Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Volker Zottmann » 16. März 2018, 15:29

@Zoll, das sehen viele Ostdeutsche doch diifferenzierter. Es zeigt sich nämlich an den letzten Zuckungen dieses Regimes, in Form auch von Schabowskies Stotterei, wie konfus dieser Staat zu regieren versucht wurde. Gerade dieses Verlesen des Zettels ist doch die größte Genugtuung für alle Eingesperrten gewesen. Für mich ist es immer wieder ein Genuss, deren Versagen nachzulesen oder eben sehen zu können. Bisher einmalig im Weltgeschehen.

Gruß Volker
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Olaf Sch. » 16. März 2018, 17:54

nochmal in aller Deutlichkeit, Herr Schabowski hat sich nicht versprochen. Es war einfach eine Aktion um bei der "Kapitulation" nicht das Gesicht zu verlieren. Das ist doch inzwischen bekannt. Das Westberliner Oberbürgermeisteramt wusste schon am 8.11.!!! über eine mögliche Grenzöffnung am 09.11. und sollten sich vorbereiten. War erst vor ca 3 Wochen in Spiegel Online zu lesen.

Das war doch das selbe Spiel: Niemand hat die Absicht...
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon andr.k » 16. März 2018, 22:14

augenzeuge hat geschrieben:16. März 2018, 04:28
[hallo]


Moin @augenzeuge, ein wirklich interessantes Buch. Ich habe das Buch schon gelesen und hoffe doch stark, dass Du es auch zügig liest.

[hallo]
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon augenzeuge » 17. März 2018, 04:19

Ja, das Buch habe ich gelesen. Und es bietet viel Diskussionspotential. Gerade weil Sch. sehr viele Dinge anspricht. Heute würde ich es als Pflichtlektüre bezeichnen, für jeden, der unser Forenthema versucht zu verstehen.
Und jene, die Sch. nur in die Verräterecke stellen wollen, dürfen gespannt sein. [grins]

Ich freue mich auf die Diskussion zu Aussagen nächste Woche.... [hallo]
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon zoll » 17. März 2018, 11:39

Volker Zottmann hat geschrieben:@Zoll, das sehen viele Ostdeutsche doch diifferenzierter. Es zeigt sich nämlich an den letzten Zuckungen dieses Regimes, in Form auch von Schabowskies Stotterei, wie konfus dieser Staat zu regieren versucht wurde. Gerade dieses Verlesen des Zettels ist doch die größte Genugtuung für alle Eingesperrten gewesen. Für mich ist es immer wieder ein Genuss, deren Versagen nachzulesen oder eben sehen zu können. Bisher einmalig im Weltgeschehen.

Gruß Volker

Es mag alles richtig sein was von dir und anderen Schreibern an Argumenten aufgeführt wird, aber trotzdem bleibe ich bei meinem Argument.
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Ari@D187 » 17. März 2018, 11:48

AkkuGK1 hat geschrieben:nochmal in aller Deutlichkeit, Herr Schabowski hat sich nicht versprochen. Es war einfach eine Aktion um bei der "Kapitulation" nicht das Gesicht zu verlieren. Das ist doch inzwischen bekannt. Das Westberliner Oberbürgermeisteramt wusste schon am 8.11.!!! über eine mögliche Grenzöffnung am 09.11. und sollten sich vorbereiten. War erst vor ca 3 Wochen in Spiegel Online zu lesen.

Das war doch das selbe Spiel: Niemand hat die Absicht...

Momper wußte ja bereits Ende Oktober 1989 bescheid. In West-Berlin wurden ja entsprechende Vorbereitungen getroffen.
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Volker Zottmann » 17. März 2018, 13:30

Trotz Allem war die DDR nicht mal in den letzten Mauertagen in der Lage, geordnet und vorbereitet die Tore zu öffnen.
Hoffnungslose Dummheit und Unvermögen wurde ungewollt von ganz oben zur Schau gestellt... Des Volkes Wille in irgendeiner Weise noch zu steuern, war dieser Staat nicht mehr fähig.
Dazu passte auch der gestotterte Satz, egal wer wann was wo schon wusste. Die Masse der Menschen jedenfalls hoffte lediglich auf grundlegende Änderungen.

