Was ist eigentlich Aufarbeitung?

Alles was in den Zeitraum nach der Wende gehört. Das Zusammenwachsen von zwei grundverschiedenen Systemen, Probleme, Erwartungen, Empfindungen usw.

Re: Was ist eigentlich Aufarbeitung?

Beitragvon Nostalgiker » 18. August 2011, 13:12

Gegenfrage:
Was ist Meinungsfreiheit, was ist Pressefreiheit, was ist Reisefreiheit?

Irgendwo, Interessierter, habe ich von Dir gelesen das Du Amerikaner bist und die Wende als solche um einiges später als solche Wahrgenommen hast.
Wo Du zur Zeit lebst, wie Alt Du bist, einfach nur um Deine Gedanken und Fragen auch Richtig einordnen zu können, Fehlanzeige.
Für mich ist es schon ein Unterschied ob ich mit einem ungefähr Gleichaltrigem aus Wessi-Land über unsere gemeinsame und doch getrennte Vergangenheit rede oder mit Jemanden der zu Wendezeiten noch mit 'ner Trommel vorm Bauch um den Weihnachtsbaum rannte. Das macht ein kleinen aber nicht unwesentlichen Unterschied aus.

Arbeit gehört mit zum Alltag, jedenfalls meine Meinung.
Nun fällt mir wieder eine Floskel auf, nämlich: .... Alltag nicht frei gestalten kannst ( im Rahmen üblicher demokratischer Freiheiten ) welche ich hinterfragen möchte.
Was verstehst Du unter freier Gestaltung des Alltages?
Was sind die üblichen demokratischen Freiheiten? Meine Überlegung zu diesem Gedanken, wenn es übliche gibt muß es auch unübliche geben und wie stellen sich unübliche demokratische Freiheiten dar?
Gibt es etwa auch undemokratische Freiheiten?

....Du täglich eingeschränkt oder bevormundet bist und oder?
Was habe ich mir unter Einschränkung aus Deiner Sicht vorzustellen?
Wie stellst Du Dir eine Tägliche Bevormundung vor und wie sieht die Bevormundung inhaltlich aus?

Manch' Bürger fühlt sich bereits durch eine auf Rot stehende Fußgängerampel in seiner üblichen demokratischen Freiheit eingeschränkt und Bevormundet. Ist es das was Du meinst?

Wo wurde hier im Forum in den Beiträgen um 13. August der Mauerbau explizit schöngeredet, die Untersuchungshaftanstalt inHohenschönhausen (HSH ist ein Stadtteilin dem sie liegt) fast zu einem "Fünfsternehotel" hochgejubelt worden und wo wurde die Meinung geäußert der Grenzverletzer, der Flüchtende hätte selber Schuld wenn er erschossen wurde. Eben Pech gehabt. Gerade letzteres wurde nichtgesagt, wahr ist hingegen das gesagt wurde das sich ein Flüchling welcher den Weg über die Mauer um Berlin(West) oder die Grenze genommen hat sich des Risikos und der Gefahren bewußt sein sollte. Er konnte nun wirklich nicht damit rechnen das ihn die netten Grenzer über den Sperrzaun helfen.
Es gibt hier im Forum durchaus User welche davon berichteten das sie sich dieser Gefahren durchaus bewußt waren und teilweise "Alternativen" in Form von Schleusungen gefunden haben. Auch diese waren Risikobehaftet.

Auch in der heutigen Gesellschaft glaube ich die Mär von der Pressefreiheit nicht. In der Presse wird die Meinung derjenigen verbreiten denen die Presse gehört. Wobei dies nicht nur für Printmedien gilt, sondern auch für Fernsehen, Radio und Teile des Internets.

Wir leben, wie uns weisgemacht wird in einer Informationsgesellschaft.
Nun frage ich mich wieso der Großteil der Bevölkerung dann so grottenhaft schlecht informiert ist und jeden geschickt aufbereiteten Brocken schluckt.

