Ein ehemaliger Grenzsoldat aus Salzwedel blickt für die Volksstimme auf seine Zeit an der Grenze zurück.
Salzwedel l Es ist nass und kalt. Ein paar Krähen krächzen durch den tristen Novemberhimmel, Menschen sind weit und breit nicht zu sehen. Der Himmel zeichnet ein trübes, ein beinah trauriges Bild über den Wiesen und Bäumen der westlichen Altmark. Der Atem malt kleine Wolken. Die Feuchtigkeit zieht Schritt für Schritt durch das Schuhwerk, als Walter A. (Name geändert) bei Klein Chüden, in der Nähe der Stadt Salzwedel, seinen ehemaligen Arbeitsplatz erklärt. Walter A. war aber weder Landwirt noch Jäger, Walter A. war Grenzer.
Seine Vergangenheit sieht man ihm nicht an. Ein 67-Jähriger mit Brille, blauer Jeans, schwarzer Winterjacke und braunen Lederschuhen. Mit seiner kleinen Rente wohnt er in einem Mehrgeschosser in der Hansestadt. Mietwohnung, Balkon und kleines Auto. Walter A. ist ein gewöhnlicher Rentner im Osten Deutschlands – seine Vergangenheit ist es nicht.
30 Schuss geladen
„Die Grenze ist unter allen Umständen zu sichern“, sagt Walter A., das war sein Auftrag als Unteroffizier der Nationalen Volksarmee, kurz NVA. „Wenn ich draußen war, war meine Waffe immer mit 30 Schuss unterladen und gesichert – weitere 30 Schuss waren Reserve“, sagt der Salzwedeler. Von 1970 bis 1973 „sicherte“ er die innerdeutsche Grenze in der Altmark gegen den „kapitalistischen Westen“. „Jede Kompanie hatte etwa zehn Kilometer zu sichern“, erzählt er. Zehn Kilometer, die sein Leben prägten. Zehn Kilometer, die für die einfache DDR-Bevölkerung eine verbotene Zone darstellten. Zehn Kilometer Todesstreifen, so hat es das DDR-Regime gewollt und umgesetzt.
Mit Köfferchen am Fuchsberg
Walter A. ist kein gebürtiger Salzwedeler. Vor 67 Jahren ist er in Weißewarte, einem Ortsteil von Tangerhütte, aufgewachsen. Für seine Ausbildung zum Modellbauer zog es den Altmärker nach Wernigerode. Nach bestandener Prüfung arbeitete der heutige Rentner noch in Weißwarte in einem Betrieb als Former, als das verheißungsvolle Angebot kam. Sogenannte „Werber sind auf mich zugekommen“, erinnert er sich. Dass er seinen Dienst für die Volksarmee machen musste, war ihm ohnehin klar. Nun kam das Angebot der Grenzer. „Ich fragte einen Freund, welche Arbeit auf mich zukommen wird“, sagt Walter A., der von diesem nur belächelt wurde. „Arbeit?“, fragt der Freund. „Nein, Arbeit ist das keine. Du gehst und schaust – das ist deine Arbeit“.
Für Walter A. war das seinerzeit ein verlockendes Angebot. So führte ihn sein Weg über das Wehrkreiskommando in Tangerhütte mit einem Sammeltransport auf dem Lkw nach Wittenberge und von dort mit dem Zug nach Salzwedel. „Ich bin mit einem kleinen Köfferchen am Fuchsberg angekommen“, erinnert er sich. Ab Mai 1970 gehörte Walter A. der NVA an. Im Oktober gleichen Jahres war seine Unteroffiziersausbildung abschlossen und er gehörte fortan zum Grenzregement 24, später nach Fritz Heckert benannt. Fritz Heckert war ein Mitbegründer des Spartakusbundes. Eine Vereinigung von marxistischen Sozialisten, die während des 1. Weltkriegs am Ziel einer internationalen Revolution des Proletariats festhielten, um Kapitalismus, Imperialismus und Militarismus weltweit zu stürzen. Das Grenzregiment 24 stationierte A. in der „Kompanie 5“, seinem Abschnitt an der altmärkischen Grenze.
Die ganze Geschichte erfährt man hier:
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