Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Dr. 213 » 24. August 2014, 18:24

Die grundsätzliche Idee mit Nadel und Faden ist sicher einem Kino- Film geschuldet.
"Der Graf von Monte Christo"
Zur Erinnerung:
Der Graf nähte sich selber in einen Sack ein.
Und gelangte so aus der Festung heraus.

Das es das Dach wurde, war Teil der Überlegungen in der Planungsphase.
Am Fluchttag passierte es dann auch sehr sehr ähnlich wie geplant. Genau dazu hatte ich mir das Nähzeug besorgt.

Die beiden senkrecht nach oben laufenden T- Träger an der äußeren, vorderen Bordwand waren dann sehr hilfreich.
Als Plan B wäre die Wäscheleine als Kletter- Hilfsmittel zum Einsatz gekommen.
Als Materialspender für Angelsehne war die eigentlich ursprünglich nicht gedacht.

warum Dach ?
Alle anderen Flächen des Anhängers wären ohne Hilfsmittel optisch leicht zu sehen gewesen.
Abnormalitäten in der Oberfläche der Plane wären dort um ein vielfaches leichter zu entdecken gewesen.
In der Rückschau betrachtet war das Dach der beste Platz für den Einstieg.
Das die Stelle von dem Schnitt und der Kartonstapel genau darunter so perfekt waren, ist ohnehin eine Unglaublichkeit für sich.

Ich hatte vorher nur von einer (gelungenen) Flucht mit der Fähre gehört. Aber Vorsicht: nur gehört vom Bruders des K. !
Einem Herrn K. soll es also gelungen sein, in Rangiererkluft und mit einweisenden Handbewegungen bis auf die Fähre zu gelangen.
Wann ist mir nicht mehr in Erinnerung. Schätze aber mal so Anfang der 70er.
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Dr. 213 » 24. August 2014, 18:36

augenzeuge hat geschrieben:Hallo Doc,

ein paar Fragen. [wink]
AZ


Wieviele Tage waren das insgesamt? Hat dir dieses obdachlose Herumlaufen etwa gefallen?
Mittags am 14.8.1985 begann die Flucht.
Am 23.8.1985 erreichte ich Bundesgebiet.
Mehr dazu in den folgenden Kapiteln.


Ob es mir gefiel ? Das war damals keine Frage für mich. Ich hatte etwas Geld und einen recht komfortablen Schlafplatz.
Es fehlte einfach die günstige Gelegenheit und ausreichend viel Geld für eine Weiterfahrt.


Warum hast du den Kontakt zur deutschen Botschaft nicht gesucht?
Das wird in der weiteren Geschichte aufgeklärt.

Welche Kenntnisse hast du heute über die Vorgänge danach in der DDR?
Das wird Teil eines weiteren Berichts, der allerdings noch im Frühstadium ist.
Da möchte ich noch nicht vorgreifen.
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Interessierter » 25. August 2014, 08:28

Zitat karnak:
Ich habe aber nun die Vermutung, Deine Schilderung, dass nicht einmal erlebt zu haben hat etwas damit zu tun, dass Dir meine Fragen und Erläuterungen zur Flucht von dem Dr. nicht gefallen.


Genau wie Du habe ich lediglich, dass von mir Erlebte geschildert. Im Gegensatz zu Dir aber zweifel ich Dein " anderes Erleben " nicht an. Genau wie verschiedene Menschen einen Arzt, Anwalt oder Verkäufer nicht nur sehr unterschiedlich erleben, sondern auch gegensätzlich beurteilen, ist es eben auch bei einer Abfertigung an der Grenze.
Aber Du hattest ja schon vor der Schilderung des docs geschrieben, dass Du gespannt auf seine Ausführungen bist ?! Die Positionen regelmäßig Details zu bestreiten, sind aber schon vergeben und Du wärest nur 3. Rad am Wagen. [wink]

Im übrigen bitte ich Dich derartige Unterstellungen, wie in dem von mir oben zitierten Satz zu unterlassen. Wenn ich etwas persönlich erlebtes schildere, so ist das die Wahrheit und das völlig unabhängig davon was Du oder sonstwer vorher dazu geschrieben hat. .

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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon karnak » 25. August 2014, 10:49

Interessierter hat geschrieben:

Im übrigen bitte ich Dich derartige Unterstellungen, wie in dem von mir oben zitierten Satz zu unterlassen. Wenn ich etwas persönlich erlebtes schildere, so ist das die Wahrheit und das völlig unabhängig davon was Du oder sonstwer vorher dazu geschrieben hat. .


[flash] Vermutung Wilfried, Vermutung habe ich geschrieben.
Und das ich den Dienstablauf der Zöllner und deren Kontrolle auf der LKW-Rampe völlig anders erfahren habe und das ein derartig laxes Vorgehen bei der Kontrolle völlig gegen das"Bedürfnis" der DDR diese Grenze"dicht" zu machen sprechen würde. Ich denke das muss ich schon sagen dürfen und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ausgerechnet Du dem widersprichst. [flash] Deswegen meine VERMUTUNG. [grin]
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Interessierter » 25. August 2014, 10:57

Nichts für ungut; aber mit Vermutung war das MfS bekanntermaßen immer schnell bei der Hand, wobei die liebreizenden, Kaffee und Kuchen anbietenden Vernehmer bei den Vernehmungen es den Bürgern eben doch unterstellten. [ich auch]

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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon karnak » 25. August 2014, 11:29

Interessierter hat geschrieben:Nichts für ungut; aber mit Vermutung war das MfS bekanntermaßen immer schnell bei der Hand, wobei die liebreizenden, Kaffee und Kuchen anbietenden Vernehmer bei den Vernehmungen es den Bürgern eben doch unterstellten. [ich auch]

" Der Interessierte "

[flash] Also ich bin seit 25 Jahren nicht mehr beim MfS, habe versucht meinen Dienst in"Ehren" zu beenden, wenn Dir die Vorstellung wahrscheinlich auch nicht gefällt, keinen"Verrat" zu begehen und eben dieses Kapitel in meinem Leben vor 25 Jahren zugeklappt, habe mich erst mal ein paar Jahr damit "rumgequält mit mir selbst ins Reine zu kommen." Jetzt bin ich "Geschichtsaufarbeiter" [grin]
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Janko » 25. August 2014, 14:53

Hallo Dr. 213.....ja, nichts ist unmöglich und das menschliche Vorstellungsvermögen ist auch sicherlich begrenzt. Hab aber doch mal eine Frage, deine Flucht war 1985 und wann hast du die so detailliert aufgeschrieben ?

Sicher ist es immer irritierend wenn da mal bei Details "nachgehakt" wird. Steht man auch ganz schnell in der "Krümelkackerecke", hängt aber ganz sicherlich mit unterschiedlichen Interessenlagen und deren Befriedigung zusammen.
Sollte man nicht so tragisch sehen
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Dr. 213 » 25. August 2014, 18:46

Janko, ich schreibe meine Erinnerungen zu der Flucht seit etwa 5 Jahren auf.


