DDR-Flüchtlinge in Bulgarien- Aufklärung weiterer Fälle?
Verfasst: 29. April 2010, 18:37
Durchbruch bei der Aufklärung der Schicksale erschossener DDR-Flüchtlinge in Bulgarien?
Zur Zeit des kalten Kriegs waren sämtliche Grenzen des Warschauer Paktes stark gesichert. Auch den DDR-Bürgern mit Fluchtabsichten blieb nicht verborgen, dass die innerdeutsche Grenze damals zu den mit am besten bewachten Grenzen der Erde gehörte. Minen und Selbstschussanlagen zwangen sie zu neuen Überlegungen.
Der Urlaubs-Aufenthalt in Bulgarien vermittelte fälschlicherweise ein Bild eines unterentwickelten Landes. Daraus abgeleitet bildete sich die Meinung zu einer hier leicht zu überwindenden Grenze nach Griechenland. Doch das war ein Trugschluss.
Auch hier bestand seit 1952 ein Schiessbefehl.
Aus D-Radio:
„Für den Weg, über Bulgarien in den Westen zu gelangen, sprach einfach die Tatsache, dass dieses Land vergleichsweise das rückständigste Bruderland gewesen ist. Da erwartete man einfach keine modernen Grenzen, da ging man davon aus, dass der Grenzer auf einem Esel sitzt, Rakia trinkt und, ich sag mal, fünf gerade sein lässt, wenn man sich der Grenze näherte und das ist natürlich ein trügerischer Irrglaube gewesen.“
„Karl-Heinz Engelmann und Siegfried Gammisch, wollen 1966 fliehen. Wenig später sind die beiden 19-Jährigen aus dem sächsischen Schwarzenberg tot. Erschossen von bulgarischen Grenzern.“ Siehe hierzu:
http://einestages.spiegel.de/static/top ... ichen.html
Ein Forschungsvorhaben des Prof. Dr. habil. Stefan Appelius beschäftigte sich zwischenzeitlich mit der Thematik.
Im Mittelpunkt steht exemplarisch der Fall des Berliners Frank Schachtschneider (26), der im Sommer 1988 in der Volksrepublik Bulgarien bei einem Fluchtversuch starb. Die damals beteiligten bulgarischen Grenzsoldaten sollen jetzt juristisch belangt werden.
Ihm kommt es auf darauf an, möglichst viele Einzelschicksale zu rekonstruieren, die von den DDR-Behörden ganz bewusst verschleiert worden seien.
Appelius hat seit 2005 mit ungezählten Zeitzeugen, Familienangehörigen, ehemaligen Grenzern, Politikern gesprochen, in bulgarischen Kliniken und auf Friedhöfen recherchiert.
Insgesamt habe es an den bulgarischen Außengrenzen zwischen 1961 und 1989 mindestens 4500 Fluchtversuche von Ostdeutschen gegeben, sagt Appelius. Rund 100 Fluchtversuche hätten tödlich geendet.
Er stellte den Verdacht auf, dass die DDR hier Ausgleichszahlungen leistete.
Zitat: „Nach Aussagen ehemaliger bulgarischer Grenzoffiziere, die die bulgarische Zeitschrift "Anti" schon Anfang 1993 veröffentlichte, zahlte die DDR-Botschaft in Sofia bulgarischen Grenzern für jeden getöteten DDR-Flüchtling eine Prämie in Höhe von 2000 Lewa, damals umgerechnet etwa 1000 D-Mark…“
Dies konnte bisher allerdings nicht mit Sicherheit bewiesen werden, die Akten über ein sogenanntes Geheimabkommen waren unter Verschluss bzw. vernichtet worden.
2008 kam Bewegung in die Sache, der Europaabgeordneten Gisela Kallenbach waren Akten des bulg. Geheimdienstes übergeben worden.
http://www.gisela-kallenbach.de/fileadm ... 082008.pdf
Langsam kommt man der Wahrheit näher, weitere einzelne Schicksale konnten aufgeklärt werden.
