Vor-Ort-Termin im Todesstreifen

Vor-Ort-Termin im Todesstreifen

Beitragvon Interessierter » 14. August 2019, 13:50

Meine Grenze, deine Grenze

Kurz vor dem Tag der Deutschen Einheit traf BILD-Reporter Frank Selig einen Grenzhelfer (Ost) und einen Grenzpolizisten (West) dort, wo unser Land mehr als 40 Jahre geteilt war.

Darum half ich den DDR-Grenzern in der Sperrzone

Wolfgang Pätz ist 85 Jahre alt. Sein halbes Leben, sagt der ehemalige Biologielehrer, habe er in Angst verbracht. Pätz hat über 40 Jahre in der Sperrzone gewohnt. In jenem Fünf-Kilometer-Streifen, den man nur mit Passierschein betreten durfte. Grobau im sächsischen Vogtland, direkt am Saum des Eisernen Vorhangs. Stacheldraht vor der Nase, manchmal Schüsse in der Nacht.

1945 war seine Familie aus Plauen in das 120-Seelen-Dorf gezogen. „Wir waren ausgebombt, hatten hier Verwandtschaft.“ Ein Jahr später riegelte die Rote Armee Grobau ab. Der letzte Außenposten der Sowjetzone. Ein paar Hundert Meter weiter, in Bayern, saßen die Amerikaner. Unerreichbar für Wolfgang Pätz. „Für uns gab‘s ab da nur noch eine Himmelsrichtung: Osten.“

Und selbst in Grobau ging nichts ohne Papiere, Stempel und Sperrschilder. „Um hier zu leben, musste man sich wie ein Fuchs irgendwie durchschlängeln.“ Fotos aus der Zeit hat er fast keine. „Das war streng verboten.“

„Durchschlängeln“ bedeutete auch, dass man die DDR-Grenztruppen unterstützen musste, als sogenannter Grenzhelfer. Dazu gehörte auch, dass Pätz stets ein Kabel dabeihaben musste, an dem eine Art Telefonmuschel steckte. „Um Meldung zu machen, wenn man Grenzverletzer oder Republikflüchtige entdeckte.“

Überall im Ort gab es dafür Säulen, in die man dieses Mikro einfach einstöpseln konnte und sofort eine Direktverbindung zu den Grenzern hatte. „Wer das ablehnte, konnte jederzeit aus dem Dorf vertrieben werden“, sagt er. Oder gar in den Verdacht geraten, ein Fluchthelfer zu sein…

„Natürlich haben wir immer gehofft, niemals mit Republikflüchtigen in Kontakt zu kommen“, erzählt Pätz. Doch dann, er war gerade mit dem Hund draußen, liefen ihm tatsächlich zwei junge Männer in die Arme. „Ich fühlte mich nicht gut dabei, aber ich habe sie den Grenzern gemeldet“, sagt er. Später erfuhr er, dass ihn dies womöglich selbst gerettet hat. „Die beiden waren Stasi-Leute, die überprüfen wollten, ob ich Meldung machen würde…“

Aus dem Todesstreifen zogen wir den schwer Verletzten in den Westen

Wer es in den Westen geschafft hatte, landete zuerst bei Alfred Eiber (heute 80). Er war der Hüter des Eisernen Vorhangs auf der Westseite, als „Sachbearbeiter Grenze“ in Hof zuständig für 80 Kilometer deutsch-deutsches Elend zwischen Sachsen, Thüringen und Bayern. Seit 1955 beim Bundesgrenzschutz, später bei der bayerischen Grenzpolizei.

Auch er hat geschossen, und das fast täglich. „Allerdings mit der Kamera“, sagt Eiber. „Die Dokumentation des Aufbaus der Grenzanlagen war eine meiner Hauptaufgaben.“

Eibers Fotos zeigen, wie aus Stacheldrahtzäunen Mauern mit Sprengfallen und Selbstschussanlagen wurden, wie DDR-Grenzer oft den zehn Meter breiten Todesstreifen mit Unkrautvernichter besprühten, „damit dort kein Gras wachsen und man die Fußabdrücke der Republikflüchtigen besser sehen konnte.“

Alfred Eiber hat mit Dutzenden DDR-Flüchtlingen gesprochen. „Ich war sozusagen ihr erster Westkontakt“, erzählt er. Denn wer die Flucht in die Freiheit schaffte, wurde zu ihm geschafft. Fluchtgeschichten fürs Protokoll. Glückliche Menschen habe er getroffen, aber auch völlig verstörte, zitternde, zweifelnde – und schwerst verletzte.