Tag 9
70 Kronen


Der Morgen nach dieser letzten Nacht auf dem Boot war sehr frisch.
Ich raffte meine wenigen Habseligkeiten zusammen und machte mich auf den Weg in die Stadt.
Von der Brücke aus blickte ich noch einmal über das Wasser hinüber zum Segelklub der nun
für fast eine Woche zu meinem neuen Zuhause geworden war.
Dazu fielen ein paar Regentropfen vom Himmel und es kam etwas Wind auf.
Den Nieselregen empfand ich wie Abschiedstränen von einem mir lieb gewonnen Ort.
Aber schon als ich die Brücke überquert hatte, war wieder Sonnenschein.
In der Stadt tauschte ich die letzten Pfandflaschen gegen Geld ein und ging dann ohne Umwege direkt zum Bahnhof.

Dort angekommen studierte noch einmal die Karte und beschloß dann besser doch nicht zu trampen.
Die Fahrt mit der Eisenbahn wäre auch viel sicherer, sagte ich mir. Ja, warum eigentlich nicht mit dem Zug fahren ?

Genug Geld für eine Bahnfahrkarte hatte ich ja nun auch schon zusammen, und sogar noch etwas mehr.

Die Bahn- Fahrkarte nach Kopenhagen sollte genau 70 Kronen kosten. Den Preis hatte ich bereits in den Tagen zuvor herausgefunden.
Und darum lag genau dieser Betrag fertig abgezählt und in einer verknoteten Extra- Tüte in meiner Hosentasche bereit.
Es war mein größter Schatz.

Der Mann am Fahrkartenschalter staunte nicht schlecht über meinen kleinen Münzgeldhaufen.
Er zählte die Münzen grinsend nach und nahm den Betrag mit typisch dänischer Gemütlichkeit und ohne zu Murren entgegen.
Kurz darauf war ich stolzer Besitzer einer gültigen Bahn- Fahrkarte nach Kopenhagen.
Damit lief ich fröhlich in der Hand herumwedelnd zum Bahnsteig hinauf wo schon der Zug bereit stand.

Der Schaffner im Zug war ein lustiger Typ und machte hier und da ein Schwätzchen mit den Fahrgästen.
Um selbst möglichst unauffällig zu sein stellte ich mich schlafend sobald dieser Typ den Wagen betrat.
Aber von wegen Schlafen ! Ständig beobachtete ich neugierig die vorbeiziehende Landschaft und die wartenden Leute
an den recht vielen Bahnübergängen entlang der Strecke.

Der Zug füllte sich mit jeder Station. Der Schaffner war von da ab nur noch mit dem kontrollieren der neu
hinzugestiegenen Fahrgäste beschäftigt. Ich braucht mich nun nicht mehr schlafend zu stellen.
Es gab ja ständig was neues zu sehen. Und draußen war immer noch schönstes Sommerwetter.

Die Fahrt kam mir sehr kurz vor. Ich wäre gerne noch etwas länger mit dem Zug unterwegs gewesen.
Irgendwann und viel zu schnell war auch schon Kopenhagen erreicht.
Ich stieg aus und erfrischte mich wie gewohnt am Wasserhahn vom Bahnhofsklo.

An einer Telefonzelle studierte ich erst einmal das dort ausliegende Telefonbuch.
Ich wußte noch, dass der englische Begriff für Botschaft “Embassy“ lautete.
Jedenfalls fand ich schnell die Adressen der amerikanischen, der britischen und natürlich vor allem der westdeutschen Botschaft.

Die Westdeutsche Botschaft liegt also in der Stockholmsgade.
Nun brauchte ich nur noch den richtigen Weg dort hin heraus zu finden.
Leider hatte ich keinen Stadtplan. Also beschloß ich, mir einen zu besorgen.
In einem größeren Buchladen, nicht weit vom Bahnhof entfernt, fand ich das gewünschte recht schnell.

Unterwegs in einem Supermarkt kaufe ich mir 2 Orangen.
Die Obst- Gemüseabteilung war gut gekühlt und sehr spärlich erleuchtet.
Und Die Auswahl war gigantisch groß. Dort gab es exotische Früchte,
von denen ich noch nicht einmal den Namen kannte.
Ich beobachte andere Kunden wie sie die Ware in Plastiktüten steckten
und dann damit zur SB- Waage gehen und sich ein Etikett ausdruckten.
Ganz neu war mir das nicht mehr, ich hatte es in Nykobing schon gesehen.

In der Nähe eines Marktplatzes entdecke ich ein nicht verschlossenes Auto.
Auf dem Rücksitz lag verführerisch eine schwarze Kunststoffschatulle.
Im Kasten war dann aber nur ein Rasierapparat der Marke Remington.
Mitten auf dem Marktplatz traf ich auch gleich ein Häuflein afrikanischer Seeleute.
Ich versuche den Rasierapparat sofort wieder zu verkaufen und hatte Glück.
Die Seeleute palaverten wild durcheinander und am Ende freuten sie sich über den Deal.
Es brachte mir einige Kronen ein und füllte meine Reisekasse wieder etwas auf.
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Dr. 213 » 25. August 2014, 18:51

Der Weg zur Botschaft

Eigentlich wollte ich Geld sparen und den Weg zur Botschaft zu Fuß laufen.
Nach ein paar hundert Metern hielt ich dann aber doch lieber ein Taxi an.
Genug Kronen dafür hatte ich meiner Meinung nach durch den Rasierer- Deal auch in der Tasche.
Ich sagte dem Fahrer die Adresse und der fuhr dann dort hin.
Dabei merkte ich das die Distanz doch etwas weit für einen Fußmarsch gewesen wäre.
Im Taxi verbreitete sich nun der Duft meiner schon halb geschälten Orange.
Am Ziel angekommen bezahlte ich den freundlichen Fahrer und stieg aus.
Ich erkannte die Botschaft sofort an den vielen Antennen auf dem Dach.
Und natürlich an dem großen runden gelben Schild mit dem Bundesadler in der Mitte.
Leider war die Öffnungszeit für diesen Tag bereits schon beendet.

Vor der Botschaft wartete eine schwarze Limosine mit D Aufkleber am Heck.
Ich kam mit dem offenbar deutschen Fahrer ins Gespräch. Aber der meinte nur, die Botschaft sei für heute leider schon geschlossen.
Ich fragte noch wann die Botschaft am nächsten Tag wieder öffnen würde und ging erst einmal wieder weg.
Ganz schön blöd von mir.
Denn eigentlich hätte ich nur klingeln müssen, Botschaften sind nämlich für Notfälle immer besetzt.
Aber das wußte ich damals natürlich noch nicht.
Und so ging ich dann erst einmal wieder brav davon.
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Dr. 213 » 25. August 2014, 20:17

Im Namen der Königin, Sie sind verhaftet !

Ich ging die Kopenhagener Straßen weiter entlang.
Es ist nun schon der dritte Kiosk und ich habe keine Lust mehr einen noch günstigeren zu finden.
In dem kleinen Kiosk den ich als nächstes begegnete kaufte ich mir endlich was zu trinken.

