„Omi, weine nicht, wir fahren in den Urlaub“

„Omi, weine nicht, wir fahren in den Urlaub“

Beitragvon Interessierter » 16. November 2019, 09:41

Eine wirkliche Wiedervereinigung erlebte unsere Leserin mel81 durch den Mauerfall:

Ich war noch sehr jung (acht Jahre alt), aber ich kann mich an die Mauerfall-Zeit sehr gut erinnern. Wir sind kurz vor dem Mauerfall in den Westen geflüchtet. Ich war ahnungslos, es hieß nur, wir fahren in den Urlaub. Ganz früh am Morgen müssten wir aufstehen, und mit großer Freude sah ich, dass meine Oma (meine Oma ist wie eine zweite Mama für mich) da war, und ich dachte, sie kommt mit uns in den Urlaub, aber nein. Sie weinte. Ich sagte weinend zu ihr: Omi, weine nicht, wir fahren in den Urlaub und sind bald wieder zurück – worauf sie noch mehr weinte.

Ich verstand das alles nicht, und in mir waren so viele Gefühle, der Abschied von Oma, die Freude auf Urlaub, und dann wurde alles anders. Es war komisch, wir Kinder sollten ruhig sein, unsere Fragen wurden nicht beantwortet, es war eine große Anspannung zu spüren. Dann waren viele Menschen dort, man verspürte Angst. Uns wurde gesagt: Schön zusammen bleiben – und wenn ihr einen großen Zaun oder eine Mauer seht, dann müssen wir da rüber.

Irgendwann waren wir mit vielen anderen Menschen in der Prager Botschaft, und ich war müde von den ganzen Eindrücken und Gefühlen. Dann erfuhr ich, dass wir nach Westberlin gehen und es kein Zurück mehr gibt, dass wir das alte Zuhause nicht mehr wiedersehen. Und plötzlich schossen mir die Tränen in die Augen, ich dachte an Oma und daran, ob ich sie wohl jemals wiedersehe. Ich weinte, ich war wütend und traurig, bis ich irgendwann einschlief.

Wir wurden einige Tage später nach Hannover gebracht und von dort aus sind wir nach Westberlin geflogen. Dort wohnten wir in einem Wohnheim, und alles war so neu und unvertraut. Einige Wochen später, erlebte ich einen der schönsten Tage meines Lebens, meine Oma stand in der Tür, ich sah sie, ich schrie, umarmte sie, und wir weinten vor Freude. Auch habe ich so viele andere Menschen gesehen, die glücklich und so voller Emotionen waren. Das ist meine Erinnerung an den Mauerfall.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/die- ... 34404.html

In der Art gab es damals sicherlich unzählige berührende Schicksale, die ganz sicher diese Diktatur der SED - Schergen und ihrer freiwilligen Diener nicht wegen der " Fleischtöpfe " verließen, wie man uns immer wieder vergeblich versucht weiszumachen.
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Re: „Omi, weine nicht, wir fahren in den Urlaub“

Beitragvon Olaf Sch. » 17. November 2019, 09:02

Das mit den Fleischtöpfen ist schon ne ziemliche Provokation. Zu unfähig die Bevölkerung anständig zu versorgen, aber mit Panzerchen spielen und sich ein unbezahlbares Grenzregime leisten. Die DDR ist genau da, wo sie hingehört, auf dem Misthaufen der Geschichte.
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Re: „Omi, weine nicht, wir fahren in den Urlaub“

Beitragvon karnak » 17. November 2019, 09:53

Ob es nun passt oder nicht, bei den weit nach Ende des 2. Weltkrieges Geborenen gab es in weiten Teilen immer weniger die eine Beziehung zum ehemaligen Deutschland hatten. Damit verflachte auch die Sehnsucht nach dieser Vergangenheit immer mehr. Die Sehnsucht nach den ökonomischen Vorteilen in dem anderen Teil des ehemaligen Deutschland, die ich der Einfachheit halber Fleischtöpfe nenne, haben damit überhaupt nichts zu tun. Nach einer kurzen Illusion man könnte den Staat in dem man geboren war und lebte irgendwie reformieren und in einem akzeptablen Zeitraum in die Lage versetzen auf ähnlichen Niveau wie die Bundesrepublik zu agieren hat sich die "friedliche Revolution" des DDR Volkes, und das war es nun mal, anders hat es sich in einer Mehrheit auch nicht empfunden, dazu enschlossen das Angebot anzunehmen und der Bundesrepublik Alt beizutreten. Es war nichts weiter als eine späte Massenflucht eines Volkes aus Gründen von Vernunft, Realismus und dem Bewußtsein, dass das die einzige Chance für die Zukunft der aktuell lebenden Generationen ist. Es war nicht weniger aber eben auch nicht mehr. Dieses ganze "Deutschland einig Vaterland" war für die Mehrheit einfach nebensächlich. Man hat ein bisschen mitgegrölt weil man das immer tut wenn es einem Zeitgeist entspricht, dass hat aber nichts mit einer überbordenden Sehnsucht zu tun die man heute in die Geschichtsbücher schmuggeln will.
Der Haken an der Sache, die fehlende Sehnsucht und die getürkte Wiedervereinigung die gar keine war sondern ein Beitritt mit allen Konsequenzen für die die aufgenommen wurden, neben unbestrittenen vielen Vorteilen, macht es nach 30 Jahren immer noch so schwierig alle in diesem Einheitsprozess mitzunehmen.
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Re: „Omi, weine nicht, wir fahren in den Urlaub“

