Volker Zottmann hat geschrieben:Nun? Wer hat sich die DOKU angesehen?
Ich empfand sie als sehr sachlich. Ein minimaler Fehler ist aber dennoch aufgetreten. Zum Tatzeitpunkt war der Kompaniechf Piotrowski nicht vor Ort. Das ergeben die Stasiakten. Aber für die generelle Darstellung ist es unerheblich.
Eberhard Otto, alias @Oetten hat das Geschehen auch sehr genau geschildert, auch deren damaligen Befindlichkeiten. Gut auch, dass zum Schluss noch mal Uwe Fleischhauer, alias @Balu fragend zu Wort kam.
Erschreckend der Feldwebel, der 1984 den flüchtenden Sowjetsoldaten erschoss: "Er oder ich, Befehl hatte ich nicht!" mir fehlte wenigstens eine Gefühlsregung , wenn schon kein Wort des Bedauerns zu hören war.
Gruß Volker
Volker Zottmann hat geschrieben:Steffen, ich habe als 15-Jähriger einen Russen, meinen späteren Freund Boris kennengelernt und erfahren, wie mit ihm und anderen umgegangen wurde.... kannst Du jederzeit in Mein-DDR-Leben nachlesen, steht in Inhaltsverzeichnis unter Boris N.
Sicher kann auch ich die damalige Situation nicht beurteilen, zb, dessen Mimik, die in Bruchteilen von Sekunden zu deuten wäre.... Nun ist er tot, doch Bedauern für die Gesamtsituation soll mit 31 Jahren Zeitspanne nicht möglich sein? Ein armseliger Mensch, der das nicht fertig bringt.
Falsch ist auch, dass flüchtende Russen nichts zu verlieren hatten. Ganz im Gegenteil, die wussten, dass sie abgeschossen werden, gerade darum setzten ja viele alles auf eine Karte. Warum musste denn der Feldwebel hinterher krauchen?
Gruß Volker
AkkuGK1 hat geschrieben:Nachts kann man einen 15 jährigen, der vielleicht 170-175 groß ist, kaum von einem Erwachsenen unterscheiden. Allerdings ist die Handlung nicht zu rechtfertigen. Warnschuss abgeben und dann einfach voll drauf? Keine Verhältnismäßigkeit - aber von der Staatsmacht so provoziert und anerzogen.
Edelknabe hat geschrieben:Der Rainer gestern zu seiner Frau: "Da kommt gleich was im ZDF, das würde ich mir noch ansehen, dauert nur ne 3/4 Stunde, geh ich bissel später ins Bett.Kannst doch den Fernseher in deinem Schlafzimmer....."jetzt meine Frau...."was denn, was kommt denn da Rainer, doch nicht etwa dieser alte Grenzkram?"
"Bingo" war meine Antwort und sie trollte sich.
Das erste was mir so auffiel war das mit der Freiheit. Wie das so formuliert wurde. Ich glaube fast Alle in dieser DDR wollten damals in die Freiheit, natürlich Jugend voran.Ne war das schön, das große Gefängnis DDR und die Freiheit. Und die lag natürlich jenseits des Grenzzaun, ohne Frage, das muss so gewesen sein. Dabei wollten die Jungs einfach nur vor den Maulschellen oder eventuellen Schlägen ihrer Eltern türmen,die sie für ihre beschissenen Zensuren wohl bekommen hätten und nichts anderes war deren Grund, sich gen Harz in die Spur zu machen.
Dann die Darstellung der jungen Grenzer, ihre Gesichter, schon mal so brutal bei der Ballerei, wie man das schon vorher zeigte (wohl in so ner Filmsequenz)bevor die Jungs dann in deren Schussfeld kamen, Ich erinnerte mit des Fred hier, denn an dem Tag war Regenwetter,es war nebelig, es herrschte eine richtig beschissene Sicht und da im Film Sonnenschein,alles Klar,freie Sicht, die Jungs kommen so unbedarft angelatscht und beide Grenzer gleich Ratatatabumms.
Also ne Leute, "das war wohl was für den, der heute noch glaubt die Grenzer haben damals am liebsten Kinder erschossen". Dabei war doch der Heiko für sein Alter schon recht groß...steht das nicht hier im Fred, war also gar nicht eindeutig als Jugendlicher zu erkennen?