Ich erfrische mich an einer Flasche künstlich rot leuchtender Limonade und schlendere weiter in Richtung Innenstadt.

Mitten in der Fußgängerzone der Kopenhagener Innenstadt entdeckte ich staunend eine richtige Filliale von Mc- Donalds.
Das erste Schnellrestaurant dieser Art überhaupt, welches ich in meinem ganzen Leben bis dahin leibhaftig gesehen hatte.
Was für eine Sensation. (Den Mc- Donalds gegenüber vom Bahnhof in Nykobing gab es damals noch nicht.)

Ich schaute zunächst nur von der Straße aus durch das Fenster und beobachtetet dabei die Abläufe in jedem Detail.
Den Vorgang des Bestellens und das Bezahlen. Wie man einen Trinkhalm aus dem Spender fummelt, und wie man sich dann eine Serviette nimmt.
Und natürlich, wie man mit dem dunkelbraunem Plastik- Tablett zu irgendeinem freien Tisch läuft und sich hinsetzt.
Wie man den Burger halb aus dem Papier auspackt, ihn in den Händen hält und schließlich Stück für Stück verspeist.
All das mußte ich im Schnelldurchgang wie ein kleines Baby lernen.

Als ich die Abläufe von draußen aus durch die Scheibe beobachtet hatte,
ging ich selbst in den Laden hinein.
Dort schaute ich wiederum eine ganze Weile den Abläufen am Tresen zu und ging dann selbst an den Tresen.

Weil ich natürlich kein einziges Wort dänisch verstand, zeigte ich einfach mit dem Finger auf das den Zahlen nach billigste Menü
an der leuchtenden Tafel oben an der Wand.
Und dann kam der große Moment. Mein Hamburger wurde in einer grünlichen Schaumstoffbox serviert.
Nicht so in Pappschachteln wie heute üblich. Das Schnellrestaurant war auf 2 Etagen verteilt . Oben standen nur Tische aber viele direkt am Fenster.
Ich ging also mit meinem dunkelbraunen Tablett nach oben und hatte von dort einen schönen Ausblick auf die darunter liegende Fußgängerzone.

Ich bleibe sehr lange sitzen ohne noch etwas anderes nach zu ordern.
So sehr ich damals von dieser Art Restaurant fasziniert war, ich bin bis heute eher ein seltener Gast in solchen Fastfood- Tempeln.

Es wurde langsam dunkel, also höchste Zeit sich wieder mal nach einem geeigneten Schlafplatz umzusehen. Darin war ich ja nun auch schon Profi.
Notfalls würde auch ein Schlafplatz in einem der zahlreichen Parks reichen, an denen ich tagsüber schon so oft vorbei spaziert war.

Ich kam wenig später wieder an so einem Park vorbei.
Drumherum war ein hoher Zaun aus schwarz angemaltem Schmiedeeisen.

Dieser Park hier mußte ein ganz besonderer gewesen sein, denn er hatte nicht so offene Zugänge wie all die anderen, die ich an diesem Tag sah.
Also dachte ich, es ist wohl der Schlosspark der Königin.

Und darum fand ich es auch besser, da lieber nicht zu übernachten.
Ich stellte mir vor, wie unangenehm es wäre, wenn plötzlich so ein 2 Meter Typ mit Bärenfellmütze mitten in der Nacht vor meiner Parkbank auftauchen würde.

Er würde mir sein blitzblankes Bajonett vor die Nase halten und dann zu
mir sagen: "Im Namen der Königin, Sie sind verhaftet".
Ja genau so stellte ich mir die Szene im Scherze vor.
In solch einem Park zu schlafen war also absolut undenkbar für mich.
Immerhin war ich ja noch noch immer auf der Flucht und immer noch ohne jegliche Papiere.

Ich fand schließlich ein Nachtlager in einem nicht verschlossenen Elektroraum eines Mietshauses.
Ein Abstellraum vom etwa 5x2 m und nur mit Zählern an der Wand. Ich mußte dort auf dem Betonfußboden schlafen.
Nur mit einer dünnen Unterlage aus Pappe.
Meine Jacke hängte ich auf eine umher stehende Haushalts- Leiter.
Die oberste Stufe diente als Nachttisch für meine wenigen Habseligkeiten.
Auch die Limoflasche stand mit drauf. Leider paßte ich einen Moment nicht gut genug auf.
Die Flasche fiel auf den Betonfußboden und zerschellte.
Dabei ärgerte ich mich mehr über den Krach als über die Scherben die nun meinen schönen Schlafplatz bedeckten.
Ich fand dann eine große Pappe mit der ich die Scherben beiseite schob und die nasse Stelle abdecken konnte.

Die Nacht auf diesem flachen Betonfußboden war sehr unbequem.
Ich hatte keine Decke und der nur aus meiner Jacke zusammengerollte
Kopfkissenersatz drückte wegen der vielen Knöpfe und Schnallen zu sehr.
Ich wälzte mich hin und her und schlief erst sehr spät so gegen 3 Uhr ein.

Immerhin blieb mir aber, wie übrigens während der gesamten Flucht,
eine Nacht unter freiem Himmel erspart.
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon SkinnyTrucky » 25. August 2014, 20:51

vs1400 hat geschrieben:offene frage und offene antwort,
ja.
die gründe dafür habe ich bereits erwähnt. denn es macht eben keinen sinn eine zollschnur zu verplomben, wenn dann ein riß von 40cm länge mit nem faden vernäht wird
und jederzeit geöffnet bzw. verschlossen werden kann. [wink]


Torsten, du kannst nicht einfach dran glauben, das der Doc einfach nur verdammtes Glück gehabt haben könnte, was....

....mir hat der Zoll in Bremen mal die Türen hinten verblombt wegen ein paar Paletten Kaffee für Russland, die ich in Antwerpen ausladen sollte....meine anderen Kunden für Belgien hatte ich vor Antwerpen dann einfach von der Seite ausgeladen dank des Tautliner-Aufliegers....

