Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Alles was in den Zeitraum nach der Wende gehört. Das Zusammenwachsen von zwei grundverschiedenen Systemen, Probleme, Erwartungen, Empfindungen usw.

Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon Interessierter » 12. Juli 2012, 19:18

Also da hast Du ein sehr interessantes Thema angeschnitten, das gar nicht so einfach und schon gar nicht mit wenigen Worten zu beantworten ist.
Ich selber habe mich schon öfters einmal gefragt, wie ich selbst denn reagieren würde, wenn ich User aus den neuen Bundesländern wäre. Ich bin zur Erkentnis gekommen, daß Reaktionen wie Du sie beschreibst, wahrscheinlich auch von mir gekommen wären.
Gleich ob berechtigt oder unberechtigt, mir würden die konstanten Vorhaltungen auch auf den Nerv gehen und ich würde wohl gelegentlich dann auch in diese " Wagenburgmentalität " verfallen.
Dabei darf aber nicht die konstante Miesmacherei des heutigen Deutschlands vergessen werden, was bei den Bürgern der alten Bundesländer die gleiche Mentalität hervorruft.

Wohlwissend aber auch, daß in der nächsten oder übernächsten Generation kein Mensch noch solche Diskussionen führen wird, wie wir " älteren " es hier machen, frage ich mich gleichzeitig warum ich überhaupt darüber diskutiere.
Meine Antwort darauf ist einfach: Einmal weil es mich interessiert zu lesen wie Menschen aus ihrem Leben in der DDR berichten und auch gleichzeitig denen zu widersprechen, die ich gerne als " Schönredner " bezeichne. Dabei habe ich bei meinem Start gar nicht geschrieben, sondern nur gelesen, bis man mich ansprach doch auch zu schreiben. Wie gesagt nicht hier.

Die von Dir angesprochene Formulierung " man wolle Dir Dein Leben in der DDR erklären " ist doch keine Erfindung von Wessis, nein - in meinen Augen empfindet ihr das vielleicht so - , ich jedenfalls maße mir das nicht an.
Dabei lässt Du aber völlig unerwähnt, dass ein hoher Prozentsatz dieser Streitgespräche mit Bürgern aus der ehemaligen DDR und nicht aus den alten Bundesländern stattfinden.
Diese von Euch immer geforderten Zeitzeugen werden dann der Unwahrheit bezichtig, was ich nun wirklich als bemerkenswert erachte. Man ignoriert einfach, daß X und Y die gleiche Sache völlig unterschiedlich in der DDR erlebt haben und bezichtigt den anderen der Unwahrheit.

Ich finde bestimmte User können nicht einmal aktzeptieren, daß ihnen ehemalige DDR Bürger aufgrund ihrer Erfahrung klipp und klar sagen, dass diese SED - Diktatur menschenverachtend war und daß sie so etwas nie wieder erleben möchten.

Nicht nur keine Aktzeptanz, nein nun werden sie verbal attackiert. Wenn sie sich dann verteidigen und mit " gleicher Münze " heimzahlen, wird das Team aufgefordert einzugreifen. Diese Opferlegende wurde schon häufig benutzt um unliebsame User mundtot zu machen.

Uwe, weiter frage ich Dich woher nehmen DDR Bürger sich das Recht, den Bürgern aus den alten Bundesländern großes Wissen über die DDR zu haben, abzustreiten ? Von den Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen dieses Staates habt ihr doch großenteils auch erst nach der Wende erfahren ( nach eigener Aussage ), während diese Dinge großenteils in den alten Ländern bekannt waren. Alle User egal ob Ossis oder Wessis haben ihr Wissen aus eigenem Erleben oder aus den Medien
oder Büchern.

Ob sie ihr Wissen nun mittels eines Links einstellen oder dessen Inhalt in eigene Worte fassen ( ohne die Quelle zu nennen ) ist doch schnuppe. Das nur als Anmerkung für die User, die Probleme haben das zu erkennen.

Fazit:
Solange User aus den alten und den neuen Bundesländern nicht in der Lage sind zu aktzeptieren, dass zwei Menschen die gleiche Sache völlig unterschiedlich in der DDR erlebt haben, werden wohl leider die Diskussionen um eine Sache abgleiten in persönliche Diffamierungen.