Gruß Volker
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Olaf Sch. » 17. März 2018, 18:00

Volker, nimm mal dieses Gleichnis

Hühnerstall, morgens kurz nach Sonnenaufgang, Bauer Friedhelm öffnet die Klappe zur Wiese und die Hühner strömen heraus, der Hahn hinterher und wie jeden Morgen ist eine Henne fällig. Die Heutige bekommt das natürlich mit und denkt in Panik:"Was mach ich nur, was mach ich nur!? Wenn ich stehen bleibe denkt ER ich bin eine Schlampe, lauf ich weiter bin ich frigide, ach was - stolpere ich einfach!"
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Huf » 17. März 2018, 19:32

Also wer heute die Ereignisse vom 09.11.1989 in der DDR als zwar geplante, vorbereitete Aktion, die mit "Versprecher" aber als ungeordnete Maßnahme erklären will, ich weiß nicht...
Nach meiner Erinnerung war es so, dass man damals in Ostberlin in Machtkreisen von Stunde zu Stunde entschied und wegen mangelnder Kommunikation und Kopflosigkeit unfähig war, das Volk zu regieren.
Die Öffnung aller Grenzen war eine Ultima Ratio, bevor der Kessel explodieren würde...Die Menschen in der DDR haben sich damals wie Menschen benommen! Das war das Wunder, das heute undenkbar wäre!

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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon karnak » 17. März 2018, 19:41

Huf hat geschrieben:.Die Menschen in der DDR haben sich damals wie Menschen benommen! Das war das Wunder, das heute undenkbar wäre!

VG Huf

Da würde mich natürlich interessieren wo die Ursachen dafür zu finden sind, dass das heute undenkbar wäre.
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Volker Zottmann » 17. März 2018, 19:49

AkkuGK1 hat geschrieben:Volker, nimm mal dieses Gleichnis

Hühnerstall, morgens kurz nach Sonnenaufgang, Bauer Friedhelm öffnet die Klappe zur Wiese und die Hühner strömen heraus, der Hahn hinterher und wie jeden Morgen ist eine Henne fällig. Die Heutige bekommt das natürlich mit und denkt in Panik:"Was mach ich nur, was mach ich nur!? Wenn ich stehen bleibe denkt ER ich bin eine Schlampe, lauf ich weiter bin ich frigide, ach was - stolpere ich einfach!"

Gefällt mir außerordentlich... frigide Schlampe... .... Armes Schwein in damaliger Situation, ich kriege fast Mitleid, wenn ich nicht lachten täte.

Gruß Volker
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Volker Zottmann » 17. März 2018, 19:55

karnak hat geschrieben:
Huf hat geschrieben:.Die Menschen in der DDR haben sich damals wie Menschen benommen! Das war das Wunder, das heute undenkbar wäre!

VG Huf

Da würde mich natürlich interessieren wo die Ursachen dafür zu finden sind, dass das heute undenkbar wäre.

Klaus hat das gut beschrieben.
Die Ursachen sucht Karnak, warum das heute nichts würde?

Das hatte damals auch was mit Benehmen zu tun. (Neben all der Besonnenheit)
Wer hält denn heute noch einer frau die Türe auf?
Wo grüßen noch die Kinder die Älteren?
Wo gibt es noch respekt vor fremden Eigentum?
Wo gibt es noch Mitgefühl?

Wenn doofe Eltern nur noch auf ihr Smartfone starren statt den Blagen was zu erklären.... wer wundert sich dann über das Resultat. Und wenn deren Kinder einst Kinder kriegen, bin ich hoffentlich schon tot.


Gruß Volker
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon karnak » 17. März 2018, 20:04

Volker Zottmann hat geschrieben: Und wenn deren Kinder einst Kinder kriegen, bin ich hoffentlich schon tot.


Gruß Volker

Ich bin ja immer etwas in Sorge ob es sich nicht etwa um Altersstarrsinn handelt wie bei Erich Mielke, aber mir geht es nicht viel anders. [flash]
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Volker Zottmann » 17. März 2018, 21:46

Wer ohne Macke, der werfe den ersten Stein! [laugh]
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon augenzeuge » 22. März 2018, 14:09

andr.k hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben:16. März 2018, 04:28
[hallo]


Moin @augenzeuge, ein wirklich interessantes Buch. Ich habe das Buch schon gelesen und hoffe doch stark, dass Du es auch zügig liest.

[hallo]


Moin , moin,

so nun darfst du, und jeder, mit mir über alles gern diskutieren. Was war für dich bei Sch. überraschend?
Was wollte er am 9.11.89 tun?

