Grenze Marienborn - Passkontrolleure gegen Zöllner Die Aufnahme aus den 1980er Jahren vermittelt einen Eindruck von der Größe der Grenzübergangsstelle Marienborn. Foto: Mitteldeutscher Verlag
Nach jahrelanger Forschungsarbeit ist jetzt ein Buch über die DDR-Grenze in Marienborn erschienen. Es zeigt das Innenleben des Übergangs. Magdeburg l Wie war die „Grenzübergangsstelle“ (GÜSt) Marienborn organisiert? Wie sahen das Innenleben und die Befehlsstrukturen aus? Wer hat wen ausspioniert? Diese und andere Fragen werden in einem Buch beantwortet, das jetzt in einer wissenschaftlichen Reihe der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt erschienen ist.Die elf Autoren haben sehr akribisch Daten zusammengetragen, die eine Sicht auf das Innenleben dieser Nahtstelle des Kalten Krieges zulassen. In zehn Aufsätzen geht es zum Beispiel um den Bau der Anlagen in Marienborn und Helmstedt, den Alltag der Kontrolleure in der Wohnsiedlung Wefensleben und um die militärische Bedeutung des Grenzpunktes in den Kriegsszenarien in Ost und West.
540 Passkontrolleure von der StaatssicherheitMit dem Neubau der GÜSt wuchs die Mitarbeiterzahl im Osten ab 1974 auf knapp über 1000 an. Unter den 604 hauptamtlichen Stasi-Angehörigen arbeiteten 1989 540 als Passkontrolleure. Hinzu kamen Zöllner, der Leitungsstab, Funktionsoffiziere, Kraftfahrer, Reinigungskräfte, Sekretärinnen. Im Idealfall sollten in 24 Stunden vier Dienstzüge zu je 116 Mann und eine Frauenschicht mit 80 Damen die Kontrolle absichern. Doch durch das hohe Verkehrsaufkommen herrschte ständiger Mitarbeitermangel. 14-Stunden-Schichten waren keine Seltenheit.
Um geeignetes Personal zu finden, wurden überdurchschnittliche 1200 DDR-Mark Gehalt und diverse Prämien und Zuschläge gezahlt. Im vier Kilometer entfernten Wefensleben wurden für die „GÜStlinge“ 16 Wohnblöcke mit 780 Wohneinheiten für bis zu 1800 Bewohner gebaut – 40 Prozent davon komfortable Vier-Raum-Wohnungen. Es gab eine Kaufhalle, eine Schule, Turnhalle, Arztpraxen, Apotheke und Geschäfte für Wurst- und Fleischwaren. Was es trotz alledem nicht gab, war eine „Insel der Glückseligen“.
Denn laut Stasi-Bericht von 1988 mangelte es an Handwerkern, zeitweise fehlte der Zahnarzt, und für die Ehefrauen gab es zu wenig Arbeitsplätze. Die Grenzer mussten ständig Überstunden schieben und waren selbst an den Wochenenden kaum bei ihren Familien. Sie arbeiteten bis zu 280 Stunden im Monat. Sie alterten schneller und wurden häufig krank.
Was nicht in diesem Bericht steht, aber von den Autoren zusammengetragen wurde, war eine ganz besonders perfide Form sozialer Zersetzung: Passkontrolleure gegen Zöllner. Die beiden Gruppen waren sich nicht freundlich gesonnen.Im Dienst standen die Passkontrolleure im Rang über den Zöllnern. So mussten alle sichergestellten Dinge wie unerlaubte Literatur oder Schallplatten sofort den Passkontrolleuren übergeben werden. Die Kontrolleure kontrollierten auch die Zöllner – und zwar rund um die Uhr.
So war in Wefensleben jeder Hauseingang bei den Zöllnern mit mindestens einer Passkontrolleur-Familie belegt, um Stimmungen einzufangen und gegebenenfalls Mitteilung zu machen, ob irgendwer Westfernsehen schaut. Ehemalige Zöllner berichten von regelmäßigen Kontrollgängen am späten Abend in den Treppenhäusern der Wohnblöcke.Weitere Details findet man hier:
http://www.volksstimme.de/sachsen-anhal ... n-zoellner