Rainer-Maria also ich höre erstmal auf,wir haben ja noch den ganzen Tag Zeit denn der Kaffee ruft.
Sag mal Steffen, warst du nicht ein simpler Fressalienkutscher damals du Hobbygrenzer, woher weißt du denn auf einmal, das damals gleich volle Magazine auf Wildschweine geballert worden sind? Zumal, wo jeder Schuss der versehentlich verballert wurde schon ne mächtige Wolke an Ärger nach sich zog?
Und einen guten Tag allen ins Forum
Dr. 213 hat geschrieben:Eine Frage an die Gedienten:
Lief man auf Stube öfter mal mit herunter hängenden Hosenträgern herum ?
Galt das als lässig oder war man dadurch irgendwie schneller beim Ankleiden wenn ein Alarm kam?
Gruß
Dr. 213
Ernest hat geschrieben:Dr. 213 hat geschrieben:Eine Frage an die Gedienten:
Lief man auf Stube öfter mal mit herunter hängenden Hosenträgern herum ?
Galt das als lässig oder war man dadurch irgendwie schneller beim Ankleiden wenn ein Alarm kam?
Gruß
Dr. 213
Hallo Dr. 123
Bei uns ist jeder so herumgelaufen, wie es für ihn am bequemsten war, halt auch mit hängenden Hosenträgern. Und das nicht nur innerhalb des Zimmers. Da hat sich bei uns keiner drum geschert.
Ich selbst hätte es zB. nicht machen können, da mein Hosenbund immer schön weit war und die Hose eigentlich nur durch die Hosenträger oben gehalten wurde. Mit hängenden Trägern wäre sie mir in den Kniekehlen gerutscht.
Aber wie gesagt, es ging weniger darum das es lässig war....nöööö, bequem mußte es sein.
Gruß Ernest
Edelknabe hat geschrieben:Siehe Nov. mit:
"Der Einsatz von so jungen Menschen ohne spezielle psychische Schulung an der brisantesten Trennlinie zweier verfeindeter Systeme und der enorme Druck des Regimes auf diese Grenzer mit allen Mitteln lässt sich nicht rechtfertigen. Das ist das eigentliche Verbrechen bei jeder Tötung an dieser Grenze.
Und die Vertuschungshandlungen von Partei, Stasi und Grenzkommando waren unmoralisch, kriminell und pietätlos. "
Textauszug ende
Da gehe ich voll mit, dies ist auch meine Meinung ohne hier gleich wieder poltern zu wollen siehe unseren Steffen.Ein paar kleine Sachen waren nicht so stimmig siehe der GSZ(Grenzsignalzaun) löste nicht durch bloßes berühren aus, da musste Stacheldraht auf Stacheldraht(durch zum Bsp. Draufsteigen) kommen um das das jeweilige Feld angezeigt wurde.Eigentlich hätten auch die Ochsen(Signalhörner) und Rot/Grüne Rundumleuchten soweit ich es in Erinnerung habe anzeigen müssen?
Auch war Stacheldraht mit verzinktem Draht an Keramikisolatoren(auf einer Flachstahleiste) verödelt, befestigt, der ließ sich nicht so einfach mal wegdrücken wie im Film gezeigt.
Im übrigen war um 1977 die volle Breite der Grenze so 5 Kilometer Sperrgebiet/Kontrollzone durch VP/Grenzhelfer, dann der 500 Meter Schutzstreifen zwischen GSZ und Zaun I bereits vorhanden, Zumindest im GK Nord war das so.
Rainer-Maria
Danny_1000 hat geschrieben:Ein paar Merkwürdigkeiten hat der Film, welcher uns in einer Kombination aus Dokumentation und Spielszenen serviert wird, schon: Dazu weiter unten mehr !
Der Film richtet sich ja wohl hauptsächlich an jüngere Zuschauer. So kann mann's im Presseportal des ZDF lesen. Die Autoren hätten schon deshalb viel deutlicher die Dramatik dieser Grenze als Trennlinie zweier hochgerüsteter Militärblöcke in den Fokus rücken können. Für die DDR Führung war das keine normale Landesgrenze. Diese Grenze galt als militärisches Sperrgebiet. Die DDR- Führung hatte vor nichts mehr Angst als wie vor einer gelungenen Flucht oder einem Toten an dieser Trennlinie. Das erklärt nämlich u.a. die Geheimniskrämerei und die unwürdigen Vertuschungsmethoden der staatlichen Organe der DDR gegenüber der Mutter des getöteten Jungen.