Nie wird Alfred Eiber die Nacht des 26. August 1964 vergessen. „Ein ostdeutscher Lehrer, 45 Jahre alt, zerschnitt den Grenzzaun und lief mit seinem Sohn (12) und der Tochter (13) direkt durchs Minenfeld. Die Kinder kamen durch, doch der Vater trat ausgerechnet auf die letzte Mine. Die Explosion riss ihm das Bein ab. Noch auf dem Boden liegend zerschnitt er den letzten Stacheldrahtzaun, schickte seine Kinder weiter in den Westen.“

Ein Autofahrer habe die beiden dann aufgelesen und zur Grenzpolizei gebracht. „Dann fuhren unsere Leute mit einem Arzt zum Todesstreifen. Der Vater lag noch dort. Er hatte extra einen Ledergürtel dabeigehabt, mit dem er sich das Bein abgebunden hatte. Er rechnete wohl mit Verletzungen. Der Ledergürtel hat dem Mann schließlich das Leben gerettet. Wir zogen ihn die letzten Meter in den Westen. Obwohl wir dazu auf DDR-Gebiet mussten, griffen die DDR-Grenzer nicht ein.“

Bis heute weiß Eiber nicht, ob aus Gründen der Menschlichkeit. „Oder weil sie einfach hässliche Schlagzeilen vermeiden wollten…“

Als die Mauer fiel, ging Alfred Eiber in Rente. Doch die Grenze lässt ihn bis heute nicht los. Seine Fotos von damals hat er gerade in einem 315 Seiten dicken Buch veröffentlicht. Titel: „Hof, das Tor zur Freiheit“.

https://www.bild.de/regional/chemnitz/d ... .bild.html
Interessierter
 

Re: Vor-Ort-Termin im Todesstreifen

Beitragvon HPA » 15. August 2019, 16:07

Ich zitier mal aus einem anderen Forum die Zeilen eines ehemaligen NVA Offiziers (den ich zufällig aus seiner Zeit als SAZ 02 in der BW sogar persönlich kannte)

Bei meiner Geburt stand die Mauer schon ein Jahr und Vater schob als Stabsgefreiter seinen Dienst in Gutenfürst an dieser Grenze. Ich bin also aufgewachsen in diesem Land mit Zaun und die Grenze war so normal wie Schulmilch und blaues Halstuch und Zelturlaub. Hinter der Grenze lauerten die Bösen, alte Faschisten, Imperialisten, Song-My Massakristen, Drogendealer und Obdachlose, Revanchisten, Konterrevolutionäre, Nutten und Zuhälter. Vor denen beschützten uns die Soldaten der Arbeitermacht mit den Sowjetsoldaten samt ihrer Friedenstauben auf Schneeketten.
Das das alles ein wenig komplizierter war, bekam der Heranwachsende dann doch mit. Da erzählten welche was von der Grenze, bierselig im Gasthof. Dass die Sperren keineswegs feindwärts lagen, wie angenommen. Ich hörte von Minen und Hunden und auch von Republikflucht. Ein ganz besonders irres Wort. Flucht- wo vor denn??? Lehrer wollten das nicht beantworten, als Teenager hatte ich noch viel mehr Fragen. Gelernt, mit der Doppelzüngigkeit der Gesellschaft zu leben, Kritik zwischen den Zeilen zu verstecken. Du mußt Amboss oder Hammer sein. Lieber Hammer, hatte ich für mich entschieden. Die Klappe im rechten Moment halten und plappern, was erwartet wurde. Das nannte sich fester Klassenstandpunkt in den schulischen Beurteilungen. Später, schon in Uniform, immer öfter angeeckt mit der Parteidiziplin und doch tapfer bis zum Schluß durchgehalten. Heute lebt ein Sohn mit Familie und meinen Enkeln "im Westen". Und ab und an geht es mir durch den Kopf, was wäre, wenn "die Politik" auf die Idee käme, uns über Nacht durch einen 13. August zu trennen. Allein dieser Gedanke führt mir den ganzen Irrwitz dieser Abschottung vor Augen. Die Geschichte hat einen glücklicheren Verlauf genommen. Möge es friedlich bleiben.
Amen.
HPA
 

Re: Vor-Ort-Termin im Todesstreifen

Beitragvon Nostalgiker » 15. August 2019, 17:18

Da wird das Klischee des sehr einfachen Berufsoffiziers nahezu bestätigt.