Mit entsprechender Gelassenheit muß ich aber auch gestehen oder frage mich, sind " gewisse User " nicht das " Salz in der Suppe " oder der benötigte Gegenpol ? [grin]

Also meine lieben User und Genossen: " Vorwärts immer - rückwärts nimmer "

Mit den besten Grüßen
" Der Interessierte "
Interessierter
 

Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon Nov65 » 12. Juli 2012, 19:29

Schönen Abend@ABV,
ich kann dir gut nachfühlen und ich bin dir wegen deiner Aussagen dankbar. Du machst dir aber wenigstens Gedanken über das Phänomen. Andere verteidigen die DDR, meinen aber sicher nur ihr Leben in der DDR. Fragestellungen und Angriffe gegen die Gesellschaftsordnung in der DDR sind zu trennen von Angriffen gegen die meisten Menschen in der DDR. Das können viele leider nicht unterscheiden und werden zu Anwälten des Unrechtregimes. Den ehemaligen Westdeutschen fehlt logischerweise bei ihren Argumentationen das selbst Erlebte. Deshalb sollten sie auch nie so forsch auftreten wie es manche tun.Wir damals waren auch nicht blöd, das beweisen wir doch im neuen Deutschland täglich. Ich bin vielen Helfern in den ersten 90-er Jahren sehr dankbar. Ich hatte plötzlich Aufträge in Aufbau und Umstrukturierung von Verwaltungsteilen sowie der Polizei im Norden eines Bundeslandes auszuführen.Kam mir vor wie im Smolny mit umgeschnalltem Revolver. Ich hatte nicht Verwaltung studiert und kannte keine Verwaltungen der alten Bundesrepublik. Und da bekam ich umfangreiche und ich glaube uneigennützige Hilfe von West-Verwaltungsleuten.Ich hielt mich häufig in westdeutschen Städten auf, um deren Verwaltungsstrukturen zu studieren.Später erwarb ich dann die Befähigung für den Höheren Verwaltungsdienst. Da ging es besser.
In all den Jahren bemerkte ich aber: Wir Ostdeutschen konnten das. Das erfüllt mich heute als Mann im Ruhestand noch mit Stolz. Ich verteidige die DDR als Regime nicht, weiß, dass vieles als Sozialmaßnahme hingestellt wurde, was ökonomisch nicht zu rechtfertigen war, aber politisch als Schaufensterhandlung gewollt war. Übrig bleibt aber: Die Arbeit so vieler Ostdeutscher war nicht einfach (auf dem Bau, in der Landwirtschaft...)und es wurde überwiegend ordentlich und fleißig gearbeitet.
Da könnten wir uns tagelang erinnern und austauschen. Das entspräche dem Namen unseres Forums.
Grüße von @Nov65
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Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon vega » 12. Juli 2012, 20:00

"Was aber können wir ..........tun, dass sich niemand mehr, vor allem völlig grundlos in seine " Wagenburg" zurückzieht?

Vielleicht sich völlig offen in der Gesellschaft zu bewegen und nichts......definitiv nichts zu erwarten und nichts aus der Vergangenheit als einen akzeptablen und von wem auch immer zu respektiernden Wert zu definieren und bereit sein, alles, wirklich alles kritisch hinterfragen zu lassen....sehr sehr kritisch hinterfragen zu lassen.....mit einem offenen Ergebnis....und hinzunehmen, daß vieleicht alles "too low for 0" war
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Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon Edelknabe » 13. Juli 2012, 06:19

Ich sehe das folgendermaßen, habe das bestimmt auch schonmal sinngemäß getext. Die DDR war das Land wo ich bis zu meinem fast Ende 30 zigstem Lebensalter gelebt habe. Ich habe in dieser DDR gearbeitet,geschlafen,geweint, gelacht, gesoffen, geliebt, gestreichelt, geträumt, getanzt,gefurzt, geklaut, gegeben und genommen und und und...
Der Staat gab die Regeln vor oder besser Rechte und Pflichten, das macht sinngemäß jeder Staat aber wir wollen ja hier bei der DDR bleiben, nun gut, das Alles wurde in der DDR nicht so locker gesehen, es hieß eben nicht umsonst Diktatur.

