Eine Verständnisfrage

Alles was in den Zeitraum nach der Wende gehört. Das Zusammenwachsen von zwei grundverschiedenen Systemen, Probleme, Erwartungen, Empfindungen usw.

Eine Verständnisfrage

Beitragvon Dille » 25. Februar 2012, 11:25

Hallo,

ich denke mal, meine Frage paßt am besten in dieses Unterforum, ich möchte gern einmal eure Meinungen hören :

Ich bin ja nun gerade aus Kambodscha zurück, im Jahr davor waren wir in Vietnam (von Hanoi bis Saigon). Um es gleich vorweg zu nehmen, von 2 1/2 oder 4 Wochen maße ich mir nicht an, ein Land beurteilen zu können. Aber als politisch interessierter Mensch habe ich in beiden Ländern versucht, auch Meinungen der Menschen zur jüngeren Geschichte ihres Landes "einzufangen", also in Vietnam, wie man heute zum Vietnamkrieg, den Kommunisten und den Amerikanern steht, in Kambodscha zum Pol Pot Regime und den Roten Khmer mit ihrem Terror.
In beiden Ländern konnte ich keine Gesprächspartner finden (in Vietnam ein bißchen), aber generell war der Tenor : laß' uns damit in Ruhe, das ist lange her, was geht uns das heute noch an....
Ich schreibe ja nun auch hier in diesem Forum, weil ich eben politisch interessiert war/ bin, und für mich ist das ein solcher Widerspruch, hier streitet man verbissen darum, ob die Einfuhr von Taschenrechnern in die DDR vor 25 Jahren untersagt war oder nicht (um mal ein banales Beispiel zu nehmen, auch nicht ganz ernst gemeint), in Kambodscha als anderes Beispiel mußte die UN den Kambodschanern ein Tribunal gegen gegen "Bruder" 1 bis 4 sozusagen aufdrängen, selbst der Prozeß gegen Duch (den Folterer) interessierte wohl wenig. (kostet übrigens 200 Milionen Dollar, d.h. 100 Dollar für jeden ermordeten Kambodschaner -- das sei es aber wert, befand eine Zeitung in Phnom Penh). Von Schuldzuweisungen an kleinere Täter oder gar Prozessen gegen sie habe ich nichts erfahren können.
Was sind die Gründe für ein solch gegensätzliches Verhalten ?? Ist es das Durchschnittsalter der Bevölkerung, das in Vietnam glaube ich bei ca. 25 Jahren liegt, d.h. die Mehrheit der Bevölkerung war zu Zeiten des Vietnam Krieges noch gar nicht geboren ?? Ist es die Religion, d.h. der Buddhismus, der mit seinen Wiedergeburtszyklen die Täter bestrafen wird und den Opfern ein besseres, neues Leben bescheren wird ?? Oder haben die Menschen in Vietnam und Kambodscha einfach ganz andere, tägliche Probleme und können sich solchen "Luxus" einer Rückbesinnung gar nicht leisten ??
Oder ist es andererseits ein deutscher Hang, sich in uns selbst zu "verbeißen" ?? Oder sind wir hier ein Häuflein knorriger älterer Herren (und jüngerer) Damen, die sich mangels dieser täglichen Probleme einfach dieses "Hobby" gesucht haben ?? Dagegen spricht eigentlich, daß ja auch in unseren Zeitungen/ Medien täglich irgendwo irgendwas "aufgearbeitet" wird, d.h. diese Zeit ist täglich im öffentlichen Bewußtsein.

Meine Frage : übertreiben wir Deutschen es, wie desöfteren ?? Oder machen es Vietnamesen und Kambodschaner richtig ?? (letzteres würde ich im Sinne eines "..wer die Geschichte nicht kennt, ist verurteilt sie zu wiederholen.." klar verneinen), bei ersterem neige ich zu einem "Jein".

Was meint ihr dazu, fragt Dille ??
Dille
 

Re: Eine Verständnisfrage

Beitragvon Berliner » 25. Februar 2012, 14:14

Hallo Dille, vielen Dank. [rose]

Dille hat geschrieben:Was sind die Gründe für ein solch gegensätzliches Verhalten ??

Ein solches Verhalten sehen wir hier in den Betrieben. Wenn es uns gut geht, meckert jeder ueber die Arbeitszeiten, wieviel sie verdienen, was sie alles tun muessen, etc..

Wenn ploetzlich die schlechten Zeiten kommen und der eine oder andere entlassen werden muss, dann rennen alle herum wie die (Arbeits-) Tiere, und man hoert kaum ein Wort der Klage.

Wenn man es mal so schlimm hatte, wie die in Suedostasien, und merkt wie kurz das Leben ist, dann fokusiert man sich nicht mehr an Taschenrechner, sondern an das wesentliche.

