Frau durch Warnschuss getötet

Frau durch Warnschuss getötet

Beitragvon Interessierter » 13. Januar 2021, 10:35

Elsa Grunert

Geboren am 29. Juni 1891 in Leipzig | gestorben am 19. März 1951 an den Folgen einer Schussverletzung vom 17. März 1951 | Ort des Vorfalls: am Gipsberg bei Ellrich (Thüringen)

Gemeinsam mit anderen DDR-Bürgern erledigte Elsa Grunert in Niedersachsen Besorgungen. In der Nacht machte sich die Gruppe auf den Rückweg in die DDR. Ein in der Dunkelheit abgefeuerter Warnschuss traf Elsa Grunert in den Kopf. Sie erlag zwei Tage später im Krankenhaus ihren Verletzungen.


Elsa Grunert stammte aus Leipzig und lebte später mit ihrem Mann in der kleinen Stadt Kelbra am Fuße des Kyffhäusergebirges. Da ihr Ehemann an Tuberkulose erkrankt war, musste sie des Öfteren die Grenze zur Bundesrepublik überschreiten, um dort für ihn Medikamente zu kaufen. In der Nacht vom 16. auf den 17. März 1951 wollte sie aus dem niedersächsischen Northeim in die DDR zurückkehren. Auf dem Bahnhof Walkenried traf sie mit weiteren Grenzgängern aus dem Raum Eisleben, Nordhausen und Sangerhausen zusammen. Viele von ihnen hatten in der Bundesrepublik für die anstehenden Konfirmationsfeiern Geschenke eingekauft oder Familienangehörige abgeholt.

Es waren etwa 15 bis 20 Personen, die in dieser Nacht die Absicht hatten, von Walkenried aus über die grüne Grenze ins thüringische Ellrich zu gelangen. Die Entfernung zwischen den beiden Nachbarorten beträgt gut vier Kilometer, doch mussten Schleichwege genommen werden, um der Festnahme durch die Grenzpolizei der DDR zu entgehen. Hierfür verließ man sich auf einen Grenzführer, der das Gelände gut kannte. Wurden solche Schleichwege bekannt, bezeichnete die Grenzpolizei sie als „besondere Schwerpunkte“ und kontrollierte sie bei Streifengängen eingehend.

Um 2.45 Uhr brach die Gruppe mit ihrem Grenzführer auf. Dieser wählte eine Route südlich von Walkenried, die durch ein bewaldetes Gebiet an einem Gipsberg entlang nach Ellrich führte. Elsa Grunert traf in Walkenried ihre Bekannte Elli E. aus einem Nachbarort, die Schokolade und Apfelsinen eingekauft hatte. Ineinander eingehakt gingen sie die schmalen Trampelpfade entlang, auf denen man in der Dunkelheit kaum etwas erkennen konnte. Der Himmel war verhangen, zudem fiel ein leichter Sprühregen. Als die Gruppe sich bereits 300 Meter auf DDR-Gebiet befand, hörte man plötzlich einen Grenzposten „Halt! Stehenbleiben!“ rufen. Eine Taschenlampe blitzte auf, dann fiel ein Schuss. Getroffen sackte Elsa Grunert zusammen. Sie verlor sofort das Bewusstsein, die Kugel hatte ihren Kopf durchschlagen.

Die Grenzpolizisten Wachtmeister Gerhard M. und Oberwachtmeister Helmar H. hatten auf ihrem Streifengang die Fußpfade am Gipsberg aufgesucht und sich in einer Höhle untergestellt. Gegen 3.50 Uhr konnten sie so ein Paar, das die Grenze vom Westen her passiert hatte, überraschen und festnehmen. Kurz darauf vernahm Oberwachtmeister H. erneut Geräusche. Während Gerhard M. die Festgenommenen bewachte, verbarg sich H. hinter Nadelbäumen, um die nachkommenden Grenzgänger zu stellen. Als ihm die Schrittgeräusche nahe genug erschienen und er seine Taschenlampe aufblitzen ließ, sah er jedoch, dass ein Mann sofort ins Unterholz sprang und zu entkommen versuchte. Da der Flüchtende auch nach einem Warnschuss in die Luft nicht stehenblieb, lud H. seinen Karabiner erneut durch und feuerte gezielt in die Richtung des Mannes. Dann erst vernahm er Frauenstimmen aus der Dunkelheit, die ihm zuriefen, jemand sei getroffen worden.