....ich frag mich bis heute, warum der Zollbeamte nicht gemerkt hatte, das ich garkeinen Kofferaufbau hatte sondern einen Tautliner dahinter hatte.... [denken]

Mein Chef und ich hatten jedefalls was zu lachen....und ich konnte in Antwerpen die unbeschädigte Zollplombe präsentieren, auch dort wurde sich nicht gewundert wegen der unfachmännisch angebrachten Plombe.... [super]


groetjes

Mara
Wenn es heute noch Menschen gibt, die die DDR verklären wollen, kann das nur damit zusammenhängen, dass träumen schöner ist als denken.... (Burkhart Veigel) Bild
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon SkinnyTrucky » 25. August 2014, 21:20

vs1400 hat geschrieben:sachlich erklärte ich dir den unterschied zwischen den planen, dass sie prinzipiell verschweißt werden mussten hat Kristian mir mit seiner aussage bestätigt.
wen bezeichnest du denn nun als "dummen anzweifler"?
auch egal ... [muede]


Warum zweifelst du nicht an, das der Fahrer bemerkt haben hätte müssen, wenn jemand auf seinen Hänger klettert....ich mein, ich hab auch mal einen Hängerzug gefahren und man merkt wenn einer auf die Deichsel steigt....man merkt jede kleinste Bewegung von jemanden, der am stehenden Wagen hängt....


groetjes

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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon vs1400 » 25. August 2014, 22:54

SkinnyTrucky hat geschrieben:
vs1400 hat geschrieben:offene frage und offene antwort,
ja.
die gründe dafür habe ich bereits erwähnt. denn es macht eben keinen sinn eine zollschnur zu verplomben, wenn dann ein riß von 40cm länge mit nem faden vernäht wird
und jederzeit geöffnet bzw. verschlossen werden kann. [wink]


Torsten, du kannst nicht einfach dran glauben, das der Doc einfach nur verdammtes Glück gehabt haben könnte, was....

....mir hat der Zoll in Bremen mal die Türen hinten verblombt wegen ein paar Paletten Kaffee für Russland, die ich in Antwerpen ausladen sollte....meine anderen Kunden für Belgien hatte ich vor Antwerpen dann einfach von der Seite ausgeladen dank des Tautliner-Aufliegers....

....ich frag mich bis heute, warum der Zollbeamte nicht gemerkt hatte, das ich garkeinen Kofferaufbau hatte sondern einen Tautliner dahinter hatte.... [denken]

Mein Chef und ich hatten jedefalls was zu lachen....und ich konnte in Antwerpen die unbeschädigte Zollplombe präsentieren, auch dort wurde sich nicht gewundert wegen der unfachmännisch angebrachten Plombe.... [super]


groetjes

Mara


mensch Mara,
ich gönne es ihm von ganzen herzen,
was soll das denn nun wieder? [flash]
ich wollte schon damals keinem begegnen,
muss ich mich diesbezüglich täglich wiederholen um glaubhaft zu werden? [denken]

dein erlebnis fand doch wohl eher um einiges später statt
und dürfte daher, für dieses thema, nicht zwingend dienlich sein.

gruß vom Torsten [hallo]
vs1400
 

Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon augenzeuge » 26. August 2014, 18:29

vs1400 hat geschrieben: ich wollte schon damals keinem begegnen,


Schon? [angst]
AZ
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon augenzeuge » 26. August 2014, 18:32

Dr. 213 hat geschrieben: Ich fand dann eine große Pappe mit der ich die Scherben beiseite schob und die nasse Stelle abdecken konnte.
Die Nacht auf diesem flachen Betonfußboden war sehr unbequem.
Ich hatte keine Decke und der nur aus meiner Jacke zusammengerollte
Kopfkissenersatz drückte.....


Toll beschrieben, mit der Verhaftung im Namen der Königin.... [grins]
So könnte ich nie schlafen, ich würde eher nur rumlaufen oder ne Bank suchen.
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Edelknabe » 26. August 2014, 18:39

Doktor mal ne kleine Zwischenstation,so zum Innehalten auch um deine ganze Fluchtgeschichte als Einer im Osten, der DDR geborener etwas besser nachvollziehen zu können. Ich lese in deiner Vorstellung, aufgewachsen in Thüringen, lese weiter von einer Lehre zum Maschinisten in Warnemünde, also doch recht weit weg von der Heimat was aber in der DDR nichts ungewöhnliches war, siehe Lehrlings/Arbeiterwohnheime gab es jede Menge.

Was waren eigentlich deine Eltern siehe Arbeiter(Werktätige), Bauern und Intelligenz, was war mit Geschwistern und ne, ich möchte hier keine Namen, auch keine Arbeitsstellen deiner Eltern wissen, eher so ne vage Andeutung aus was für einem DDR-Haushalt du überhaupt gekommen bist. Was war mit NVA...jeder Junge war mit spätestens 18 Jahren gemustert worden...wofür warst du vorgesehen?

Wo kamen deine grundlegenden Gründe die Seite zu wechseln eigentlich her? Also dieser Kranfahrer mit SED-Jungerfahrung(eure eigentlich unwichtigen Arbeitsunpässlichkeiten, denn die gibt und gab es alle Tage) kann das eigentlich nicht gewesen sein siehe die Seite 1 hier.? Überhaupt, man erfährt hier recht wenig aus deinem jungen Leben, wie warst du denn als Schüler, was war mit Mädels, war da keine Freundin mit 19 die dir vielleicht ins Gewissen reden wollte...bei Ihr zu bleiben?

Mir gefällt ehrlich gesagt dein jugendlicher Drang nicht so richtig,(er ist einfach nicht plausibel siehe ordentlicher Grund?) die DDR per Flucht...oder war das mehr ne Notlösung siehe die kurze Verhaftung und Flucht durchs Fenster da...und nein Gottbehüte betrachte meine Fragen nicht als Krümelkackerei oder gar..... denn du hast es ja geschafft, bist damals und heute im Leben angekommen genau so wie der Rainer nur erzähl mal bissel mehr, mir ist das einfach zu wenig, um dich heute besser "einordnen"(ein blödes Wort was?) zu können?

Und brauchst du was zur" Einordnung "vom Rainer(nur zur fairen....Gegenüberstellung) lies einfach meine 8000....und Texte.Hast du doch schon...denk ich mir mal so.

Rainer-Maria

Keiner Doktor kommt aus dem Nichts...sagen wir mal "nur aus Thüringen", da gibts immer Hintergründe, auch familiäre....Hintergründe.
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Dr. 213 » 26. August 2014, 18:45

Az, das war die unbequemste Nacht auf dieser dünnen Pappschicht, wie in der Fortsetzung gleich zu lesen sein wird.
Ich fand es aber besse so, bei Regen wäre ich in den Parks von Kopenhagen ohne Schutz gewesen.
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Dr. 213 » 26. August 2014, 19:13

Rainer, möchtest viel lesen oder reicht dir folgende Kurzfassung von "Sag mir wo du stehst........"

Gebürtig in Thüringen.
Mit wenigen Jahren zusammen mit Eltern von da weg.
In Rostock wurde gerade das Hochhaus in der Nähe der Stasi- Zentrale gebaut.
Der kleine Doc wohnte in der Gegend und sah das Bauwerk täglich mit den Augen am Fenster klebend in die Höhe wachsen.
Kindergarten war auf der anderen Straßenseite gleich bei der Stasi- Zentrale.

Also der Doc war schon mal mindestens seit der Schulzeit auf Oposition gebürstet.
Dazu schreib ich gleich mal was längeres.

Lehre als Maschinist, ok da schieb ich auch noch mal ein extra Kapitel ein.
Da Kommt Stasi mit drin vor, nee nicht weil sich alles mit Stasi wie geschnitten Brot verkauft.
Nee, weil es wirklich so war [wink]


Einen kleinen Schwank zur Schulzeit noch:

Es muß so um 1974 gewesen sein. Eines Morgens in der Schule fragte die Lehrerin:
“Wer von euch guckt zu Hause regelmäßig Westfernsehen der hebe zum Zeichen mal kurz den Arm?
Aus Jux und Dollerei, und wohl auch um es einigen anderen Mitschülern gleich zu tun, hob ich auch den Arm.