Sicherlich wird es viele und bessere Erklaerungen geben, aber das ist zunaechst meine und damit hoffentlich auch ein Anfang. [grins]

Berliner [hallo]
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Re: Eine Verständnisfrage

Beitragvon nightfire64 » 25. Februar 2012, 14:29

Hallo Dille,

ich denke auch mal, im normalen Leben rennt keiner durch Deutschlands Straßen und fragt nach dem Damals.
Es ist ein Forum und deswegen sind die Themen hier so ausgelegt, weil es ja auch um die deutsche Teilung geht.
Wenn ich aus dem Forum heraus mit irgendwelchen Fragen bei meiner Verwandtschaft oder meinen Arbeitskollegen antanze,
werden auch schon langsam die Augen verleiert. [peinlich]

Ich bekomme zwar meine Antworten, aber meistens mit der Gegenfrage, ob es in meinem Leben nichts Besseres gibt, natürlich im Spaß,
eigentlich endet es meistens damit... dass wir dann doch in Erinnerungen schwelgen!
Aber im normalen Leben, sind dann doch andere Sachen im Vordergrund, jedenfalls bei mir!

VG Kerstin
nightfire64
 

Re: Eine Verständnisfrage

Beitragvon Wosch » 25. Februar 2012, 18:20

Dille hat geschrieben:Hallo,

ich denke mal, meine Frage paßt am besten in dieses Unterforum, ich möchte gern einmal eure Meinungen hören :

Ich bin ja nun gerade aus Kambodscha zurück, im Jahr davor waren wir in Vietnam (von Hanoi bis Saigon). Um es gleich vorweg zu nehmen, von 2 1/2 oder 4 Wochen maße ich mir nicht an, ein Land beurteilen zu können. Aber als politisch interessierter Mensch habe ich in beiden Ländern versucht, auch Meinungen der Menschen zur jüngeren Geschichte ihres Landes "einzufangen", also in Vietnam, wie man heute zum Vietnamkrieg, den Kommunisten und den Amerikanern steht, in Kambodscha zum Pol Pot Regime und den Roten Khmer mit ihrem Terror.
In beiden Ländern konnte ich keine Gesprächspartner finden (in Vietnam ein bißchen), aber generell war der Tenor : laß' uns damit in Ruhe, das ist lange her, was geht uns das heute noch an....
Ich schreibe ja nun auch hier in diesem Forum, weil ich eben politisch interessiert war/ bin, und für mich ist das ein solcher Widerspruch, hier streitet man verbissen darum, ob die Einfuhr von Taschenrechnern in die DDR vor 25 Jahren untersagt war oder nicht (um mal ein banales Beispiel zu nehmen, auch nicht ganz ernst gemeint), in Kambodscha als anderes Beispiel mußte die UN den Kambodschanern ein Tribunal gegen gegen "Bruder" 1 bis 4 sozusagen aufdrängen, selbst der Prozeß gegen Duch (den Folterer) interessierte wohl wenig. (kostet übrigens 200 Milionen Dollar, d.h. 100 Dollar für jeden ermordeten Kambodschaner -- das sei es aber wert, befand eine Zeitung in Phnom Penh). Von Schuldzuweisungen an kleinere Täter oder gar Prozessen gegen sie habe ich nichts erfahren können.
Was sind die Gründe für ein solch gegensätzliches Verhalten ?? Ist es das Durchschnittsalter der Bevölkerung, das in Vietnam glaube ich bei ca. 25 Jahren liegt, d.h. die Mehrheit der Bevölkerung war zu Zeiten des Vietnam Krieges noch gar nicht geboren ?? Ist es die Religion, d.h. der Buddhismus, der mit seinen Wiedergeburtszyklen die Täter bestrafen wird und den Opfern ein besseres, neues Leben bescheren wird ?? Oder haben die Menschen in Vietnam und Kambodscha einfach ganz andere, tägliche Probleme und können sich solchen "Luxus" einer Rückbesinnung gar nicht leisten ??
Oder ist es andererseits ein deutscher Hang, sich in uns selbst zu "verbeißen" ?? Oder sind wir hier ein Häuflein knorriger älterer Herren (und jüngerer) Damen, die sich mangels dieser täglichen Probleme einfach dieses "Hobby" gesucht haben ?? Dagegen spricht eigentlich, daß ja auch in unseren Zeitungen/ Medien täglich irgendwo irgendwas "aufgearbeitet" wird, d.h. diese Zeit ist täglich im öffentlichen Bewußtsein.

Meine Frage : übertreiben wir Deutschen es, wie desöfteren ?? Oder machen es Vietnamesen und Kambodschaner richtig ?? (letzteres würde ich im Sinne eines "..wer die Geschichte nicht kennt, ist verurteilt sie zu wiederholen.." klar verneinen), bei ersterem neige ich zu einem "Jein".

Was meint ihr dazu, fragt Dille ??


