Volker Zottmann hat geschrieben:Mensch Beethoven,
dass ist ja gerade so, als würde mein Vater alte Wehrmachtswerbefilmchen servieren.
Ich will diese rosigen Propagandafilme nicht sehen. Leider gibt es kein Filmmaterial dazu, wie Grundwehrdienst leistende Soldaten schikaniert und psychisch terrorisiert wurden, um mittels Gehirnwäsche im entscheidenden Moment den Zeigefinger zu krümmen.
Hast Du das nicht auch mal satt?
Gruß Volker
Tja Volker, dass Du in Neiden bei den Baupionieren, Deiner Meinung nach, besonders drangsaliert wurdest, ist ja nun hinlänglich bekannt. Und ganz sicher gab es in der NVA, so wie auch in jeder anderen Armee diese Welt, Härten zu ertragen und Vorgesetzte die es übertrieben haben, bis zu Verstößen die durchaus juristisch aufgearbeitet werden mussten oder konnten. Wer will das bestreiten?
Weicheier hatten es da schwer und jammern heute noch darüber.
Nun haben wir zum Glück einige Herrschaften in diesem Forum, die den Grundwehrdienst in der NVA absolviert haben, so wie ich dies auch getan habe. Bei mir begann dies am 04. November 1974. Am 5. November gleiches Jahres, ging ich mit meinen damaligen Kameraden, nach dem Frühsport (auf Befehl des durchführenden Uffzes) in der Ostsee baden und bewegt mich die kommenden 6 Wochen nur noch im Laufschritt. Beim Gang zum Klo, wo über dem Eingangsbereich eine Reckstange angebracht war, galt es erstmal mindestens 13 Klimmzüge zu absolvieren, bevor man pinkeln oder anderes konnte. Beobachtet wurde dies von UvD-Tisch aus. Es gab also einige "Nettigkeiten" über die selbst die Soldaten, wenn sie dann richtige Soldaten waren, nur noch lächelten.
Umziehtraining, Zimmeraufbau am Strand, endlose Stubendurchgänge am Sonnabend, "freiwillige" sportliche Betätigung den ganzen Sonntag, Schutzmaske auf und im Laufschritt, sobald man die Kaserne in Marschformation verließ und nicht gleich mit der Nase im Dreck lag um sich taktisch zu bewegen, sind doch Kleinigkeiten. Entengang mit Waffe in Vorhalte, 50 Liegestütze um den Brief von der Freundin oder Mutti zu erhalten, 25 Beugestütze am Barren bei kleinsten Verfehlungen (damit meine ich z.B. wenn der Mittelfinger der Faust nicht an der Hosennaht lag im "still gestanden") sind doch Pillepalle.
"Privatunterricht" auf dem Explatz oder auf dem Sportplatz oder der Sporthalle mit nem Kapo, wenn was nicht geklappt hat wie es sollte, dienten zur Festigung und Erweiterung der Fertigkeiten und Fähigkeiten des einzelnen Soldaten. Hat mich alles nicht gekratzt. Ich nahm es halt so wie es kam und sah es als sportliche Betätigung an, so wie meine Kameraden dies auch taten. Und marschieren, marschieren, marschieren mit Gefechtsausrüstung und oft unter Schutzmaske haben mich allerdings auch angekotzt.
Viel wichtiger war eine harte und fordernde Gefechtsausbildung, Schießausbildung, Topo-Ausbildung, physische Ausbildung usw. .
Ich habe mich dabei wohl gefühlt. Allerdings war ich nie ein weinerlicher Typ und zum Glück die Jungs neben mir auch nicht. Na ja, es gab schon mal ne Ausnahme, die aber nicht alt geworden sind bei uns und vermutlich hätten diese Buschen auch in Neiden rumgeheult, wie Du es hier so tust.
Die politische Erweichnis, hatte eigentlich in der Grundausbildung und auch später nie einen so hohen Stellenwert wie Du uns hier glauben machen willst. Ja, es gab die zwei Tage Polit aber wer von den Vorgesetzten hat das schon 100-%-ig durchgezogen?
Als ich noch Zugführer war nutzte ich diese Zeit unter anderem um die Truppe auf die nächsten Höhepunkte in der Gefechtsausbildung, auf bevorstehende, andere wichtigen Maßnahmen auszurichten. Natürlich machte ich auch das Politpensum. Ging ja nicht anders. Und ich weiß, dass dies von den Vorgesetzten in gleicher Dienststellung nicht anders gemacht wurde. Schließlich habe ich/wir dieses System ja von meinen/unseren Vorgängern so gesehen und übernommen. Erzähl mir nicht, dass dies in Neiden anders war.
Als Kompaniechef, der ja in diesen zwei Tagen das Unteroffizierskorps politisch schulte, habe ich die theoretische Ausbildung der Gefechtsausbildung vorbereitet. Also Ausbildung organisiert, die Stationen im Stationsdienst festgelegt, welcher Uffz, welche Station hatte, die Handzettel dazu schreiben lassen, die materielle Vorbereitung der Gefechtsausbildung organisiert und, natürlich, auch das Politpensum durchgezogen. Wann hatte man schon mal alle Uffze der Einheit an einem Tisch. Am Sonnabend, wenn der Spieß die Soldaten unter Dampf hielt, bin ich mit den Uffzen ins Gelände gegangen und habe dort, vor Ort, die instruktiv methodische Ausbildung mit den Uffzen durchgeführt. Lief alles super und nur deshalb, wurde mein Zug und später meine Kompanie mehrfach "Bester Zug" oder "Beste Kompanie".
Es gibt in meinen Augen eben Männer die auch Soldaten sein können und es gibt Memmen. Wozu Du Dich zählst, darfst Du Dir gerne aussuchen.
https://www.youtube.com/watch?v=2DfMjXW7ukM (das Filmchen ist eigentlich ein Witz und zeigt in keiner Weise die Grundausbildung in der NVA)
Freundlichst