August ’61, Bernauer Straße. Der Vater schließt die Tür von innen ab. Es hat Vorteile, ganz unten zu wohnen Mit den Eltern flüchtet die Tochter durchs Fenster, rüber in den Westen – im Wintermantel
In einer geteilten Stadt kommt es darauf an, ein möglichst ungeteiltes Leben zu führen. Ein tendenziell ungeteiltes Leben führt, wer zwar noch mit beiden Beinen im Osten steht, aber bereits Westluft atmet. Und das machen die Matherns schon, wenn sie die Fenster öffnen. In der Bernauer Straße wohnen, kochen und schlafen sie gewissermaßen zentimetergenau auf der Grenze zweier Weltsysteme.
Elke Matherns Vater arbeitet beim Backmittelhersteller „Brann“ – dem Dr. Oetker des Ostens. Und Elkes Vater ist der Verkaufsleiter, er hat sogar einen Firmenwagen. Ihre Mutter hilft in einer Weddinger Fleischerei. Was ist eine Fleischereigehilfin gegen einen Verkaufsleiter mit Dienstwagen? Nicht viel, normalerweise, aber was ist schon normal in einer Stadt mit zwei Währungen? Und wenn die Mutter ihren Verdienst schwarz tauscht, bleibt von Vaters Vorsprung nichts übrig. Auch ist, wer mit dem ersten Schritt auf die Straße bereits im Westen ist, auf Westgeld angewiesen, zumindest seelisch.
Trotzdem, weg wollten sie nie. Nicht einmal, als der Onkel aus Tangermünde in den Westen floh, mit ihrer Wohnung als Fluchtquartier. Sie brachten seine Möbel auf der einen Seite hinein, tranken noch gemeinsam Kaffee, und brachten sie auf der anderen wieder hinaus.
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