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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon zonenhasser » 11. November 2019, 10:18

„Aus Versehen die DDR aufgelöst“ Wie sich das Mysterium um Schabowskis verschwundenen Zettel auflöste

Schabowskis Zettel für die Pressekonferenz am 9. November war verschollen. Nun ist er in Berlin zu sehen. Wir zeigen ihn.
...
Bild
1. Der Notizzettel

Eine klare Struktur hatte SED-Politbüromitglied Günter Schabowski sich für die Pressekonferenz auf seinen Zettel geschrieben. Sie sollte vor den Abendnachrichten um 19 Uhr enden – die Reiseregelung des Ministerrats wollte er „kurz vor Schluß“ verlesen. Wenn Sie auf die Bilder klicken, können sie Zettel und Transkription in voller Größe ansehen.

Bild

Bild
2. Die Reiseregelung

„Ab sofort“ gelte die Reiseregelung, las Schabowski wörtlich aus der Vorlage für den Ministerrat vor.
Er übersah, was auf der nächsten Seite stand: Der Beschluss zur Ausgabe von Visa sollte erst am 10. November über die staatliche Nachrichtenagentur ADN veröffentlicht werden.
„Zeitweilige Übergangsregelung für Reisen und ständige Ausreise aus der DDR“ steht auf dem Deckblatt für die „Beschlußvorlage“, die die Mitglieder des Ministerrats bis zum 9. November um 18 Uhr im Umlaufverfahren bestätigen sollten. Es folgt die Vorlage mit der zwei Seiten langen Reiseregelung und ein Entwurf für die ADN-Pressemitteilung. Das vollständige Dokument sowie Notizzettel und Transkription finden Sie in unserer Bildergalerie.
Schabowskis Notizzettel, Transkription, Reiseregelung und Pressemitteilung: Alle Dokumente der Pressekonferenz vom 9. November 1989 können Sie hier als PDF herunterladen.

https://www.tagesspiegel.de/politik/aus ... ket-newtab
Die “Rote Fahne” schrieb noch “wir werden siegen”, da hatte ich mein Geld schon in der Schweiz.
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon augenzeuge » 11. November 2019, 12:45

Die glaubten, wenn wir das 19 Uhr mitteilen, dann kommt am gleichen Abend keiner mehr.
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Nov65 » 11. November 2019, 13:16

Eben Planwirtschaft bis zur letzten Minute. Aber wie immer ging die nicht auf.
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Werner Thal » 11. November 2019, 13:29

Mit der "Klaue" hatte aber ein Graphologe wohl ´nen Haufen Arbeit!

Die Hieroglyphen könne auch nur Schriftdeuter enträtseln, oder hat das jetzt ein Computer entschlüsseln können? [blush]

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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Ari@D187 » 11. November 2019, 18:28

augenzeuge hat geschrieben:Die glaubten, wenn wir das 19 Uhr mitteilen, dann kommt am gleichen Abend keiner mehr.
AZ

Ohne die Nachfrage von R. Ehrman, hätte Schabowski das Ganze evtl. gar nicht (mehr) erwähnt.

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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon pentium » 11. November 2019, 18:42

augenzeuge hat geschrieben:Die glaubten, wenn wir das 19 Uhr mitteilen, dann kommt am gleichen Abend keiner mehr.
AZ


Es gab einen Sperrvermerk bis zum nächsten Tag...
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Nostalgiker » 11. November 2019, 18:55

Nov65 hat geschrieben:Eben Planwirtschaft bis zur letzten Minute. Aber wie immer ging die nicht auf.
Andreas [heart] [hallo] [super]



Was jetzt eine Festlegung betrifft ab wann die Reiseregelung veröffentlicht wird und ab wann sie in Kraft tritt mit einer Planwirtschaft zu schaffen hat weißt auch nur du allein.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon augenzeuge » 11. November 2019, 19:19

Ich denke, da ist weitaus mehr schief gelaufen. Ursprünglich wollte man lediglich das Ventil Tschechien und Ungarn entlasten.
D.h. ständige Ausreisen sollten möglich sein. Von einer Öffnung der Grenzen zum ständigen Hin und Her war man weit weg. [flash]

Aber zu jener Zeit brannte es in der DDR überall, und man versuchte zu löschen. Am Ende konnte man eigentlich tun, was man wollte. Die Mauer hätte es nie überlebt.