Jetzt kommt das Aber. Aber ich kam zu Recht...mit diesen Regeln die für manche Mitbürger eben bissel zu streng waren, die da raus wollten aus dem Regelsalat und somit im schlimmsten Falle mit dem Staat gegeneinanderliefen und 1989 gab der Staat auf einmal den Geist auf.

Ich sags gleich vorneweg, ich komme auch heute wunderbar zurecht aber das ist hier Nebensache fürs Thema. So, und jetzt kommt Einer, wir nennen ihn mal "Meister Wissend", der meint doch zu mir heute "Du da damals mit deiner DDR sei bloß ganz still und nicht umsonst ist der heruntergewirtschaftete Staat abgeschmiert und dann haut der drauf das sich die Balken biegen und in mir wächst sinngemäß die Wut und am liebsten würde ich den MW packen und schütteln und meinen,,,halt doch endlich die Fresse du allwissendes Menschenkind".

Das Ganze und das schrieb ich auch schonmal hat was mit Würde zu tun. Durch gelebtes Leben, auch in diesem damaligen Sozialismus formte sich Würde, Stolz auf Erlebtes, Erschafftes, jeder Mensch hat eine Würde und so sorge ich dafür, das mir diese ganz spezielle Würde durch MW nicht zertreten wird, ich nehme also sinngemäß Verteidigungsstellung ein...forme die Wagen zu einer guten Burg.

Rainer-Maria ich liebe übrigens Burgen, hatte schon als Kind da einen ganz besonderen Hang, jeder Sandhaufen wurde bearbeitet bis...meine Burg fertig war.
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Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon vega » 13. Juli 2012, 13:40

Was du da formulierst kann man gut verstehen, also man kann es sich gut vorstellen. was gemeint ist. Allerdings: Wenn ich Teile meines Erlebten als "Würde" formuliere und verstehe, gegen die es möglicherweise geht, wenn ein anderer Kritik übt, dann bin ich nicht offen und frei alles hinterfragen zu lassen. Es bedeutet doch, daß ich nur in Teilen und/oder bis zu einem bestimmten Punkt Kritik zulasse. Ob diese Haltung zu einem "Zusammenwachsen" führen kann, weis ich nicht. Zumindest halte ich das für diskussionswürdig.
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Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon karnak » 13. Juli 2012, 16:46

