Der jüngste Staatsgefangene der DDR

Der jüngste Staatsgefangene der DDR

Beitragvon Interessierter » 17. Mai 2018, 10:53

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Mit 15 wird Rainer Wagner bei der Republikflucht erwischt

Eingesperrt ins Gefängnis – mit gerade einmal 15 Jahren. Das Verbrechen, das Rainer Wagner in den Knast bringt: Der Wunsch, seine Heimat zu verlassen. Aus der DDR fliehen will er, weil er die Bevormundung und Gängelung durch den Staat nicht mehr ertragen will.


Aber seine Flucht ist schlecht geplant. Denn Landkarten, auf denen die Grenzposten eingezeichnet waren, waren in der DDR nicht erhältlich. Sie galten als Staatsgeheimnis. Im Rückblick erzählt Wagner: „Die ganze Sache konnte überhaupt nicht klappen. Ich wollte die DDR bei Eisenach verlassen, aber ich hatte keine Ahnung, wo die Grenze verläuft.“ So musste sich Rainer Wagner mit seinem Wissen aus Nachrichtensendungen behelfen. Er hatte mitbekommen, dass der Fluss Werra die Grenze zur Bundesrepublik bildet. Sein Plan war, die DDR schwimmend durch die Werra zu verlassen. „Ich wusste auch, dass fünf Kilometer vor der Grenze das Sperrgebiet begann. Als es dunkel war, habe ich mich am Abend des 2. Januar 1967 zielstrebig auf diesen Fünf-Kilometer-Streifen zubewegt und bin auch reingekommen“, erinnert er sich.

14 Tage Einzelhaft für den Klassenfeind

Stundenlang irrt er durch das Sperrgebiet. Anhaltspunkte zur Orientierung hat er keine. „Irgendwann tauchte vor mir eine Lichterkette auf. Ich vermute, das war die Grenzbeleuchtung. Da ging ich stracks darauf zu, bis ich auf einmal den Lauf einer Maschinenpistole im Rücken spürte. Ich hab wahrscheinlich irgendwelche Stolperdrähte berührt, so dass man schon nach mir suchte. Schnell war ich von allen möglichen Grenzsoldaten und Offizieren umgeben und musste das erste Verhör über mich ergehen lassen“, schildert er seinen Fluchtversuch.

Vor Gericht gibt sich Rainer Wagner betont rebellisch und trotzig. Er provoziert und erinnert sich noch an die Reaktion: „Jetzt hatten die Richter den Eindruck, einen richtigen Klassenfeind vor sich zu haben. Direkt nach meinem ,Auftritt‘ vor Gericht kam ich in Einzelhaft. Da habe ich vierzehn Tage spüren dürfen, wie sie einen auch psychisch fertig machen können.“ Wegen „versuchten gewaltsamen Grenzdurchbruchs“ bekommt er eine Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten aufgebrummt. Die Begründung: Als Christ wolle er nicht in einem gottlosen Staat leben, sondern nach Westdeutschland gehen, wo eine wahrhaft christliche Partei die Macht innehatte.

Während der Gefangenschaft versucht man, seinen Willen zu brechen

Die erste Nacht im Knast hat sich Rainer Wagner für immer eingeprägt: „Da überkam mich ein Angstzustand, wie ich ihn bisher noch nie erlebt hatte. Ich war einfach nur allein in dieser Zelle, die Klappbetten an der Seite. Das stürzte mit einem Mal gefühlsmäßig auf mich ein. Ich habe einen eisigen Schweißausbruch bekommen. Das war richtig schmerzhaft, wie kleine Nadelstiche. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Das war sicher eine der schwersten Erfahrungen, die ich je gemacht habe.“

In der Gefangenschaft wird er gezielt psychisch unter Druck gesetzt. Man will seinen Willen brechen und ihn gefügig machen. Rainer Wagner beschreibt, wie es sich angefühlt hat, in einer Zelle eingesperrt zu sein: „Die Türen von außen sind ja schon recht bombastisch, angefangen mit diesen großen Riegeln und den großen Schlössern. Das Aufschließen dieser Gefängnistüren machte ausgesprochen viel Lärm und das hat irgendwie einen psychologischen Eindruck auf die Gefangenen gemacht und natürlich auch auf mich. Da gab es von innen weder einen Schlüssel noch eine Türklinke, und das bedeutete: Hier kommst du nie raus, wenn nicht von außen jemand aufmacht. Man fühlte sich wirklich in jeder Hinsicht eingesperrt.“

Bei einem Besuch der Gedenkstätte Berlin Hohenschönhausen, in der sich die Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit befand, erinnert sich Rainer Wagner. Ein beklemmender Moment:

Der Beitrag mit einem Video geht hier weiter:
https://www.erf.de/der-juengste-staatsg ... 0-542-4860

Einen 15jährigen, der lediglich eine Diktatur verlassen wollte, 14 Tage in Einzelhaft zu sperren, zu 14 Monaten Gefängnis zu verurteilen und versuchen seinen Willen zu brechen. Menschenverachtender geht es nicht..... [denken]
Interessierter
 

Re: Der jüngste Staatsgefangene der DDR

Beitragvon Olaf Sch. » 17. Mai 2018, 11:58

doch geht es.
Olaf Sch.
 

Re: Der jüngste Staatsgefangene der DDR

Beitragvon Grenzwolf62 » 17. Mai 2018, 13:59

Da werden wohl noch mehr geschmort haben die es nicht in die Medien geschafft haben.
Ab 14 war man strafmündig, hat auch jeder gewusst den der liebe Gott per Geburt zum Volkseigenen Bewohner bestimmt hatte.
Alles wird, vielleicht, gut.
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Re: Der jüngste Staatsgefangene der DDR

Beitragvon Olaf Sch. » 17. Mai 2018, 17:37

also war die DDR ein Sklavenhalterstaat...
Olaf Sch.
 

Re: Der jüngste Staatsgefangene der DDR

Beitragvon Grenzwolf62 » 17. Mai 2018, 19:58

Ja.
Die humane volkseigene Masse wurde ja nun mal mit immensen Aufwand verwaltet zum Wohle des Sozialismus.
Ich weiß gar nicht genau wieviele Kontroller für die 17 Millionen Männecken bezahlt wurden, aber es war wohl gigantisch.
17 Millionen Menschen wohnen im Großraum New York.
Wenn alleine dafür das FBI die Gehaltsliste von den Ladenhorchern hätte, wären die USA nicht nur so pleite wie heute, da würden die dort an Steinen nagen.
Aber hätten wir eventuell auch 1995 wenn der Saftladen weiter bestanden hätte.
Alles wird, vielleicht, gut.
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Re: Der jüngste Staatsgefangene der DDR

Beitragvon Volker Zottmann » 19. Mai 2018, 17:43

Ein Mitlehrling ist, auch 1967 abgedüst. Durch den Harz hat er es geschafft. Paar Wochen später kam er wegen Heimweh zurück.
Erich war nur "wenige" Tage in irgendeiner Übergangsbehausung und konnte zurück zu seinen Eltern. Kein Verfahren. Im Gegenteil, er bekam sogar genau wie wir seinen Gesellenbrief 1969 ausgehändigt. Die fehlenden Monate spielten keine Rolle.
Die DDR war manchmal auch merkwürdig in ihrer Reaktion.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 


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