von Werner Thal » 25. Juni 2019, 15:01
Am Grenzübergangsstelle - Schlutup:
HICKHACK UM EIN HAUS
"Die Grenze ist Vergangenheit. Aber nicht vergessen. Ein Ort zum Innehalten und Nachdenken
ist das Grenzdokumentationszentrum Lübeck-Schlutup e.V.. Unterbracht in einem ehemaligen
weißen Zollflachbau an der Mecklenburger Straße. Hier erfährt man, wie es war - mit der Grenze,
mit den Grenzern. Das Publikum ist gemischt. Schulklassen interessieren sich besonders für die
originalen NVA-Uniformen oder die kleinen Wachturm-Modelle. Andere Besucher wiederum vertiefen
sich in die erhaltenen Dokumente und Fotos vom nördlichsten Grenzübergang zwischen der DDR und
der Bundesrepublik. Ebenso lohnt sich ein Besuch im "Grenzhus Schlagsdorf" (bei Ratzeburg) oder
imMuseum der Bundespolizeiakademie in Lübeck.
Es gibt natürlich auch Grenzgeschichten die einfach kurios sind. Zum Beispiel die vom sogenannten
"weißen Haus". 1907 wird es in Lübeck-Schlutup gebaut und weitet sich nach und nach zu einem
Politikum aus. Denn das Haus steht direkt auf der Landesgrenze zu Mecklenburg. Streit ist da
vorprogrammiert. Nach dem II. Weltkrieg ziehen die Briten dort eon und nutzen es als Wachhaus,
obwohl es offiziell zur mecklenburgischen Gemeinde Lauen gehört. Die Russen tolerieren es.
1947 beziehen Lübecker Polizeibeamte Wache im Gebäude.
Arthur Bremst ist einer von ihnen, sein Großvater hatte das Domizil ein gebaut. Ender der Geschichte?
Noch lange nicht. In den Fünfzigern ist das Haus auch "Zeuge" eines regen (inoffiziellen)
Ost-West-Verkehrs. Polizisten aus Lübeck schwingen sich aufs Fahrrad und fahren bis zu der nahe-
gelegenen Schnapsfabrik, um einige Flaschen Hochprozentigen für die nächste Feier zu besorgen.
Und Ost-Polizisten werden in Zivil gesichtet, wie sie Bücklinge in Schlutup kaufen. Man kultiviert den
"kleinen Grenzverkehr" als regen Warentausch.
Doch mit dem Mauerbau 1961 (in Berlin-W.T.) rückt auch das Anwesen auf der Landesgrenze zu
Mecklenburg wieder ins Blickfeld der Politiker. Sie hatten die rechtliche Situation um das Gebäude
in der Mecklenburger Straße völlig vergessen. Nur das Schild in der Nähe der Haustür "Halt! Hier Grenze"
weist auf die Realität hin. Aber es gibt keinen Grundbucheintrag in Lübeck, und die zuständigen
Kataster- und Steuerämter in der DDR fühlen sich ebenfalls nicht zuständig. Für Alteigentümer
Arthur Bremst eine verrückte Situation. Ist er nun DDR-Bürger, weil sein Haus auf der Grenze steht?
"Ich wohne in Mecklenburg, aber nicht in der DDR", sagt er damals trotzig. Wegen der ungeklärten Lage
renoviert seine Familie die Fassade über Jahrzehnte nicht. Die Angst überwiegt, dass das Haus wieder
an die DDR zurückfallen könnte. Erst die deutsch-deutsche Grenzkommission schafft Klarheit.
Sie stellt 1975 fest, dass das Haus zur Bundesrepublik Deutschland gehört. Aber renoviert kann immer
noch nicht, weil die Behörden in Lübeck amtlich feststellen, dass das Gebäude auf dem Papier gar nicht
existiert, Erst 1982 erfolgt ein Grundbucheintrag. Das Hus erhält endlich eine weiße Fassade und hat so
seinen Spitznamen weg - das "weiße Haus" in Lübeck-Schlutup."
Aus "Zwischen Stacheldraht und Strandkorb - DDR-Alltag An Der Lübecker Bucht"
P.S. Anmerkung: Der Grenzübergang Schlutup/Selmsdorf war von 1952 bis 29. Februar 1960 geschlossen
worden. In diese Zeit mußte der Übergang Lauenburg/Horst benutzt werden
W. T.
Wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten.
Russian Military out of Ukraine
русские идут домой