Zum Glück ist es in Deutschland noch nicht ganz so schlimm was die Medien betrifft wie in Großbritannien und den USA.
Das in den USA Fox-News als Präsidentenmacher gehandelt wird ist ein offenes Geheimnis. Das der Besitzer von Fox, Herr Murdoch, ein erzkonservativer Mann ist, ist kein wirkliches Geheimnis und das er der Tea-Party Bewegung sehr nahe steht ebenfalls nicht. Sein Medienkonzern erreicht Weltweit ca. 4,7 Milliarden Menschen und versorgt sie mit "Informationen". Meinst dieser Konzern fühlt sich einer Verbreitung pluralistischer Meinungen verpflichtet?

Solange eine Demokratie a la USA als der heilige Gral der Demokratie überhaupt angesehen wird, in dem wie jetzige Debatten mal wieder zeigen eine allgemeine, für alle Bürger verbindliche Krankenversicherung als Ausdruck einer Kommunistischen Terrorherrschaft gesehen wird, da wundert mich ehrlich gesagt nichts mehr.

Die Frage welche Du stelltest, ob "eine Aufarbeitung mit einem Menschen, der einen Alltag ohne Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Reisefreiheit usw. als normal bezeichnet, überhaupt möglich ist?"
habe ich wahrscheinlich nicht beantwortet aber meine Meinung habe ich dazu gesagt.

Gruß
Nostalgiker
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Re: Was ist eigentlich Aufarbeitung?

Beitragvon Edelknabe » 18. August 2011, 18:51

"Sozialistischer Alltag ohne Meinungsfreiheit", den habe ich mal rausgepickt und das Sozialistisch angehangen für den jüngeren Teil der Leser, also dies klingt mir immer wie aber auch zu jeder Gelegenheit...sagen wir auf Arbeit mit Kollegen, im Laden mit Bruno von nebenan, auf der Feier mit Freunden, im Urlaub am Strand hatte man sich erst ängstlich umgeschaut ob da nicht irgendwo Einer, ein IM ein inoffizieller Mitarbeiter mit gespitzten Ohren stand, und dann tuschelte man los, so leise flüsternd und immer ganz genau überlegend was man so von sich gibt.
Und hast du nicht gesehen, ein falsches Wort ...das Wort hätte das Wort Freiheit sein können und bumms, da klickten die Handschellen und ab in der grünen Minna nach Bautzen. Ade du schöne DDR und ich musste das hier einfach mal etwas ins lächerliche ziehen, weil es eben lächerlich ist, das mit der doch angebliche Einschränkung der alltäglichen Meinungsfreiheit in der DDR.
Was anderes, was ganz Anderes war das schon, wenn ich also ein Plakat fein säuberlich malte und darauf schrieb "Ich finde das Leben in der DDR für meine persönlichen Begriffe zu eng und dazu noch Scheiße und morgen möchte ich bitte ausreisen" und mich dann mit dem Ding auf den Karl- Marx- Platz in Leipzig stellte.
Also sowas war strafbar und auch ein bißchen Selbstmord und logisch, das ich dem Angestellten in einer staatlichen Behörde, einem Amt, einer Gemeinde oder Stadtbezirk nun nicht ganz krumm und beleidigend und vielleicht noch voll wutentbrand kommen konnte, sollte, denn das rief auch die Staatsmacht in Form der Volkspolizei auf den Plan.
Dafür war die Eingabe da(das Thema Eingabe hat hier einen Extrafred...glaube auch im Offtopicbereich?), diese sollte ganz korrekt formuliert sein gewesen sein und siehe, sie musste vom Staat, der Beschwerdestelle auf der sie abgegeben wurde innerhalb 30 Tagen ebenso korrekt für den Bürger DDR beantwortet werden.
Das um es mal so schön zu sagen, war ein Ventil, was eben meistens auch half, um angestaute Luft/Frust abzulassen und so mancher bekam sein volles Recht...siehe wieder eine größere Wohnung, einen Kachelofen dazu, auch eine Neubauwohnung, einen Garten, einen besseren FDGB-Platz an der Ostsee oder er bekam eben eine Absage mit dem Hinweis, er solle es kommendes Jahr nochmal zur Sprache bringen, denn Geduld war in der DDR schon gefragt, man musste Zeit mitbringen und die hatte man auch, denn man wollte ja was erreichen.
Die Ungeduldigen...so muss ich mal sagen konnten dann schon mal den Schaden haben, sagen wir vorne am Zaun I in Höhe der Splitterminen und das ist jetzt nicht sarkastisch gemeint, es sollte nur andeuten, auch da musste ich Zeit/Vorbereitung mitbringen um meine Sache wie oben schon geschrieben zu erreichen.
Aber genug erstmal und Nostalgiker, mir gefällt deine ruhige Art, die passt irgendwie hierher, ich musste das mal texten ohne hier Honig schmieren zu wollen, denn so kommen wir zum Punkt, nur so entsteht ein realistisches Bild auf Damals.

