Mauerfall in Potsdam

Mauerfall in Potsdam

Beitragvon Preussenfan » 26. November 2010, 19:51

Sonntag, der 10.Novermber 1989 war´s und meine Frau gerade dabei das Abendessen zu bereiteten, als der RIAS verkündete, DDR Grenzer würden den Schlagbaum auf der Glienicker Brücke (besser bekannt als Agentenbrücke bzw. Brücke der Einheit) öffnen. Meine Frau schaute mich ungläubig an, als ich sagte: „Komm, nimm die Pfanne vom Herd, wir fahren dorthin. Bis vor zur Brücke kamen wir aber nicht, denn es war kein Durchkommen auf der Straße in Richtung Berlin. Auf einer Seite die vielen Trabis, Wartburgs, Skoda`s und Lada`s und auf der anderen, Massen von Menschen, die die Fahrbahn versperrten. Überrascht waren wir wegen der vielen dicht an dicht stehenden Pkws, die schon vor uns an der Brücke angekommen waren. Was also blieb uns übrig, als uns in die lange Schlange der Wartenden einzureihen. 17.30 Uhr und dunkel war es, als wir endlich die weiße Linie auf der geschichtsträchtigen Brücke überfahren durften. Was uns danach erwartete, lässt sich mit eigenen Worten kaum noch nachvollziehen. Fast hatten wir schon die Befürchtung, die West-Berliner würden unser Auto auseinander nehmen. Wir fuhren durch ein Spalier von Menschen, die wie wild auf das Dach unseres Lada schlugen. Sie rüttelten und schüttelten unser Auto das uns Angst und Bange wurde. Meine Frau und ich bekamen Sekt in Gläsern und meine Tochter Geld und Schokolade gereicht. Es war ein Spießrutenlauf der Freude und Begeisterung. Unbeschreiblich auch dieses Gefühl zwischen großer Neugierde, Ungläubig,-und Fassungslosigkeit. In dieser Situation das ganze Ausmaß der Ereignisse zu verkraften, fiel uns allen außerordentlich schwer. Nicht einmal weinen konnten wir, so wie viele andere Besucher des Brückenspektakels. Es war schon spät, als wir an die Stelle fuhren, wo die beiden Ortsteile Babelsberg und Kohlhasenbrück jahrzehntelang durch eine Mauer voneinander getrennt waren. Hier wollten die Familien besuchen, deren Kinder wir acht Jahre lang hinterm Streckmetallzaun heranwachsen sehen konnten. Leider war dort niemand zuhause. Dafür empfing uns eine Familie aus der Nachbarschaft, die mit uns gleich auf den Fall der Mauer anstoßen wollte. Aus der „Mauerfallbegegnung“ wurde so etwas wie eine Familienfreundschaft. Dass der Ehemann Chef eines der größten Kaufhäuser in Steglitz war, erfuhren wir erst, als dieser uns in sein Büro eingeladen hatte. Die freundschaftlichen Beziehungen hielten leider nicht lange. Ausschlaggebend waren familiäre Probleme unserer Freunde in West-Berlin. Am 12. November 89 fuhren wir noch einmal hinüber nach Wannsee und nahmen in dortiger Sparkasse unser Begrüssungsgeld entgegen.Von einem Teil des Geldes hatten wir uns eine Kassettendeck-Stereoanlage, und vom Rest, eine preiswerte, braune Flickenlederjacke für mich gekauft. Auf der Fahrt zurück nach Potsdam, fielen uns sofort die vielen Satellitenantennen auf den fahrbaren Radio-und Fernsehstationen auf, die die Zufahrt zur Glienicker Brücke blockierten. Kameramänner wirbelten einem Hornissenschwarm gleich, von einer Seite der Brücke auf die andere. Mittendrin der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Richard von Weizäcker. Diesem Mann einfach mal auf die Schulter zu klopfen, war mir sofort ein Bedürfnis.
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Zuletzt geändert von Preussenfan am 26. November 2010, 19:56, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mauerfall in Potsdam

Beitragvon augenzeuge » 26. November 2010, 19:56

Preussenfan hat geschrieben:Sonntag, der 10.Novermber 1989 war´s...


Tolle Story. Nur ne kleine Berichtigung. Es war ein Freitag, der durch die Öffnung zum empfundenen Sonntag wohl wurde. [wink]
AZ
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Re: Mauerfall in Potsdam

Beitragvon Preussenfan » 26. November 2010, 22:51

[quote="Preussenfan"
Korrektur zum 10. November 89
Nicht Sonntag sondern Freitag
]Freitag, der 10.Novermber 1989 war´s und meine Frau gerade dabei das Abendessen zu bereiteten, als der RIAS verkündete, DDR Grenzer würden den ......
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Re: Mauerfall in Potsdam

Beitragvon OaZ » 15. Juli 2020, 10:20

Preussenfan hat geschrieben: ...Mittendrin der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Richard von Weizäcker. Diesem Mann einfach mal auf die Schulter zu klopfen, war mir sofort ein Bedürfnis.


Sorry, dass meine Antwort nicht direkt mit dem Thema zu tun hat. Dennoch ein Sätzchen dazu: Richard von Weizsäcker war es, der mit seiner vielbeachteten Rede zum "Tag der Befreiung" in der Alt-BRD Tabus brach und wesentlich dazu beitrug, dass von nun an Partei übergreifend diesbezüglich quer gedacht wurde. Auch öffentlich.

Als er vor wenigen Jahren starb und nach der großen Trauerfeier in Berlin sein Sarg abtransportiert wurde, war ich gerade zufällig nur wenige Meter entfernt und sah, wie er in den Transporter geschoben wurde ... es war ein sehr ergreifender Moment. Richard von Weizsäcker war ein Guter!
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Re: Mauerfall in Potsdam

Beitragvon HPA » 15. Juli 2020, 12:40

Meine Güte , wir hatten hier ja richtige (socialmedia) "Promis" an Bord. [flash]

https://www.facebook.com/15507188151859 ... 398765822/

Ich muss los, das Wetter wird besser und das Chemtrailgeschwader hat gerade angerufen. [flash]
HPA
 


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