„Ahnungslos wie der 23-jährige Gunter Pschera, der im Sommer 1967 gemeinsam mit einem Freund in Bulgarien Urlaub machte und der von bulgarischen Grenztruppen kurz nach Mitternacht in einer Sandkuhle liegend im Schlaf erschossen wurde. Wie durch ein Wunder überlebte damals dessen 26-jähriger Begleiter Peter Müller das nächtliche Blutbad. Die beiden hatten sich lediglich im Grenzbereich aufgehalten und waren von spielenden Kindern entdeckt worden, die den Bürgermeister des nächsten Dorfes benachrichtigten. Der ist heute noch stolz darauf, dass er die Soldaten verständigte. In einem Parteiorgan erschien kurz nach dem Vorfall ein Artikel, der den Mord zur heldenhaften Tat umdeutete: „Einige MPi-Salven zerrissen in der Dunkelheit die Stille. Die Grenzer begannen den Kampf mit den Verletzern. Einer fiel in dem scharfen Gefecht, der andere hob verwundet die Hände. So endet diese Grenzepisode im Dorf Ewrenosowo. ““
„Tatsächlich hatte Peter Müller nur knapp überlebt. Er konnte kurz nach dem Vorfall von der Stasi unbemerkt eine unzensierte Schilderung der Ereignisse zu Papier bringen und aus dem Krankenhaus in Bourgas schmuggeln. Mit diesem Papier lässt sich heute noch belegen, dass die bulgarischen Grenzer nach dem Vorfall Fotos und Berichte fälschten, um den tatsächlichen Tathergang zu verschleiern und sich selbst vor einer möglichen Strafverfolgung zu schützen. Der Fall ist auch deshalb bemerkenswert, weil sich die beiden schlafenden Männer noch mehrere Kilometer entfernt vom Grenzzaun befanden und völlig gefahrlos von der schwer bewaffneten Alarmgruppe hätten festgenommen werden können. Hier liegt die Vermutung nahe, dass es auch einen materiellen Anreiz gab, der die Ermordung von „Grenzverletzern“ begünstigte.“
Weiter hier: http://www.dummy-magazin.de/topic/get_download/365
AZ
Zur Zeit des kalten Kriegs waren sämtliche Grenzen des Warschauer Paktes stark gesichert. Auch den DDR-Bürgern mit Fluchtabsichten blieb nicht verborgen, dass die innerdeutsche Grenze damals zu den mit am besten bewachten Grenzen der Erde gehörte. Minen und Selbstschussanlagen zwangen sie zu neuen Überlegungen.
Der Urlaubs-Aufenthalt in Bulgarien vermittelte fälschlicherweise ein Bild eines unterentwickelten Landes. Daraus abgeleitet bildete sich die Meinung zu einer hier leicht zu überwindenden Grenze nach Griechenland. Doch das war ein Trugschluss.
Auch hier bestand seit 1952 ein Schiessbefehl.
Aus D-Radio:
„Für den Weg, über Bulgarien in den Westen zu gelangen, sprach einfach die Tatsache, dass dieses Land vergleichsweise das rückständigste Bruderland gewesen ist. Da erwartete man einfach keine modernen Grenzen, da ging man davon aus, dass der Grenzer auf einem Esel sitzt, Rakia trinkt und, ich sag mal, fünf gerade sein lässt, wenn man sich der Grenze näherte und das ist natürlich ein trügerischer Irrglaube gewesen.“
„Karl-Heinz Engelmann und Siegfried Gammisch, wollen 1966 fliehen. Wenig später sind die beiden 19-Jährigen aus dem sächsischen Schwarzenberg tot. Erschossen von bulgarischen Grenzern.“ Siehe hierzu:
http://einestages.spiegel.de/static/top ... ichen.html
Ein Forschungsvorhaben des Prof. Dr. habil. Stefan Appelius beschäftigte sich zwischenzeitlich mit der Thematik.
