Gymnasium durfte nich nach Havemann benannt werden

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Gymnasium durfte nich nach Havemann benannt werden

Beitragvon Interessierter » 31. August 2016, 10:43

Wie 1992/93 verhindert wurde, ein Lichtenberger Gymnasium nach Robert Havemann zu benennen

Im Herbst 1989, sieben Jahre nach seinem Tode, trat das ein, was Robert Havemann, der in diesen Tagen 90 Jahre alt geworden wäre, bereits 1978 prophezeite: Das SED-Regime war am Ende und das Politbüro wurde zum Teufel gejagt.

Doch noch waren Havemanns Gegner einflussreich, zumal in dem Bezirk der ehemaligen Stasi-Zentrale. Die Auseinandersetzung um die Namensgebung verdeutlicht die ungebrochene Aktualität Robert Havemanns auch in der Gegenwart.


1. Eine Schule sucht einen Namen

Die friedliche Revolution des Wendeherbstes hat dazu geführt, dass alle Schulen ihre zumeist ideologisch geprägten Namen verloren und die Schulangehörigen aufgefordert wurden, sich einen neuen Schulnamen zu suchen. Vorübergehend wurden alle Schulen durchnummeriert.

Als Lehrer des 6. Gymnasiums Lichtenberg schlug ich in einem vierseitigen Begründungspapier den Schulgremien und allen Angehörigen der Schule vor, der Schule den Namen Robert-Havemann-Oberschule zu geben. Wie ich mich bei der entsprechenden Senatsstelle vergewissert habe, wäre das Lichtenberger Gymnasium die erste und einzige Schule Deutschlands gewesen, die nach Robert Havemann benannt worden wäre.

Ich besaß allerdings einen psychologischen Nachteil, den ich anfangs unterschätzt hatte: Als Austauschlehrer aus dem Westen wurde ich von einigen Schulangehörigen nur als Lehrer 2. Klasse angesehen.

2. Widerstand gegen den Havemann-Vorschlag

Mein Vorschlag vom 29. November 1992, der mir gerade im Bezirk der ehemaligen Stasi-Zentrale sinnvoll erschien, schlug wie eine Bombe ein und beherrschte die gesamte Schuldiskussion bis zur Entscheidung im März 1993:

Vor allem eine Elterngruppe, die teilweise vor der Wende in der Magdalenenstraße beruflich tätig war, fühlte sich veranlasst, gegen den »provokativen« Vorschlag tätig zu werden und alle noch vorhandenen Einflussmöglichkeiten geltend zu machen, um ein Robert-Havemann-Gymnasium in Lichtenberg zu verhindern:

Auf Elternversammlungen wurde Stimmung gegen Havemann gemacht, gegen den Urheber des Vorschlags wurde eine Mobbing-Kampagne gestartet, die Gremien der Schule wurden auf »Linie« gebracht, Gymnasial-Schulrätin (von 1982 bis 1987 im Pionierpalast Ernst Thälmann tätig) und Stadtrat (von der SPD) wurden zu ablehnenden Äußerungen veranlasst, die PDS leistete Schützenhilfe in der Bezirksverordnetenversammlung.

Die SPD-Fraktion brachte am 3.2.1993 folgenden »Antrag zur Beschlußfassung« der BVV Lichtenberg am 17. Februar 1993 ein: »Die Bezirksverordnetenversammlung wolle beschließen: Die Schulkonferenz des 6. Gymnasiums wird ersucht, als Namen für das Gymnasium ‘Hans und Hilde Coppi’ zu wählen. Begründung: Der Streit zur Namensgebung sollte schnellstmöglich beendet werden.«

Um die zwar spannende, aber missliebige Diskussion abzubrechen, wurde die Wiederbelebung der DDR-Schulbezeichnung vorgeschlagen.

3. Unterstützung für den Havemann-Vorschlag


Da mir bald klar wurde, dass ich allein keine Chance gegen die alten Seilschaften haben würde, warb ich um Unterstützung unter meinen Schülern und Kollegen und schrieb etwa 100 politische Freunde an.

Es entwickelte sich erfreulicherweise eine kleine Schülerinitiative für Robert Havemann und auch im Kollegium fand ich einzelne Mitstreiter.

Solidarität von außen kam im Januar 1993 u.a. von: Angelika Barbe, Peter Brandt, Rainer Eppelmann, Hartmut Jäckel, Freya Klier, Hubertus Knabe, Reiner Kunze, Erich Loest, Markus Meckel, Gerd Poppe, Lutz Rathenow, Hans Joachim Schädlich, Hans Schwenke, Lotte und Wolfgang Templin, Wolfgang Thierse, Hermann Weber, Konrad Weiß, Manfred Wilke, Heinrich Winkler und Vera Wollenberger und anderen.

Inzwischen wurde auch die Presse aufmerksam, zunächst ein Bezirksblättchen, anschließend Tagesspiegel, Berliner Zeitung, Morgenpost und TAZ, schließlich auch überregionale Zeitungen wie die Die Zeit oder die Frankfurter Rundschau.

Weiter hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... 0-klepper/
Interessierter
 

Re: Gymnasium durfte nich nach Havemann benannt werden

Beitragvon EMW-Mitarbeiter » 31. August 2016, 11:58

Vorübergehend wurden alle Schulen durchnummeriert.

Schlecht recherchiert, die waren immer durchnummeriert.
Ich lese nur noch.
Manchmal platzt mir der Kragen, manchmal schmunzel ich.
Aber weiterhin gegen ewige Betonköpfe diskutieren werde ich nicht.
EMW-Mitarbeiter
 
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