Schon wieder-Freundwärts fahrend vom Rad geschossen

Schon wieder-Freundwärts fahrend vom Rad geschossen

Beitragvon Interessierter » 12. August 2020, 08:52

Erich Bartsch

Mit dem Rad fuhr Erich Bartsch von Niedersachsen über die innerdeutsche Grenze. Er wollte zurück in die Altmark. Ein Grenzpolizist entdeckte ihn und schoss nach unbeachteten Haltrufen und Warnschüssen gezielt auf den Radfahrer.

geboren am 25. September 1902 in Rohrberg
erschossen am 6. August 1950
Ort des Zwischenfalls: Seebenau (Sachsen-Anhalt)


Joachim Ernst Erich Bartsch kam als Sohn von Emma Helena Bartsch und dem Zuckermeister August Bartsch in Rohrberg, einer kleinen Gemeinde im Altmarkkreis Salzwedel, in Sachsen-Anhalt, zur Welt. Die Familie gehörte der evangelischen Glaubensgemeinschaft an. Erich Bartsch folgte seinem Vater und erlernte ebenfalls den Beruf des Bäckers.

In den frühen Abendstunden des 6. August 1950 fuhr Erich Bartsch mit dem Fahrrad von West nach Ost über die innerdeutsche Grenze. An diesem Sonntag war es gegen 19 Uhr noch sommerlich warm. Bartsch befand sich auf dem Rückweg aus Niedersachsen und wollte zurück in die Altmark. In der Nähe des Grenzkommandos Seebenau entdeckte ein Grenzpolizist den Radfahrer und gab Warnschüsse ab. Erich Bartsch, für den die Grenzpassage zu dieser Zeit vermutlich nichts Ungewöhnliches war, winkte nur ab und nahm weder die Aufforderung anzuhalten noch die Warnschüsse ernst. Nun zielte der Grenzpolizist direkt auf den Radfahrer. Der Schuss verletzte Erich Bartsch schwer, er verblutete noch am Ort des Geschehens.

https://www.fu-berlin.de/sites/fsed/Das ... index.html

Das muss man sich einmal verinnerlichen. Da radelt jemand von West nach Ost über die Grenze und wird einfach abgeknallt wie ein Hase, obwohl er gar nicht fliehen will. In der damaligen Zeit waren derartige Grenzgängereien wohl nicht ungewöhnlich. Daher auch die Handbewegung des Getöteten. Da das auch dem Grenzpolizisten bekannt gewesen sein dürfte, gab es mMn keinen Grund den Menschen gezielt zu töten.
Interessierter
 

Re: Schon wieder-Freundwärts fahrend vom Rad geschossen

Beitragvon Volker Zottmann » 12. August 2020, 09:12

Nach dem, was ich zu dieser Zeit aus dem Harz hörte, war es trotz Demarkationslinie fast normal, dass zumindest alle Ortskundigen die Seiten nach Belieben wechselten. Waren ja ganz normal mit allen Nachbarorten verbandelt. Als erste Stacheldrähte gespannt wurden, waren immer noch die normalen Feldwege und Straßen relativ offen, nur mit simplen Schlagbaum versehen. Meist noch alles unbesetzt.
Im Laufe der Zeit wurden die Kontrollen mehr und es begann das "Hasenschießen". Eliche Grenzpolizisten waren ja gerade aus dem Krieg zurückgekehrt und die fanden es sicher normal, gleich gezielt draufzuhalten.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Schon wieder-Freundwärts fahrend vom Rad geschossen

Beitragvon augenzeuge » 12. August 2020, 15:23

Interessierter hat geschrieben:Ort des Zwischenfalls: Seebenau (Sachsen-Anhalt)[/i]



Sachsen Anhalt ist durchschnittlich oft vertreten. Zufall? Oder waren dort die Rücksichtslosesten..... [denken]
AZ
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Re: Schon wieder-Freundwärts fahrend vom Rad geschossen

Beitragvon Volker Zottmann » 12. August 2020, 19:57

Nach allem was ich bisher las, sind die Abschnitte der Grenze südlich Salzwedel bis Ellrich im Südharz, die blutigsten gewesen.
Besonders um Vinenburg bis Hötensleben und dann von Elend bis Hohegeiß....
Vielleicht aber ist darüber auch nur mehr dokumentiert, mehr berichtet worden?

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Schon wieder-Freundwärts fahrend vom Rad geschossen

Beitragvon Kumpel » 13. August 2020, 06:47

Ich denke das lag eher an der Erreichbarkeit der Grenze aus dem Hinterland und den Ballungsgebieten der DDR.
Kumpel
 

Re: Schon wieder-Freundwärts fahrend vom Rad geschossen

Beitragvon Interessierter » 13. August 2020, 18:21

augenzeuge » 12. Aug 2020, 16:23

Interessierter hat geschrieben:
Ort des Zwischenfalls: Seebenau (Sachsen-Anhalt)[/i]



Sachsen Anhalt ist durchschnittlich oft vertreten. Zufall? Oder waren dort die Rücksichtslosesten..... [denken]
AZ


Das ist kein Zufall. Details aus einem Buch über die Grenze in diesen Abschnitten lesend, veranlassten mich einfach einmal bei Google zu recherchieren. Dort entdeckte ich dann leider diese riesige Anzahl von an der dortigen Grenze getöteten Männern und Frauen. Einfach erschreckend.

Schon in den Anfangsjahren, wo dieser bekannte und teilweise " geduldete " illegale Grenzverkehr stattfand, wurden Menschen sehr oft einfach wie Hasen abgeknallt. Da war die Formulierung von Lothar Löwe schon treffend.

Jedenfalls ist auch bei mir - genau wie bei Volker - der Eindruck entstanden, dass es an der Grenze in Sachsen - Anhalt besonders blutig und grausam zuging.
Interessierter
 

Re: Schon wieder-Freundwärts fahrend vom Rad geschossen

Beitragvon Ari@D187 » 13. August 2020, 18:58

In dem nachfolgend verlinkten Dokument wird speziell auf die Todesopfer im Bereich Sachsen-Anhalt/Niedersachsen eingegangen:

Die Tabelle 1 benennt Todesopfer auf dem Gebiet der heutigen Ländergrenze Sachsen-Anhalt/Niedersachsen. Im Zeitraum von 1949 bis 1952 handelte es sich überwie-gend um Arbeitspendler, Geschäftsreisende bzw. Reisende, die Privateinkäufe erledigen oder Verwandte besuchen wollten und dazu von beiden Seiten aus die Demarkations-linie überschritten. Laut den historischen Polizeiberichten versuchten die Grenzgänger ihrer Festnahme zu entgehen, indem sie die Weisungen der Grenzpolizisten ignorierten, sich versteckten oder durch Flucht zu entkommen suchten. Vereinzelt reagierten die Festgenommenen den Grenz-polizisten gegenüber mit Handgreiflichkeiten.
[...]
Die Grenzpolizisten konnten sich beispielsweise auf die „Instruktion für die Grenzpolizeiorgane zum Schutz der Grenze und der Demarkationslinie der SBZ Deutschlands“ vom August 1948 berufen. Demnach sollten sie von der Schusswaffe „bei Flucht des Grenzverletzers“ Gebrauch machen, wenn alle anderen Möglichkeiten der Festnahme (Haltruf, Warnschuss) erschöpft sind“.

-> Link

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