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Re: Was ist eigentlich Aufarbeitung?

Beitragvon Dille » 18. August 2011, 23:57

Nun RMR, ich halte es nicht unbedingt für einen Ausdruck von "Meinungsfreiheit", wenn der DDR- Zoll in Bad Schandau oder Zinnwald nur nach bedrucktem Papier aus der 1968- er CSSR gesucht hat, ich mir Heinrich Böll in Bulgarien (auf deutsch mit russischen Übersetzungen) gekauft habe, oder Franz Kafka (Rohwolt Taschenbuch) in der Vaci Utca in Budapest. Ich halte es auch nicht unbedingt für einen Ausdruck von "Meinungsfreiheit", wenn mir ein Tribunal an der TU Dresden meine "Konterbande" (das Aktionsprogramm der KPC von April 1968) abverlangt (zurückhaltend ausgedrückt).
Ich kann für mich nur sagen -- man wurde von klein auf zu 2 Meinungen erzogen, und damit zu einer Art von Schizophrenie -- und verrückt genug, man hat auch sehr feine Antennen entwickelt, für mich kann ich sagen, daß ich auch immer den "richtigen" Leuten meine 2. Meinung anvertraut habe.
Und -- jetzt mal aus der "Gegen"- Sicht -- es war ja auch nicht eben ein Ausdruck von "Meinungsfreiheit", wenn wir (wie ich schon mal geschrieben habe) in unserem Ruderclub in Berlin- Friedrichshagen sehr fein "sortiert" (heute würde man gemobbt sagen) haben, wer da 'rein paßt (zu unserer 2. Meinung), und wer nicht. Auch dies war nicht schön und nicht fair -- aber es war auch eine Art von "Notwehr" -- wenigstens im Ruderbetrieb, auf Wanderfahrten etc. wollten wir unsere "Ruhe", unsere Meinungsfreiheit --- und wenn Du dies meinen solltest, wir haben uns unsere "Meinungsfreiheit" in unseren Nischen geschaffen, im täglichen DDR- Umfeld dagegen hatte ich sie nicht.

Gruß, Dille
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Re: Was ist eigentlich Aufarbeitung?