Die Lehrerin notierte sich die Namen und es begann der Schulunterricht wie jeden Tag. „Danke, das war's, wir beginnen nun mit dem Unterricht“.
Beim nächsten Elternabend wurden die Eltern der Schüle zur Rede gestellt.
Und zwar nur jene, deren Sprößlinge damals in der Schule bei der Frage der Lehrerin das Händchen gehoben hatten.
Das gab bei manchen anschließend zu Hause vielleicht ein Theater.
Ich selbst hatte dagegen Glück.
Meine Eltern machten daraus keine große Geschichte.
Lag wohl auch daran, daß wir tatsächlich kein West guckten.

Nur wenige Jahre später wurden die Fernsehprogramme ARD ZDF und NDR,
soweit es technisch möglich war, ganz normal in das Ost- Kabelnetz eingespeist.
Es bildeten sich überall Antennengemeinschaften die auf eigene Kosten Kabel und Technik besorgten.
Sogar mit offizieller Duldung.
Man hatte wohl irgendwie eingesehen das so ein Verbot sinnlos war.
Sicher erfolgte diese Entscheidung auch aus Kostenüberlegungen heraus.

Der Antennenwald auf den Dächern der Häuser war ja nicht zu übersehen. Verstärker, Konverter, Kabel, und was man noch alles zum Westempfang benötigte, bedeutete einen enormen Materialaufwand.
Material das die stets klamme DDR woanders viel dringender benötigte.

Kleiner Staatsfeind

Irgendwann hatte ich aus langer Weile aus alten West- Magazinen, es wird wohl die Quick oder der Stern gewesen sein, eine lustige Fotomontage zusammen gebastelt. Ein paar ausgeschnittene Bildchen und etwas handgeschrieber Text darunter. Nichts politisches. Das „Werk“ habe ich dann unter einer Schulbank einfach liegen gelassen.

Kurz darauf sehe ich eine Lehrerin wie sie mit energischem Blick und mit meinem „Machwerk“ in der Hand in Richtung Lehrerzimmer rennt.
Frau K. von der man sich erzählte, dass ihr Mann ein hohes Tier bei der Armee ist, schaut dabei weder nach links und rechts bis sie kurz darauf um die nächste Ecke verschwunden ist.

Es dauert aber nicht lange und ich werde mitten in der Stunde heraus zur Schuldirektorin gerufen. Dabei ist auch ein mir unbekannter Mann in Zivil.
Anhand einer Schriftprobe mußten sie auf meine Spur gekommen sein.

Ich versichere hoch und heilig das es wirklich nur ein Scherz gewesen war.
Das muß ich dann sogar noch unterschreiben und darf dann gehen.
Mein Verbrechen lag keineswegs am der Inhalt.
Wenn ich mich recht entsinne ging es dabei nur um eine Frau aus Japan die Stimmen aus ihrem Bauch hörte.
Irgend so ein Quatsch und nicht der Rede wert.
Das eigentlich schlimme bestand einzig darin, daß es sich bei dem verwendeten Bastelmaterial um Westzeitschriften handelte.
Deren Einfuhr war ja sogar verboten. Ich hatte sie von einem Freund bekommen. Er stammte aus einer Familie chilenischer Emigranten.
Offiziell behauptete ich natürlich, die Magazine seien aus einer Mülltonne.

Was nur ein harmloser Spaß gewesen war, nämlich das Ausschneiden von ein paar Bildern, machte aus mir so etwas wie einen kleinen Staatsfeind.
Dieser Vorgang prägte sich dann, so lächerlich und so folgenlos er auch geblieben war, tief bei mir ein. Zum Systemfreund wird man so nicht.


Verbotene Träume

Es ist schon nach 12 Uhr Mittag. Langeweile in der Biologiestunde.
Ich sitze ganz vorne in der ersten Reihe im Fachkunderaum Biologie.
Zum Glück die letzte Unterrichtsstunde an diesem Tag, freue ich mich.

Als Schüler hat man um den Mittag herum oft so einen richtigen Tiefpunkt in der Leistungskurve.
Ich knabbere mit den Fingern am Holzfach unter der Schulbank. Ganz langsam und ohne Lärm zu machen. Stück für Stück.
Ich war offenbar nicht der erste mit dieser Idee gewesen.
Das gelbe Sperrholz der kleinen Ablage unter der Tischplatte war bereits von vielen anderen gelangweilten
Schülerfingern schon völlig ausgefranst.
Lustlos verfolge ich nebenbei mit einem Ohr den Vortrag der Lehrerin.

In Wirklichkeit war ich in meinen Gedanken versunken schon dabei, die Freizeit am Nachmittag zu planen.
Oder irgend etwas total aufregendes zu träumen.
Einen Plan zum illegalen Verlassen der DDR zum Beispiel.
Natürlich nur so aus reiner Abenteuerlust und ohne mit der Absicht wirklich über die Grenze abhauen zu wollen.
Einfach nur das verbotene und undenkbare weiter spinnen.

Ich malte mir aus, wie ich unter einem Eisenbahnwagon in eine selbst angeschraubte schwarze Blechkiste klettere und damit einfach über die Grenze fahre. Oder wie ich mich in einem Transit- Auto verstecke.
Oder wie ich mich ganz flach auf dem Boden gepresst im Zeitlupentempo dem Grenzzaun nähere. So langsam, daß ich niemanden auffallen würde.

Die Schulglocke beendet meine tollkühnen Gedankenspielchen plötzlich.
Der Plan verschwindet wieder in irgendeiner unsichtbaren Schublade meines Gehirns.

Ich bin geistig wieder voll zurück im Fachkunderaum Biologie.
Endlich ist die Schule für diesen Tag zu Ende. Wie alle anderen Schüler packe ich hastig meine Hefte, Stifte und Bücher in die lederne Tasche.

Ich erinnere mich aber, wie ich mir noch extra vornahm, den Ort wo dieser Plan entstand, niemals zu vergessen.
Eines Tages würde ich an diesen Moment zurückdenken.

Na Rainer, könnte das ein erstes Gedankenspiel für die später wirklich einmal erfolgte Flucht gewesen sein ?
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Wosch » 26. August 2014, 19:24

Edelknabe hat geschrieben:Doktor mal ne kleine Zwischenstation,so zum Innehalten auch um deine ganze Fluchtgeschichte als Einer im Osten, der DDR geborener etwas besser nachvollziehen zu können. Ich lese in deiner Vorstellung, aufgewachsen in Thüringen, lese weiter von einer Lehre zum Maschinisten in Warnemünde, also doch recht weit weg von der Heimat was aber in der DDR nichts ungewöhnliches war, siehe Lehrlings/Arbeiterwohnheime gab es jede Menge.