Warum hat man’s eigentlich nicht bei einer reinen Dokumentation mit Zeitzeugen belassen und zusätzliche, fiktive (also erfundene) Spielszenen eingebaut ?
Die Autoren gehen mit keinem Wort auf die juristische Aufarbeitung des Falles im Jahre 1996 durch die bundesdeutsche Justiz ein. Es wäre doch interessant gewesen zu erfahren, warum die beiden Grenzer durch einen westdeutschen Richter zu relativ geringen Strafen im Verhältnis zur Tat verurteilt wurden.
Mein Gesamturteil: Befriedigend aber dennoch ausgewogener als andere Dokus zu diesem Thema. Offensichtlich werden mit größerem zeitlichen Abstand trotz der Tragik solcher Fälle auch die historischen Bewertungen sachlicher. Das läßt ja für die Zukunft hoffen !
Danny
P.S. @steffen52-1,
könnt ihr nicht mal euren persönlichen Knatsch aus diesem Thread draußen lassen ! Nutze ganz einfach die PN- Funktion ! Nein, bitte keine Antwort darauf !
Edelknabe hat geschrieben:Mit dem Poltern Steffen hatte der Rainer sich selber gemeint, ich hatte es nur leider irgend wie nicht klar genug formuliert. Mal hin zu dem geflüchteten Sowjetsoldaten am Ende des Filmes. Da würden mich heute einmal die im Film gezeigten Zeitzeugen (der Busfahrer,die junge Frau als Fahrgast)interessieren, so wenn Sie denn noch leben.Ihre Schilderungen dazu. Denn der Soldat, damals 21 Jahre jung aus der GSSD Ditfurt wird unter Garantie nicht an der Bushaltestelle gestanden haben.
Rainer-Maria
Und einen guten Tag allen ins Forum
Wie Danny sinngemäß schrieb, solche Filme tragen in ihrer Form nicht zur Aufarbeitung bei, auch wenn da Zeitzeugen(Exgrenzer) zu Wort kamen. Denn Machern solcher Filme möchte ich nicht unbedingt was unterjubeln, so das Fehlen von Zusammenhängen(Was kam von was, durch was und wie?) aber das schrieb Danny auch schon.
Volker Zottmann hat geschrieben:Lies mal etwa ab Seite 45.
Hier das Manuskript Radiosendung: http://www.elpd-kreis-borken.de/Lange%20Schatten.mp3
Jago hat geschrieben:Volker Zottmann hat geschrieben:Lies mal etwa ab Seite 45.
Hier das Manuskript Radiosendung: http://www.elpd-kreis-borken.de/Lange%20Schatten.mp3
Ich habe den Film schon als sehr reell empfunden . Aber diese Radioduku hier ist noch viel lehrreicher , denke ich mal . Genau diese Vergatterung habe ich auch zur genüge gehört und bis heute liegt mir das noch im Magen . Bei uns 1970 hieß es vor jedem Grenzdienst zur Vergatterung " Grenzverletzer sind festzunehmen beziehungsweise zu vernichten " Das auf Kinder oder Jugendliche nicht geschossen werden durfte habe ich erst hier zur Kenntnis genommen . Aber es gab wie überall solche und solche . Ein Zugführer ( Oberfeld ) hatte ständig beim KS laufen geladene Pistole in der Jacke stecken und natürlich als normal auch MPi umhängen . Beschwerden beim KC waren erfolglos , aber jeder hatte halt Angst weil der auch nach Dienstvorschrift etwa 7 m hinter dir lief . Die Gefreiten waren aber alle froh wenn nichts statt fand . Jeder wollte nur eins , wieder sauber nach hause .
gruß Jago
Jago hat geschrieben:Volker Zottmann hat geschrieben:Lies mal etwa ab Seite 45.