Beitragvon Edelknabe » 19. August 2011, 06:17

Dille und ja, könnte ich jetzt sagen, wenn man den Kümmel sucht, dann findet man ihn auch und überlege, wie jung du damals warst und Jungsein heißt einfach impulsiv sein und mein impulsives Jungsein und das schrieb ich schonmal hier irgendwo ließ mich mal mit Frau eine gemeinsam (mein halber Betrieb saß mit im Kino, im Casino)besuchte Filmveranstaltung des Filmes "Befreiung" laut protestierend verlassen(siehe ich tat meinen Unmut kund mit Worten...na sowas, so nen Mist guck ich mir nicht länger an) und raus waren wir und Dille, da war ich gerade Anwärter für die SED weil ich doch echt was verändern wollte mit unserer Jugendbrigade und die war Spitze, die war sogar sowas von Spitze, das wir jedes "sowjetische" Kessel/Heizhaus in den Kasernen der GSSD vorfristig fertigbekamen weil sowas einfach mehr Kohle, dicke Prämien brachte und unser Brigadier war da wie ein Messer, der muss Augen wie Mark der DDR gehabt haben.
Ach so, ich vergaß, es ist nichts passiert, anschließend an den sowjetischen Heldenfilm wo die Deutschen Wehrmachts-Dödel reihenweise abgemäht wurden(mein Vater war so Einer und erzählte mir immer das Gegenteil aus seiner Zeit so 1941-44), deswegen wohl meine Protesthaltung und ja, ich wurde einfach kein Genosse dann, das war wohl die kleine Rache der alten Genossen, ich war eben noch nicht reif genug,ein unreifer Jüngling so wie du damals in deiner Uni.

Rainer-Maria und drehen wir das doch mal aufs heute mit der Meinungsfreiheit, das ist doch ein Witz, ich sage also olle Merkel ist eine fette Kuh und sollte mal abnehmen und was passiert...Nichts, sie wird im Gegenteil noch fetter.
Was bitteschön nutzt mir also meine Meinungsfreiheit...Nichts...entschuldigt, ich kann vor lachen nicht...
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Re: Was ist eigentlich Aufarbeitung?

Beitragvon Nostalgiker » 19. August 2011, 10:45

Früher in der DDR konnte ich über meinen Abteilungsleiter, Betriebsdirektor sagen das er ein Blödmann ist und von der Materie keine Ahnung hat, gleiches sollte ich aber nicht über die Genossen Staatsführer sagen. Zumindest in der Öffentlichkeit.
Heute kann ich ohne Ende über Politiker jeglichen Couleur ablästern, auch in der Öffentlichkeit nur wenn ich erzähle das mein Abteilungsleiter, Bereichsleiter oder Boss ein Blödmann ist und von der Matrie keine Ahnung hat wird es kritisch für mich.

Erstere "Herabsetzung" hatte als mögliche Folge eine geregelte Arbeitszeit in geschlossener Umgebung mit Vollverpflegung und Unterkunft; zeitlich begrenzt.
Zweite "Herabsetzung" hat als mögliche Folge, im Glücksfall, das ich durch die Erledigung besonders vieler Aufgaben beweisen kann das ich es besser machen kann, wenn ich Pech habe verfüge ich plötzlich über sehr viel Freizeit und die kann ich nutzen um mir zu Überlegen wo ich die nötigen Mittel herbekomme um Essen und Unterkunft zu bezahlen.

In welchem Beispiel ist die Meinungsfreiheit größer?

@Dille

so, so Vaci Utca [crazy]
Jetzt weiß ich auch warum es dort immer so voll war in dem Buchladen und wer mir meine Begehrlichkeiten weggeschnappt hat. Da ist die Abnahme der Exemplare an der Grenze nur ausgleichende Gerechtigkeit, denn was ich nicht haben konnte sollte auch kein anderer haben [sick]

Späßle.

