Als Elfriede Grabbert vor 35 Jahren mit einem DDR-Bürger der Grenze zu nah kommt, wird sie verhaftet. Im heimischen Aichach glühen die Drähte, damit sie freikommt
Weihnachten gilt als das Fest der Liebe. Ob es dabei immer so harmonisch abläuft, wie sich das jeder wünscht, ist eine andere Sache. Weihnachten getrennt von der Familie zu verbringen, wünscht sich trotzdem keiner. Elisabeth Grabbert hatte vor 35 Jahren keine Wahl. Die damals 23-jährige Bauzeichnerin saß wegen „Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt“ in einem ungarischen Gefängnis. Fünf Monate, die die Aichacherin auch heute noch sehr lebendig vor Augen hat.
Grabbert, deren Vater von der Insel Rügen kam, hatte in der damaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) Familienangehörige, die sie öfter besuchte. Zu den 23 Cousins und Cousinen habe sie regen Kontakt gehalten, erzählt die 58-Jährige. Im August 1978 plant sie mit dem befreundeten Sohn einer Cousine einen Urlaub in Ungarn.
Dass der 25-jährige Lothar den Urlaub zur Flucht in den Westen nutzen will, ahnt sie damals. Was sie jedoch nicht weiß, ist, dass sie mit einem DDR-Bürger im Auto einen bestimmten Abstand zur ungarischen Grenze hätte einhalten müssen. Etwa zwei Kilometer sind sie am 7. September 1978 von der Grenze zum damaligen Jugoslawien entfernt, als sie in der Nähe von Zalaegerszeg von Grenzbeamten angehalten und kontrolliert werden, erinnert sich die frühere Kulturreferentin der Stadt Aichach.
Die Grenzer verhaften und verhören die beiden. Bei der Vernehmung ihres Cousins sind sie nicht zimperlich, weiß sie mittlerweile. Damals werden die beiden sofort getrennt. Grabbert erfährt erst später, dass Lothar in die DDR zurückgebracht wird und dort eine Gefängnisstrafe in Bautzen absitzen muss.
Für sie selbst beginnt ein Drama in Ungarn. Nach einem Tag Untersuchungshaft wird sie in ein anderes Gefängnis ins etwa 50 Kilometer entfernte Nagykanizsa verlegt. „Ich musste mit meinem eigenen Auto hinter dem Polizeilastwagen herfahren“, erinnert sie sich. Mit im Auto eine Ärztin, die ebenfalls verlegt wurde. Grabberts Gefängniszelle ist vier Meter lang, etwa zwei Meter breit und drei Meter hoch. Eine größere Schuhschachtel, in der eine einfache Holzpritsche steht. Will die 23-jährige zur Toilette, muss sie den Wärtern klopfen.
Etwa 14 Tage dauert es, bis sie in ein anderes Untersuchungsgefängnis in der Nähe von Budapest verlegt wird. „Die Zelle war schon etwas vornehmer“, sagt Grabbert. Zum ersten Mal seit der Verhaftung kann sie duschen.
Ende September bekommt sie Besuch von einer Rechtsanwältin, die von der deutschen Botschaft geschickt worden ist. „Ich selbst hatte bis dahin überhaupt keine Möglichkeit, mit jemandem Kontakt aufzunehmen“, erzählt die 58-Jährige heute.
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