Hier das Manuskript Radiosendung: http://www.elpd-kreis-borken.de/Lange%20Schatten.mp3
Ich habe den Film schon als sehr reell empfunden . Aber diese Radioduku hier ist noch viel lehrreicher , denke ich mal . Genau diese Vergatterung habe ich auch zur genüge gehört und bis heute liegt mir das noch im Magen . Bei uns 1970 hieß es vor jedem Grenzdienst zur Vergatterung " Grenzverletzer sind festzunehmen beziehungsweise zu vernichten " Das auf Kinder oder Jugendliche nicht geschossen werden durfte habe ich erst hier zur Kenntnis genommen . Aber es gab wie überall solche und solche . Ein Zugführer ( Oberfeld ) hatte ständig beim KS laufen geladene Pistole in der Jacke stecken und natürlich als normal auch MPi umhängen . Beschwerden beim KC waren erfolglos , aber jeder hatte halt Angst weil der auch nach Dienstvorschrift etwa 7 m hinter dir lief . Die Gefreiten waren aber alle froh wenn nichts statt fand . Jeder wollte nur eins , wieder sauber nach hause .
gruß Jago
Forschungsverbund SED-StaatDas DDR-GrenzregimeBiografien von TodesopfernRunge, Heiko
Heiko Runge
Gemeinsam mit seinem Schulfreund Uwe Fleischhauer versuchte Heiko Runge Anfang Dezember 1979 in der Nähe von Sorge, Kreis Wernigerode, in die Bundesrepublik zu flüchten. Nachdem die beiden 15-Jährigen beim Durchkriechen eines Grenzzaunes ein Signalgerät auslösten, wurden sie von Grenzposten verfolgt. Nach Anrufen stehen zu bleiben und einem Warnschuss fielen mehrere gezielte Schüsse, die Heiko Runge tödlich verletzten. Er starb noch an der Unglücksstelle.
Runge, Heiko
Bildquelle: Der Spiegel
geboren am 29. April 1964
erschossen am 8. Dezember 1979
Ort des Zwischenfalls: Sorge (Sachsen-Anhalt)
Die beiden Schulfreunde hatten sich schon des Öfteren darüber ausgetauscht, gemeinsam die DDR, ihre Heimat, ihre Elternhäuser zu verlassen. Uwe Fleischhauer wollte gerne nach Frankreich. Es war sein Wunschtraum, dieses Land kennenzulernen. Er hatte bereits zuvor einen Fluchtversuch unternommen, den er allerdings aufgeben musste, weil von der Zwischenstation in Nordhausen kein Zug mehr zur Grenze nach Benneckenstein fuhr. Am 7. Dezember 1979 steckten die beiden 15-Jährigen ihre Köpfe zusammen und schmiedeten einen Fluchtplan für den nächsten Tag. Diesmal sollten sie von nichts aufgehalten werden, sie bereiteten sich akribisch vor. In den frühen Morgenstunden des 8. Dezember 1979 ging Heiko Runge zu Uwe Fleischhauer. Gegen 7.00 Uhr fuhren sie mit einem Taxi zum Hauptbahnhof in Halle und stiegen in den Zug Richtung Harz. Uwe Fleischhauer kannte den dortigen Grenzverlauf einigermaßen von einem Familienausflug, der allerdings schon zwei Jahre zurück lag. Mehr als 100 Kilometer legten die beiden Freunde über Nordhausen bis nach Benneckenstein zurück. Zwischen Halle und Nordhausen erfolgte eine Ausweiskontrolle durch die Transportpolizei. Mit der Angabe, sie wollten Verwandte in Nordhausen besuchen, wurden sie nicht weiter behelligt und konnten ihre Fahrt fortsetzen. Gegen 9.45 Uhr kamen sie in Nordhausen an und warteten dort auf die Harzquerbahn. Eine Schmalspurbahn verbindet seit 1896 das thüringische Nordhausen und Wernigerode in Sachsen-Anhalt. Um 11.41 Uhr fuhr der Zug in Richtung Benneckenstein los, gegen 13.00 Uhr kamen sie dort an und machten sich sogleich zu Fuß, entlang der Bahnlinie, auf den Weg zur Grenze. Die beiden Jugendlichen hatten sich für ihr Vorhaben bestens ausgestattet: Sie hatten warme Sachen, mehrere Konserven und Besteck, ein Fahrtenmesser, Zigaretten und einen Erdbeerwein in ihren Rucksäcken. Außerdem trugen sie einen Reiseatlas, ein Radio und Bücher und Zeitungen bei sich.