Als der Ostblock zusammenbrach,weil er die ökonomische,politische und moralische Legitimation gegenüber seinen Völkern verloren hatte,gab es in dem Teil des ehemaligen Gesammtdeutschlandes,daß 40 Jahre ein souveräner Staat war und sich DDR nannte mit Sicherheit eine Besonderheit.
Die anderen ehemaligen soz.Staaten wählten Ihr Gesellschaftsmodell einfach ab und bauten Ihre Länder im Prinzip in Richtung Kapitalismus um.Ihre Nation und besonders ihre Nationalität blieb dabei unverändert erhalten. Mit dem Teil des ehemaligen Deutschlandes sah das etwas anders aus.Nach Volkeswillen sollte es zu einer Wiedervereinigung kommen,die natürlich keine war.Der Staat DDR gab seine Souveränität auf und trat dem souveränen Staat BRD bei.Das ist natürlich ein Unterschied,auch emotional für die Bürger der DDR.
Wenn es vielen DDR-Bürgern während der Zeit in der DDR vieleicht auch nicht so voll bewußt war,in den 40 Jahren hatte sich bei ziemlich vielen so etwas wie ein DDR-identität entwickelt,von einer Nationalität will ich garnicht reden.Wenn es auch wahrlich reichlich zu meckern gab, in dieser DDR über die DDR,man war trotzdem DDR-Bürger.
Und nun war man von heute auf morgen auf einmal Bürger der Bundesrepublik Deutschland,einem reichen schönen und bunten Land.Und natürlich war man erstmal Euphorisch.Aber ich finde die Politiker die Medien, die Öffentlichkeit hat dann einen riesen Fehler gemacht,zumindest aus Sicht vieler der ehemaligen DDR-Bürger.Pausenlos wurde getrommelt und gepredigt wie Scheiße die DDR doch war und zwar in jeder Hinsicht.Ein gutes Haar sollte es an diesem politischen Konstrukt einfach nicht gegeben haben.Alles war grau,alle waren unglücklich,es wurde nur Mist produziert,alle haben Volkseigentum geklaut ,es wurden pausenlos Menschenrechte verletzt,keiner hatte irgendwelche Rechte und die Staatssicherheit hat alle mit dem Knüppel des staatlichen Terrors regelmäßig auseinandergejagt.
Das es dann ehemalige DDR-Bürger, und immer mehr davon gibt,die sich einfach angepisst fühlen und dargestellt sehen als Dödel der Nation die nichts vernünftiges zustandegebracht haben solange sie für sich selbst verantwortlich waren, wenn man versucht es mal als Außenstehender zu betrachten,wie will man es ihnen verübeln.
Die andere Hälfte des neuen Deutschland hatte es da leichter,emotional betrachtet,von den Kosten die die Einheit brachte und die sie nun mittragen müssen mal abgesehen.Sie sind mit ihrer alten Nation BRD als Sieger der Geschichte hervorgegangen und da fühlt man sich natürlich auch besser.
Die Ostdeutsche Wagenburgmetalität ist nicht sonderlich klug und auch eigentlich nicht gerechtfertigt.Entstanden ist sie aber aus emotionaler Verletztheit,weil man bei der Vereinigung der beiden deutschen Staaten die keine war mit der Geschichte und System DDR in vielen Fällen unfair umgegangen ist.Die Aufarbeitung dieser Geschichte ist einfach nicht gelungen.
Einen Trost gibt es allerdings,das Problem wird sich biologisch lösen.Und weiterhin,hätte es diese verfehlte Aufarbeitung nicht gegeben,es gebe dieses Forum nicht,für was auch.Und das wäre ja auch irgendwie langweilig.
Das ist natürlich die Ansicht eines Ossis und dazu noch eines ehemals "Staatsnahens"
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Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon Volker Zottmann » 13. Juli 2012, 17:17

Das politische Zeitfenster war wohl zu klein und der Erwartungsdruck der Massen zu groß, um mehrere wirkliche sinnvolle Errungenschaften der DDR hinüber zu retten.
Ich hätte mir gewünscht, natürlich erst mit heutigem Wissen, dass ganz Deutschland die Polikliniken übernommen hätte. Ebenso, war meines Erachtens unser Schulwesen sinnvoller und gerechter gestaffelt. Ich betone ausdrücklich, ich meine nicht die ideologische Ausrichtung! Doch die sonstige Unterstufe, Oberstufe der POS und die Schulform der EOS gefielen mir besser. Ebenso der Unterricht in der Produktion hatte vielfach tiefen Sinn. Es entstand während der Schulzeit schon ein Bezug zum späteren Berufsleben.
Spätesten, wenn man die Rente beantragt, weiß man, wie simpel es mit unserem SV-Buch ging. Heute muss ich ein Leben lang Tonnen von Papiernachweisen horten.

Also es gab schon Einiges was echt besser war. Es brauchte nicht alles neu erfunden werden...

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon augenzeuge » 13. Juli 2012, 18:22

Volker Zottmann hat geschrieben: Spätesten, wenn man die Rente beantragt, weiß man, wie simpel es mit unserem SV-Buch ging. Heute muss ich ein Leben lang Tonnen von Papiernachweisen horten.
Gruß Volker


Muß man das wirklich? Ich habe vor 10 Jahren alle Nachweise mit der Rentenversicherung abgeklärt. Und nun bekomme ich jährlich immer einen Hinweis, wie sich meine Rentenansprüche durch die laufenden Zahlungen entwickelt haben bzw. wieviel Rente ich mal bekomme...... Das find ich viel besser als das Buch.
AZ
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Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon augenzeuge » 13. Juli 2012, 18:26

