Differenzen bei der Schulnotenbewertung

Alles was in den Zeitraum nach der Wende gehört. Das Zusammenwachsen von zwei grundverschiedenen Systemen, Probleme, Erwartungen, Empfindungen usw.

Differenzen bei der Schulnotenbewertung

Beitragvon Sirius » 25. Dezember 2011, 16:10

augenzeuge hat geschrieben: Aber das Abitur habe ich doch im sozialistischen Arbeiter- und Bauern Staat abgelegt. Wurde doch auch im Westen anerkannt.


Gab es bei der Abiturnote eine Verschlechterung bei der Anerkennung? Die Durchschnitts-Noten, auch im Abitur, waren doch in der DDR durchwegs "besser" als im Westen - es wäre noch zu klären, warum das so war? Selbst im Westen waren die Abiturnoten aus verschiedenen Bundesländern nicht gleichwertig. Bei der Studienplatzvergabe der ZVS in Numerus-Clausus-Studienfächern reicht z.B. aus Bayern oder Baden-Würrtemberg eine schlechtere Abiturnote für die Zuteilung eines Studienplatzes als bei einem Abitur aus Bremen.
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Differenzen bei der Schulnotenbewertung

Beitragvon augenzeuge » 25. Dezember 2011, 18:59

Sirius hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben: Aber das Abitur habe ich doch im sozialistischen Arbeiter- und Bauern Staat abgelegt. Wurde doch auch im Westen anerkannt.


Gab es bei der Abiturnote eine Verschlechterung bei der Anerkennung? Die Durchschnitts-Noten, auch im Abitur, waren doch in der DDR durchwegs "besser" als im Westen -


Nein, das war nie Thema. Und dabei gab es in der DDR auch mehrere Wege ans Abi zu kommen. Mein Weg, Beruf mit Abi in 3 Jahren war nicht der Leichteste, da man immer abends noch pauken musste und alles komprimiert war. Diejenigen auf der EOS hatten es leichter, hatten dafür aber auch keinen Berufsabschluß.

Durchweg bessere Noten im Abi kann ich nicht sagen. Auch aus der späteren Studienerfahrung-West nicht. Es gab Fächer, da war man im Osten weiter, und es war auch umgekehrt möglich. Im Westen hatte man frühzeitig gelernt, Referate zu halten, hier trabte man als Ossi hinterher, obwohl man im Westen früher englisch lernen konnte, war war aber hier nicht besser, es sei denn, man konnte sich mal in England etc. aufhalten. In Physik war ich mit der 3 besser als ein Wessi mit einer 2. Also, man kann es schwer verallgemeinern. Allerdings gab es auch Berufe und Studienrichtungen, die im Westen nicht anerkannt wurden.
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Re: Die Medienpolitik der DDR

Beitragvon Sirius » 25. Dezember 2011, 19:42

augenzeuge hat geschrieben:Durchweg bessere Noten im Abi kann ich nicht sagen.


Das Thema wäre einen eigenen Thread wert. Ich habe einmal vor längerer Zeit gelesen, dass die Durchschnittsnote besser war. Vielleicht war es dieser Artikel:

Drüben war es leichter

Der Staatssekretär im Bildungsministerium der DDR, Siegfried Schwanke, stellte seinem Schulsystem eine Zensur aus: ungenügend.

Die Reifeprüfung, vertraute er dem bayerischen Kultusminister Hans Zehetmair (CSU) an, sei mit dem westdeutschen Abitur überhaupt nicht vergleichbar.

Die Leistungen seien meist schlecht, die Noten "übertrieben hoch" und eigentlich "nicht viel wert". In der DDR werden, bestätigt Dieter Hass, Rektor der Ost-Berliner Humboldt-Universität, Abiturienten zumeist eine Note besser zensiert als im Westen.
(...)
Die aber haben, trotz meist schlechterer Leistungen, weit bessere Chancen dank ihrer guten Noten.
(...)
Die Schulminister der Länder haben deshalb im vorigen Monat eine Arbeitsgruppe "Anerkennung und Bewertung schulischer Abschlüsse aus der DDR" eingerichtet. An Abwehrkonzepten wird gebastelt. Zehetmair: "Da muß dringend etwas geschehen." Die meisten westdeutschen Abiturienten hätten "im Numerus-clausus-Vergleich kaum Chancen".

Bei der Auswertung von 665 Zeugnisnoten von DDR-Abiturienten errechnete die Dortmunder Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) einen Notendurchschnitt von 1,58. Rund 50 Prozent der Bewerber hatten sogar zwischen 1,0 und 1,4 eingeheimst. Auffallend sei, so eine Expertise der westdeutschen Kultusministerkonferenz (KMK), das "hohe Plateau von Zeugnissen mit der Durchschnittsnote 1,0". Nicht mal ein Prozent hatte schlechter als befriedigend abgeschnitten.

Kein Vergleich mit dem bundesdeutschen Notenschnitt: In Hessen liegt er bei 2,40, in Bayern bei 2,42 und in Berlin bei 2,70.

(...)
Begabter als westdeutsche Schüler sind DDR-Pennäler wohl kaum. Der real existierende Sozialismus hat, wie alle Zahlen, auch die Noten geschönt. Schlechte Zensuren wurden oft dem Lehrer als Kunstfehler angelastet. Pauker korrigierten die Noten serienweise nach oben, um auf einen besseren Klassendurchschnitt zu kommen. Die Sprößlinge der Nomenklatura mußten besonders bedacht werden: 60 bis 80 Prozent aller Funktionärskinder schafften unabhängig von der Leistung das Abitur.