Im Mittelpunkt steht exemplarisch der Fall des Berliners Frank Schachtschneider (26), der im Sommer 1988 in der Volksrepublik Bulgarien bei einem Fluchtversuch starb. Die damals beteiligten bulgarischen Grenzsoldaten sollen jetzt juristisch belangt werden.
Ihm kommt es auf darauf an, möglichst viele Einzelschicksale zu rekonstruieren, die von den DDR-Behörden ganz bewusst verschleiert worden seien.
Appelius hat seit 2005 mit ungezählten Zeitzeugen, Familienangehörigen, ehemaligen Grenzern, Politikern gesprochen, in bulgarischen Kliniken und auf Friedhöfen recherchiert.
Insgesamt habe es an den bulgarischen Außengrenzen zwischen 1961 und 1989 mindestens 4500 Fluchtversuche von Ostdeutschen gegeben, sagt Appelius. Rund 100 Fluchtversuche hätten tödlich geendet.
Er stellte den Verdacht auf, dass die DDR hier Ausgleichszahlungen leistete.
Zitat: „Nach Aussagen ehemaliger bulgarischer Grenzoffiziere, die die bulgarische Zeitschrift "Anti" schon Anfang 1993 veröffentlichte, zahlte die DDR-Botschaft in Sofia bulgarischen Grenzern für jeden getöteten DDR-Flüchtling eine Prämie in Höhe von 2000 Lewa, damals umgerechnet etwa 1000 D-Mark…“
Dies konnte bisher allerdings nicht mit Sicherheit bewiesen werden, die Akten über ein sogenanntes Geheimabkommen waren unter Verschluss bzw. vernichtet worden.
2008 kam Bewegung in die Sache, der Europaabgeordneten Gisela Kallenbach waren Akten des bulg. Geheimdienstes übergeben worden.
http://www.gisela-kallenbach.de/fileadm ... 082008.pdf
Langsam kommt man der Wahrheit näher, weitere einzelne Schicksale konnten aufgeklärt werden.
„Ahnungslos wie der 23-jährige Gunter Pschera, der im Sommer 1967 gemeinsam mit einem Freund in Bulgarien Urlaub machte und der von bulgarischen Grenztruppen kurz nach Mitternacht in einer Sandkuhle liegend im Schlaf erschossen wurde. Wie durch ein Wunder überlebte damals dessen 26-jähriger Begleiter Peter Müller das nächtliche Blutbad. Die beiden hatten sich lediglich im Grenzbereich aufgehalten und waren von spielenden Kindern entdeckt worden, die den Bürgermeister des nächsten Dorfes benachrichtigten. Der ist heute noch stolz darauf, dass er die Soldaten verständigte. In einem Parteiorgan erschien kurz nach dem Vorfall ein Artikel, der den Mord zur heldenhaften Tat umdeutete: „Einige MPi-Salven zerrissen in der Dunkelheit die Stille. Die Grenzer begannen den Kampf mit den Verletzern. Einer fiel in dem scharfen Gefecht, der andere hob verwundet die Hände. So endet diese Grenzepisode im Dorf Ewrenosowo. ““
„Tatsächlich hatte Peter Müller nur knapp überlebt. Er konnte kurz nach dem Vorfall von der Stasi unbemerkt eine unzensierte Schilderung der Ereignisse zu Papier bringen und aus dem Krankenhaus in Bourgas schmuggeln. Mit diesem Papier lässt sich heute noch belegen, dass die bulgarischen Grenzer nach dem Vorfall Fotos und Berichte fälschten, um den tatsächlichen Tathergang zu verschleiern und sich selbst vor einer möglichen Strafverfolgung zu schützen. Der Fall ist auch deshalb bemerkenswert, weil sich die beiden schlafenden Männer noch mehrere Kilometer entfernt vom Grenzzaun befanden und völlig gefahrlos von der schwer bewaffneten Alarmgruppe hätten festgenommen werden können. Hier liegt die Vermutung nahe, dass es auch einen materiellen Anreiz gab, der die Ermordung von „Grenzverletzern“ begünstigte.“
Weiter hier: http://www.dummy-magazin.de/topic/get_download/365
AZ