Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon steffen52 » 15. Juli 2020, 16:58

Eigentlich hätte ich mal eine Frage zu Deinen Ausführungen, aber da das nicht so Dein Ding ist , lasse ich es! [frown]
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 15. Juli 2020, 17:03

steffen52 hat geschrieben:Eigentlich hätte ich mal eine Frage zu Deinen Ausführungen, aber da das nicht so Dein Ding ist , lasse ich es! [frown]
Gruß steffen52


Lieber steffen52,

du kannst mich gern fragen (ich hoffe, es geht jetzt nicht darum, ob sich der linke oder rechte Flügel des GSZ-Einlasstores zuerst öffnen ließ oder ob der LO-Fahrer blond oder dunkelhaarig war [rose] )
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 15. Juli 2020, 18:58

Franz hat geschrieben:OaZ, ich lese deine Erinnerungen gern. [wink]

Und ich hoffe sehr, dass Fragen und Antworten dazugehören können.

Wie haben deine Eltern deinen Grenzdienst gesehen? Sahen sie eine Gefahr darin?

franz


Danke für die warmen Worte.
Natürlich beantworte ich gern Fragen. Zu einem Forum gehören sie dazu.

Du fragst, wie meine Eltern meine Grenzzeit gesehen haben. Ich will versuchen zu antworten.

Mein Vater sah es eher nüchtern ("Armee hat noch keinem geschadet, da werden aus Memmen Männer gemacht.").
Meine Mutter hatte große Angst, versuchte diese aber nicht zu zeigen. Die Zeit an der OHS in Plauen war relativ entspannt für sie, hier ging es um Ausbildung, nicht um tatsächlichen Grenzdienst mit allen Gefahren. Für meine Eltern und sicher auch die meisten DDR-Bürger drohte die Gefahr tatsächlich aus dem Westen. BGS, die US-Soldaten und alle anderen Bewaffneten stellten sozusagen das größte Bedrohungspotenzial dar.

1980 wurde Ulrich Steinhauer im Dienst ermordet.
1981 (nur wenige Tage vor meiner Einberufung) starb Klaus-Peter Braun in Ausübung seines Dienstes (auf der Führungsstelle, meinem künftigen Revier). Auch hier kann man ruhigen Gewissens von Mord sprechen.
Das alles machte die Angst meiner Eltern nicht kleiner.
1982, als ich bereits die Ultn.-Schulterstücke trug und täglich an vorderster Front mit Verantwortung für mir unterstellte Soldaten und einen Grenzabschnitt aufzog, wurde Eberhard Knospe ermordet.
Alle 3 übrigens vom eigenen Posten erschossen.

All das hinterließ Spuren. Bei den Grenzern selbst, deren Eltern, Großeltern, Geschwistern, Freunden, Freundinnen, Bräuten usw.
Die offziellen Meldungen im DDR-Fernsehen und Rundfunk sprachen immer von feigen und hinterhältigen Morden durch vom Klassenfeind gesteuerten Elementen oder auch vom Klassenfeind selbst. Offiziell erfuhr man nicht, dass es der eigene Mann war, der hier zum Mörder wurde. Oft glaubte man, dass die tödliche Kugel aus dem Westen kam.

Ganz klar sahen meine Eltern und auch meine Schwester eine Gefahr. Und auch keine geringe.
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon steffen52 » 15. Juli 2020, 19:33

OaZ hat geschrieben: Für meine Eltern drohte die Gefahr tatsächlich aus dem Westen. BGS, die US-Soldaten und alle anderen Bewaffneten stellten sozusagen das größte Bedrohungspotenzial dar.




Das ist bestimmt auch Deine Ansicht gewesen und nicht nur die Deiner Eltern! Zu meiner Zeit sahen die Grenzer am Kanten eher die Bedrohung aus den eigenen Reihen, den GV und was eigentlich die größte
Angst gewesen ist, die Flüchtlinge der Sowjetarmee. Habe es selbst erlebt, bewaffnet mit allem was sie tragen konnten und ohne Skrupel, durchkommen mit allem Mitteln, wenn sie es nicht schaffen wussten sie was ihnen danach
passierte! Also blieb nur die Frage, wer schießt zu erst. Da ist mir das erste mal bewusst geworden was echte Angst ist. So klein wie möglich habe ich mich im P3 gemacht, wo ich auf den Regimenter Oberst O. warten musste. Zum Glück hat es dieser Fahnenflüchtling der Sowjetarmee in einen andere Abschnitt versucht, wie es damals ausgegangen ist wurde uns nicht gesagt.
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon Zicke » 15. Juli 2020, 19:36

Hallo OaZ,
das müsste der Spieß gewesen sein, bei eurer Ankunft.

