Der Widerstands- und Freiheitskämpfer Henry Leuschner
Verfasst: 7. Dezember 2017, 16:01
Vom Jahre 1950 bis 1990 diente das Ministerium für Staatssicherheit, umgangssprachlich „Stasi“, als Nachrichten- und Geheimdienst. Es überwachte die Menschen aus der DDR mit jeglichen erforderlichen Mitteln. Da 20% der Bürger der DDR Spitzel der Stasi waren, lief jeder Gefahr, ausspioniert und verraten zu werden.
Henry Leuschner (1962), ein Kämpfer der Freiheit, wagte es sich dem MfS (der Stasi) zu entziehen und startete mit seinem Freund Peter Dietz „Dietzi“ einen Fluchtversuch (1981) in den Goldenen Westen. Zusammen fuhren sie dicht an die innerdeutsche Grenze im Frankenwald und machten sich von dort aus auf den Weg zum Grenzgebiet. Als die Grenze näher kam, mussten sie eine Entscheidung treffen. Sie entschieden sich, trotz riesiger Hindernisse, die sie auf den Weg in den Westen erwarteten, die Mauer zu überqueren. Henry war der Meinung, es sei egal, was passierte, solange sie es versuchten. Sie überlegten, welcher Weg der beste sei, um auf die andere Seite zu kommen. Es gab ein Bereich an dem furchteinflößende Hunde die Mauer bewachten und eine, an dem keine waren. Die Entscheidung fiel auf den Weg ohne trainierte Schäferhunde. Dass das ganze einen Grund hatte, wussten sie zu der Zeit noch nicht.
Schon als junger Teenager stand Henry, oder von seinen Freunden „Heckebie“ (von Huckleberry Finn) genannt, unter Beschattung der Stasi. Er reiste mit seiner Gruppe in der DDR von Festival zu Festival, ohne Pass, ohne Tickets, aber mit bunten, langen Haaren, illegalem Geld, das er aus verkauften Shell-Parkas und Platten bekam und seiner unersättlichen Lebenslust. Dinge, die der Stasi keineswegs recht waren.
Dietzi und Henry rannten über die Panzersperren, kletterten über den ersten, danach über den zweiten Zaun und blieben vor dem dritten stehen. Sie testeten mit Grashalmen die Empfindlichkeit und Funktion der davorgespannten Drähte und beschlossen, es zu versuchen. Henry stieg auf einen Bügel und knallte kurze Zeit später auf den gefrorenen Boden. Seine Wade wurde zerschossen. Schuld war die „SM-70“, eine Selbstschussanlage, welche eigentlich schon seit Anfang der 70er verboten wurde. Von 100 Geschossen trafen ihn 22. Er wurde mehrmals operiert und immer wieder in das Haftkrankenhaus des Stasigefängnis in Hohenschönhausen eingelagert. Während der Verhöre wurde ihm Fluchtplanung vorgeworfen. Man fragte ihn, wer auf ihn gewartet hätte auf der anderen Seite. Auf der anderen Seite in der Tschechoslowakei. Sie hatten die Grenze zum Westen um ca. zehn Meter verfehlt, weswegen auf der tschechischen Seite auch keine Hunde waren.
Da sie die Flucht spontan entschieden hatten, konnte man beiden auch nach Verhören ihrer Freunde und Verwandten keine Fluchtplanungen vorwerfen, und so kam Henry mit „nur“ einem Jahr und neun Monaten Haft davon. Im Staatssicherheitsgefängnis in Hohenschönhausen erfährt er am eigenen Leibe von diversen Foltermethoden der Stasi. Insassen werden zu sechzehnt in eine zehn Quadratmeter große Zelle gepfercht; Schlafen oder Hinsetzen wurden mit Prügel für die gesamte Zelle bestraft. Einige waren der psychischen Folter der Stasi ausgesetzt, sie bekamen zum Beispiel Geräte, womit sie ihr eigenes Blut fließen hören konnten, und das für zwei Tage. In einem versteckten Zimmer wurden Gefangene mit stundenlanger Röntgeneinstrahlung getötet. Henry musste gefesselt und in einer Zwangsjacke stundenlang in einem abgedunkelten Raum stehen, mit dem Wissen, dass sein Schlafgestell oben an der Decke hängt.
