Gedser, kalter Krieg an der Ostsee

Gedser, kalter Krieg an der Ostsee

Beitragvon augenzeuge » 29. Dezember 2017, 17:13

Fluchtpunkt für Ostdeutsche, Nato-Horchposten mit Meerblick: Kaum ein Ort kennt die absurden Seiten des Kalten Krieges so gut wie Gedser. An der Südspitze Dänemarks trafen Spione und Flüchtlinge aufeinander. Eine Spurensuche.

Im Kalten Krieg aber war Gedser weit mehr als nur Fluchtpunkt und rettendes Ufer. Es lag auch im Fokus der Geheimdienste. Seine weit größere Rolle spielte deshalb im Verborgenen, hineingegraben etwa in den Lehm der Steilküste.
Fensterlose, finstere Kellerräume unter einem gelben Backsteingebäude erinnern heute noch daran - der Bunker der ehemaligen Marinestation Gedser. Der südlichste Punkt Skandinaviens, zugleich Auge und Ohr der Nato.

Gut 40 Kilometer sind es von hier bis zur deutschen Küste. Im Kalten Krieg lag Gedser an vorderster Front, nur eine Flugminute von den Militärbasen des Feindes entfernt. Direkt vor der Küste verlief die Hauptroute der Flotten des Warschauer Paktes auf dem Weg in die Weltmeere.

Etwa 5600 DDR-Bürger versuchten zwischen 1961 und 1989 eine Flucht über die Ostsee, ermittelte die Stasi-Unterlagenbehörde Rostock.


Die Schiffe waren immer voll mit Menschen, dicht drängten sie sich an der Reling - DDR-Bürger auf Ausflugsschiffen, die aber nie im Hafen von Gedser anlegten. "An Land gehen durften die nicht."

Wenn ein Schiff aus Rostock-Warnemünde kommen sollte, stiegen sein Freund und er in ein Ruderboot. "Wir dachten, vielleicht können wir helfen." Einmal war es gleich mehreren Ostdeutschen gelungen, zu einer Treppe im Hafenbecken zu schwimmen.


"Da waren so viele Volkspolizisten an Deck. Sie haben die Leute geschlagen." Einmal schaffte es doch jemand davonzuschwimmen. Und der Kapitän versuchte, ihn mit der rückwärts laufenden Schraube zu erwischen. Es war ein grausames Schauspiel.


Die Marinestation überwachte vor allem die großen sowjetischen Kreuzer - und die Aktivitäten an der DDR-Küstenlinie zwischen Rügen und Rostock-Warnemünde. "Da lagen viele Kriegsschiffe in Bereitschaft. Wir wussten erst nicht, warum", sagt Sidor. Die Antwort gab der Alltag, wenn die Schiffe plötzlich in Bewegung gerieten. "Die Patrouillenboote kamen dann ganz nah an unsere Grenzlinie und suchten das Wasser ab. Meist dienten sie dazu, Flüchtlinge abzufangen."


Das Feuerschiff "Gedser Rev", ein schwimmender Leuchtturm, markierte die Kadetrinne, einen der am stärksten befahrenen Seewege Europas. Eingezeichnet war es noch auf frühen DDR-Karten, später nicht mehr. Und in der DDR machte sich bereits verdächtig, wer überhaupt eine Seekarte erwarb.

Und die Spione der DDR waren überall. In den Neunzigerjahren wurde bekannt, dass das Ministerium für Staatssicherheit auch in Dänemark Zuträger hatte. Geahnt hatte man das schon früher: Zu ihrem eigenen Schutz wurden ostdeutsche Flüchtlinge der dänischen Polizei übergeben - und übernachteten vor ihrem Weitertransport in die Bundesrepublik im Gefängnis, bei offener Zellentür. Sicher war sicher.


Und dann kam der 9.11.1989....
Am 12.11.1989 erreichte den Fährhafen von Gedser eine merkwürdige Nachricht: Die Fähre aus Warnemünde sei komplett voll. Zu voll, die angegebene Zahl der Pkw an Bord konnte nicht stimmen. Dann öffnete sich die Bugklappe. "Meine Fresse, so viele Autos!", rief der Terminalleiter. Fünf Reihen nebeneinander, alles Trabis - "und als die ihre Zweitaktmotoren anwarfen, verschwand der Steuermann komplett im Nebel". [flash]

http://www.spiegel.de/einestages/kalter ... 83335.html

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