Bild
Menschen, die keinen Arsch in der Hose haben, müssen nicht zwangsläufig schlank sein.

Meine Rechtschreibfehler könnt Ihr Samstags ab 17 Uhr bei Rewe gegen eine lecker Senfgurke tauschen.
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 15. Juli 2020, 20:01

Sieht aus wie Viehweg.
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon Zicke » 15. Juli 2020, 20:15

war bis Herbst 71 mein Zugführer in der 7.
Menschen, die keinen Arsch in der Hose haben, müssen nicht zwangsläufig schlank sein.

Meine Rechtschreibfehler könnt Ihr Samstags ab 17 Uhr bei Rewe gegen eine lecker Senfgurke tauschen.
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 15. Juli 2020, 20:26

Er galt nicht als beliebt, war aber korrekt. Und seinen Verantwortungsbereich hatte er im Griff.
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon Volker Zottmann » 15. Juli 2020, 20:29

Hallo OaZ.
Ich glaube Du unterliegst einer gewaltigen Fehleinschätzung zu der damaligen Zeit.
Dass Deine Eltern den Feind im Westen sahen, kann ja sein. Aber frei zu behaupten, dass die Mehrheit der DDR-Bürger das auch so sah, hat mit der Realität wenig zu tun.
Wo der "Feind" stand hast Du selbst bei den 3 Toten geschrieben. Kein Feind im Westen. Eigene Leute waren es, warum auch immer.
Die Masse der Menschen sah die Grenze doch eher als Käfighaltung des eigenen Seins. Wir alle waren eingesperrt! Nicht der Bürger im Westen. Warum sollte der uns bedrohen?
Das war doch eher die Paranoia, die Euch im Polit eingeimpft wurde.
Nach Deiner Sicht war ich dann der Masse nicht zugehörig und 90 Prozent meiner Bekannten auch nicht, denn die sahen das auch ähnlich oder ebenso.

Gruß Volker
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 15. Juli 2020, 20:42

30 Jahre später klug daherreden ... das kann jeder. Ich schrieb meine Erinnerungen nicht 30 Jahre später.
Wenn du meine Zeilen richtig gelesen hättest, wäre dir aufgefallen, dass ich schrieb: Die offziellen Meldungen im DDR-Fernsehen und Rundfunk sprachen immer von feigen und hinterhältigen Morden durch vom Klassenfeind gesteuerten Elementen oder auch vom Klassenfeind selbst. Offiziell erfuhr man nicht, dass es der eigene Mann war, der hier zum Mörder wurde. Oft glaubte man, dass die tödliche Kugel aus dem Westen kam.
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon Volker Zottmann » 15. Juli 2020, 20:52

OaZ hat geschrieben:30 Jahre später klug daherreden ... das kann jeder. Ich schrieb meine Erinnerungen nicht 30 Jahre später.
Wenn du meine Zeilen richtig gelesen hättest, wäre dir aufgefallen, dass ich schrieb: Die offziellen Meldungen im DDR-Fernsehen und Rundfunk sprachen immer von feigen und hinterhältigen Morden durch vom Klassenfeind gesteuerten Elementen oder auch vom Klassenfeind selbst. Offiziell erfuhr man nicht, dass es der eigene Mann war, der hier zum Mörder wurde. Oft glaubte man, dass die tödliche Kugel aus dem Westen kam.


Mal zum Verständnis und zum Lesen:

Du hast gerade wörtlich @Franz geantwortet:
Mein Vater sah es eher nüchtern ("Armee hat noch keinem geschadet, da werden aus Memmen Männer gemacht.").
Meine Mutter hatte große Angst, versuchte diese aber nicht zu zeigen. Die Zeit an der OHS in Plauen war relativ entspannt für sie, hier ging es um Ausbildung, nicht um tatsächlichen Grenzdienst mit allen Gefahren. Für meine Eltern und sicher auch die meisten DDR-Bürger drohte die Gefahr tatsächlich aus dem Westen. BGS, die US-Soldaten und alle anderen Bewaffneten stellten sozusagen das größte Bedrohungspotenzial dar.