ABV hat geschrieben: " Die hätten mal die Mauer zehn Jahre früher aufmachen sollen und jeden reisen lassen. Dann würde es unsere DDR heute noch geben. So schlecht fand ich das in der DDR überhaupt nicht. Alle hatten ihre Arbeit und verhungeren musste auch keiner."
Solche oder ähnliche Sätze habe ich schon hundertfach gehört.
Gruß an alle
Uwe


Glaubt das wirklich jemand? Ich denke, dass bei der Grenzöffnung 10 Jahre früher nichts anderes passiert wäre....als 1989. Warum auch?
AZ
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Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon vega » 13. Juli 2012, 18:53

Sehr interessante Beiträge sind das hier. Gut zu lesen und auch gut sich reinzudenken.
Was die Erwartungen nach der Wende angeht, da fällt mir etwas zu ein: Es gab ja auch vorher schon einige Leute, die -auf welchen Wegen auch immer. legal oder illegal- nach Westdeutschland gelangt sind. Die haben sich (bis auf ganz wenige Ausnahmen) immer nur positiv zu ihrem Leben nach dem Wechsel der Staaten geäußert, Sie alle fanden irgenwie ihren Weg und haben das immer nur positiv gesehen für sich. Daß das nach der Wende anders war lag doch sicher auch daran, daß es jetzt nicht um die Integration einiger sonder um Millionen von Menschen ging. Der Weg war eigntlich ähnlich wie bei den tausenden zuvor, nur war die masse jetzt zu groß um als solche auf einmal in einem anderen System aufgefangen zu werden.
vega
 

Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon Volker Zottmann » 13. Juli 2012, 18:55

augenzeuge hat geschrieben:
Volker Zottmann hat geschrieben: Spätesten, wenn man die Rente beantragt, weiß man, wie simpel es mit unserem SV-Buch ging. Heute muss ich ein Leben lang Tonnen von Papiernachweisen horten.
Gruß Volker


Muß man das wirklich? Ich habe vor 10 Jahren alle Nachweise mit der Rentenversicherung abgeklärt. Und nun bekomme ich jährlich immer einen Hinweis, wie sich meine Rentenansprüche durch die laufenden Zahlungen entwickelt haben bzw. wieviel Rente ich mal bekomme...... Das find ich viel besser als das Buch.
AZ



1:0 für den Augenzeugen.
Sicher, da hast Du recht. Aber bis das "gelernte Ossi" alle gebrauchten Papiere zusammen hatte, war es, zumindest für mich ein irrsinniger Kampf, trotz SV-Buch. Besonders die von mir auch sorgsamst gezahlten Freiwilligenbeiträge von 1990 und 1991 waren so gut wie nicht mehr nachweisbar, weil meine Kasse da allein 3 x umgezogen ist.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon Volker Zottmann » 13. Juli 2012, 19:04

vega hat geschrieben:Sehr interessante Beiträge sind das hier. Gut zu lesen und auch gut sich reinzudenken.
Was die Erwartungen nach der Wende angeht, da fällt mir etwas zu ein: Es gab ja auch vorher schon einige Leute, die -auf welchen Wegen auch immer. legal oder illegal- nach Westdeutschland gelangt sind. Die haben sich (bis auf ganz wenige Ausnahmen) immer nur positiv zu ihrem Leben nach dem Wechsel der Staaten geäußert, Sie alle fanden irgenwie ihren Weg und haben das immer nur positiv gesehen für sich. Daß das nach der Wende anders war lag doch sicher auch daran, daß es jetzt nicht um die Integration einiger sonder um Millionen von Menschen ging. Der Weg war eigntlich ähnlich wie bei den tausenden zuvor, nur war die masse jetzt zu groß um als solche auf einmal in einem anderen System aufgefangen zu werden.


Hallo vega,
die das Land zuvor verließen, waren ja echte Freiwillige. Die wollten in ihrem Leben was ändern. Die hatten einen wesentlich höheren Anspruch an sich und das Leben.
Mit dem Zusammenbruch kamen aber auch all die, die ohne ihre "behütete" Existenz zu verlieren nie eine Eigeninitiative ergriffen hätten.
Es gibt viele DDR-Leute, die ohne Eigenantrieb ruhig lebten, die aber verlernt haben, selbst das Zepter in die Hand zu nehmen. Und die dann nicht mal den Mut für den persönlichen Neuanfang fanden. Das sind oft (aber nicht immer) die Gestrauchelten, die heute mehr als Unzufriedenen.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon vega » 13. Juli 2012, 20:49

ja das stimmt Volker, es sind durch die Wende sicher viele Menschen in ein "Wasser geworfen" worden, wo sie eigntlich nicht schwimmen wollten. Diese Menschen trauern der vorherigen Bequemlichkeit jetzt sicher viel nach, denn sich es "gemütlich machen" geht in dem System nach der Wende ganz sicher nicht so in dem Sinne wie in der damaligen DDR.

Man muß sich aber dann doch fragen, was hat man verloren und was gewonnen?
vega
 

Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon augenzeuge » 13. Juli 2012, 21:03

vega hat geschrieben: Man muß sich aber dann doch fragen, was hat man verloren und was gewonnen?


Das sollte man auch ergänzen mit:" Was wäre wirklich von dem Verlorengegangenen geblieben?" Leider ist von dem vermeintlich Gewonnenen auch etwas verlorengegangen.
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Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon vega » 13. Juli 2012, 21:15

augenzeuge hat geschrieben:
vega hat geschrieben: Man muß sich aber dann doch fragen, was hat man verloren und was gewonnen?


Das sollte man auch ergänzen mit:" Was wäre wirklich von dem Verlorengegangenen geblieben?" Leider ist von dem vermeintlich Gewonnenen auch etwas verlorengegangen.
AZ


Das klingt ja, als wäre nahezu alles verloren....
vega
 

Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon augenzeuge » 13. Juli 2012, 21:30

vega hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben:
vega hat geschrieben: Man muß sich aber dann doch fragen, was hat man verloren und was gewonnen?


Das sollte man auch ergänzen mit:" Was wäre wirklich von dem Verlorengegangenen geblieben?" Leider ist von dem vermeintlich Gewonnenen auch etwas verlorengegangen.
AZ


Das klingt ja, als wäre nahezu alles verloren....


Ja, wenn das Wort "etwas" nicht wäre..... [wink] Du kennst doch den Spruch: Ein bisschen Schwund ist immer...... [blush]
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Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon vega » 13. Juli 2012, 21:40

ja den Spruch kenne ich....und manche leben sogar vom Schwund.....aber zum Lachen ist das doch alles eher nicht, oder?
vega
 

Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon augenzeuge » 13. Juli 2012, 21:45

Nein, es ist eben die Wahrheit. Die ist mal zum Lachen mal zum Weinen. Ich wollte damit nur ausdrücken, dass das System einem Wandel unterliegt. Was man 1989 gewonnen hatte ist u.U. nicht ganz so geblieben wie es zuerst war.....
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Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon vega » 14. Juli 2012, 11:52

Ja sicher ist alles "im Wandel" begriffen, das trifft aber auf nahezu alle Bereiche zu. Selbst der harte Marmor wandete sich im laufe der Zeit bis der zu dem wurde was man Marmor nennt und der wandelt sich wiederum durch den Abbau und industrielle Verwendung.
vega
 

Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon Buscho » 29. Juli 2012, 04:04

Moin ,
ich glaube daß wir Wessis kein Problem mit oberflächlicher Kritik und Sticheleien aus der Bevölkerung befreundeter westlicher Bruderstaaten haben ,
aber wenn ein Familienmitglied den Finger in die uns bekannten Wunden legt dann werden wir böse und schießen erheblich überheblich zurück .
Da ist eine Wagenburg sinnvoll .

Buscho
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Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon vega » 29. Juli 2012, 20:15

Das wird dann aber kaum zu einem "Miteinander" führen...
vega
 

Re: Ostdeutsche Wagenburgmentalität

Beitragvon Huf » 29. Juli 2012, 21:03

Und ich denke, deswegen reden wir hier darüber!

VG Huf [hallo]
Huf
 


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