augenzeuge hat geschrieben:Nostalgiker hat geschrieben:Die Grenzer dachten wohl eher; endlich ist der Scheiß hier vorbei ........
Da frag ich Karnak nochmal....
Wenn der Kriminelle gesteht, soll er auch diese Gefühle.....
AZ
Nun habe ich ja nie auf irgendeinen Wachturm gesessen und aufgehalten, irgendwie war ich an einer Stelle der ein Durchgang war, zumindest für die die durften, vielleicht mit Verzögerung aber immerhin. Mit denen die nicht durften hatte ich ziemlich wenig zu tun, die haben sich bei mir relativ wenig blicken lassen. Dann kam die Grenzöffnung und das war schon eine skurrile Situation, für beide Seiten, verrückter Weise schlug uns eine unendliche Dankbarkeit gerade von denen entgegen die lange nicht durften, als hätten wir die Grenze geöffnet so wie vorher eine gewisse Reserviertheit als hätten wir sie persönlich geschlossen. Jedenfalls habe ich auch in dieser Zeit keinen unendlichen Hass oder Ablehnung erlebt. Sehr bald zog wieder sowas wie " Normalität " ein, wir bekamen von den neuen Herren, erst der Diestel und dann der Eppelmann, neue Anweisungen was zu kontrollieren wäre und was nicht. Die aus dem Noch anderen Land sollten fast jeden Tag irgendwelche neuen Grenzübertrittsdokumente bekommen die auch erstaunlicherweise weiter irgendwo produziert wurden. Die Fahndungskisten wurden immer kleiner aber es gab sie noch und sie wurden weiter gepflegt und auch benutzt. Immer noch Westberliner Polizisten kamen auf uns zu und erbaten Zusammenarbeit und Zuarbeit. Bis irgendwann zu zwischenstaatlichen Vereinbarungen zu einem visafreien Reise und Kontrollverkehr. Das alles haben wir realisiert ohne zu murren, so wie wir es eben gewöhnt waren.
Dann verdichtete sich mehr und mehr der politische Willen zu einer Zusammenführung der beiden Länder, es verdichtete sich immer mehr die Erkenntnis, dass wir irgendwann überflüssig werden. Die neuen politisch Verantwortlichen trachteten nicht danach davon zu jagen, sie wollten den Leuten eine neue Arbeit verschaffen und sie möglichst in Frieden gehen lassen. Es wurde ein Kommando gebildet , dass die Grenzanlagen landesweit abbauen sollte, viele haben noch Jahre dort gearbeitet, wurden Bagger und LKW Fahrer und was weiß ich noch alles. Alle möglichen Westfirmen die im Osten nun Fuß fassen wollten nutzten die Gelegenheit der immer noch vorhandenen Grenzübergangsstellen und fragten die Leute dort ob sie nicht bei ihnen arbeiten wöllten, sie schickten sozusagen ihre " Scouts " dorthin. So bin ich letztlich dort gelandet wo ich heute immer noch bin. Ich bin irgendwann über meinen alten Grenzübergang nach Westberlin gefahren und habe meinen neuen Arbeitsvertrag mit " Schlüter Brot" , eine uralte Westberliner Firma geschlossen. Heute lange vom Markt verschwunden, sie haben das Ende der Insel nicht verkraftet und sind durch den Druck aus dem Westen und dem Wegfall der Subventionen in die Knie gegangen. Ich arbeitete dann schon vor der Währungsunion, sozusagen als Grenzgänger, für DM , hatte den Vorteil schon viele Jahre Tag täglich mit den Brüdern und Schwestern zu tun gehabt zu haben, hatte nicht einen Tag unter Existenzangst zu leiden, ich konnte mir plötzlich Dinge leisten von denen ich vorher nicht zu träumen gewagt hatte, dass hat es mir leicht gemacht und ich bin ohne Zorn gegangen und bis zum heutigen Tag geblieben. Schwein gehabt, einen guten Kommunisten verlässt der liebe Gott nie.
Im Nachhinein betrachtet, für mich war es eher unspektakulär und ein harmonisch verlaufender Lebensweg. Das alles hat mich zu dem gemacht was ich heute bin.
Ach so, und ein gesundes neues Jahr.