Nach seiner Entlassung zurück in die DDR studierten er und seine neun Freunde die Gesetzesbücher und entschlossen sich zusammen in weißen T-Shirts still in einem Kreis zu stehen. Somit verstießen sie gegen keine Gesetze und Regelungen. Diesen Protest wiederholten sie regelmäßig und jedes Mal nahmen immer mehr DDR-Bürger teil, bis nach zwei Monaten letztendlich 20.000 Widerständler am „Weißen Kreis“ teilnahmen. Die Stasi nahm Leute fest und verhörte diese, doch als der Weiße Kreis Unterstützung durch die Medien des Westens bekam, wurden zunehmend Ausreiseanträge angenommen und die Widerstandsgruppe minimierte sich, bis nur noch Henry übrig war.
Eines Tages wurde er von zwei Stasi-Beamten nach Berlin mitgenommen. Er wurde an die BRD übergeben. Es stellte sich heraus, dass er bereits 1982 dank seiner Bekanntheit im Westen von diesem für 10.000 DM gekauft worden war. Doch die Stasi behielt das Geld und ließ ihn erst nach zwei Jahren unter Druck des Westens gehen.
Obwohl die Freude im Westen zu sein für ihn erst groß war, wurde diese nach drei Tagen zunichte gemacht. Ihm wurde gesagt, seine Mutter sei seinetwegen in ein Frauenzuchthaus gebracht worden, seine Geschwister in eine Nervenklinik und ein Kinderheim und er könne nichts dagegen unternehmen. Für Henry war dies die schlimmste aller Stasi-Strafen, da er mit diesem emotionalen Schmerz kaum umgehen konnte.
Er verwirklichte seine in jungen Jahren gemachten Reisepläne in die USA, nach Hongkong, Indonesien und Goa. Er besuchte eine Artistikschule und arbeitet in verschiedenen Berufen und kehrt seitdem immer wieder nach Deutschland zurück. Während er so die Freiheit auskostet, verliert er nie den Blick für Elend auf der ganzen Welt und hat auch uns bei seiner Führung durch die Gedenkstätte Hohenschönhausen durch seine beeindruckende Führung zum Nachdenken gebracht. Herzlichen Dank dafür.
https://zweiwelteneinestadt.wordpress.c ... leuschner/
Henry Leuschner (1962), ein Kämpfer der Freiheit, wagte es sich dem MfS (der Stasi) zu entziehen und startete mit seinem Freund Peter Dietz „Dietzi“ einen Fluchtversuch (1981) in den Goldenen Westen. Zusammen fuhren sie dicht an die innerdeutsche Grenze im Frankenwald und machten sich von dort aus auf den Weg zum Grenzgebiet. Als die Grenze näher kam, mussten sie eine Entscheidung treffen. Sie entschieden sich, trotz riesiger Hindernisse, die sie auf den Weg in den Westen erwarteten, die Mauer zu überqueren. Henry war der Meinung, es sei egal, was passierte, solange sie es versuchten. Sie überlegten, welcher Weg der beste sei, um auf die andere Seite zu kommen. Es gab ein Bereich an dem furchteinflößende Hunde die Mauer bewachten und eine, an dem keine waren. Die Entscheidung fiel auf den Weg ohne trainierte Schäferhunde. Dass das ganze einen Grund hatte, wussten sie zu der Zeit noch nicht.
Schon als junger Teenager stand Henry, oder von seinen Freunden „Heckebie“ (von Huckleberry Finn) genannt, unter Beschattung der Stasi. Er reiste mit seiner Gruppe in der DDR von Festival zu Festival, ohne Pass, ohne Tickets, aber mit bunten, langen Haaren, illegalem Geld, das er aus verkauften Shell-Parkas und Platten bekam und seiner unersättlichen Lebenslust. Dinge, die der Stasi keineswegs recht waren.
