatte ich andere Vorstellungen. Ich bespreche mich mit meinem Stellvertreter, einem Feldwebel, der 3 Jahre älter ist als ich. Er bemüht sich, mir einiges zu erklären, ich merke jedoch bald, dass ihn seine 10-Jahres-Verpflichtung nicht glücklich macht.
Und dass er nun einen 19jährigen vorgesetzt bekommt, scheint ihm auch nicht zu gefallen. Bis zum meinem heutigen Erscheinen leitete er den Zug kommissarisch sozusagen.
Er lässt sich von den Soldaten mit "Gebi" anreden, eine Anspielung auf seinen Nachnamen.
Anrede mit Vornamen wäre für mich vorstellbar, allerdings tue ich mich mit einem verniedlichenden Spitznamen als Vorgesetzter schwer.

Militärisch exaktes Auftreten hat er auch nicht, ich kann mir nicht vorstellen, dass er anerkannt ist. Allerdings hat er den Vorteil, schon eine Zeit hier zu dienen, sodass ihm in puncto Geländekenntnisse kein Postenführer und erst recht kein Soldat etwas vormachen kann.
Für Nichtgrenzer sei hier erwähnt, dass Geländekenntnisse im Grenzdienst und insbes. auf der Führungsstelle oberste Priorität haben, da man von hier Befehle erteilen muss, die in realistischen Zeiten ausführbar sind.
Ein Fehler bei der Beurteilung der Wegezeiten von Postenpunkt A zu PoP B wird verziehen, aber zwei Fehler ist einer zuviel und man setzt sich den spöttischen Blicken und Bemerkungen des 3. DHJ aus.
... Ein schwieriges Thema, von Grenzern aber gut zu verstehen.
OaZ
 
Beiträge: 513
Registriert: 1. Juli 2020, 08:44

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon steffen52 » 14. August 2020, 19:40

Volker Zottmann hat geschrieben:Wirklich Steffen 52?
Fußpilz wurde mit Einlauf bekämpft? [laugh]
Klasse Mittel, dient der Erheiterung. Weiter so!

Steffen ich weiß, dass es deinerseits nur eine Redewendung ist. Lustig ist es so aber trotzdem.

Gruß Volker

Schön das wenigstens Du es verstehst und nicht so ein Muffel bist, wie halt andere User hier!!! [hallo]
Gruß steffen52
"Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen!"
Friedrich Schiller
Benutzeravatar
steffen52
 
Beiträge: 14400
Bilder: 0
Registriert: 19. Februar 2015, 21:03

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 14. August 2020, 22:08

Grenzertagebuch 17 B


Zum ersten Mal an der Grenze


Es ist nicht meine erste Komplettschicht, die ich hier beschreiben möchte, wohl aber ists mein wirklich erster (bewaffneter) Einsatz an der Staatsgrenze.

Ich werde als Posten einem Ltn. zugeteilt, der hier bereits das 2. Jahr als ZF tätig ist und im Herbst 1982 zum Oltn. befördert wird. Er ist verheiratet und hat einen 2jährigen Sohn.

Der Trabi bringt uns in den SiA 8 des GR-3. Wir passieren das Tor 39 (Straße Andenhausen - Tann) und fahren auf dem Kolonnenweg nach rechts bis zum Kohlbach. Dort steigen wir aus und der Ltn. beginnt, mich einzuweisen. Er erklärt mir, worauf ich achten soll, vergisst dabei nicht, mich auf die Gefahren des Kolonnenweges hinzuweisen. Diese Löcher in den Platten werde ich noch oft verfluchen.
Vor einem Tag fand die Einweisung im gesamten Bataillonsabschnitt statt, davon konnte ich mir allerdings nicht allzu viel merken. Es waren zu viele Infos, die da auf mich einstürmten.

Ich laufe vorschriftsmäßig vor meinem Postenführer, es geht auf dem Kolonnenweg entlang, es geht bergan. Linkerhand der 6er, rechts waldreiche Gegend, kleinere Wiesen, alles recht beschaulich und es könnte mir gefallen, auf ihnen spazieren zu gehen. Es sind tatsächlich Wiesen, auf ihnen steht hohes Gras. Sauerampfer, den ich bereits in Kindertagen recht gern gegessen habe, sehe ich auch und ich pflücke mir einige Stängel und kaue die Blätter.

Wir reden über die Grenzkompanie, er will wissen, woher ich komme, warum ich hier bin, was ich erwarte ... na ja ... Gespräche solcher Art eben.
Er fragt nach Ausbildungsoffizieren in Plauen, wir stellen fest, dass es einige gibt, durch deren Hände wir sozusagen beide "gegangen" sind. Legendär: Oberstleutnant Panke (in Stiefeln gestorben) und Oberstleutnant Wosiclo.

Inzwischen laufe ich nicht mehr vor ihm, er läuft neben mir und ich finde das ungewöhnlich. Er kennt mich nicht, läuft neben mir und ich fühle mich ziemlich vertraueneinflößend.

In ca. 60 min passieren wir den Tannblick, jenen Postenpunkt, den ich mir bereits am Einweisungstag merken konnte, da er die gleiche Nr. wie die Polizeirufnotfallnummer trägt. Die Bank steht immer noch und Roland meint, dass sie hier so gar nicht gut steht.
Das ist mir zwar auch klar, allerdings sagt er es aus einem anderen Grund, als ich es denke. Für mich ist durch sie ggf. die Rundumbeobachtung nicht gewährleistet, aus seiner Sicht stellt sie ein mögliches Hilfsmittel bei der Überwindung des Zaunes dar. Später wird er veranlassen, dass sie entfernt wird.