Das hast Du jetzt niedergeschrieben und ist eine Einschätzung zu damals.
Und da ist der Irrtum, denn niemals glaubte die Mehrheit an einen Feind aus dem Westen. Das Deine Eltern das glaubten bestreitet auch niemand.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon steffen52 » 15. Juli 2020, 21:26

Volker Zottmann hat geschrieben:
OaZ hat geschrieben:30 Jahre später klug daherreden ... das kann jeder. Ich schrieb meine Erinnerungen nicht 30 Jahre später.
Wenn du meine Zeilen richtig gelesen hättest, wäre dir aufgefallen, dass ich schrieb: Die offziellen Meldungen im DDR-Fernsehen und Rundfunk sprachen immer von feigen und hinterhältigen Morden durch vom Klassenfeind gesteuerten Elementen oder auch vom Klassenfeind selbst. Offiziell erfuhr man nicht, dass es der eigene Mann war, der hier zum Mörder wurde. Oft glaubte man, dass die tödliche Kugel aus dem Westen kam.


Mal zum Verständnis und zum Lesen:

Du hast gerade wörtlich @Franz geantwortet:
Mein Vater sah es eher nüchtern ("Armee hat noch keinem geschadet, da werden aus Memmen Männer gemacht.").
Meine Mutter hatte große Angst, versuchte diese aber nicht zu zeigen. Die Zeit an der OHS in Plauen war relativ entspannt für sie, hier ging es um Ausbildung, nicht um tatsächlichen Grenzdienst mit allen Gefahren. Für meine Eltern und sicher auch die meisten DDR-Bürger drohte die Gefahr tatsächlich aus dem Westen. BGS, die US-Soldaten und alle anderen Bewaffneten stellten sozusagen das größte Bedrohungspotenzial dar.


Das hast Du jetzt niedergeschrieben und ist eine Einschätzung zu damals.
Und da ist der Irrtum, denn niemals glaubte die Mehrheit an einen Feind aus dem Westen. Das Deine Eltern das glaubten bestreitet auch niemand.

Gruß Volker

Ja Volker, er hat es damals so gesehen, das natürlich zu verallgemeinern auf den großen Rest der DDR-Bürger ist schon etwas starker Tobak, aber er hat ja freiwillig länger gedient, das unterscheidet ihm mit uns Grundwehrdienstlern wir mussten die 1 halb Jahr dieser DDR dienen, ob gewollt oder nicht! [frown]
Gruß steffen52
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 16. Juli 2020, 05:20

Ich rede vom eigentlichen Grenzdienst direkt an der Trennungslinie der Systeme. Und da denke ich schon, dass ein Großteil der DDR-Bürger, die ja nie dort waren, ähnlich dachten. Allerdings ist es mühselig, nach 30 Jahren darüber zu spekulieren, denn nach meinem Kenntnisstand konnte es dazu keine Untersuchungen, auf die man sich heute stützen könnte, geben.
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 16. Juli 2020, 10:32

Dies entwickelt sich jetzt in eine Richtung, die mit dem Thema nichts mehr zu tun hat. Eine Diskussion an anderer Stelle ist geeigneter.
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon augenzeuge » 16. Juli 2020, 12:35

OaZ hat geschrieben:Dies entwickelt sich jetzt in eine Richtung, die mit dem Thema nichts mehr zu tun hat. Eine Diskussion an anderer Stelle ist geeigneter.


Stimmt.

Ab sofort geht es mit dir weiter.

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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon pentium » 16. Juli 2020, 15:34

augenzeuge hat geschrieben:
OaZ hat geschrieben:Dies entwickelt sich jetzt in eine Richtung, die mit dem Thema nichts mehr zu tun hat. Eine Diskussion an anderer Stelle ist geeigneter.


Stimmt.

Ab sofort geht es mit dir weiter.

AZ


Ich gliedere die falsche Richtung dann mal aus...
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 16. Juli 2020, 16:53

Grenzertagebuch 6

Wie verlassen die Füst 5 und besteigen die Ladefläche des LO. Es wird für die restliche Zeit meines Dienstes bei GT das letzte Mal sein, dass ich so "reise". Künftig sitze ich vorn rechts als Kommandierender.

Ich bin fest davon überzeugt, dass unser nächster Stopp an der Rudi-Arnstadt-Höhe sein wird, werde jedoch durch das Weiterfahren unseres Kfz eines Besseren belehrt. Oltn. T. lässt nicht anhalten und der mit uns auf der Ladefläche sitzende Fähnrich erzählt uns, dass an eben jener Stelle der Mord passiert ist. Er verwendet das Wort Mord, auch er hat keinerlei Zugang zu den heute bekannten Quellen.

In den folgenden 2 Jahren werde ich stets froh sein, wenn ich diese Stelle passiert habe. Zwar beschleicht mich an diesem heutigen ersten Tag kein mulmiges Gefühl, wenn ich jedoch künftig hier am K-6 entlang laufe, wird das Gefühl ein anderes sein.