Ich habe die Grenzkontrollen mehr sportlich gesehen. Natürlich war es mehr wie ärgerlich wenn Einem ein Buch, eine Schallplatte, oder eine Jeans welche man sich förmlich vom Munde abgespart hatte von solch einer Zollkommandeuse abgenommen wurde. Männer waren irgendwie nicht ganz so schlimm, Frauen waren einfach frustriert und permanent schlecht drauf, besonders im Nachtzug von Prag welcher gegen 2 Uhr (?) in Bad Schandau zur Kontrolle einlief.
Nahten also weibliche Zollbeamte brach im Abteil Panik oder lähmendes Entsetzen aus, jedenfalls schworen sich alle 8 Insassen das sie ohne Gepäck reisen und wir nicht wüßten wem denn die Rücksäcke und Taschen in der Gepäckablage gehörten, uns jedenfalls nicht! Zur Kontrolle reichen wir die Gepäckstücke ja gerne, übernehmen aber weiter keine Verantwortung für deren Inhalt.
So schlimm kam es bei mir nie, obwohl ich mich bei jeder Einreise in die DDR sehr zusammenreißen mußte um nicht Blut und Wasser zu schwitzen und trotzdem jedesmal kurz vor einem Kreislaufkollaps stand.
Das betraf übrigens alle Grenzübergänge, natürlich nur die von der CSSR und Polen und Schönefeld welche wir im Regelfall benutzen konnten.
Friedrichstrasse im September 89 war schon ein anderes Thema, sagten wir doch dem Zoll und den Grenzern sehr direkt sie sollten doch froh sein das überhaupt jemand zurückkommt und wenn sie das nicht sofort mit diesen dämlichen Kontrollen lassen, noch können wir umkehren. Sieh da es funktionierte.

Und klar, man suchte sich schon seine Leute aus mit denen offen geredet werden konnte.
Nur ist das heute nicht so ähnlich?

@Edelknabe
Auch ich durchlitt fünf Teile "Befreiung" als Pflichtveranstaltung. Allerdings war ich schon Mitglied und als Student konnten wir uns vorwitzige Kommentare im Kino oder gar das Verlassen der Vorstellung nicht leisten. Wer hatte schon Lust wegen solchen Schmarrn anschließend öffentliche Selbstkritik zu üben welche dann eventuell in der Selbstververpflichtung gipfelte sich alle! sowjetischen Kriegsfilme* anzusehen und eine Belegarbeit darüber zu schreiben.
Allerdings durften wir Studenten uns diese Perle der agitatorischen Filmkunst als 70mm Film im Capitol ansehen.
Die Sitze waren bequemer, das Bild in seinen Ausmaßen und der Brillanz beeindruckend und der Ton überwältigend.
Da wir Teil 1+2 am ersten Tag und 3+4+5 am zweiten Tag gesehen hatten (War extra von der Uni als Pflichtveranstaltung so organisiert und fing um 9 Uhr an) könnte ich mir solch Marathon im Casino als echte Tortur vorstellen. Holzklappsitze, geringer Reihenabstand, Kinosaal nicht sehr hoch und keine! Klimaanlage; für die Nichtwissenden.

Ich denke zurückblickend, wir haben vieles auch mit Humor getragen.
Es waren andere Zeiten und wenn ich alles verbissen gesehen hätte, was nicht heißt das ich mit geschlossenen Augen durch das damalige Leben ging, hätte ich es mir nur unnötig schwer gemacht.

Gruß
Nostalgiker

*es gab einige wenige wirklich gute sowjetische Filme zum Thema. Nur waren es sehr wenige und diese sind auch International anerkannt.
Nostalgiker
 

Re: Was ist eigentlich Aufarbeitung?

Beitragvon Nostalgiker » 19. August 2011, 11:13

Durch einen Hinweis bei der "Konkurrenz" habe ich mir eben eine Seite angeschaut.

Es ist eine persönliche, private Seite.
Nur was ich dort, weil es zum Thema "Meinungsfreiheit" passt, gefunden habe lässt mich vermuten das der Text zumindest der zur DDR-Meinungsfreiheit nur eine Parodie oder eine völlige Verschiebung der Realitäten in der Erinnerung des Verfassers sein kann. Tut mir leid oder ich habe woanders gelebt.