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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Volker Zottmann » 11. November 2019, 19:25

Die haben sich faktisch selbst überholt ohne einzuholen. Die eigenen Beschlüsse haben sie überrannt!
So kam der Genosse Ulbricht postum auch noch mal zum Zuge. [laugh]

Es hat doch keine Sau mehr interessiert, dass die Grenzgänger sich erst hätten Papiere holen müssen. Der Zug war am rollen, den konnten die paar Hanseln an der Bornholmer ebenso wenig bremsen, wie anderen Orts.
Die Masse Menschen war letztlich ausschlaggebend.

Trotz aller damaligen Unwägbarkeiten, es war die herrlichste Zeit meines Lebens.

Gruß Volker
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon augenzeuge » 11. November 2019, 19:26

Volker Zottmann hat geschrieben:Trotz aller damaligen Unwägbarkeiten, es war die herrlichste Zeit meines Lebens.

Gruß Volker


Politisch die Spannendste, neben meiner früheren Ausreise.

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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Ari@D187 » 11. November 2019, 20:22

augenzeuge hat geschrieben:Ich denke, da ist weitaus mehr schief gelaufen. Ursprünglich wollte man lediglich das Ventil Tschechien und Ungarn entlasten.
D.h. ständige Ausreisen sollten möglich sein. Von einer Öffnung der Grenzen zum ständigen Hin und Her war man weit weg. [flash]
[...]

Was nicht sein kann, das nicht sein darf...oder woher hast Du Deine Informationen?

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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon pentium » 11. November 2019, 20:27

Ari@D187 hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben:Ich denke, da ist weitaus mehr schief gelaufen. Ursprünglich wollte man lediglich das Ventil Tschechien und Ungarn entlasten.
D.h. ständige Ausreisen sollten möglich sein. Von einer Öffnung der Grenzen zum ständigen Hin und Her war man weit weg. [flash]
[...]

Was nicht sein kann, das nicht sein darf...oder woher hast Du Deine Informationen?

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Tschechoslowakei...damals, so viel Zeit muss sein. Die Reiseverordnung muss sich doch finden lassen...wegen der Alu-Mütze.
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon Ari@D187 » 11. November 2019, 21:51

pentium hat geschrieben:
Ari@D187 hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben:Ich denke, da ist weitaus mehr schief gelaufen. Ursprünglich wollte man lediglich das Ventil Tschechien und Ungarn entlasten.
D.h. ständige Ausreisen sollten möglich sein. Von einer Öffnung der Grenzen zum ständigen Hin und Her war man weit weg. [flash]
[...]

Was nicht sein kann, das nicht sein darf...oder woher hast Du Deine Informationen?

Ari


Tschechoslowakei...damals, so viel Zeit muss sein. Die Reiseverordnung muss sich doch finden lassen...wegen der Alu-Mütze.

Nun, kann man schon so deuten, als ob es vordergründig um "ständige Ausreise" ginge, wie von AZ geschrieben:
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon augenzeuge » 11. November 2019, 21:54

Die Information kam direkt von Gysi. Er hatte damals wohl Einblick in das Reisegesetz. Wobei das erste gemeint ist.

Kann ich mit etwas Mühe beweisen.

AZ
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Re: Warum Schabowskis Irrtum keiner war

Beitragvon andr.k » 11. November 2019, 21:55

Aus: Gerhard Lauter, Chefermittler - Der oberste Fahnder der K in der DDR.


17.45 Uhr, Berlin, im Gebäude des Zentralkomitees

Schabowski war bei der Beratung des Beschlusses zur ständigen Ausreise nicht im Plenum des Zentralkomitees, er ist damit beschäftigt, außerhalb des Sitzungssaals mit Journalisten über den Verlauf der ZK-Tagung zu diskutieren und ihnen Kontakte zu gewünschten Gesprächspartnern zu machen.

Bevor er zur täglichen Konferenz ins Internationale Pressezentrum aufbricht, drückt ihm Krenz während der laufenden Debatte im ZK-Plenum sein Exemplar des Ministerratsbeschlusses in die Hand, handschriftlich sind zwei Formulierungen verändert. Er solle den Beschluss auf der Pressekonferenz verkünden.

Mit einer Handbewegung macht Krenz vier Fehler:

Die Einspruchsfrist gegen den Beschluss ist noch nicht abgelaufen, nicht alle der 44 Minister haben schon zugestimmt.