Wir sehen nicht übermäßig viel von der Ladefläche aus, unser Weg führt uns entlang des Kolonnenweges und entlang der 501er Minensperranlage (in den westlichen Medien umgangssprachlich "Selbstschussanlage" oder "Todesautomaten" genannt) nach Süden in den Nachbarabschnitt. Im hiesigen SiA 5 sperren 2 Minenanlagen hier die 12 km Staatsgrenze zwischen DDR und BRD. Das zwischen beiden Zäunen befindliche Gelände wird nahezu 100%ig als landwirtschaftliche Nutzfläche genutzt, Wald gibts nur im nördlichen Teil gegenüber von Point Alpha.
Nach einigen Minuten Fahrzeit passieren wir den PoP 33. Für mich sinds alles noch "böhmische Dörfer", ich habe (noch) keine Ahnung, woran man erkennt, welcher PoP gerade passiert wird. Auch sehe ich keinen Übergang zwischen SiA 5 und 6, alles geht nahtlos ineinander über.
Der Fähnrich ist ruhig geworden, seine ohnehin schon sparsamen Ausführungen tendieren gen Null und ich habe das Gefühl, dass seine Freude nicht überschwänglich war, als er den Befehl erhielt, die Neuen einzuweisen ...

Links und rechts von uns befindet sich nunmehr dichter Wald. So in etwa habe ich mir diese Grenze vorgestellt. Der endlos lange, geradeaus führende Kolonnenweg beschreibt diese künstliche Schneise, die hier in den Wald getrieben wurde.
Erst 2011 werde ich erfahren, dass hier in der Nähe des PoP 39 für die DDR wichtige Menschen auf nicht üblichem Weg aus der BRD ind die DDR und umgekehrt geschleust werden und quasi direkt durch diese Minensperre gelaufen sind, ohne dass ihnen etwas passiert ist. Dass es Blindfelder im Minen gesperrten Abschnitt gibt, weiß ich 1982 auch noch nicht. Wahrscheinlich bin ich nicht der einzige Unwissende.
Plötzlich gehts steil bergab und wir rutschen auf der Ladefläche nach vorn und fast ins Fahrerhaus. In der Senke hält der LO, wir sitzen ab. "Hier befindet sich Reinhards, das ist das westlichste Dorf der DDR." Nach Westen und Süden der Grenz-, nach Norden und Osten der Weidezaun für die Kühe. Ich erfahre, dass hier ein ständiger Posten eingesetzt ist.
Nach wenigen Metern fahrt hält der LO erneut und ein lächelnder Oltn. erklärt uns, dass wir nun am westlichsten Punkt der DDR sind. Kein Ort an der gesamten Staatsgrenze befindet sich weiter westlich. Toller Superlativ - denke ich mir, da kannste später mal deinen Kindern erzählen, dass Papa ganz weit im Westen war, gehts mir später, nachdem wir wieder auf dem LO sitzen, durch den Kopf.
Irgendwie bin ich stolz an diesem Punkt zu sein, denn ich war bewusst bereits am nördlichsten Punkt der DDR, auf Kap Arkona, am östlichsten in der Nähe von Görlitz und auch am südlichsten, in Schönberg im Vogtland. Und nun bin ich hier und die meisten DDR-Bürger werden hier nie sein können. Ätsch!

Es ist Hochsommer und auch hier stehen auf den Weiden Obstbäume, die scheinbar keinem gehören.
Das Wetter ist herrlich, unsere Einweisung setzt sich fort.
In Kürze werden wir einen weiteren spektakulären Ort kennen lernen. Wir werden die Stelle passieren, an der vor einem Jahr der 1,68 m große Regimentskommandeur OSL Rauschenbach mal einen nicht von offizieller Seite genehmigten Kurztrip ins westliche Ausland unternommen hatte.
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 16. Juli 2020, 19:16

Lieber Franz,

das Verwenden von lustigen Gesichtern mache ich tatsächlich nur selten. Ich setze auf die Intelligenz der Lesenden, die auch erkennen, wenn etwas nicht so ernst gemeint ist, wie es auf den ersten Blick scheint (wie im von dir zitierten Fall)

Dass ich mir die Welt nicht anschauen konnte, hat mich wirklich gewurmt. Was ich da manchmal tat, weiß ich heute noch:

