Er wollte im Harz von West nach Ost-Durch Nahschuss getötet

Er wollte im Harz von West nach Ost-Durch Nahschuss getötet

Beitragvon Interessierter » 1. November 2020, 08:30

Hans Masuhr

Der Wolfsburger Hans Masuhr versuchte aus unbekannten Gründen die innerdeutsche Grenze im Harz von West nach Ost zu überwinden. Als er von DDR-Posten entdeckt wurde, widersetzte er sich der Festnahme. Er wurde daraufhin durch einen Nahschuss getötet.

Bild
Bildquelle: Wolfsburger Nachrichten

geboren am 14. März 1924 in Königsthal (Ostpreußen, heute Kruszwica, Polen)
erschossen am 22. Juni 1971
Ort des Zwischenfalls: Nähe Abbenrode (Sachsen-Anhalt)


Hans-Erich Masuhr wurde in Königsthal, Kreis Johannisburg, in Ostpreußen geboren. Über sein Leben ist wenig bekannt. Von 1953 bis 1969 arbeitete er im Volkswagenwerk und anschließend für ein knappes Jahr bei einer Straßen- und Tiefbaufirma in Wolfsburg-Vorsfelde. In diesem Vorort gehörte ihm auch ein Zweifamilienhaus, in dem er mit seiner Mutter lebte. Er war ledig und kinderlos. Am 20. Juni 1971 verließ er nach Angaben seines Schwagers ohne ersichtlichen Grund das Haus. Dabei habe er nur eine Aktentasche mit Toilettenzeug, Schlafanzug, Unterlagen über das Grundstück, Bargeld sowie seinen Personalausweis mitgenommen. Der Schwager hatte einige Tage zuvor mit ihm telefoniert. Dabei hinterließ Masuhr einen etwas verwirrten Eindruck. Auch seine Mutter sprach damals vom „eigenartigen Verhalten” ihres Sohnes. In der Nachbarschaft galt Masuhr als Einzelgänger und „Autonarr”. Möglicherweise belasteten ihn ein ungünstiger Immobilienkredit und der ein Jahr zuvor erfolgte Entzug des Führerscheins. Sein Verschwinden blieb aber für alle, die ihn kannten, unbegreiflich. Seiner Mutter soll er noch gesagt haben, er müsse mal für eine Weile weg, komme aber bald wieder.

Laut einer Tagesmeldung des Kommandos der Grenztruppen der NVA überquerte Masuhr am 22. Juni 1971 gegen 18 Uhr die innerdeutsche Grenze von West nach Ost im Kreis Wernigerode und wurde nach Überwindung der Zaun- und Minensperre ca. 3 250 Meter nordostwärts der Straße Lochtum/Abbenrode von einer DDR-Grenzstreife entdeckt und unter Abgabe eines Warnschusses festgenommen. Um die Durchsuchung Masuhrs der Beobachtung durch westdeutsche Grenzbeamte zu entziehen, führte man ihn zu einem „gedeckten Geländeabschnitt etwa 50 m südlich des Festnahmeortes”. Dort habe sich Masuhr zur Wehr gesetzt und den durchsuchenden Posten zu Boden gestoßen. Anschließend habe er auch den Postenführer angegriffen. „Dieser gab sofort einen gezielten Feuerstoß mit vier Schuß aus einer Entfernung von ca. 2 m ab und traf den Grenzverletzer tödlich”. Eine fast gleichlautende Mitteilung über den Todesfall lag am 23. Juni 1971 auch SED-Chef Erich Honecker vor.

In Masuhrs Heimatort hingegen wusste man nichts über sein Schicksal. Der Schwager hatte die Polizei damals auf Wunsch der Mutter nicht verständigt. Erst nach deren Tod erstattete er im Juni 1982 Vermisstenanzeige. Die polizeiliche Untersuchung verlief zunächst im Sande. Erst in den 1990er Jahren konnte das Schicksal Masuhrs geklärt werden. Kriminalpolizeiliche Ermittlungen ergaben, dass er zwei Tage nach seinem Tod, am 24. Juni 1971, im Magdeburger Institut für gerichtliche Medizin als „unbekannter, in Wernigerode am 22.6. tot aufgefundener ca. 55-jähriger Mann” untersucht wurde. Im Obduktionsprotokoll wurde festgestellt, der Tote habe bei einem Unfall eine „perforierende Brustkorbverletzung” erlitten. Der Befund musste dem ermittelnden Bezirksstaatsanwalt in Magdeburg übergeben werden. Am 1. Juli 1971 erfolgte im Krematorium Magdeburg die Einäscherung der Leiche. Die Urne wurde am 6. Juli auf dem Westfriedhof der Stadt bestattet – laut Totenschein als „unbekannter 50-jähriger Mann”.