Was den ursprünglichen Ausgangspunkt betrifft; man könnte es auch als Grusel-, Sensations- oder Katastrophentourismus bezeichnen.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: Vor-Ort-Termin im Todesstreifen

Beitragvon Kumpel » 15. August 2019, 20:48

Wenn ich nicht selbst so einen ehemaligen Berufsoffizier kennen würde hätte ich dir fast geglaubt.
Sehr einfach strukturiert ist der nicht, bloß indoktriniert war er eben.
Heute tätig in einem Unternehmen entscheidet er über den Einsatz von Millionen Euro.
Kumpel
 

Re: Vor-Ort-Termin im Todesstreifen

Beitragvon Nostalgiker » 15. August 2019, 21:26

Wie es scheint hast du die Ironie nicht verstanden.

Für einen "wahren" Zeitzeugen aus dem Forum sind die meisten Offiziere der NVA strunszdumm die nur durch das Abitur geschleift wurden weil sie die richtige Ideologische Einstellung hatten und für einen anderen Zeitzeugen waren Längerdienende fast Grenzdebil aber trotzdem absolvierten sie wundersamerweise den Stoff der 9. und 10 Klasse innerhalb von wenigen Wochen ......

Es wundert mich das du diesen "wahren2 Zeitzeugen nicht widersprochen hast.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

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Re: Vor-Ort-Termin im Todesstreifen

Beitragvon Volker Zottmann » 15. August 2019, 21:36

Nostalgiker hat geschrieben:Wie es scheint hast du die Ironie nicht verstanden.

Für einen "wahren" Zeitzeugen aus dem Forum sind die meisten Offiziere der NVA strunszdumm die nur durch das Abitur geschleift wurden weil sie die richtige Ideologische Einstellung hatten und für einen anderen Zeitzeugen waren Längerdienende fast Grenzdebil aber trotzdem absolvierten sie wundersamerweise den Stoff der 9. und 10 Klasse innerhalb von wenigen Wochen ......

Es wundert mich das du diesen "wahren2 Zeitzeugen nicht widersprochen hast.

Weil Gediente so etwas auch erlebt haben!
Ansonsten schreibst Du Unwahrheiten.
Ich habe stets auch Offiziere und Vorgesetzte benannt, die durchaus sehr intelligent und menschlich waren. So mein Zugführer Jentsch, dann der Kompaniepolitnik Unterfeldwebel Graul, der anschließend studierte, promovierte und das Gymnasium in Torgau leitete. Ich unterscheide sehr wohl.
Und die 9. und 10. Klasse holte offiziell unser strunsdummer Spieß (Namen lass ich weg) nach. Der hat die Zeit einfach abgesessen und ein Zeugnis bekommen. Befehl war Befehl!
Bitte lass Deine hetzenden Verdrehungen in jedem Thread. Wenn in der DDR was gut war, wurde es auch von mir benannt.

Volker
Volker Zottmann
 

Re: Vor-Ort-Termin im Todesstreifen

Beitragvon Kumpel » 16. August 2019, 07:42

Nostalgiker hat geschrieben:Für einen "wahren" Zeitzeugen aus dem Forum sind die meisten Offiziere der NVA strunszdumm die nur durch das Abitur geschleift wurden weil sie die richtige Ideologische Einstellung hatten und für einen anderen Zeitzeugen waren Längerdienende fast Grenzdebil ...............