Zum zweiten war auf seinen Vorschlag hin im ZK festgelegt worden, dass der Regierungssprecher die Regelung verkündet, es ist ja ein Ministerratsbeschluss.

Zum dritten, und das ist der folgenreichste Fehler: Am Ende des Beschlusses, auf Seite zwei, steht, er solle am 10. November bekanntgemacht werden, damit alle Dienststellen, besonders die Grenzübergangsstellen, informiert werden können. Vorhin hat Krenz diesen Punkt im Plenum vorgelesen, nun hat er ihn offenbar vergessen und schickt Schabowski ins Verderben.

Viertens: Er drückt das Papier einem Mann in die Hand, der noch auf dem Informationsstand vom 7. November ist – bei den beiden Beratungen seither, im Politbüro und im Plenum, war er nicht anwesend.

18.53 Uhr, Berlin, Internationales Pressezentrum in der Mohrenstraße

Die Pressekonferenz ist fast vorbei, als Schabowski im überfüllten Saal das Wort einem Journalisten erteilt, der rechts von ihm vorm Podium sitzt. »Entschuldigen Sie, jetzt Sie, jetzt erst mal der italienische Kollege!« Riccardo Ehrman von der italienischen Nachrichtenagentur Ansa fragt: »Glauben Sie nicht, dass es war ein großer Fehler, diesen Reisegesetzentwurf, das Sie haben jetzt vorgestellt vor wenigen Tagen?"

Es folgt die verwirrendste und folgenreichste Verkündung einer neuen staatlichen Verordnung in der Geschichte internationaler Pressekonferenzen. Sie dauert acht Minuten, ist mit 30 Ähs gespickt, provoziert 14 hörbare Zwischenfragen und Dutzende unhörbare und lässt so viel unklar, dass Journalisten in den folgenden Stunden über diese Verkündung ständig neue Nachrichten absetzen können, die schließlich nur noch wenig damit zu tun haben, was in diesem Beschluss formuliert ist.

Schabowski erklärt, »dass man aus dem Entwurf des Reisegesetzes den Passus in Kraft treten lässt, der die ständige Ausreise regelt, also das Verlassen der Republik «. Das ist das, was am 7. November im Politbüro beschlossen wurde als Auftrag an das Innenministerium.

Durch Nachfragen irritiert, blättert Schabowski in seinen Unterlagen, zieht eine Seite heraus (auf der zweiten Seite steht »am 10. November zu veröffentlichen«) und sagt dabei: »Also, Genossen, mir ist das hier also mitgeteilt worden, dass eine solche Mitteilung heute schon verbreitet worden ist. Sie müsste eigentlich in Ihrem Besitz sein.« Er geht also davon aus, dass die Journalisten den Beschluss schon kennen, offenbar hat er im Gespräch mit Krenz diesen Eindruck gewonnen.

Dann liest er – sehr schnell – vom Blatt Lauters Absatz (»Privatreisen«) vor. Wann tritt das in Kraft?, wird er gefragt. Schabowski blättert, schaut dabei hilfesuchend nach rechts, wo zwei ZK-Mitglieder sitzen. »Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich« (blättert weiter in seinen Papieren), findet die Seite mit dem Satz »10. November« nicht.

Dann Frage, Antwort, Frage, Antwort. Berlin-West? Er guckt nach im Papier, ja, auch Berlin-West. In diesem Moment, räumt er später ein, sei ihm durch den Kopf geschossen: »Hoffentlich wissen die Sowjets davon, dieses Ding berührt ja den Viermächtestatus, verflucht.«

Schließlich, am Ende der Konferenz, das Eingeständnis: »Ich drücke mich nur so vorsichtig aus, weil ich nun in dieser Frage nicht, also, ständig auf dem Laufenden bin, sondern kurz, bevor ich rüber kam, diese Information in die Hand gedrückt bekam.« Das ist entwaffnend ehrlich. In den Wochen und Monaten danach räumt Schabowski ein, das Papier von Krenz weder im ZK noch im Auto gelesen zu haben, später behauptete er, es durchgelesen zu haben.

Nach der Pressekonferenz erklärt er dem NBC Reporter Tom Brokaw im Interview, wie er selbst das verstanden hat, was er in den acht Minuten erklärt hat:
»It is no question of tourism. It is a permission of leaving GDR.« Es geht nicht um Tourismus, es ist die Erlaubnis, die DDR zu verlassen.


Nur wegen der ganzen Spekulationen …
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