Auf der Titelsite vom NEUEN DEUTSCHLAND, der FREIEN PRESSE oder aber aus der JUNGEN WELT waren ja täglich Meldungen aus aller Welt zu lesen, die mit dem Ort begannen, wo das Ereignis stattfand. Ich träumte, dass ich in einem Preisauschreiben gewonnen hätte und mir einen der Orte, die auf der Titelöseite der Tageszeitung erwähnt wurde, besuchen dürfte. Meistens entscheid ich mich in Gedanken für den geografisch am weitesten entfernten Ort.
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon Volker Zottmann » 16. Juli 2020, 21:59

Ähnlich ging es allem im Volk, die geren gereist wären. Genau deshalb wäre ich nie an die Grenze gegangen, wobei die mich ja auch nie wollten. Ich hätte es vielleicht wie der Hermann gemacht....
Und OaZ, setze lieber Smileys, anders wird man nicht verstanden. Selbst damit erkennt hier nicht jeder Satire oder ein Augenzwinkern. (Manche wollen es auch bewusst nicht)

Gruß Volker
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 16. Juli 2020, 22:28

Volker Zottmann hat geschrieben:Ähnlich ging es allem im Volk, die geren gereist wären. Genau deshalb wäre ich nie an die Grenze gegangen, wobei die mich ja auch nie wollten. ...

Gruß Volker


Das eine muss das andere nicht ausschließen. Wie gesagt: ich glaubte, im besseren der beiden deutschen Staaten zu leben. Und ich hielt die Beschützung und Verteidigung dieses Landes für richtig. Schließlich ermöglichte es mir eine sorgenfreie Jugend, Frieden, eine gute Schulausbildung ... usw. usf. Ich war 18, dankbar dafür ... unerfahren, zugegebenermaßen relativ leicht beeinflussbar ... eigentlich fette Beute für die SED. Ich war jedoch nie deren Mitglied. Trotz OaZ. Trotz Grenztruppen. Trotz eines gesellschaftswissenschaftlichen Studiums ... Trotz Reservistenlager in Seelingstädt ...
Vielleicht auch dazu später mal mehr ...
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 16. Juli 2020, 22:58

Grenzertagebuch 7

Unsere Fahrt führt entlang des Kolonnenweges und es passiert nichts Spektakuläres. Ich hatte wohl doch eine zu große Erwartung, konnte mir nicht vorstellen, dass wir quasi völlig allein hier sind. Der Fä. erklärt uns, dass das Stück zwischen Reinhards und dem nächsten Posten ein sehr langes ist und nicht immer gibts genügend Posten, die aufziehen können. Hier klafft teilweise eine Lücke von mehr als 10 km (!) bis zum nächsten Posten.
Übrigens war das dem fahnenflüchtigen Regimentskommandeur OSL Rauschenbach auch nicht unbekannt. Später dazu mehr.

Irgendwie kennt man das als gelernter DDR-Bürger: keine Leute, keine Leute ... Spiegelbild dieses Mangels nunmehr auch hier bei GT. Eigentlich nicht vorstellbar, dennoch Realität.
Den nächsten Posten finden wir im Postenbereich Ketten (Ort im Sperrgebiet an der Grenze).
Bei der Taktikausbildung waren wohl nahezu alle Grenzposten, die ich während der Einweisungsfahrt sehe, gerade Kreide holden. Tarnung und wenig auffälliges Verhalten im Gelände gibts offenbar nur in der Theorie.

An der ehemaligen Ortsverbindungsstraße Ketten - Gotthards hält unser LO. Natürlich kann ich diesen Punkt noch nicht kennen, ich erfahre alles erst, nachdem wir absitzen und von den beiden Berufssoldaten diese Info bekommen. Man sieht nicht allzu viel, eigentlich gar nichts. Vom Kolonnenweg weg in Richtung eigenes Hinterland befindet sich der Waldrand.
Es ist ein schöner Laubwald, dessen Blätter sich langsam bunt zu färben beginnen. Der Grenzzaun 1 als letztes Sperrelement befindet sich in der anderen Richtung.
Hier gibts keine Minen am Zaun, es ist unwahrscheinlich, dass hier illegale Grenzübertritte stattfinden sollen.

So denkt man zumindest aus GT-Sicht.

Das aktuellste Gegenbeispiel lieferte 1981 ein ehemaliger Uffz. aus dem 2. Bat., der kurz nach seiner Entlassung hier nachts allein auftauchte und mit einem Bolzenschneider den GZ 1 durchtrennte, um sich aus der DDR-Staatsbürgerschaft zu verabschieden.
Er kannte die Örtlichkeiten und Postenplätze, es war quasi ein Heimspiel für ihn. Am nächsten Morgen lachte der Kontrollstreife am K-6 ein ca. 50x50 cm großes Loch im vorderen Zaun zu. Von Pionieren wurde es mit einem passenden Stück Streckmetallzaun wieder verschraubt, es ist jedoch noch immer gut erkennbar.
Auf meinen künftigen Streifen werde ich es in Kürze mit eigenen Augen zu sehen bekommen.

