Späte Hoffnung auf Gerechtigkeit

Späte Hoffnung auf Gerechtigkeit

Beitragvon pentium » 15. Mai 2023, 11:09

Späte Hoffnung auf Gerechtigkeit

Wegen Toten an Grenze zu Deutschland – Ex-Innenminister der Tschechoslowakei steht vor Gericht

Am Dienstag beginnt in Prag das Gerichtsverfahren gegen den ehemaligen kommunistischen Innenminister Vratislav Vajnar. Der heute 92-Jährige ist wegen Amtsmissbrauchs angeklagt. Diesen soll er im Zusammenhang mit mehreren Todesfällen und Körperverletzungen bei Fluchtversuchen an der tschechoslowakischen Staatsgrenze in den 1980er Jahren begangen haben.
https://deutsch.radio.cz/tschechoslowak ... en-8781310

Den Anklägern läuft die Zeit davon
Zumindest für die Angehörigen von neun Bürgern der DDR, die noch in den Jahren 1976 bis 1989 an den Grenzen der Tschechoslowakei ums Leben gekommen sind, gibt es jetzt Hoffnung auf Gerechtigkeit. Der 1976 verabschiedete UN-Zivilpakt sicherte jedem das Recht zu, sich frei über Grenzen hinweg zu bewegen. Die Tschechoslowakei hatte diesen internationalen Zivilpakt unterzeichnet und damit zu nationalem Recht gemacht, aber er wurde an der Grenze nicht umgesetzt.

Deshalb wurde 2022 gegen die drei damals für die Umsetzung zuständigen kommunistischen Funktionäre Strafanzeige erlassen. Es handelte sich um den damaligen KP-Chef Jakeš, den ehemaligen Premier Štrougal und Ex-Innenminister Vajnar, die für den Zeitraum von 1976 bis 1989 zuständig waren. Ihre Untätigkeit soll für die Tötungen mitverantwortlich gewesen sein. Dass die Ermittlungen erst 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs aufgenommen wurden, ist neuen Dokumenten zu verdanken, die beweisen, dass die Beschuldigten über die Schüsse an den Grenzen informiert gewesen waren, was sie in anderen Strafverfahren erfolgreich abgestritten hatten.

Die Verfahren gegen fünf ehemalige hochgestellte kommunistische Politiker ist ein Wettrennen um Gerechtigkeit gegen die Demenz und den Tod. Im Juli 2020 starb Jakeš im Alter von 97 Jahren, und am 6. Februar dieses Jahres ist Štrougal mit 98 Jahren gestorben. Im Gefängnis saß er keinen einzigen Tag, obwohl er sich bereits zu Anfang des Jahrtausends wegen Grenztoten verantworten musste, wobei die Anklage jedoch wegen Mangels an Beweisen fallengelassen worden war.

Der jüngste der Beschuldigten ist mit 81 Jahren der frühere Innenminister Kincl. Dieser war zwar nur noch ein Jahr bis zum 3. Dezember 1989 im Amt. In seiner Amtszeit, dem letzten Jahr kommunistischer Herrschaft, sind aber besonders grausame Morde an DDR-Bürgern an der Grenze passiert. Günther Herbert Zeh wurde am 14. September 1989, wenige Wochen vor dem Mauerfall, bei Komorn an der tschechoslowakisch-ungarischen Grenze erschossen. Er gilt als das letzte deutsche Opfer des Eisernen Vorhangs in Europa. Ungarn war eigentlich auch Mitglied des Ostblocks, aber es hatte seine Grenzen schon im Sommer 1989 geöffnet.

Mit einem Urteil vom 3. März stellte das Verfassungsgericht die strafrechtliche Verfolgung des 95-jährigen ehemaligen Vordenkers der Kommunistischen Partei der ČSSR, Jan Fojtík, endgültig ein. Der bis 2021 amtierende Kommunisten-Chef von Böhmen und Mähren, Vojtěch Filip, kritisierte den Prozess gegen Vajnar als politisch motiviert und verwies auf vergangene Misserfolge der Ankläger gegen ehemalige Funktionäre des Regimes.

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*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
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Re: Späte Hoffnung auf Gerechtigkeit

Beitragvon augenzeuge » 15. Mai 2023, 12:09

Das ist gut und notwendig.

ist neuen Dokumenten zu verdanken, die beweisen, dass die Beschuldigten über die Schüsse an den Grenzen informiert gewesen waren, was sie in anderen Strafverfahren erfolgreich abgestritten hatten.


Der Tote an der tschech. /ungar. Grenze ist wohl einmalig.
Bitter, so wenige Wochen vor der Öffnung.

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