Über die Oder in den WestenWie bereits erwähnt, war es an der "Oder-Neiße-Friedens-Grenze " auch vor 1989 immer wieder zu " illegalen Übertritten" gekommen. Wobei keine Schusswaffenanwendungen bzw. durch Schusswaffenanwendungen getötete oder verletzte Flüchtlinge bekannt sind. Menschen sind aber auch an dieser Grenze gestorben:
https://todesopfer.eiserner-vorhang.de/ ... k-mueller/Als sich im Spätsommer 1989 viele tausend Menschen aus der DDR aufmachten, um das Land zunächst via CSSR und Ungarn in die Bundesrepublik zu verlassen, nahm die Fluchtwelle spätestens im September 1989 ihren Weg auch über Polen. Die an Oder und Neiße dislozierten Grenztruppen zeigten sich von Anfang an mit der Situation völlig überfordert. Abhilfe sollten eilends von der Westgrenze abgezogene Grenzkompanien und Einsatzkräfte der Volkspolizei bieten.
Seitens des Volkspolizeikreisamtes Seelow wurde dazu in der Zeit vom 13.09. -27.10. 1989 ein Unterstützungseinsatz durchgeführt. Ich gehörte damals ebenfalls zu den dort eingesetzten Polizisten. Anfangs allein. Später wurden mir zwei wehrpflichtige Bereitschaftspolizisten an die Seite gestellt. Der Einsatz gestaltete sich über weite Strecken ähnlich chaotisch, wie die gesamte, zu jenem Zeitpunkt herrschende Situation in der DDR.
Anfangs ging die VP-Führung noch davon aus, dass der Einsatz spätestens nach dem 07. Oktober, dem " 40, Geburtstag der DDR", beendet sein wird. Nach damaliger Lesart wurde offiziell behauptet, dass die Situation " von der Bundesrepublik künstlich herbeigeführt wurde, um die Feierlichkeiten zum 07.Oktober zu stören." Andere munkelten, dass sich das Grenz-Regime an Oder und Neiße in der bisherigen Form nicht mehr lange beibehalten werden konnte. Man ging davon aus, dass es über längere Zeit einen starken "Druck auf die Staatsgrenze Ost" geben wird, auf dem mit einer verstärkten Grenzsicherung reagieren werden muss. Einig war man sich jedoch in der Frage, dass sich die DDR, aus Gründen des außenpolitischen Ansehens, jedoch keine " neue Mauer im Osten" leisten konnte.
Vorerst bestand die Aufgabe der an der Grenze eingesetzten Volkspolizisten darin, möglichst offen Präsenz zu zeigen. Wovon sich die Führung eine abschreckende Wirkung auf eventuelle "Grenzverletzer" erhoffte. Die Anwendung der Schusswaffe zur Verhinderung von " illegalen Grenzübertritten", war kategorisch verboten!
Nach dem Ende des Einsatzes sah die Bilanz des gesamten von Grenztruppen und VP in dem ca. 40 km langen Grenzabschnitt des Kreises Seelow, wie folgt aus:
- Grenzabschnitt Lebus
10 Angriffe mit 19 Personen
- Grenzabschnitt Kietz
4 Angriffe mit 9 Personen
- Grenzabschnitt Sophiental
3 Angriffe mit 4 Personen
-Grenzabschnitt Genschmar
3 Angriffe mit 6 Personen
- Grenzabschnitt Kienitz
2 Angriffe mit 4 Personen
- Grenzabschnitt Gieshof
2 Angriffe mit 7 Personen
Grenzabschnitt Reitwein
1 Angriff mit einer Person
Die Festnahmen schlüsseln sich laut den Unterlagen, wie folgt auf:
13 x durch polnische Grenztruppen
8 x durch Grenztruppen der DDR
4 x durch Volkspolizei
Von den festgestellten Personen stammten :
4 aus dem Kreis Seelow
8 aus dem übrigen Bezirk Frankfurt (Oder)
und die übrigen aus anderen DDR-Bezirken
Die Führung der Grenztruppen in Frankfurt (Oder) bemängelte, dass seitens der Bevölkerung kein einziger Hinweis zu potentiellen Grenzverletzern eingegangen war. Weiterhin wurde vermerkt, dass sich ein großer Teil der Fluchtwilligen, zuvor, offenbar um ihren Aufenthalt an der Oder gegenüber den Grenztruppen zu verschleiern, eine Angelberechtigung besorgt hatten. Da an der Oder kein Sperrgebiet bestand, konnte ihnen der Aufenthalt dort nicht verboten werden.
Gruß an alle
Uwe