Was waren eigentlich deine Eltern siehe Arbeiter(Werktätige), Bauern und Intelligenz, was war mit Geschwistern und ne, ich möchte hier keine Namen, auch keine Arbeitsstellen deiner Eltern wissen, eher so ne vage Andeutung aus was für einem DDR-Haushalt du überhaupt gekommen bist. Was war mit NVA...jeder Junge war mit spätestens 18 Jahren gemustert worden...wofür warst du vorgesehen?

Wo kamen deine grundlegenden Gründe die Seite zu wechseln eigentlich her? Also dieser Kranfahrer mit SED-Jungerfahrung(eure eigentlich unwichtigen Arbeitsunpässlichkeiten, denn die gibt und gab es alle Tage) kann das eigentlich nicht gewesen sein siehe die Seite 1 hier.? Überhaupt, man erfährt hier recht wenig aus deinem jungen Leben, wie warst du denn als Schüler, was war mit Mädels, war da keine Freundin mit 19 die dir vielleicht ins Gewissen reden wollte...bei Ihr zu bleiben?

Mir gefällt ehrlich gesagt dein jugendlicher Drang nicht so richtig,(er ist einfach nicht plausibel siehe ordentlicher Grund?) die DDR per Flucht...oder war das mehr ne Notlösung siehe die kurze Verhaftung und Flucht durchs Fenster da...und nein Gottbehüte betrachte meine Fragen nicht als Krümelkackerei oder gar..... denn du hast es ja geschafft, bist damals und heute im Leben angekommen genau so wie der Rainer nur erzähl mal bissel mehr, mir ist das einfach zu wenig, um dich heute besser "einordnen"(ein blödes Wort was?) zu können?

Und brauchst du was zur" Einordnung "vom Rainer(nur zur fairen....Gegenüberstellung) lies einfach meine 8000....und Texte.Hast du doch schon...denk ich mir mal so.

Rainer-Maria

Keiner Doktor kommt aus dem Nichts...sagen wir mal "nur aus Thüringen", da gibts immer Hintergründe, auch familiäre....Hintergründe.




Lieber Doc, ich würde mich an Deiner Stelle nicht darauf einlassen, dem Muldentaler Edelprinzen etwas von Deimem familären Umwelt zukommen zu lassen. Ich weiß aus eigenem Erleben wie dieser "Gute Mann" mit solchen "Offenbarungen" umzugehen pflegt. Kann man Alles nachlesen!

Wosch, der auch von seinem Bruder geschrieben hatte. [hallo]
Zuletzt geändert von Wosch am 26. August 2014, 19:34, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Edelknabe » 26. August 2014, 19:32

Nu Doktor, jetzt hat es doch beim Rainer endgültig Klick gemacht. Denn du bist der Kimble aus dem Alten Forum, warst doch schon wenig später dabei als meine User-Wenigkeit dort gegen 2008 aufschlug? Lass dir Zeit mit einer Antwort, denn meine Nachtschichtvorschlafphase beginnt gleich. Ein User besorgte mir schon den kompletten Link zu deinem Auszug...werde somit erstmal ne gewisse Zeit zum lesen brauchen. Melde mich dann wieder...und Danke.

Rainer-Maria
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Dr. 213 » 26. August 2014, 19:34

Hey Wosch, wenn man nicht mehr frei schreiben kann, ist es doch nur halb so lustig.
Aber du hast recht, ich werde es aber möglichst allgemein halten Wosch.
Namen werden hier nicht voll ausgeschrieben.
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Wosch » 26. August 2014, 19:43

Dr. 213 hat geschrieben:Hey Wosch, wenn man nicht mehr frei schreiben kann, ist es doch nur halb so lustig.
Aber du hast recht, ich werde es aber möglichst allgemein halten Wosch.
Namen werden hier nicht voll ausgeschrieben.



Wenn´s Dich interessiert gebe einfach bei der Suchfunktion (oben rechts) "arbeitsscheues Brüderlein" ein, da wird Dir geholfen. In dieser Art gibt es haufenweise Beispiele wie er mit Menschen umgeht, ohne sie überhaupt zu kennen.
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Edelknabe » 26. August 2014, 19:45

Wie wahr wie wahr Wolfgang...wenn also der wohl etwas arbeitscheue jüngere Ostbruder monatlich/oder eben halbjährlich vom großen Westbruder mit Elektronikartikeln(waren es nicht die kleinen schnuckligen Workmann zu je Stück von...wieviel gleich nochmal.....billigem Einkaufs West-dann etwas überhöhten Verkaufspreis Ost ?) jahrelang über Wasser gehalten wurde.

Rainer-Maria und jetzt geh ich aber ....wirklich in die Heia Eine gute Nacht Allen, auch dir meinem älterem Freund...Busenfreund.
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Dille » 26. August 2014, 19:56

Hallo @Doc, ich wüßte gern von Dir, welches Problem Du mit dem Begriff "sachlich" in einem solchen Forum hast -- ich habe da eher ein Problem mit "klassenkämpferischen" Darstellungen (von links oder rechts) ???

Gruß, Dille
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Dr. 213 » 26. August 2014, 20:18

Das Wort "sachlich" an sich ist ja sehr verbreitet. Und da stört es mich dann auch nie.

Erst in Verbindung mit konträren Meinungen wird dieses Wort zum Stacheldrahtwort für mich.
Oft ist es auch Totschlagargument um Tatsachen in Zweifel zu ziehen oder lächerlich erscheinen zu lassen.
Alles was einem nicht gefällt ist dann ganz schnell mal "unsachlich".
Oder es kommt die Aufforderung "doch bitte sachlich zu bleiben".
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Edelknabe » 27. August 2014, 17:24

Sag mal Wolfgang wosch,du kennst doch mittlerweile deinen Freund Rainer und weil das hier momentan so passen könnte( siehe auch dazu mein Text von gestern Abend), wollen wir also einmal ein Extrathema bezüglich deines Bruders und der damaligen ....ich nenne es einmal:

"Die ganz individuelle Gestaltung des DDR-Schaffensalltag durch den Bürger an sich, somit sein Einkommen aus was für Schaffensprozessen auch immer?" aufmachen?

Ich wette fast, du hast den Sinn der ganzen Sache noch gar nicht so richtig erfasst, meinst gar, der Rainer will deinen Bruder und dich als seinen damaligen Hehler aus dem Westen hier irgend wie vorführen. Dem ist nicht so (mit der Hand auf dem Herzen)denn der Rainer war ja ebenfalls kein unbeschriebenes Blatt siehe eben das Volkseigentum. Und bitte Wolfgang, irgendwie habe ich in letzter Zeit den dummen Verdacht...du ignorierst so wie der Felix meine Texte? Das wäre nicht ...nein, es wäre nicht sehr produktiv für Rede/Gegenrede.

Entschuldige Doktor, ich muss das mal in deinem Fluchtfred mit unterbringen...für den Wolfgang.