Dietzi und Henry rannten über die Panzersperren, kletterten über den ersten, danach über den zweiten Zaun und blieben vor dem dritten stehen. Sie testeten mit Grashalmen die Empfindlichkeit und Funktion der davorgespannten Drähte und beschlossen, es zu versuchen. Henry stieg auf einen Bügel und knallte kurze Zeit später auf den gefrorenen Boden. Seine Wade wurde zerschossen. Schuld war die „SM-70“, eine Selbstschussanlage, welche eigentlich schon seit Anfang der 70er verboten wurde. Von 100 Geschossen trafen ihn 22. Er wurde mehrmals operiert und immer wieder in das Haftkrankenhaus des Stasigefängnis in Hohenschönhausen eingelagert. Während der Verhöre wurde ihm Fluchtplanung vorgeworfen. Man fragte ihn, wer auf ihn gewartet hätte auf der anderen Seite. Auf der anderen Seite in der Tschechoslowakei. Sie hatten die Grenze zum Westen um ca. zehn Meter verfehlt, weswegen auf der tschechischen Seite auch keine Hunde waren.
Da sie die Flucht spontan entschieden hatten, konnte man beiden auch nach Verhören ihrer Freunde und Verwandten keine Fluchtplanungen vorwerfen, und so kam Henry mit „nur“ einem Jahr und neun Monaten Haft davon. Im Staatssicherheitsgefängnis in Hohenschönhausen erfährt er am eigenen Leibe von diversen Foltermethoden der Stasi. Insassen werden zu sechzehnt in eine zehn Quadratmeter große Zelle gepfercht; Schlafen oder Hinsetzen wurden mit Prügel für die gesamte Zelle bestraft. Einige waren der psychischen Folter der Stasi ausgesetzt, sie bekamen zum Beispiel Geräte, womit sie ihr eigenes Blut fließen hören konnten, und das für zwei Tage. In einem versteckten Zimmer wurden Gefangene mit stundenlanger Röntgeneinstrahlung getötet. Henry musste gefesselt und in einer Zwangsjacke stundenlang in einem abgedunkelten Raum stehen, mit dem Wissen, dass sein Schlafgestell oben an der Decke hängt.
Nach seiner Entlassung zurück in die DDR studierten er und seine neun Freunde die Gesetzesbücher und entschlossen sich zusammen in weißen T-Shirts still in einem Kreis zu stehen. Somit verstießen sie gegen keine Gesetze und Regelungen. Diesen Protest wiederholten sie regelmäßig und jedes Mal nahmen immer mehr DDR-Bürger teil, bis nach zwei Monaten letztendlich 20.000 Widerständler am „Weißen Kreis“ teilnahmen. Die Stasi nahm Leute fest und verhörte diese, doch als der Weiße Kreis Unterstützung durch die Medien des Westens bekam, wurden zunehmend Ausreiseanträge angenommen und die Widerstandsgruppe minimierte sich, bis nur noch Henry übrig war.
Eines Tages wurde er von zwei Stasi-Beamten nach Berlin mitgenommen. Er wurde an die BRD übergeben. Es stellte sich heraus, dass er bereits 1982 dank seiner Bekanntheit im Westen von diesem für 10.000 DM gekauft worden war. Doch die Stasi behielt das Geld und ließ ihn erst nach zwei Jahren unter Druck des Westens gehen.
Obwohl die Freude im Westen zu sein für ihn erst groß war, wurde diese nach drei Tagen zunichte gemacht. Ihm wurde gesagt, seine Mutter sei seinetwegen in ein Frauenzuchthaus gebracht worden, seine Geschwister in eine Nervenklinik und ein Kinderheim und er könne nichts dagegen unternehmen. Für Henry war dies die schlimmste aller Stasi-Strafen, da er mit diesem emotionalen Schmerz kaum umgehen konnte.
Er verwirklichte seine in jungen Jahren gemachten Reisepläne in die USA, nach Hongkong, Indonesien und Goa. Er besuchte eine Artistikschule und arbeitet in verschiedenen Berufen und kehrt seitdem immer wieder nach Deutschland zurück. Während er so die Freiheit auskostet, verliert er nie den Blick für Elend auf der ganzen Welt und hat auch uns bei seiner Führung durch die Gedenkstätte Hohenschönhausen durch seine beeindruckende Führung zum Nachdenken gebracht. Herzlichen Dank dafür.
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