Es geschah zwischen Priwall und Brook

Es geschah zwischen Priwall und Brook

Beitragvon Interessierter » 3. August 2018, 10:44

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Die Ostsee galt in der DDR als "Blaue Grenze". (dradio.de/Janine Wergin)

Die "Blaue Grenze" hieß die Grenze an der Ostsee offiziell in der DDR. Die gesamte Küste war Grenzgebiet. Erreichte man seinen Badeort, musste man sich umgehend polizeilich anmelden. Nach Einbruch der Dunkelheit strahlten Suchscheinwerfer das Meer ab und man wurde durch Grenzer vom Strand vertrieben. Doch so wie es an den letzten 20 Kilometern Küste vor der Westgrenze aussah, wussten nur die dortigen Bewohner, denn dieser Streifen war für Ortsfremde weiträumig abgeriegelt. Die Mecklenburger zwischen Brook und Priwall waren doppelt eingesperrt. Und doppelt muss ihre Freude nach der Grenzöffnung am 9. November 1989 gewesen sein.


Das Mecklenburger Dorf Brook liegt gut einen Kilometer von der Ostsee entfernt und knapp zwanzig von der Landesgrenze nach Schleswig-Holstein. Mit dem Fahrrad braucht man für die Strecke etwa eine Stunde. Der asphaltierte Radweg hinter dem Strand folgt dem Auf und Ab der Steilküste. Zum Meer hin: Undurchdringliche Brombeerhecken, übermannsgroße Sanddornsträucher. Landeinwärts: Den Weg begleitendes, gewelltes Heideland, keine Straßen, nur entfernt ist hin und wieder ein Haus auszumachen. Bis vor zwanzig Jahren patrouillierten hier die Jeeps der DDR-Grenztruppen - das Heideland war der sogenannte Todesstreifen, und genauso verriegelt wie damals der Strand vor Brook.

Günther Klüwer: "Von der Ecke genau sind das 920 Meter und da war gleich hinter das Haus, 10 Meter, da war der eiserne Vorhang oder Zaun. Und vor dem Zaun war ein Zehnmeterstreifen, der wurde geharkt und gepflegt. Da ging jeden Tag zweimal der Posten durch und hat auf Spuren Kontrolle gemacht."

Günther Klüwer sitzt auf der Veranda seines Hauses. Über das zu den Dünen hin abfallende Land blickt er aufs Meer. Eine leichte Briese weht von der Ostsee herüber.

"Der Zaun, elektrisch geladen war der. Wir sagten immer gesiebte Luft ist das da, die kam vom Westen hier rüber."


Gesiebte Luft und gesiebter Blick: Auf das unerreichbare Meer direkt vor der Haustür.

Klüwer: "Wir mussten alle nach Boltenhagen, Wollenberger Week zum Baden, 24, 25 Kilometer so."

Ab 1962 war das so.

Ein langer und interessanter Bericht, der hier weiter geht:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/es ... _id=156922
Interessierter
 

Re: Es geschah zwischen Priwall und Brook

Beitragvon augenzeuge » 3. August 2018, 11:22

Akquise beim MfS....? [flash]

"Drei gute Bekannte von mir, die sind in Teschow übern Zaun und sind rüber geschwommen und sind auch rüber gekommen. Da ist die Trave, das ist nicht so weit. Drei Wochen später waren sie wieder hier. Die sind nicht klargekommen da. Dann waren sie hier auf der Disco. Ich sage, wie kommt denn ihr wieder rein hier? Ihr ward da im Westen und seid abgehauen praktisch, und dann sag ich, gib mal eine Zigarette. Habe ich dann so reingefasst bei ihm - ein Stasiausweis. Ja, sagt er, das war die Bedingung, dass wir hier wieder rein dürfen."

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Re: Es geschah zwischen Priwall und Brook

Beitragvon Volker Zottmann » 3. August 2018, 12:01

Ein gut zu lesender Bericht über den westlichsten Ostsee-DDR-Abschnit.
In der Erzählform, so, wie die Menschen es selbst erlebten, ist auch meine bevorzugte Sicht auf damals. Wenn Betroffene berichten ist das doch anders, als wenn uns alte Grenzkader die Welt erklären. Die wissen ob ihrer Erziehung meistens gar nicht, was die Menschen wirklich bewegte, wie einschneidend ihre Grenze die Seelen der Anwohner verletzte.

Gruß Volker
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Re: Es geschah zwischen Priwall und Brook

Beitragvon Olaf Sch. » 3. August 2018, 13:11

1984 gab es da schon keine Minen mehr. Der OSL hat den Grenzstreifen wohl aus der Ferne gekannt.
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Re: Es geschah zwischen Priwall und Brook

Beitragvon Volker Zottmann » 3. August 2018, 13:16

AkkuGK1 hat geschrieben:1984 gab es da schon keine Minen mehr. Der OSL hat den Grenzstreifen wohl aus der Ferne gekannt.

Wieso hat man dann trotz Räumung (im Harz ja auch) nach der Wende noch tausende Minen gefunden?

Gruß Volker
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Re: Es geschah zwischen Priwall und Brook

Beitragvon zonenhasser » 3. August 2018, 17:06

augenzeuge hat geschrieben:
ein Stasiausweis. Ja, sagt er, das war die Bedingung, dass wir hier wieder rein dürfen."
Was für ein Unsinn! [laugh]
Die “Rote Fahne” schrieb noch “wir werden siegen”, da hatte ich mein Geld schon in der Schweiz.
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Re: Es geschah zwischen Priwall und Brook

Beitragvon Volker Zottmann » 3. August 2018, 18:19

zonenhasser hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben:
ein Stasiausweis. Ja, sagt er, das war die Bedingung, dass wir hier wieder rein dürfen."
Was für ein Unsinn! [laugh]


Allenfalls war der Mann zum IM mutiert, ganz sicher ohne Ausweis. Nur hat das der Jörg nie geschrieben, nur den Bericht eingestellt.

Gruß Volker
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Re: Es geschah zwischen Priwall und Brook

Beitragvon zonenhasser » 3. August 2018, 19:54

Volker Zottmann hat geschrieben: Nur hat das der Jörg nie geschrieben, nur den Bericht eingestellt.
War klar. Ich habe den Zitierbutton verwendet, ohne den Zitierten zu korrigieren.
Die “Rote Fahne” schrieb noch “wir werden siegen”, da hatte ich mein Geld schon in der Schweiz.
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Re: Es geschah zwischen Priwall und Brook

Beitragvon Olaf Sch. » 3. August 2018, 20:03

Volker Zottmann hat geschrieben:
AkkuGK1 hat geschrieben:1984 gab es da schon keine Minen mehr. Der OSL hat den Grenzstreifen wohl aus der Ferne gekannt.

Wieso hat man dann trotz Räumung (im Harz ja auch) nach der Wende noch tausende Minen gefunden?

Gruß Volker


es gab Signalgeräte, die werden sicher gemeint sein. Zu meiner Zeit gab es auch keine Hundetrasse, nur während der Komplett Umrüstung des Signalzauns.
Olaf Sch.
 

Re: Es geschah zwischen Priwall und Brook

Beitragvon Volker Zottmann » 3. August 2018, 20:06

Zumindest sind wir beiden uns einig, dass die Grenze ein Verbrechen war, so wie sie ausgerichtet wurde.

Gruß Volker
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