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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Dr. 213 » 27. August 2014, 18:55

kein Problem Rainer, solange das Thema hier nicht zum Parteiverfahren gegen Wolfgang mutiert... [flash]
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Edelknabe » 27. August 2014, 19:02

Nein nein Doktor, ich wäre der Letzte der es verbissen sieht ähnlich der alten SED und denke, der Wolfgang braucht nur noch etwas Bedenkzeit. Das wird schon...und wir werden es korrekterweise in einem Extrafred behandeln.

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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon pentium » 27. August 2014, 19:18

Edelknabe hat geschrieben:Nein nein Doktor, ich wäre der Letzte der es verbissen sieht ähnlich der alten SED und denke, der Wolfgang braucht nur noch etwas Bedenkzeit. Das wird schon...und wir werden es korrekterweise in einem Extrafred behandeln.

Rainer-Maria


Nein, bitte nicht Rainer-Maria, kein Extrafred!

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*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
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Re: Rette sich wer kann - Die Flucht des Dr. 213

Beitragvon Dr. 213 » 27. August 2014, 19:27

Ach ja und es soll auch mit der Fluchtgeschichte und ihrem Ende weitergehen.

Zur Erinnerung.
Als ich das erste mal vor der Botschaft stand, war keine Besuchszeit mehr.
Ich übernachtete in diesem Elektroraum. Nur mit einer dünnen Pappe auf dem Betonfußboden.


Tag 10 - Deutsche Botschaft Kopenhagen

Am nächsten Morgen spürte ich meine Knochen wie lange nicht. Verdammt.
So ungemütlich war keine der letzten Nächte auf dem Boot gewesen.
Dieser Morgen war außerdem noch recht kühl.
Es war noch recht früh und so hatte die Sonne noch nicht ihre wärmende Kraft entfaltet.

Ich packte meine wenigen Sachen zusammen und machte mich wieder auf den Weg zur Botschaft.
Eigentlich wollte ich genau den selben Weg zurück, den ich am Tag zuvor entlang ging.
Leider verlief ich mich. Ich mußte sehr lange wieder an irgend einem Park mit hohem Eisenzaun entlang laufen.
Kurz darauf hatte ich anhand der Straßenschilder und meiner Karte den Standort gefunden.
Ich war genau falsch herum um den Park gelaufen.

Schließlich stand ich dann doch wieder vor der großen Toreinfahrt der westdeutschen Botschaft.
Gespannt und ein wenig aufgeregt drückte ich an der Sprechanlage auf die Klingel.
Kurz darauf fragt eine Stimme nach meinem Anliegen.

"Ich komme aus der DDR und will Asyl beantragen" sagte ich in die Sprechanlage.
Die Tür wurde kurz darauf geöffnet und ich trat in eine Art Durchfahrt ein.
Zwei Männer in dunklen Anzügen führten mich durch die Toreinfahrt hinauf in die Räume der Botschaft.
Die beiden diskutierten auf dem Weg nach oben meinen Asylantrag und kamen dann aber schnell darauf,
daß ich nun automatisch Bundesbürger sei und somit ja gar keinen Asylantrag zu stellen brauchte.

In der Botschaft gab es ein kleines aber sehr gemütliches Wartezimmer.
Alles war in dunkelbraunem Holz vertäfelt. Da lagen deutsche Zeitschriften und Zeitungen aus.
Stern, Spiegel oder Quick waren nicht dabei, oder ich habe sie übersehen.
Die meißten von den hausfrauentypischen Zeitungen lies ich links liegen.
Interessant fand ich nur die Auto- Zeitschriften.

Von dort aus konnte ich dem Treiben am Publikums- Tresen zusehen.
Während ich so in den Zeitschriften blätterte entging mir nicht,
wie ich mehrmals aus der Ferne wie ein Exot von einem fremden Stern beäugt wurde.
Dann wurde ich schließlich in ein kleines Bürozimmer begleitet.

Mein Gegenüber war ein noch junger Botschaftsangehörigen Ein KsA.
Für mich stand das für Konsul zur Aushilfe. Er war distanziert freundlich.

Ich erzählte meine ungewöhnliche Geschichte und merkte gleich das diese nicht als besonders glaubwürdig betrachtet wurde.

Der Konsul erzählte mir weiter, auch er und seine Kollegen hätten vor ein Paar Tagen aus Ost- Berlin kommend just genau eben diese Fähre benutzt.
Und ich solle doch noch etwas mehr im Detail darüber berichten.
Das fand ich nun wiederum wenig glaubhaft. Ich dachte so still für mich "Der will mich testen". Die nehmen doch nicht den Weg durch die DDR.
Nun gut, recht hatte er. Schließlich war meine Geschichte wirklich sehr abenteuerlich und paßte viel besser zu einem Hollywood Film.

Ich sagte ihm, daß ich nicht viel über die Überfahrt berichten kann und das stimmte ja auch.
Durch die Gucklöcher in der Plane hatte ich wirklich nicht viel vom eigentlichen Fährhafengelände in Warnemünde gesehen.
Ich berichtete über die Rampe zur Fähre.
Der Konsul fragte michm wie ich mich so lange Zeit nur ernährt habe. "Bestimmt immer nur Hot- Dog und so", meinte er grinsend.
Ich verstand kein Wort und fragte ganz verwundert zurück was er wohl damit meinte.
Den Begriff „Hot- Dog“ kannte ich damals überhaupt noch nicht.
Ich muß ihn dabei wirklich wie ein Marsmännchen angeschaut haben.

Meine Angaben aus meinem bisherigen Leben in der DDR, und vor allem dieses nicht kennen von den Würstchen
die man hier „Hot- Dog's“ nennt, dies alles überzeugte wohl den Konsul dann schließlich wohl doch.

Ich bekam einen Bogen zum Ausfüllen und wurde damit wieder zurück in das gemütliche Wartezimmer geschickt.
Ich hatte etwas Mühe den Fragebogen vollständig auszufüllen denn der
war so überhaupt nicht auf einen DDR- Flüchtling wie mich zugeschnitten.
Es war eher so ein Fragebogen für gestrandete Touristen.
Was sollte ich denn als ungelernter Bundesbürger bei der Frage nach dem Bundesland eintragen ?
Die Wörter Landkreis und Gemeinde waren ebenfalls für mich Rätsel.

Der Konsul sagte mir im zweiten Gespräch das meine Angaben nun überprüft werden würden,
und das jetzt immer noch Zeit wäre die Wahrheit zu sagen.
Das Thema war aber kurzerhand erledigt, jedenfalls für mich.

Es war genau so wie ich sagte und so kam ich auch bei den weiteren Fragen nicht in Widersprüche.
Der Konsul entschuldigte sich und erzählte mir das ich verstehen müsse das er alles erst genau prüfen mußte.
Er meinte, es gäbe hin und wieder Leute, die nur auf Kosten der Botschaft an Geld und Fahrkarten kommen wollen.
Ich bekam wieder einen Kaffee und las zur Entspannung weiter in den ausliegenden Zeitschriften.