Beitragvon Interessierter » 17. November 2019, 10:16

@karnak:
Wieder nur einer deiner permanenten Versuche den Menschen, die im Gefängnis SED - Diktatur leben mussten, ihre Sehnsucht nach Freiheit und Menschenrechten abzusprechen.
Das ist einzig und allein deiner Rotlichtbestrahlung und deinem Versuch der Rechtfertigung, dass du Teil dieses auch verbrecherischem Apparates gewesen bist, geschuldet.

Da bist du hier übrigens mit bestimmten NVAlern und Vopos in guter Gesellschaft, die sich ebenfalls gerne in gleicher Weise betätigen... [laugh]
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Re: „Omi, weine nicht, wir fahren in den Urlaub“

Beitragvon karnak » 17. November 2019, 10:27

Ich beschreibe hier lediglich ein paar Umstände, keine Ahnung was das mit einer Rechtfertigung von eigenem Tun zu tun haben soll. Mit was so etwas wie das von Dir allerdings etwas zu tun hat , man will in der Geschichte unbedingt festschreiben, es gab sowas wie ein DDR Volk und eine DDR Identität in relevanter Größe und auch außerhalb von Stasi und Co. einfach nicht. Und ich stelle fest, dass stimmte nun mal so nicht. Ich stelle weiter fest, genau diese arrogante Vorstellung derer die Aufgenommen haben macht es unter anderem so schwer " ein Volk" hinzugekommen. Und mir ist natürlich auch klar, dass die mit einem angewachsenen ideologischen Brett vor dem Kopf fast schon zwingend gegen diese Vorstellung von einem existierenden DDR Volk stoßen und unter Kopfschmerzen leiden. [flash]
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Re: „Omi, weine nicht, wir fahren in den Urlaub“

Beitragvon Volker Zottmann » 17. November 2019, 11:10

karnak hat geschrieben: Es war nicht weniger aber eben auch nicht mehr. Dieses ganze "Deutschland einig Vaterland" war für die Mehrheit einfach nebensächlich. Man hat ein bisschen mitgegrölt weil man das immer tut wenn es einem Zeitgeist entspricht, dass hat aber nichts mit einer überbordenden Sehnsucht zu tun die man heute in die Geschichtsbücher schmuggeln will.

Ich glaube trotz allem Whisky und der freundschaftlichen Treffen, dass Du völlig ungeeignet bist, das zu beurteilen. Zumal Du selbst ja keine verwandtschaftlichen Bande kanntest.
Das es zu Beginn "nur" um innere Veränderung der DDR gehen sollte, war eher der Tatsache geschuldet, dass eben die Erneuerer des Systems mit dem Neuen Forum unsere Wegbereiter waren. Weder wir noch sie konnten sich solche schnell folgenden zeitlichen Konstellationen vorstellen, dass die DDR dann so schnell kollabieren würde.
Der Mut, sich zu EINEM Deutschland lauthals auf der Straße zu bekennen, musste erstmal geboren werden.
Die DDR war ein Rohrkrepierer! Und als sich die Chance endlich bot, waren die meisten denkende Menschen kaum bereit, nochmal ein 40jähriges Experiment über sich ergehen zu lassen.

Gruß Volker
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Re: „Omi, weine nicht, wir fahren in den Urlaub“

Beitragvon Interessierter » 17. November 2019, 12:05

karnak » 17. Nov 2019, 10:27
Ich beschreibe hier lediglich ein paar Umstände, keine Ahnung was das mit einer Rechtfertigung von eigenem Tun zu tun haben soll. Mit was so etwas wie das von Dir allerdings etwas zu tun hat , man will in der Geschichte unbedingt festschreiben, es gab sowas wie ein DDR Volk und eine DDR Identität in relevanter Größe und auch außerhalb von Stasi und Co. einfach nicht. Und ich stelle fest, dass stimmte nun mal so nicht. Ich stelle weiter fest, genau diese arrogante Vorstellung derer die Aufgenommen haben macht es unter anderem so schwer " ein Volk" hinzugekommen. Und mir ist natürlich auch klar, dass die mit einem angewachsenen ideologischen Brett vor dem Kopf fast schon zwingend gegen diese Vorstellung von einem existierenden DDR Volk stoßen und unter Kopfschmerzen leiden.


