Aufspüren, festnehmen, vernichten
Verfasst: 25. Juni 2020, 10:52
DER SPIEGEL - 33/1990 / Aufspüren, festnehmen, vernichten
In 38 Jahren haben DDR-Soldaten mehr als 200 Flüchtlinge an der deutsch-deutschen
Grenze getötet. Nun soll den "Mauer-Mördern" der Prozeß gemacht werden. Doch wen trifft die
Schuld: die Todesschützen der Volksarmee (Grenztruppen) oder die DDR-Spitze, die den
Schießbefehl gab? Entgehen die Täter am Ende jeder Bestrafung?
Die Unschuldsbeteuerungen sind auf holzigem Ost-Papier miserabel getippt, Erich Honecker, 77,
hat sie in seiner Klause im Militärhospital von Beelitz seiner Frau Magst in die Maschine diktiert.
Immer wieder hat er herumgestrichen im Text, hat handschriftliche Wörter ersetzt - wieder
durchgestrichen: der Versuch des ehemaligen Staatsmannes, zu erklären, dass er nichts dafür kann,
nichts für den Schießbefehl, nichts für den Tod der mindestens 200 DDR-Bürger, die Soldaten an der
Staatsgrenze West erschossen haben.
Die Gesetze, die er zum Schutz der Grenze unterschrieben habe, hätten den "in verschiedenen Ländern,
darunter der BRD, üblichen Bestimmungen" geähnelt. Einen "Schießbefehl genereller Art" habe es nie gegeben.
Zweimal gaben die ostberliner Anwälte Friedrich Wolff und Wolfgang Vogel, die Honecker mehrmals
in der Woche in seiner Zweiraumwohnung auf dem Klinikgelände besuchten, dem alten Mann den
Text zurück, mit der Bitte, sich klarer zu fassen.
Klarer wurde es auch beim dritten Mal nicht. Er, Erich Honecker, sei es schließlich gewesen, ließ er
Ehefrau Margot tippen, der schon Anfang 1987 "Beschlüsse über ein Schußwaffenverbot" an der Grenze
durchgesetzt habe.
Wer hat das beschlossen? Er weiß es nicht mehr - so ganz ohne Akten.
https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery ... f/13500337
W. T.
In 38 Jahren haben DDR-Soldaten mehr als 200 Flüchtlinge an der deutsch-deutschen
Grenze getötet. Nun soll den "Mauer-Mördern" der Prozeß gemacht werden. Doch wen trifft die
Schuld: die Todesschützen der Volksarmee (Grenztruppen) oder die DDR-Spitze, die den
Schießbefehl gab? Entgehen die Täter am Ende jeder Bestrafung?
Die Unschuldsbeteuerungen sind auf holzigem Ost-Papier miserabel getippt, Erich Honecker, 77,
hat sie in seiner Klause im Militärhospital von Beelitz seiner Frau Magst in die Maschine diktiert.
Immer wieder hat er herumgestrichen im Text, hat handschriftliche Wörter ersetzt - wieder
durchgestrichen: der Versuch des ehemaligen Staatsmannes, zu erklären, dass er nichts dafür kann,
nichts für den Schießbefehl, nichts für den Tod der mindestens 200 DDR-Bürger, die Soldaten an der
Staatsgrenze West erschossen haben.
Die Gesetze, die er zum Schutz der Grenze unterschrieben habe, hätten den "in verschiedenen Ländern,
darunter der BRD, üblichen Bestimmungen" geähnelt. Einen "Schießbefehl genereller Art" habe es nie gegeben.
Zweimal gaben die ostberliner Anwälte Friedrich Wolff und Wolfgang Vogel, die Honecker mehrmals
in der Woche in seiner Zweiraumwohnung auf dem Klinikgelände besuchten, dem alten Mann den
Text zurück, mit der Bitte, sich klarer zu fassen.
Klarer wurde es auch beim dritten Mal nicht. Er, Erich Honecker, sei es schließlich gewesen, ließ er
Ehefrau Margot tippen, der schon Anfang 1987 "Beschlüsse über ein Schußwaffenverbot" an der Grenze
durchgesetzt habe.
Wer hat das beschlossen? Er weiß es nicht mehr - so ganz ohne Akten.
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W. T.