Obwohl 1971 im Tagesrapport der Grenztruppen und in dem Bericht an Erich Honecker die Personalien des Erschossenen mit „Hans-Erich Masur, geb. 14.03.1924, wohnhaft: Vorsfelde, BRD” angegeben waren, erklärten der seinerzeit zuständige Kompaniechef, der Bataillonskommandeur und ein beteiligter Stasi-Offizier den Ermittlern in den 1990er Jahren, der Tote hätte keine Ausweispapiere bei sich gehabt, auch sei der Eintrag im Befehlsbuch, der den Vorfall unter „besondere Vorkommnisse” erwähnte, später entfernt worden. Der Kompaniechef vermutete damals, der erschossene „Grenzverletzer” sei wohl ein zurückgekehrter MfS-Agent gewesen. Einer der beiden am Vorfall beteiligten Grenzsoldaten sprach allerdings davon, dass der Tote eine kleine Ledertasche bei sich hatte, die unmittelbar nach dem Vorfall von einem herbeigeeilten Grenzaufklärer durchsucht wurde. Der genaue Ablauf des Geschehens und insbesondere der zentrale Widerspruch zwischen der Namensnennung in den Erstmeldungen und der späteren Behauptung, der Tote habe keine Papiere bei sich gehabt, konnten im Zuge der Ermittlungen nicht mehr geklärt werden. Es wurde lediglich nachgewiesen, dass die MfS-Bezirksverwaltung Magdeburg den Fall bearbeitet hatte. Vermutlich wollten die damals Verantwortlichen verhindern, dass der Todesfall im Westen bekannt wurde.

https://www.fu-berlin.de/sites/fsed/Das ... index.html

Aus 2 Meter Entfernung einen gezielten Feuerstoß mit 4 Schuss in den Brustkorb?! [denken]
Interessierter
 

Re: Er wollte im Harz von West nach Ost-Durch Nahschuss getötet

Beitragvon Volker Zottmann » 1. November 2020, 09:11

Traurig, traurig.
Und das Muster ist immer gleich. Wieder ein Toter und sofort beginnt die Vertuschung. Es bestätigt, dass sowohl die Grenzeinheiten als auch die Stasi wussten, dass ihr Handeln falsch, nicht gesetzeskonform ist.
Zeigt mir einen Fall, eine Fluchtgeschichte oder einen Todesfall bei der NVA, wo die Stasi nicht verklärend wirkte.
Für mich ein erneuter Beweis, dass die DDR ein Unrechtsstaat war.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Er wollte im Harz von West nach Ost-Durch Nahschuss getötet

Beitragvon Edelknabe » 1. November 2020, 10:51

Könnte man jetzt meinen, die damalige innerdeutsche Grenze, hier für den speziellen Fall irgendwie sinngemäß auch "das Wartezimmer vom westdeutschen Psychiater, nur das Patient zusätzlich dann noch das Personal angegriffen hatte."Und gut das man selber am Kanten damals nie in so eine Situation kam.Wie ruhig lebten wir Ende der 70er dort im Stab N., also nee ich sage es immer wieder, wenn dir das kleine Glück abhanden kommt....kam, das ist....war nicht gut.

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Re: Er wollte im Harz von West nach Ost-Durch Nahschuss getötet

Beitragvon Sperrbrecher » 1. November 2020, 15:25

Erinnere mich an den Fall des italienischen LKW-Fahrer Benito Corghi , der nach
dem Verlassen der GÜST Hirschberg bemerkte, dass er irgendwelche Papiere an
der Kontrollstelle vergessen hatte, sein Fahrzeug parkte, um die wenigen Meter zurückzulaufen und die Dokumente zu holen. Dabei wurde er von DDR-Grenzern
der SiK erschossen.

Unglücklicherweise handelte es sich auch noch um ein Mitglied der italienischen KP.

https://de.wikipedia.org/wiki/Benito_Corghi

https://www.fu-berlin.de/sites/fsed/Das ... index.html
Zuletzt geändert von Sperrbrecher am 1. November 2020, 15:54, insgesamt 2-mal geändert.
In der DDR wussten 90% der Bevölkerung, dass sie verarscht werden.
In der Bundesrepublik haben es 90% der Wähler immer noch nicht gemerkt.
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Re: Er wollte im Harz von West nach Ost-Durch Nahschuss getötet

Beitragvon Nostalgiker » 1. November 2020, 15:45

Dazu gab es einen sehr bösen Witz damals in der DDR.

Die DDR gewann bei den Olympischen Sommerspielen offiziell 40 Goldmedaillen, die 41. bekam sie für das schießen auf bewegliche Ziele.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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