Zonengrenze / Wohin gehört Fehmarn?

Zonengrenze / Wohin gehört Fehmarn?

Beitragvon Werner Thal » 21. September 2016, 14:51

DER SPIEGEL 48 / 1956: ZONENGRENZE / GESCHICHTE

Wohin gehört Fehmarn?

Die 12 766 Einwohner der schleswig-holsteinischen Insel Fehmarn können der Liste jener
Männer, die sich Verdienste um ihr Eiland erworben haben, einen neuen Namen hinzufügen:
den des britischen Diplomaten Lord Strang. Ihm allein verdanken sie es, daß sie 1945 nicht
ein Teil der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands wurden, sondern unter die Oberhoheit
der britischen Militärregierung kamen.

Diese überraschende Tatsache wird in einem Buch mitgeteilt, das in diesen Tagen in England
erschienen ist. Es sind die Erinnerungen des britischen Diplomaten Sir William Strang, der
1953 den Dienst quittierte, nachdem er 34 Jahre im britischen Auswärtigen Dienst gestanden
hatte, und der seit 1954 Baron Strang ist. Lord Strang legte das Manuskript seiner Memoiren
vor dem Druck dem Foreign Office zur Begutachtung vor, und dieses Amt zeigte sich
"großzügig in der Einschätzung dessen, was das öffentliche Interesse oder Kommentar erlaubt".

In dem Buch ist freilich nicht nur zu lesen, wie die Insel Fehmarn der westlichen Welt erhalten
blieb. Lord Strang erläuterte auch, warum die westlichen Alliierten 1945 den Sowjets eine
deutsche Zone zugestanden, die 47 Prozent des Reichsgebiets von 1937 sowie 38 Prozent
seiner Bevölkerung umfaßt und damit entschieden größer ist als jede der westlichen Zonen.
Für den Sinn dieser Regelung konnten die Historiker bisher keine rechte Erklärung anbieten.

Strang war der britische Vertreter in jenem alliierten Komitee, das die Zonengrenzen durch
Deutschland zog. Er sagte jetzt freimütig, warum diese Linie für den Osten militärisch höchst
günstig wurde, nämlich so, daß sie an einer Stelle nur 150 Kilometer vom Rhein entfernt ist:
Die Westmächte glaubten, der Sowjet-Union ein besonders großes Stück deutschen Gebiets
anbieten zu müssen, weil sonst nach ihrer Auffassung Gefahr bestand, daß die Sowjet-
Armeen an den Grenzen Deutschlands haltmachten und den erschöpfenden Endkampf mit
der Wehrmacht den Engländern und den Amerikanern allein überlassen würden.

Strangs Buch beweist wieder einmal, mit welcher Sorglosigkeit die Westmächte während des
Krieges an das dachten, was danach kommen sollte. Winston Churchill, Englands Kriegspremier,
gestand schon in seinen Erinnerungen ein, daß er sich während des Krieges unter dem Druck
der militärischen Ereignisse lange Zeit überhaupt nicht um die Frage gekümmert hatte, wie
nach dem alliierten Siege die Besatzungszonen angegrenzt werden sollten.

England, Amerika und die Sowjet-Union hatten zwar gegen Ende 1943 beschlossen, die
"European Advisory Commission" (EAC) einzusetzen. Diese "Beratungskommission für Europa"
sollte sich mit den Problemen befassen, doch beichtet Churchill, daß die Pläne dieses
Gremiums wegen Zeitmangels lange überhaupt nicht vor das Kabinett kamen.

"Die Frage der russischen Besatzungszone in Deutschland", schrieb Churchill nicht ohne
nachträgliches Bedauern, "spielte ... bei unseren anglo-amerikanischen Diskussionen kaum eine
Rolle ... Eine russische Zone in Deutschland blieb eine akademische Vorstellung..."

Strang enthüllt nun, warum die "akademische Vorstellung" in der EAC jene praktische Gestalt
annahm, die heute für Politiker und Strategen des Westens ein Albtraum ist. Gemeinsam
mit dem damaligen amerikanischen Botschafter in London, John Winant - er beging später
Selbstmord -, und dem sowjetischen Botschafter Fjodor Gusew konferierte Strang auf 120
Sitzungen neunzehn Monate lang in London.

Strang bezeugt, daß alle Vereinbarungen der Kommission von den Regierungen glatt genehmigt
wurden. "Die Gesamtsumme unserer Leistungen, als Ganzes betrachtet, war eindrucksvoll,"
freut Strang sich noch heute. Mit dem Stolz des Berufsdiplomaten, der sich einem Politiker -
wie seinem Außenminister - überlegen fühlt, fügt er hinzu: "Was mehr ist: Die von der
Kommission getroffenen Vereinbarungen wurden anders als manche von denen, die von
erhabenen Konferenzen ausgearbeitet wurden, auch in die Tat umgesetzt."

Er räumt freilich ein, daß die Sowjets die Verhandlungen in der EAC verschleppten. Anfang 1945
etwa mußte die Kommission ihre Arbeiten neun Wochen ruhen lassen, weil Botschafter Gusew
keine Zeit zu einer Sitzung fand. Strang erkennt heute nachträglich, daß die Sowjets wohl
meinten, die Zeit arbeite für sie- "je mehr sie in Mitteleuropa vordrangen, desto mehr würde
sich ihre Position bei dem Handel verbessern."

...und hier kann man weiterlesen:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43064689.html

Strang wirft auch die Frage auf, warum keinerlei Abmachungen über den freien Zugang der
Westmächte nach Berlin durch die Sowjetzone getroffen wurden. Er entschuldigt sich:
"Weder die britische noch die amerikanische Delegation erhielt Instruktionen, diese Frage
während der Verhandlungen über Deutschland zu stellen."


W. T.
Wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten.
Russian Military out of Ukraine
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Re: Zonengrenze / Wohin gehört Fehmarn?

Beitragvon Interessierter » 21. September 2016, 18:49

Das sind ja interessante Details, wie sorglos und dilettantenhaft die Westmächte derartige Abmachungen trafen.
Interessierter
 

Re: Zonengrenze / Wohin gehört Fehmarn?

Beitragvon ratata » 21. September 2016, 19:47

Wer schon einmal auf Fehmarn war , der kennt bestimmt das Denkmal in der Mitte der Stadt . Dem Lord Strang hat man damals ein Denkmal gesetzt ,als Dank . sonst hätte die DDR eine Insel mehr gehabt.
Bei mir in der Galerie ist diese Denkmal ,wie bekomme ich es hier rein .ratata
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