@Dille, Du beziehst Dich in Deinem Beitrag unter anderem auch auf das Interesse der User hier in diesem Forum.
Hast Du in Vietnam oder in Kambodscha auch in Internet-Foren "gegoogelt" die Themen ihrer jüngeren Vergangenheit behandeln? Dein Beispiel mit dem Gezänke um die Taschenrechner, was ist denn daran negativ? Über was soll denn ein Forum (was sich zum Ziel gesetzt hat über Alles was mit der DDR zu tun hatte "aufzuklären schreiben) über eine längere Zeit Gesprächsstoff haben, wenn nicht auch über solch banale Dinge? Und liegt es vielleicht auch ein bißchen an der Struktur der von Dir genannten Länder, daß man das Gefühl haben könnte, sie würden mit ihrer Vergangenheit ganz anders umgehen als es die Deutschen machen? Hast Du schon mal ernsthaft nachgedacht wieso Du dort so gut wie keine Gesprächspartner finden konntest (Ich nehme mal an, Du beherrscht deren Sprache, oder Die der Deine?).
Meine Frage an Dich: "Wo übertreiben es die Deutschen, wie desöfteren?" Ein "Jein" ist weder "JA" noch "Nein", das weißt
Du aber, nicht war, also "Garnix"!
Schönen Gruß aus Kassel. [hallo]
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Re: Eine Verständnisfrage

Beitragvon Edelknabe » 25. Februar 2012, 19:29

Ich denke Dille es ist die Mentalität dieser asiatischen Völker, die sich grundsätzlich vom Deutschen unterscheidet. Das dort sind Macher, Ameisen im besseren Sinne. Der Deutsche ist zwar auch auf seine Art fleißig aber er ist auch ein ewiger Hinterfrager, er sucht immer den Kümmel im Käse.Und er braucht Reibeflächen wohingegen der Asiate wohl eher den diplomatischen Weg geht, das geht schon los wenn sie sich immer so höflich vor dem Gegenüber verbeugen...dies ist schon eine gewisse Achtung die ich so deute, die bei uns nicht wichtig ist, darauf wird kein Wert gelegt.

Dazu lebt der Deutsche/Europäer über seine Verhältnisse und vor lauter Langeweile treibt er sich in Foren herum um sich mit Anderen zu streiten und das bereitet ihm zum Teil ein diebisches Vergnügen.

Und ohne die Aufarbeitung schlechtreden zu wollen denn diese funktioniert auch ganz gut dabei aber der Rest ist Langeweile, das totschlagen überflüssiger Tageszeit, dazu gute Voraussetzungen von materieller Seite her siehe die Geiz ist geil Mentalität, die fast jedem Idiot einen Computer beschert was so denke ich in den Ländern da unten eben nicht möglich ist weil viel, viel einfacher gelebt wird wie im übersatten Europa.

Ich denke weiterhin, wir unterliegen dem komischen Zwang unseren Gegenüber sofort zu taxieren, ihn in eine bestimmte Schublade stecken zu wollen, schon darauf verwenden wir enorme Energie in jeglicher Lebenslage ob beruflich oder privat und ich denke, der Asiate geht so nicht heran, der sieht das lockerer und ich war ehrlichgesagt noch nie in einem asiatischen Land.

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Re: Eine Verständnisfrage

Beitragvon manudave » 25. Februar 2012, 19:37

Guter Beitrag, Rainer-Maria - meine Gedanken gehen in eine ähnliche Richtung.
Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!
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Re: Eine Verständnisfrage

Beitragvon vs1400 » 25. Februar 2012, 22:48

Edelknabe hat geschrieben:Ich denke Dille es ist die Mentalität dieser asiatischen Völker, die sich grundsätzlich vom Deutschen unterscheidet. Das dort sind Macher, Ameisen im besseren Sinne. Der Deutsche ist zwar auch auf seine Art fleißig aber er ist auch ein ewiger Hinterfrager, er sucht immer den Kümmel im Käse.Und er braucht Reibeflächen wohingegen der Asiate wohl eher den diplomatischen Weg geht, das geht schon los wenn sie sich immer so höflich vor dem Gegenüber verbeugen...dies ist schon eine gewisse Achtung die ich so deute, die bei uns nicht wichtig ist, darauf wird kein Wert gelegt.

Dazu lebt der Deutsche/Europäer über seine Verhältnisse und vor lauter Langeweile treibt er sich in Foren herum um sich mit Anderen zu streiten und das bereitet ihm zum Teil ein diebisches Vergnügen.

Und ohne die Aufarbeitung schlechtreden zu wollen denn diese funktioniert auch ganz gut dabei aber der Rest ist Langeweile, das totschlagen überflüssiger Tageszeit, dazu gute Voraussetzungen von materieller Seite her siehe die Geiz ist geil Mentalität, die fast jedem Idiot einen Computer beschert was so denke ich in den Ländern da unten eben nicht möglich ist weil viel, viel einfacher gelebt wird wie im übersatten Europa.

Ich denke weiterhin, wir unterliegen dem komischen Zwang unseren Gegenüber sofort zu taxieren, ihn in eine bestimmte Schublade stecken zu wollen, schon darauf verwenden wir enorme Energie in jeglicher Lebenslage ob beruflich oder privat und ich denke, der Asiate geht so nicht heran, der sieht das lockerer und ich war ehrlichgesagt noch nie in einem asiatischen Land.

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