Heiko Runge und Uwe Fleischhauer bewegten sich mit einem Kompass durch das Grenzgebiet bei Sorge. Die Temperatur lag bei zehn bis zwölf Grad, es war neblig und ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt. Unterwegs überquerten sie eine Straße, an der ein Schild mit der Aufschrift „Sperrzone“ stand. Dass vor dem Grenzzaun Minen verlegt waren wussten sie, am meisten Angst hatten sie jedoch vor den Grenzposten. Gegen 15.00 Uhr gelang es ihnen einen Signalzaun zu überwinden, indem sie die Drähte auseinanderbogen und hindurchstiegen. Allerdings bemerkten sie nicht, dass sie dabei Alarm ausgelöst hatten. Die Grenzkompanie setzte ihre Alarmgruppe in Marsch und postierte entlang des Kolonnenweges im Abstand von 150 Metern insgesamt sechs Postenpaare. Hinter einem Erdwall lauerten zwei Soldaten, die die beiden Schüler gegen 16.00 Uhr nahe der Buchenwaldschlucht entdeckten. Die beiden Freunde waren jetzt nur noch 100 Meter von der Grenze entfernt.
Sie ignorierten die Aufforderung stehen zu bleiben und die Hände zu heben und liefen weiter in Richtung Grenzzaun. Daraufhin lud einer der Posten bereits seine Waffe durch. Die beiden Flüchtenden rannten in gebückter Haltung in ein angrenzendes Waldgebiet. Nach einem ersten Warnschuss trennten sie sich im Wald. Nun schossen die Posten gezielt. Nach den ersten gezielten Schüssen und erneuten Rufen stehen zu bleiben, warf sich Uwe Fleischhauer flach auf den Erdboden. Heiko Runge kehrte um und rannte zurück in Richtung Hinterland. Als er ein schützendes Dickicht erreichte, wurde er bereits von einer Kugel im Rücken getroffen.
Die beiden Grenzposten hatten insgesamt 51 Schüsse Dauerfeuer aus ihren Maschinenpistolen abgefeuert. Die beiden Schüler lagen nun, nur wenige Meter entfernt vom Kolonnenweg auf dem Boden. Einer von ihnen, Heiko Runge, rührte sich nicht mehr. Ein herbeigeeilter Hauptmann der Grenztruppen stellte den Tod des 15-Jährigen fest. Als der 23-jährige Grenzer Claus M. das hörte, warf er entsetzt seine Waffe weg und brach in Tränen aus. Immer wieder stammelte er: „Warum sind die denn nicht stehengeblieben?“
In einem späteren Untersuchungsbericht der Grenztruppen hieß es, dass aufgrund der versuchten Flucht, den unberücksichtigten Anrufen und Warnschüssen und angesichts der Tarnungs- und Deckungsmöglichkeiten im Gelände sowie der sich verschlechternden Sichtverhältnisse „die gezielte Feuerführung richtig und zweckmäßig“ war. Zudem wäre es für die Grenzposten nicht möglich gewesen, das Alter der Flüchtenden zu bestimmen. Gleichwohl folgte die Feststellung „aus politisch-operativer Sicht“, dass „der versuchte Grenzdurchbruch und die Festnahme […] ohne gezielte Feuerführung zu verhindern gewesen wäre“. Die Schützen erhielten für ihre „hohe Wachsamkeit, Entschlusskraft und Konsequenz“ die „Medaille für vorbildlichen Grenzdienst“.