Unsere Blicke werden nach Norden gelenkt. In der Ferne erkennen wir ein riesengroßes Holzkreuz. Ach ja ... die Rhön ist katholisch, kommts mir wieder in den Sinn ... sie nimmt sich nichts zum Eichsfeld. Es gehört hier zum wöchentlichen Brauch, sonntags die Kirche aufzusuchen. Wieder werde ich an die Worte des Offiziers erinnert, der mir meinen Einsatzort in Plauen verkündet hat.

Besagtes Holzkreuz spielte zu Zeiten, als es noch keine Grenze gab, bei Prozessionen eine wichtige Rolle.
Seit es im Abschnitt zwischen den Zäunen steht, führt es ein abgeschiedenes Dasein, nur die Grenzer machen dort Station, wenn sie den K-2 ( für Unkundige: 2-Meter-Kontrollstreifen am hinteren Sperrelement) ablaufen und oben auf dem Rössberg angekommen sind.

Nach 1990 werde ich mehrmals hier sein, werde meinem Sohn und meiner Freundin die Rhön zeigen und die wirkliche Schönheit dieses Fleckchens Erde genießen können. Seltene Orchideen wachsen hier, keiner stört sie.
Es ist eine herrliche Landschaft, die ich Jahre später, wenn ich mir tatsächlich die Welt anschauen kann und nicht nur eine Weltanschauung zu haben brauche, die mir das Welt anschauen verbietet, mit Österreich vergleichen werde.
Zu Zeiten meines Dienstes werde ich dafür jedoch kaum Augen haben, was letztlich auch daran liegt, dass man als junger Mensch ganz andere Prioritäten setzt.

Der SiA 6, in dem wir uns gerade befinden, ist der längste des gesamten Regimentsabschnittes, erklärt uns der Oltn.
Er misst 16 km und die Kontrollstreifen der Kompanien, die hier morgens am hinteren und vorderen Zaun die DDR-Volkszählung durchführen, sind immer ziemlich knülle, wenn sie ihre Arbeit erledigt haben.
Unsere Fahrt führt uns weiter und in wenigen Minuten erreichen wir einen ganz besonderen Punkt im Verantwortungsbereich des GR-3.

Ich verwende oftmals heute noch den Begriff Sicherungsabschnitt (SiA), obwohl ich längst zu der Überzeugung gekommen bin, dass es weniger was zu sichern als vielmehr was zu verhindern gab.
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon augenzeuge » 17. Juli 2020, 07:46

OaZ hat geschrieben:Grenzertagebuch 7

und nicht nur eine Weltanschauung zu haben brauche, die mir das Welt anschauen verbietet....

Ich verwende oftmals heute noch den Begriff Sicherungsabschnitt (SiA), obwohl ich längst zu der Überzeugung gekommen bin, dass es weniger was zu sichern als vielmehr was zu verhindern gab.


Wann bist du zu der Überzeugung gekommen?

Gab es jemals in privaten Gesprächen an der Grenze, oder beim Politunterricht Bemerkungen, welche etwas in diese genannten Richtungen gingen?

AZ
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 17. Juli 2020, 12:37

augenzeuge hat geschrieben:
OaZ hat geschrieben:Grenzertagebuch 7

und nicht nur eine Weltanschauung zu haben brauche, die mir das Welt anschauen verbietet....

Ich verwende oftmals heute noch den Begriff Sicherungsabschnitt (SiA), obwohl ich längst zu der Überzeugung gekommen bin, dass es weniger was zu sichern als vielmehr was zu verhindern gab.


1) Wann bist du zu der Überzeugung gekommen?

2) Gab es jemals in privaten Gesprächen an der Grenze, oder beim Politunterricht Bemerkungen, welche etwas in diese genannten Richtungen gingen?

AZ


1) 1989 ... früher eher nicht
2) Die Kontrollstreifen verwendeten manchmal nach dem Ablaufen des K-2 bzw. des K-6 die Formulierung, dass die Volkszählung erfolgreich war und keiner fehlt.
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon augenzeuge » 17. Juli 2020, 15:03

Ok, hat sich dann 1989 die Meinung deiner Eltern auch verändert? Eigentlich bricht doch dann eine Welt zusammen, wenn man erkennt, dass man Jahrzehnte blind gewesen ist.