Wir verlassen den SiA 8 und laufen auf dem Kamm in Richtung Grenzkopf. Der Weg dorthin ist eher eintönig, rechts Wald, links Wald, dazwischen der Kolonnenweg und links von uns die Minensperre MS-66.
Mein erster Einsatz an der Grenze ist weitaus weniger spektakulär, als ich es gedacht hatte. Unser Befehl lautet, bis zum PoP 100, d.h. bis zur Straße Motzlar - Tann zu laufen.
Unterwegs treffen wir auf gerade mal 2 Grenzposten. Den ersten nehmen wir im Kohlbachbereich wahr. Ihn zu kontrollieren ist jedoch unmöglich, da wir uns ihm mit einem Trabi näherten.
Der 2. Posten handelt im Grenzkopfbereich, ihn sehen wir nicht. Ich finde es gut, denn nach meiner Meinung tarnt er sich gut.
Ltn. H. ist sich da nicht so sicher, er tippt darauf, dass der Posten sich im Wald aufhält bzw. am Grenzsignalzaun handelt. Wir sehen ihn jedenfalls nicht, werden darüber auch später so berichten.

Es ist inzwischen am frühen Nachmittag und wir brechen zum Rückweg auf. Ich erinnere mich noch gut an diesen verdammt steilen Berg, den wir nun, nachdem wir ihn nach unten gelaufen sind und unsere Schienbeine von der Stauchung weh tun, in die andere Richtung bezwingen müssen.

Es beginnt der Moment, dass ich diesen Berg zu hassen beginne. Ganz gewiss nicht mit Defiziten in der militärischen Körperertüchtigung ausgestattet (Note 2 auf dem Zeugnis), kraxle ich nach oben. Bereits nach wenigen Metern beginnen die Kniegelenke und die Oberschenkel zu schmerzen und wir haben noch mindestens 8 km vor uns. Roland ist im Gegensatz zu mir Raucher, dennoch ist er sehr belastbar und seine Lunge "pfeift" zwar, aber er läuft kontinuierlich schnell. Ich habe Mühe voranzukommen und werde von ihm angetrieben. Ich habe damit kein Problem, weiß ja, dass ich ihm als Posten unterstehe.
Es ist ein Freitag und er keucht hinter mir. Er muss seinen Zug schaffen, er will mit seiner Familie seine Eltern in Cottbus besuchen.
Ich bin dabei sein größtes Hindernis, weil ich ihm nicht schnell genug bin.
Ich laufe nicht langsam, laufe zügig, er macht mir dennoch Druck.

"Komm, Unterleutnant, mach Betrieb! Oder willst du mich nach Erfurt fahren?"
"Womit?"
"Mir egal, ich muss den Zug kriegen. Mach Ballett!"

Ich laufe schneller, ihm reichts immer noch nicht aus. Er rechnet mir vor, wie lange wir bei diesem Tempo noch brauchen. Ich staune über seine Fähigkeiten, wie er einschätzt, wann wir an welchem Punkt sein werden und wie lange er dann noch hat, um sich zu duschen, umzuziehen und nach Empfertshausen zu seiner Familie zu kommen.
In wenigen Monaten werde ich das auch so ausrechnen können, gegenwärtig beeindruckt es mich noch schwer.

Jetzt passiert etwas, was ich mir nie vorstellen konnte.
Roland läuft an mir vorbei und läuft vor mir. Er will das Tempo vorgeben und missachtet den Grundsatz, dass der Postenführer niemals vor seinem Posten laufen soll. Ich stutze.
Dies wird mir im Laufe meiner Dienstzeit nicht ein einziges Mal passieren. Immer werde ich derjenige sein, der seinen Posten jederzeit im Auge hat.

Roland ist streckenweise mehr als 100 Meter (!) vor mir. Er dreht sich nicht um und er würde es nicht bemerken, wenn ich plötzlich verschwinde. Ich bin sprachlos.
Tage später werde ich ihn darauf ansprechen. Er wird antworten, dass er sich auf sein Bauchgefühl verlassen kann.
Ich werde einerseits stolz sein, andererseits werde ich sein Handeln nicht verstehen können: Er läuft am allerersten Tag mit einem Neuen in einem Abschnitt, in dem sich weit und breit kein Posten aufhält und handelt so unvorsichtig. Noch lange Zeit werde ich darüber nachdenken ...

Roland schafft seinen Zug.
Es war mein erster und einziger Einsatz mit ihm.
Als Zugführerkollegen werde ich ihn schätzen lernen - trotz dieses für mich gravierenden Fehlers.
OaZ
 
Beiträge: 513
Registriert: 1. Juli 2020, 08:44

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon augenzeuge » 15. August 2020, 10:22

Immer werde ich derjenige sein, der seinen Posten jederzeit im Auge hat.


Das nennen ich vorsätzlich aufgebautes Misstrauen. Persönlich find ich das ganz schlimm, wenn man sonst allein ist.
Immer die Angst, dass einer abhauen könnte.

Dabei waren doch andere Dinge wichtiger.... [denken]

Sorry, aber ich finde, dass er keinen Fehler gemacht hat. Er hat eben erkannt, dass man seinen Posten nicht wie einen Hund behandeln muss, der immer vor einem laufen muss.

AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84842
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 15. August 2020, 11:07

Warst du an der Grenze? Vermutlich nicht.

Das hat was mit Wachsamkeit zu tun und mit Vorsicht.
OaZ
 
Beiträge: 513
Registriert: 1. Juli 2020, 08:44

VorherigeNächste

Zurück zu Spezial - Persönliche Erinnerungen

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste