Berliner hat geschrieben:"Es ist nicht alles Gold was glaenzt"
"...die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen..."- Woher habt Ihr damals Euer Wissen ueber "den Westen" bezogen ?
- Wie hat sich dieses Wissen nach der Wende bewahrheitet ?
- Welcher Gedanke hat Euch am meisten geholfen (und hilft Euch immer noch), mit diesem neuen System klarzukommen ?
Gebeten wird darum, Eure Erlebnisse mit diesem neuen Land und diesem neuen Staat nach der Wende zu berichten. Berliner
Nun, mein Freund, da will ich mal antworten.
Ja, woher bezog ein DDR-Bürger sein Wissen über den Westen?
Nun, ganz sicher nicht objektiv aus der DDR-Presse. Die Arbeitslosigkeit im Westen war das tägliche Thema in der DDR-Presse. Man bekam ein Bild vermittelt, das man vielleicht unter einer Brücke schlafen musste.....wenn man dort wär.
Bei den meisten war es ein Mix, einmal aus Erzählungen Bekannter, Verwandter, später Berichte aus Treffen mit Ausgereisten DDR-Bürgern. Nicht ohne Grund lies man diese nicht wieder einreisen. Nicht ohne Grund verschwanden die ersten Briefe über Eindrücke erster Tage. Aber es blieben ja die CSSR oder Ungarn für ein Treffen.
Andererseits, wenn ich von mir berichte, waren es meine Reisen durch den Ostblock, die ich, u.a. auch mit Jugendtourist, machen konnte. Goethe sagte mal: Reisen bildet.
Wie recht er doch hatte.
Dort erlebte man die Menschen, auch aus dem Westen, kam mit den Unterschiedlichsten ins Gespräch, lernte Leute kennen, die später manchmal Freunde worden. Und man konnte sich meist kein schlechtes Urteil bilden. Allerdings merkte man sofort, dass man zu Hause oft nicht die Wahrheit erfuhr. Man stellte einfach doch manches danach in Frage.
Zur zweiten Frage:
Klar war, das System war eine Ellenbogengesellschaft, kein Hätscheln, kein Führen von fremder Hand.
Meine Vorstellungen vom Westen waren definitiv viel schlechter als die dann hier vorgefundene Realität. Allerdings war das 1985. Ich kann mich nicht an einen wichtigen Punkt erinnern, den ich damals schlechter empfand, ganz ehrlich. Naja, doch einer fällt mir jetzt ein. Die in der DDR selbstverständliche Hilfe füreinander, empfand ich im Westen als unterentwickelt. Die Menschen hatte das einfach nicht nötig, sie brauchten nicht unbedingt diese Eigenschaft, denn im Job war das oft nicht erwünscht.
Das sich z.B. im Osten ein Ingenieur nicht zu fein war, auch mal den Besen zu nehmen, wenn eine gemeinsame Arbeit abgeschlossen war, das war ein Punkt, der hier naserümpfend betrachtet und dann negativ gesehen wurde. Das gehörte sich für diese Position nicht. Im Osten war das jedoch oft normal.
Mir kam das System manchmal wie der wahre Sozialismus vor. So eine soziale Absicherung hätte ich nie vermutet. Hartz4 war noch unbekannt. Das lag natürlich auch daran, dass man als 22 Jähriger nur geringe Ansprüche hatte. Was mir hier innerhalb eines Jahres gelang, hätte ich mir nicht im Traum ausmalen wollen. Allerdings weiß ich auch, dass mir vieles nach 1990 nicht so gelungen wäre, die Bedingungen waren einfach schlechter, ganz klar. Das System änderte sich.
Was mir geholfen hat, war nicht zuletzt mein fester Wille, selbst gesetzte Ziele auch erreichen zu wollen. Aber auch meine Erziehung in der DDR, meine schikanöse Behandlung durch die Behörden der DDR während der Wartezeit auf Ausreise, hatten daran einen entscheidenden Anteil.
Geholfen hat mir, dass ich mich nicht so sehr auf Andere verlassen habe, wie ich es zuvor gewöhnt war.
Wie gesagt, das waren meine damaligen Empfindungen.
AZ