Zum Thema:
Wann hattest du erstmals Kontakt mit Abtlg. 2000?
Wie war die Versorgungslage mit Südfrüchten?

AZ
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 17. Juli 2020, 19:52

augenzeuge hat geschrieben:Ok, hat sich dann 1989 die Meinung deiner Eltern auch verändert? Eigentlich bricht doch dann eine Welt zusammen, wenn man erkennt, dass man Jahrzehnte blind gewesen ist.

Zum Thema:
1) Wann hattest du erstmals Kontakt mit Abtlg. 2000?
2) Wie war die Versorgungslage mit Südfrüchten?

AZ


Mein Vater hat noch seeeehr viel länger gebraucht, um zu realisieren, was tatsächlich los war. Allerdings ist er noch im November oder Dezember 1989 aus der SED ausgetreten. Bis vor wenigen Jahren wollte er vieles nicht wahrhaben und hat immer noch verteidigt, obwohl es nichts mehr zu verteidigen gab. Auch heute noch fliegen in Diskussionen mit ihm (inzwischen 84, geistig und körperlich beneidenswert fit) regelmäßig die Fetzen. Oft erkläre ich ihm, dass ihm keiner einen Vorwurf macht, dass er einer Sache gedient hat, von der er vor allem als Kriegskind -sein Vater/mein Opa verlor während des Krieges in der SU als 33jähriger sein linkes Bein- zutiefst überzeugt war. Noch heute hat er Probleme, in der BRD zu leben ("Die haben doch nichts für den kleinen Mann übrig"). In gewisser Weise kann ich ihn verstehen (zumindest Verständnis haben) ... keine Ahnung, ob ich 84 werde und wie ich sein werde ...

1) ... kurz vor der Ernennung zum Offizier (ca. Mai 1982) ... Der Hptm. saß eine Etage tiefer (Plauen, OHS). Kleines, unscheinbares Dienstzimmer. Übergewichtig, dunkelblond, linker Seitenscheitel ... deutlich älter (Anfang 40), als Hauptleute sonst sind. Altersmäßig hätte er längst mindestens Major sein müssen. Er saß in GT-Uniform vor mir und stellte völlig belanglose Fragen. Er wirkte vertrauenswürdig und interessiert. Ich habe mal an anderer Stelle geschrieben, dass ich mich nicht erinnern kann, ob ich damals irgend etwas unterschrieben habe (ich meine jetzt nicht zwangsläufig eine Verpflichtung zum IM, dieser Kelch ging an mir vorüber ... )

2) In der Grenzkompanie? Oder was bzw. wo meinst du?
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 17. Juli 2020, 20:26

Grenzertagebuch 8

Unsere Einweisungsfahrt geht weiter. Linkerhand führt eine Straße zu einem kleinen Grenzdorf, das man wohl zu Recht als eines der abgeschiedensten bezeichnen kann. Es heißt Walkes und hat die allseits bekannten 3 Häuser und 4 Spitzbuben. Außerdem erkenne ich eine wirklich große Kuhherde. Kühe gehören irgendwie zu diesem Landstrich.
Ich muss schmunzelnd an Otto Waalkes denken, den ich als Jugendlicher halb vergöttert habe und der maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass ich Westfernsehen geschaut habe, denn die bekannten Otto-Shows um Weihnachten herum wollte ich mir keineswegs entgehen lassen. Er schreibt sich zwar anders aber phonetisch gibts da keinen Unterschied zum vor uns liegenden Grenzdorf, das im Gegensatz zu Reinhards zwar im Grenzgebiet und somit ebenso am Gesäß der Welt, jedoch nicht im Schutzstreifen liegt.

Der Grund unseres Halts ist jedoch ein anderer und wir glauben, unseren Ohren nicht trauen zu können:
Unser Oltn. ist mutig und hält tatsächlich unmittelbar unterhalb jener Stelle, an der vor einem reichlichen Jahr der Kommandeur des GR-3 unter einem Vorwand über den GZ 1 geklettert und in Richtung Habel marschiert ist, um den dort lebenden Bauern einen gehörigen Schreck einzujagen, so dass diese glauben mussten, der RIAS hat Recht und der Russe hats nun doch geschafft und der kleine Mann mit der Makarov da sei nur die Vorhut.
Ganz unkameradschaftlich ließ Rauschenbach, der wenige Tage später in die DDR zurück kehren wird, seinen Fahrer einfach so stehen.
Unser Staunen kennt kaum noch Grenzen.