Der Bericht des Instituts für Gerichtliche Medizin in Magdeburg vom 9. Dezember 1979 diagnostizierte einen „Brustkorbdurchschuß mit ausgedehnter Lungenverletzung“. Am 10. Dezember 1979 gab Heiko Runges Mutter eine Vermisstenanzeige auf. Daraufhin wurde ihr ohne nähere Angaben erklärt, dass ihr Sohn bei einer Aktion in der Nähe eines russischen Sperrgebietes in Halle ums Leben gekommen sei. Sie war völlig fassungslos, begann zu weinen und konnte sich nicht beruhigen. Von einer Ärztin bekam sie ein Beruhigungsmittel verabreicht. Der Leichnam ihres Jungen wurde am 11. Dezember 1979 von Magdeburg nach Halle überführt. Wie üblich wurde der Sarg an vier Stellen verschraubt. Dieser Sarg jedoch, in dem ein an der Grenze erschossener 15-Jähriger lag, war mit sechs zusätzlichen Nägeln gesichert. Als die Fahrer des Leichentransportwagens ihre Personalien vorlegen mussten, wunderten sie sich, „was es denn mit der geheimnisvollen Leiche auf sich habe, wenn nicht einmal der Name bekanntgegeben worden ist“. Am 12. Dezember 1979 musste die Mutter ihren toten Sohn Heiko in der Gerichtsmedizin in Halle identifizieren. Erst 20 Jahre später, nach der Wiedervereinigung, sollte sie erfahren, dass ihr Sohn bei einem Fluchtversuch ums Leben kam.
Eine Standesbeamtin der Stadt Halle weigerte sich zunächst in den Totenschein als Sterbeort Halle-Neustadt einzutragen. Auf Veranlassung des Staatssicherheitsdienstes beurkundete das dortige Standesamt aber schließlich doch diesen Sterbeort. Heiko Runges Mutter und seine Schwester mussten sich gegenüber der Stasi verpflichten, nicht mit Dritten über das tragische Unglück zu sprechen. Das MfS hatte vorgesehen, die Mutter – möglichst von einem IM – betreuen zu lassen. Eine Todesanzeige durfte nicht erscheinen. Für die Mitschüler, Lehrer, Freunde und Bekannte gab die Staatssicherheit die lapidare Sprachregelung vor, Heiko Runge sei bei der Durchführung einer Straftat tödlich verunglückt. Auch mehrere Lehrer Heiko Runges mussten sich zum Schweigen verpflichten. Die Urnenbestattung erfolgte in aller Eile, den Kreis der Trauernden hielt die Stasi so klein wie möglich. Mitschüler Heiko Runges durften ihm nicht das letzte Geleit geben. Bis zum 18. Dezember 1979, dem Bestattungstermin, sollte die Auszahlung einer bestehenden Kinderunfallversicherung des 15-Jährigen in Höhe von 1 000,- Mark zur Deckung der Beerdigungskosten erfolgen.
Die Vernehmung des festgenommenen Freundes Uwe Fleischhauer erfolgte noch in der Unglücksnacht, danach lieferte man ihn in die Magdeburger Untersuchungshaftanstalt des Staatssicherheitsdienstes ein. Im späteren Gerichtsverfahren erhielt er eine Freiheitsstrafe von einem Jahr. Erst nach acht Monaten, als er freigelassen wurde, erfuhr er, dass sein Freund Heiko nicht mehr lebte.
Im Zuge der strafrechtlichen Ermittlungen in den 90er Jahren sagte einer der Schützen aus, er habe gewusst, dass der Schießbefehl rechtswidrig war, man könne nicht „einfach einen Menschen abknallen, der zur anderen Seite will“. Sein damaliges Handeln erklärte er damit, dass er aufgeregt war und nicht wollte, „daß die da jetzt durchkommen und [er] dann bestraft werde“. Sein Kompaniechef, Hauptmann Piotrowski, habe ihnen mehrfach eingeschärft, „der Warnschuß geht mindestens durch die Mütze!“ Die Staatsanwaltschaft wertete das Tötungsdelikt als Exzessfall und beantragte für den Postenführer Jürgen A., der den Schusswaffengebrauch befahl, eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten. Im Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 29. Mai 1996 hieß es, die Angeklagten haben „einen anderen Menschen getötet und damit seines Rechtsgutes ‚Leben‘ beraubt, welches das höchste überhaupt ist, weil Menschen ohne Leben als solche nicht existieren.“ Die Richter verhängten dafür eine Bewährungsstrafe von 14 Monaten für den Postenführer Jürgen A., der den Schießbefehl gab und für den zweiten Schützen Claus M. eine Haftstrafe von einem Jahr, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. (Recherche: jk, MS, StA, TP; Autorin: MP)
SkinnyTrucky hat geschrieben:Ja lebt denn der alte Lokführer noch....jaaaa, er lebt noch, er lebt noch....
Frohes Neues gewünscht in's Breisgau....
groetjes
Mara
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