In der Zwischenzeit glühten die Drähte zwischen Kopenhagen und Bonn.
Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wußte war, daß am 19.8.1985, also genau 5 Tage zuvor
ein Hans- Joachim Tietge in die DDR übergelaufen war. Die Thematik Spion, Agent und Überläufer war also tagesaktuell.

Irgendwann kam der junge Konsularmann zu mir und sagte, es müssen Paßbilder gemacht werden, für meinen Reisepaß.

Er erklärte mir, dass so ein Fotoautomat auf dem nahe gelegenen Bahnhof steht und auch wie ich ihn bedienen muß.
Er gab mir dazu noch einige große Münzen in die Hand.
Irgendwie fand ich das sehr merkwürdig und fast schon witterte ich eine Falle. Irgend etwas paßte hier nicht.
Eine Botschaft die wirklich nicht die Möglichkeiten hatte, Paßbilder selbst anzufertigen?

Ich ging also zu diesem Bahnhof gleich in der Nähe hin.
Dabei schaute ich mich nach allen Seiten absichernd um. Mitten auf dem Bahnsteig stand dieser Automat.

Ich fand diese Maschine unglaublich spannend. So etwas hatte ich noch nie gesehen.
Ein Automat der sofort Paßbilder macht !
Man setzt sich einfach hinein, schließt den Vorhang, wirft das Geld ein und schon geht es los.

Kurze Zeit später war ich wieder in der Botschaft zurück und natürlich mit den fertigen Bildern.

Inzwischen war es früher Nachmittag. Mein Ersatzreisepaß war fertig.
Der Konsul sagte mir, daß man meinen Angaben überprüft habe und alles in Ordnung sei.
Ich solle mir keine Sorgen mehr machen denn nun war ich offizieller Bundesbürger und
da würde von den dänischen Behörden keine Gefahr mehr drohen.
Ich würde sicher aus dem Land gebracht werden.
Auf dem ganz normalem Landweg. Ein Flugzeug wäre in diesem Fall nicht nötig.
Die von der Botschaft ausgestellten Dokumente würden dazu ausreichen.

Noch am frühen Abend werde der reguläre Schnellzug von Kopenhagen nach Hamburg fahren.
Den könnte ich auf jeden Fall noch erreichen.
Nur das Bahn-Ticket dafür fehlte noch.
Dazu fuhr ich mit dem Konsul in die Fußgängerzone der Kopenhagener Innenstadt.
Ich war etwas erstaunt das wir mit einem öffentlichen Bus fuhren.
Aber schließlich fand ich es viel unauffälliger und somit auch sicherer.

In der Fußgängerzone konnte ich nur mit Mühe meinem Begleiter folgen.
Der Konsul war ziemlich groß und legte ein ordentliches Tempo vor.
Geredet hat er dabei fast gar nicht mehr mit mir.
Scheinbar war es ihm auch lästig oder es bedeutete zumindest eine Verzögerung für seinen Feierabend an diesem Tage.

Vor einem Reisebüro in der Fußgängerzone angekommen ließ er mich draußen warten und besorgte die Fahrkarte.
Ein grünes Transalpino- Ticket. Auch dieses ist im Original erhalten und bis heute in meinem Besitz.
Ich quittierte den Empfang. Dann gab er mir noch einen Zettel mit einer Telefonnummer für den Notfall mit.
Am Bahnhof verabschiedeten wir uns ohne lange Worte.
Er wünschte mir viel Glück und ermahnte mich wie schon in der Botschaft nochmals,
möglichst nicht mit der bundesdeutschen Klatsch- Presse zu sprechen.
Das könnte sehr gefährlich für mich sein. Ich hatte das aber auch nicht vor.

Es war nur noch wenig Zeit bis mein Zug nach Hamburg abfuhr. Auf dem Bahnhof gab es einen Obstladen.
Ich kaufte mir 2 Bananen als Proviant und trat noch einmal vor das Bahnhofsgebäude.
Immer noch schönstes Sommerwetter.
Plötzlich kam eine Uniformierte aber freundliche alte Dame zu mir und drückte mir grinsend
einen kleinen Blumenaufkleber auf meine Jacke. Ich wußte erst nicht was das soll.
Dänisch oder was auch immer die Frau für eine Sprache benutzte verstand ich nicht.
In der Hand hielt sie eine Büchse und klapperte ab und zu damit herum.
Ich griff in meine Hose und zeigte mein Kleingeld.
Die alte Dame nahm einige Örestücke heraus und gab sie mir gleich zurück
in meine Hände auf das ich sie selbst in die Büchse plumsen lassen solle.
Das tat ich auch sofort und sie strahlte.
Heute weiß ich das sie sicher von der Heilsarmee war.
Das kannte ich aber damals natürlich auch noch nicht.

Ich erreichte den Zug und bekam sogar noch einen Sitzplatz in einem Abteil.
Der Zug war bereits gut gefüllt als es los ging.

Irgendwann kam der Zug auch an Nyköbing vorbei aber er hielt nicht an.
So sehr ich mich anstrengte, den Bootsklub konnte ich von meinem Platz aus nicht sehen.

Ich weiß nicht mehr genau ob es eine dänische Grenzkontrolle gab.
Jedenfalls fuhr der Zug langsam rumpelnd in den Bauch der Fähre hinein.
Die Fahrgäste verließen wie auf ein unsichtbares Kommando hin den Wagon und begaben
sich über recht steile Treppen zu den oberen Decks der Fähre.
Ich tat es ihnen gleich als wäre es das normalste der Welt. Diesmal war ich ja auch kein blinder Passagier.
Das Schiff selber interessierte mich kaum. Es war auch nicht besonders schön und schon ein wenig runter gekommen.
An Bord kaufte ich mir etwas zu trinken und wechselte die restlichen Oere in DM.
Dann ging ich weiter nach oben und dort hinaus ins Freie.
An Deck ließ ich mich vom Wind richtig durchpusten und sah auf die anderen Fährschiffe,
welche in der Dunkelheit wunderschön erleuchtet in entgegengesetzter Richtung vorbei fuhren.
Es begann leicht zu regnen.

In Putgarden verließ der Zug das Schiff wieder und hielt auf dem Fährbahnhof an
worauf sofort ddrei Männer von der BGS- Grenzkontrolle den Zug betraten.
Irgendwann erreichten sie auch mein Abteil und ich zeigte stumm meinen Ersatz- Reisepass,
der eigentlich nur ein zwei mal gefalteter DIN A4 Zettel mit Paßbild und Stempel war.
"Ach Sie sind das" wurde ich schon im Zug begrüßt. Meine Ankunft war also bereits längst angekündigt worden.
Die Botschaft in Kopenhagen hatte offenbar alles perfekt arrangiert.

Ich mußte erst einmal aussteigen und zur Wache des BGS mitkommen.

Der recht weite Weg führte über eine scheinbar endlos lange verglaste Brücke.
Der Zug fuhr unterdessen ohne mich weiter.
Egal, der nächste kommt bald.
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