Elli E. schilderte später in ihrer Vernehmung, an der Spitze der Gruppe sei der ortskundige Grenzführer gelaufen, Elsa Grunert und sie selbst seien in der Mitte des Trupps gegangen. „Ohne vorher etwas gesehen zu haben, hörte ich plötzlich, wie vermutlich ein Grenzposten rief: ‚Halt! Stehenbleiben!‘. Zugleich blitzte eine Taschenlampe auf und danach fiel ein Schuß. Im selben Augenblick fiel Frau Grunert, die sich bei mir eingehakt hatte, zu Boden. Ich war zuerst der Ansicht, dass Frau Grunert infolge eines Schreckens einen Herzanfall bekomme hatte.“ Nach etwa einer Minute sei ein zweiter Schuss gefallen, der dem flüchtenden Grenzführer galt.

Helmar H. hielt für den Warnschuss die Mündung seines Karabiners nach oben. Er rechnete offenbar nicht damit, dass in dem nach Westen hin aufsteigenden Gelände noch weitere Grenzgänger unterwegs waren. Als er bei den Frauen, die sich um Elsa Grunert kümmerten, ankam, stellte er im Licht der Taschenlampe fest, dass er eine von ihnen mit seinem Warnschuss schwer verletzt hatte. Sofort wurde aus Ellrich ein Arzt herbeigerufen. Dieser lieferte Frau Grunert um 5.45 Uhr in das Ilfelder Stadtkrankenhaus ein. Doch die Kopfverletzung war so gravierend, dass ihr nicht mehr geholfen werden konnte. Sie starb zwei Tage später am 19. März 1951 morgens um 3 Uhr.

Nach der Tat untersuchte die Mordkommission der Volkspolizei-Landesbehörde den Vorfall. Sie kam am 21. März 1951 zu dem Schluss, dass Helmut H. nicht fahrlässig gehandelt habe, sondern der Tod Elsa Grunerts einem „unglücklichen Zufall“ geschuldet war. Am 21. Februar 1995 stellte auch die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin das Ermittlungsverfahren gegen Helmut H. ein, da er entsprechend der damaligen Schusswaffenbestimmungen der Grenzpolizei gehandelt habe.

https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/ ... a-grunert/

Auffallend oft wurden Menschen durch " angebliche Warnschüsse " getötet. Und wurde nicht ebenso vorschnell auf Menschen geschossen, die sich freundwärts bewegten und sich teilweise schon mehrere hundert Meter auf DDR - Gebiet befanden?

Den Grenzwächtern müsste doch bekannt gewesen sein, dass ihre Bürger in grenznahen Ortschaften im Westen sich überwiegend nur Dinge besorgten, die man in der DDR nicht bekommen konnte. So auch Frau Grunert, die Medikamente für ihren an Tbc erkrankten Mann Medikamente holen musste.

Ein Staat hat mMn kein Recht seine Bürger gleich zu erschießen, nur weil sie sich Dinge besorgten, welche diese SED - Diktatur nicht in der Lage war, ihren Bürgern zur Verfügung zu stellen. Das schon gar nicht, wenn es um lebensnotwendige Medikamente ging. Es gab doch in jedem Kaff Denunzianten, die ihre Mitbürger den SED - Schergen verraten hätten. Eigene Bürger, die sich überwiegend nur Dinge für den persönlichen Bedarf im Westen besorgten und sich freundwärts schon auf DDR - Gebiet bewegten, deswegen zu erschießen, belegt überdeutlich wie wenig den Genossen ein Menschenleben wert war.

Es hätte genügend andere Ermittlungsmöglichkeiten in den grenznahen Wohnorten gegeben.
Interessierter
 

Re: Frau durch Warnschuss getötet

Beitragvon Olaf Sch. » 13. Januar 2021, 12:34

Natürlich hat kein Staat das Recht. Sieh allerdings mal das in einem stalinistisch faschistisch geprägten Zeitrahmen.
Olaf Sch.
 

Re: Frau durch Warnschuss getötet

Beitragvon Volker Zottmann » 13. Januar 2021, 13:44

AkkuGK1 hat geschrieben:Natürlich hat kein Staat das Recht. Sieh allerdings mal das in einem stalinistisch faschistisch geprägten Zeitrahmen.

Zudem hat die damals im Aufbau befindliche Grenzpolizei/Volkspolizei junge Männer rekrutiert, die oft nach dem Krieg gerade aus Gefangenschaft kamen. Statt endlich in einen zivielen Beruf zu wechseln, lag vielen weiter die Kommandostruktur. Einigen genügten dann, die simplen Befehle die Grenze "zu schützen". Oft in blindem Eifer, noch wissend, wie der Zeigefinger gekrümmt wird. Was ist schon ein Leben für eine feste Anstellung.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 


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