Plötzlich nehmen wir auf westlicher Seite einen VW-Bus wahr. In ihm erkennen wir zwei Zollbeamte und zum zweiten Mal (nach den amerikanischen Soldaten im Camp, das heute Point Alpha heißt) schaue ich dem Klassenfeind ins ca. 12 m entfernte Gesicht.
Er sieht zwar gar nicht so schlimm aus, wie ich das dachte, aber ich habe ja im Politunterricht aufgepasst und weiß, dass er sich gut zu verstellen weiß und in allen Facetten auftreten kann.

Das Interesse der Zöllner an uns ist überschaubar, offenbar ist ihnen ihr Kaffee, den sie aus einer Thermoskanne trinken, wichtiger.
"Eingebildete Wessis" würde ich vielleicht heute sagen, allerdings kenne ich diesen Ausdruck 1982 noch nicht.

Vor uns liegt ein wirklich steiler Berg und ich bezweifle, dass unser LO den schafft. Der nun vor uns liegende SiA 7, an dessen rechter Trennungslinie wir uns gerade befinden, gehört zu den am meisten gehassten Abschnitten für die Kontrollstreife, die den 6-m-Spurenstreifen abzulaufen hat.
Was ich zwar noch nicht wissen kann, an dieser Stelle aber einwerfen möchte, ist der Umstand, dass dieser Abschnitt von 2 Bergen quasi eingerahmt wird: Vom vor uns befindlichen Seelesberg und dem in einigen km vor uns liegenden Grenzkopf, der dann in den SiA 8 übergeht.

Und wer den Sechser (umgangssprachliche Formulierung für den geharkten 6-m-Kontrollstreifen vor dem letzten Sperrelement) von hier aus ablaufen muss, der hat 2 Berge vor sich, sodass er dann am Ende einer Grenzschicht nachdenken muss, ob er Männlein oder Weiblein ist ("sonstige" gabs 1982 noch nict).
Er ist neben dem eben durchfahrenen SiA 6, der stolze 16 km (!) misst, der unangenehmste (und stets auch langweiligste) Abschnitt im 2. Bataillon.

Während der Fahrt über den Seelesberg schaue ich auf den 6er und stelle fest, dass die Begriffe "Harken" und "Spurenstreifen" in solch bergigem Gelände neu definiert werden müssen. Gleichzeitig fällt mir ein, dass wir ja von diesem steilen Berg auch wieder nach unten müssen ... mir wird ganz anders ...
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon Volker Zottmann » 17. Juli 2020, 20:49

Gewisse Parallelen erkenne ich, wen Du zu Deinem Vater im Heute berichtest.

Bei meinen Eltern war immer Friede, Freude, Eierkuchen. Politik bließ außerhalb der Familie.
Mein Vater das strikte Gegentei von Deinem, aber meine Mutter dafür 100%ig....
Nur eins tat sie nie nach 1989: Ihr politisches Gesicht zeigte sie nie wieder. Politische Diskussionen anzufachen war früher schon schwer, weil sie trotz Diplomabschluss (Diplomgesellschaftswissenschaftler) nie argumentieren konnte. Nur Anweisen, Befehle geben, bestimmen, was wir zu denken haben.
Nur so funktionierte das nie!
Wir haben uns immer gerieben. Deshalb diesbezüglich Funkstille. Ich bin zu intelligent, als dass ich mir durch sie mein schönes Rentnerdasein versauen lasse.
Heute etwas anzuschneiden ergibt nur die Antwort: "Das interessiert mich nicht mehr". Ist vielleicht auch so, ohne Lesen, ohne Gespräche, nur so rumsitzen und mit 89 Jahren hoffen. Nur auf was?

Entschuldige, OaZ, das fiel mir nur dazu gerade ein.

Gruß Volker
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon augenzeuge » 18. Juli 2020, 09:29

OaZ hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben:2) Wie war die Versorgungslage mit Südfrüchten?

AZ


2) In der Grenzkompanie? Oder was bzw. wo meinst du?


Ja. [wink]
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon OaZ » 18. Juli 2020, 09:53

Habe keine Erinnerung, dass diese überwältigend war. Ich würde sagen, sie war mau. Um Weihnachten gab es vielleicht mal 1-2 Navelorangen. Bananen? Keine Erinnerung. Sie gehören heute noch zu meinen Lieblingsfrüchten, obwohl sie für bzw. gegen Bauchfett gar nicht gut sind.
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Re: Grenzertagebuch, Dienstzeit OaZ, GR-3 Dermbach, Rhön

Beitragvon augenzeuge » 18. Juli 2020, 11:15

Ich dachte, ihr seid besser versorgt worden. Bei Steffen52 muss es angeblich anders gewesen sein.

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