Würstchen hat geschrieben:Wie seht Ihr eigentlich die Reihenfolge von "Wichtigste Person" bis "Auch Wichtig" - sprich wer hat den größten Anteil an der Revolution?
Ich möchte jetzt mal nicht diverenzieren zwischen "Wichtigste" und "auch wichtig", sondern nur von meinem Erlebten ausgehen.
Für mich persönlich waren nur die Leute wichtig, die es gewagt haben sich öffentlich gegen diesen allmächtigen Staatsapparat aufzulehnen........gegen ihn zu protestieren.
Als es die ersten Demos in unserer Stadt gab, es begann in der Sankt-Marien-Kirche, hatte ich den inneren Drang dort hinzugehen. Warum und Weswegen kann ich heute gar nicht mehr so genau sagen.....nur ich mußte da einfach hin.
Da die Kirche in der Nähe meiner Eltern lag, fuhr ich mit dem Auto hin, um den Rest zu Fuß zu gehen. Mein Vater warnte mich noch, ich soll mir das gut überlegen, denn er weiß, welch böses, vielleicht auch blutiges Ende alles nehmen kann. Im Grunde hatten beide Angst um mich.
Als ich zur Kirche kam, lag das äußere Umfeld im Dunkeln, man hörte nur relativ leise, was im Innern der Kirche gesprochen wurde. Die Kirche selbst war voll und einige standen dann (so wie ich) draußen, um dem Geschehen drinnen zu folgen. Die eigene innere Unruhe, die Nervosität und die Dunkelheit hatten für mich irgend etwas Gespenstisches. Und um ehrlich zu sein, ich kann heute nicht mal mehr sagen, worüber in der Kirche gesprochen wurde. Denke ich daran zurück, empfinde ich nur das unwohle Gefühl das ich hatte und die Worte meines Vaters werden wieder wach.
Das in der Kirche gesagt wurde, sie wollen heute erstmals durch die Stadt ziehen, hatte ich nicht mal mitbekommen. Als alle die Kirche verließen, gingen einige mit Spruchbändern auf die Straße, der Rest (nicht alle) formierte sich dahinter. Man forderte uns auf, ruhig durch die Straßen zu ziehen, nicht zu provozieren und keinen zu reizen.
Für mich beunruhigend war in dem Moment, daß es insgesamt noch gar nicht so viele waren und als noch beunruhigender empfand ich, daß wir am Straßenrand von Polizei und einigen in Zivil begleitet wurden.............und immer wieder die Aufforderung Ruhe zu bewahren.
Der Weg führte auch am Stasi-Gebäude vorbei. Die Rollläden waren heruntergelassen und der Zug stoppte in diesem Bereich. Einer rief dann so etwas von : "Stasi...", worauf man dann gleich wieder konterte ruhig zu bleiben und keinesfalls zu provozieren. Ich glaube, vor Nervosität hätte ich da zerspringen können, zumal, schaute man nach vorn und nach hinten, so waren wir wirklich nur ein kleiner "Haufen".
Und um ehrlich zu sein, ich habe dreimal durchgeatmet, als wir wieder an der Kirche waren und ich unbeschadet nach Hause konnte.
Aber das Wissen, es hatte geklappt, es ist nichts passiert, all das, was ich gerade erlebt habe, ist möglich, gab mir auch den Mut weiter zu machen.
Und es war ein schönes Gefühl, zu sehen, wie sich schlagartig die Zahl der Menschen erhöhte, die ebenfalls diesen Mut hatten.
Wie gesagt, für mich persönlich waren nur all diese Menschen wichtig, nur die haben mich dazu ermutigt.
Und ich glaube, vieles war damals auch nur durchsetzbar, weil man wußte, man hatte den größten Teil der Bevölkerung hinter sich.
Gruß
Herbert