"Drüben war es viel leichter, eine gute Zensur zu bekommen", bestätigt Christopher, 18, der von der Wilhelm-Pieck-Schule in Hagenow auf das Friedrich-Ebert-Gymnasium in Hamburg-Harburg gewechselt ist. Der Schüler über seine DDR-Ausbildung: "Man mußte alles nur auswendig lernen."

Imke, 20, aus Wismar, die nun am Hamburger Bondenwald-Gymnasium lernt, hat die Folgen bereits zu spüren bekommen: In der DDR hatte sie einen Notendurchschnitt von 1,0, in der Bundesrepublik sei sie nun "auf 1,5 abgerutscht".

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13499353.html


In dem Artikel steht jetzt nicht, wie das Ganze ausgegangen ist, ob es zu einer Abwertung der Zeugnisse durch einen Malus gekommen ist, oder ob sich dieser Vorteil in einigen "harten" Studienfächern wieder aufgelöst hat, weil durch die hohen Anforderungen entsprechend mehr DDR-Abiturienten im Laufe des Studiums "ausgesiebt" wurden.
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Re: Differenzen bei der Schulnotenbewertung

Beitragvon augenzeuge » 25. Dezember 2011, 23:52

Interessanter und überraschender Artikel.

Im Durchschnitt- das ist meine Meinung- war der DDR-Absolvent mit Abitur dem Gegenüber in der BRD nicht bevorteilt. Auch nicht im Studium. Bei den Auswahlverfahren zum höheren öff. Dienst hatten sie es sogar schwerer. Im Gegenteil- was Wirtschafts- und Soziallehre betrifft, war man gegenüber dem Wessi benachteiligt, das hatte man nie gelernt.

In unserer Klasse gab es auch keine Masse mit Durchschnitt eins, eher 2-3. Ich persönlich empfand die Ausbildung in den Naturkundefächern, Sprachen sehr gut.
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Re: Differenzen bei der Schulnotenbewertung

Beitragvon vs1400 » 27. Dezember 2011, 00:34

hi Sirius,

ich selber habe kein abi und hätte es auch damals nie machen können.

doch war es damals, so meine erfahrung, nicht ganz so einfach wie im westen, den ich persönlich und damals mit schulpflichtigen kindern erst im jahr 2000 richtig erlebte.
der kleine war damals, beim umzug, in der 3. klasse und ein guter schüler mit nem +2er durchschnitt. durch den umzug gab es einen kleinen einbruch, den er jedoch relativ gut ausbügeln konnte.
egal, die zeit verging und wir standen vor der frage. gymnasium oder nicht?
wir eltern hatten so unsere zweifel, mit nem guten 2er schnitt hätte zu unserer zeit wohl keiner ne zulassung fürs abi bekommen. doch hat man bei "uns" auch noch die zulassung fürs abi über die starken und schwachen geburtenjahrgänge geregelt. demnach konnte man bei starken jahrgängen nur mit einem sehr guten durchschnitt ne zulassung fürs abi erhalten. bei schwachen jahrgängen passte man sich an und lies auch "schwächere" zum abi zu.
heute und dass konnten wir damals erfahren, zählt nur der durchschnitt und der kann sogar unter +2 liegen.

gruß vs
vs1400
 

Re: Differenzen bei der Schulnotenbewertung

Beitragvon manudave » 27. Dezember 2011, 10:46

Ich kann das nur aus eigenem Erleben schreiben.

In der DDR hatte ich durchschnittliche Noten - von Russisch und Schrift abgesehen (5 und 4). Als wir im Novemer 89 erstmals in eine westdeutsche Schule gingen, musste ich manchmal grinsen - und manchmal schwer schwitzen. Die sprachen im Deutschuntericht von "Tu-Wörtern" und "Wie-Wörtern", während wir denen ganz normal die Lateinbegriffe dazu hinrasselten. Vor allem in den Grundfächern waren wir ein ganzes Stück vor denen und auch unsere Disziplin gegenüber den Lehrern war völlig anders. Als der Lehrer reinkam standen wir Ostgoten auf - und waren damit die Einzigen...
Natürlich hatten wir aber erhebliche Probleme in Englisch - was auch irgendwie bis zum Schulende nicht mehr zu beheben war - schließlich gab es keinen Reiz diese Sprache zu lernen - sie war uns Kindern eigentlich völlig fremd.
Auch Religion - mit dem Begriff konnte man gar nix anfangen - war für die meisten ein Graus. Ich persönlich allerdings kannte mich aufgrund der heimlich durchgeführten Christenlehre in unserer Heimatstadt relativ gut aus.
Sport war mehr oder weniger lächerlich - gab es überhaupt kein Zirkeltraining o.ä. sondern zumeist Mannschaftssportarten, die ich gar nicht konnte - unser DDR-Sportlehrer legte da keinen Wert drauf. Wobei - dass ich auf den Schwebebalken verzichten musste war wohl weniger schlimm...

Unser erstes Zeugnis enthielt - glaub ich - gar keine Noten - es war ja das Halbjahreszeugnis und wir waren erst zwei Monate da. Im Sommer sprachen die dann von 2+ und 2- - auch so einen Schwachsinn hab ich nicht gekannt und versteh ihn auch heute noch nicht. Fakt ist die Zahl die im Zeugnis steht - wenn ich dann in einem Bewerbungsgespräch erzählen würde, dass es aber eine 2+ ist, dann... so ein Quatsch.

Alles in allem waren wir in den Grundfächern nicht schlechter, sonder eher besser aufgestellt.
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