Rettung in letzter Minute: Forscher aus der Runden Ecke entdecken bei Abriss Reste eines Sowjet- und Stasi-Gefängnisses
Der Hinweis war gut – und verblüffte den Leiter der Gedenkstätte Museum in der Runden Ecke. „Kommen Sie zur Mädler-Villa, dort werden gerade die alten Stasi-Gebäude abgerissen“, so ein Anrufer. Der Tipp-Geber hatte in der LVZ Berichte von Zeitzeugen gelesen, nach denen auf dem Gelände der Villa auch die Gestapo und der sowjetische Geheimdienst NKWD Menschen inhaftiert haben sollen.
Tobias Hollitzer radelte selber vor Ort und war perplex. Denn die alten Gefängniszellen sollten eigentlich schon kurz nach der Wende vom damaligen stadteigenen Betrieb für Beschäftigungsförderung abgebrochen worden sein. Doch bei einem Rundgang durch den später von der Stasi über dem Zellenbau errichteten Büro-Komplex zeigte sich, dass die Zellen, im rechten Winkel L-förmig angeordnet, immer noch vorhanden waren. Allerdings hatten sie in der Zwischenzeit einen neuen Farbanstrich erhalten; die Zellentüren waren ausgewechselt und auch die Fußböden im Flur mit Baumarkt-Fliesen aufgehübscht worden – nur die kleinen Fenster zum einstigen Gefängnishof waren noch immer massiv vergittert. Um dieses wichtige Zeugnis aus der Frühzeit der kommunistischen Diktatur in Leipzig wenigstens noch zu dokumentieren, beauftragte die „Runde Ecke“ Bauarchäologen mit einer bauhistorischen Untersuchung. Die Abbruchfirma Caruso unterstützte die Untersuchungen.
Als der Putz genauer untersucht wurde, kamen in den ehemaligen Zellen noch weitere Spuren aus der Gefängniszeit zum Vorschein. So wurden zahlreiche Befestigungspunkte entdeckt, an denen einst Hocker, Tisch und Bett angebracht waren, die die Gefangenen an den Wänden hochklappen mussten. Denn die insgesamt 28 Zellen waren klein, jede nur etwa zwei mal vier Meter groß. „Wo die beiden Gefängnisflure zusammenliefen, befand sich vermutlich ein Raum für das Wachpersonal“, erzählt Hollitzer. „Von dort aus hatten sie alle Gefängnistüren und den Gefängnishof im Blick.“
Es gibt für die Zeit bis 1952 zwei Zeitzeugen, die berichten, dass sie hier vom sowjetischen Geheimdienst NKWD inhaftiert wurden. Es gibt keine Belege für eine Gestapo-Außenstelle.
Das Gefängnis wurde allerdings nicht nur vom sowjetischen Geheimdienst genutzt. So wie das Gefängnis in der Beethovenstraße (jetzt Straße des 17. Juni 1953) gelangte auch der Zellentrakt auf dem Gelände der Mädler-Villa 1952/53 in die Zuständigkeit der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig. Als sicher gilt, dass die Stasi dort Ende 1953 Leipziger inhaftiert hat. „Anfang November gab es in Leipzig zwei große Verhaftungsaktionen“, sagt Hollitzer. Da die MfS-Untersuchungshaftanstalt überfüllt gewesen war, sei „ein Teil der alten Häftlinge“ auf das Gelände der Mädler-Villa gebracht worden. Erst 1960 wurde der Mädler-Standort nicht mehr als Gefängnis genutzt.
Wir konnten buchstäblich in letzter Minute wichtige Einblicke in ein bauliches Zeugnis der DDR-Geschichte erhalten, zum dem andere Quellen kaum Aufschluss liefern.
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