Ich frage mich vielmehr, wie du bei dem von mir eingestellten Link, einem völlig privaten und persönlichen Erlebnis einer Zeitzeugin, auf die Idee kommen kannst, in dieser Form zu reagieren. Meiner Meinung nach bist du nun sicherlich nicht der Richtige, der uns das Leben der DDR - Bürger schildern kann, die nicht freiwillig und freudig dieser Diktatur dienten. Das hat nicht nur der Volker schon richtig erkannt.

Vergleiche einmal das alte Bild und deinen Gesichtsausdruck aus DDR - Zeiten in Zivil und die eingestellten Fotos mit deinem heutigen, lockeren und sympathischen Gesichtsausdruck.
Wenn du diesen " ollen, der Stasi dienenden Kristian " aus deinem tiefsten Inneren entfernt hast, dann bist du auch in deinem Inneren der lockere Typ, den du nach außen heute versuchst darzustellen.

Trotzdem kann man mit dir heute schon einen gemütlichen, interessanten und auch lustigen Tag verbringen. Ganz im Gegensatz zu so manch anderem ehemaligen Diktaturdiener aus den bewaffneten Organen.

[hallo]
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Re: „Omi, weine nicht, wir fahren in den Urlaub“

Beitragvon karnak » 17. November 2019, 13:28

Volker Zottmann hat geschrieben: Und als sich die Chance endlich bot, waren die meisten denkende Menschen kaum bereit, nochmal ein 40jähriges Experiment über sich ergehen zu lassen.

Gruß Volker

Natürlich war man das nicht, wem wollte man das auch zumuten und deswegen sind wir unter den Rock der Bundesrepublik gekrochen. Die Naheliegende, Logische und Sinnvollste Entscheidung wenn man schon das Angebot hat. Deswegen braucht man aber das nicht zu etwas ganz Großen aufblustern nur weil man sich irgendwann dazu entschlossen hat eine clevere Schlagzeile der Bild Zeitung in Abänderung des " Wir sind das Volk" auf der Straße zu brüllen.
Und man sollte sich eben irgendwann zu der Realität bekennen, dass solch ein Beitritt der schon ziemlich viel von Besetzung und Machtübernahme hat auch Konsequenzen mit sich bringt die logisch vordergründig die Bewohner des Beitrittsgebiet betrifft. Das Knurren in " den Provinzen" dann wieder auszubügeln ist für " Rom" wesentlich schwieriger als durch das " Zentralorgan" " Wir sind das Volk" in " Wir sind ein Volk" ummünzen zu lassen.
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Re: „Omi, weine nicht, wir fahren in den Urlaub“

Beitragvon Interessierter » 17. November 2019, 14:44

Zitat karnak:
Und man sollte sich eben irgendwann zu der Realität bekennen, dass solch ein Beitritt der schon ziemlich viel von Besetzung und Machtübernahme hat auch Konsequenzen mit sich bringt die logisch vordergründig die Bewohner des Beitrittsgebiet betrifft.


Genau, das kommt aus tiefster Seele des noch in dir befindlichen " Stasi - Krischan " mit dem " Schergen - Blick " aus dem Eternit - Kabuff.... [laugh]

Danke für die Bestätigung.

[hallo]
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Re: „Omi, weine nicht, wir fahren in den Urlaub“

Beitragvon karnak » 17. November 2019, 14:54

Du wirst der Welt schon was erzählen.
Ich beschreibe lediglich damalige Umstände die übrigens damals nicht viel anders anzugehen waren. Das Problem ist lediglich, dass man das akzeptieren muss und heute , jetzt und in naher Zukunft der Lösung den letzten Schliff verpassen muss weil es die damaligen Umstände so nicht mehr gibt. Man hat dem Ostgebiet das System des Westens übergeholfen, ohne wenn und aber, dort hat man damit leben gelernt und es verkraftet. Jetzt ist es hohe Zeit jeglichen Unterschied zwischen Drüben und Hüben zu beseitigen, auch ohne wenn und aber.
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Re: „Omi, weine nicht, wir fahren in den Urlaub“

Beitragvon Interessierter » 17. November 2019, 15:04

Deinem letzten Satz könnte ich zustimmen; aber nur mit wenn und aber.
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