Das habe ich in der von dir behaupteten Form hier noch nicht lesen können.
Kumpel
 

Re: Vor-Ort-Termin im Todesstreifen

Beitragvon Nostalgiker » 16. August 2019, 07:51

@kumpel, du mußt nicht alles lesen.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: Vor-Ort-Termin im Todesstreifen

Beitragvon Thunderhorse » 30. August 2019, 15:40

Interessierter hat geschrieben:Meine Grenze, deine Grenze

Kurz vor dem Tag der Deutschen Einheit traf BILD-Reporter Frank Selig einen Grenzhelfer (Ost) und einen Grenzpolizisten (West) dort, wo unser Land mehr als 40 Jahre geteilt war.


Aus dem Todesstreifen zogen wir den schwer Verletzten in den Westen

Wer es in den Westen geschafft hatte, landete zuerst bei Alfred Eiber (heute 80). Er war der Hüter des Eisernen Vorhangs auf der Westseite, als „Sachbearbeiter Grenze“ in Hof zuständig für 80 Kilometer deutsch-deutsches Elend zwischen Sachsen, Thüringen und Bayern. Seit 1955 beim Bundesgrenzschutz, später bei der bayerischen Grenzpolizei.

Auch er hat geschossen, und das fast täglich. „Allerdings mit der Kamera“, sagt Eiber. „Die Dokumentation des Aufbaus der Grenzanlagen war eine meiner Hauptaufgaben.“

Eibers Fotos zeigen, wie aus Stacheldrahtzäunen Mauern mit Sprengfallen und Selbstschussanlagen wurden, wie DDR-Grenzer oft den zehn Meter breiten Todesstreifen mit Unkrautvernichter besprühten, „damit dort kein Gras wachsen und man die Fußabdrücke der Republikflüchtigen besser sehen konnte.“

Alfred Eiber hat mit Dutzenden DDR-Flüchtlingen gesprochen. „Ich war sozusagen ihr erster Westkontakt“, erzählt er. Denn wer die Flucht in die Freiheit schaffte, wurde zu ihm geschafft. Fluchtgeschichten fürs Protokoll. Glückliche Menschen habe er getroffen, aber auch völlig verstörte, zitternde, zweifelnde – und schwerst verletzte.

Nie wird Alfred Eiber die Nacht des 26. August 1964 vergessen. „Ein ostdeutscher Lehrer, 45 Jahre alt, zerschnitt den Grenzzaun und lief mit seinem Sohn (12) und der Tochter (13) direkt durchs Minenfeld. Die Kinder kamen durch, doch der Vater trat ausgerechnet auf die letzte Mine. Die Explosion riss ihm das Bein ab. Noch auf dem Boden liegend zerschnitt er den letzten Stacheldrahtzaun, schickte seine Kinder weiter in den Westen.“

Ein Autofahrer habe die beiden dann aufgelesen und zur Grenzpolizei gebracht. „Dann fuhren unsere Leute mit einem Arzt zum Todesstreifen. Der Vater lag noch dort. Er hatte extra einen Ledergürtel dabeigehabt, mit dem er sich das Bein abgebunden hatte. Er rechnete wohl mit Verletzungen. Der Ledergürtel hat dem Mann schließlich das Leben gerettet. Wir zogen ihn die letzten Meter in den Westen. Obwohl wir dazu auf DDR-Gebiet mussten, griffen die DDR-Grenzer nicht ein.“

Bis heute weiß Eiber nicht, ob aus Gründen der Menschlichkeit. „Oder weil sie einfach hässliche Schlagzeilen vermeiden wollten…“

Als die Mauer fiel, ging Alfred Eiber in Rente. Doch die Grenze lässt ihn bis heute nicht los. Seine Fotos von damals hat er gerade in einem 315 Seiten dicken Buch veröffentlicht. Titel: „Hof, das Tor zur Freiheit“.

https://www.bild.de/regional/chemnitz/d ... .bild.html



Seltsam, dass in den damals gefertigten Berichten steht, dass der Vater sich selbst auf Bundesgebiet geschleppt hat!
Seitens der Grenzertruppe wurden damals Warnschüsse abgegeben und der Flüchtling aufgefordert, sich ruhig zu verhalten, sonst würde auf ihn geschossen.
Letzteres unterblieb wohl aus dem Grund, dass sich auf westlicher Seite Personen inzwischen befanden.
Grenzübertritt geschah gegen 21:30 Uhr.
In etwa hier: 50°24'12.17"N 11°35'33.47"E
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