Hier geht es zum Text

Wenn ich zu Hause bin muß ich glatt nachschauen ob ich etwa noch Agitationsmaterial für das FDJ-Studienjahr oder ähnliches im Haus habe.
Zumindest habe ich ein paar Broschüren der Reihe "NL-konkret" im Hause aber keine Kohlenzange mehr.
Irgendwie bekomme ich das schon hin.

Gruß
Nostalgiker
Nostalgiker
 

Re: Was ist eigentlich Aufarbeitung?

Beitragvon Dille » 19. August 2011, 14:07

Nostalgiker hat geschrieben:
so, so Vaci Utca
Jetzt weiß ich auch warum es dort immer so voll war in dem Buchladen und wer mir meine Begehrlichkeiten weggeschnappt hat. Da ist die Abnahme der Exemplare an der Grenze nur ausgleichende Gerechtigkeit, denn was ich nicht haben konnte sollte auch kein anderer haben


Siehs'te Nostalgiker, da hätten die jüngeren Semester eben doch noch von den älteren lernen können ! Ich bin auch vorzugsweise mit dem Nachtzug (Balt- Orient ??) zurückgekommen, das waren doch die normalen D- Zugwagen mit Gang und Abteilen, und auf dem Gang lief auf ganzer Länge ca. 20 cm über dem Boden die Heizung durch, verkleidet mit einem Streckmetallgitter. Dieses Gitter hatte unten einen Falz nach innen, und auf diesen Falz konnte man Taschenbücher mit dem Rücken draufstellen und dann an die Wagenwand lehnen, das ging ganz prima ! Nachdem die Bande Bad Schandau wieder ausstieg, konnte man die Bücher wieder rauskramen. Hoffe, wir brauchen das nicht nochmal !!
Noch 'ne kleine Episode : Du schreibst ja, daß der Zug irgendwann so gegen 2 Uhr morgens die Grenze passierte -- meine Reiseanlage Ungarn über 10 Tage war also nach Meinung des Genossen Paßkontrolleur um Mitternacht abgelaufen -- da hat sich der im Abteil aufgeblasen und so etwa wörtlich zu uns gesagt "..könne er von uns überhaupt nicht verstehen, wo unser Staat doch in jeder Beziehung schon so großzügig sei..". Ich bin ja schwer sprachlos zu kriegen -- aber da war ich völlig entwaffnet !
Diese Begebenheit liegt ja nun gut 40 Jahre zurück, aber noch immer, wenn ich meinen damaligen Begleiter hier in München treffe, kommt immer irgendwann der Moment, wo wir uns beide anschauen und einer von uns "..wo unser Staat doch schon so großzügig..." murmelt -- und dann beide losprusten !

Gruß, Dille
Dille
 

Re: Was ist eigentlich Aufarbeitung?

Beitragvon Nostalgiker » 19. August 2011, 16:07

@Dille,

hier liest bestimmt der Zoll mit und da wollen wir doch nicht alle Verstecke in diesen D-Zug Wagen verraten. [flash] Ich kenne da auch einige, nur werden diese Waggons heute kaum noch eingesetzt. [sick]
Ähnliche Abteilwagen fahren immer noch Richtung Osten vom Hauptbahnhof ab.
Gang an der Seite und die Abteile mit Schiebetüren, in der zweiten Klasse mit 8 Sitzplätzen, erste Klasse mit 6 Plätzen.
Ein Vierkantschlüssel gehörte ins Reisegepäck um die Abteiltür von innen zu verschließen, es konnte gerade in Rumänien oder Bulgarien passieren das auf einmal 12 oder mehr Leute im Abteil saßen.
Aber das ist weit weg von der Deutsch/Tschechischen Grenze.

Ob das der Balt-Orient Express war weiß ich nicht mehr, auf alle Fälle kam der Zug den ich meine aus Budapest und war in Prag schon heftig gefüllt.
Benutzt habe ich hauptsächlich wenn ich nur in der CSSR unterwegs war und zwar wegen der Umtauschregelung.
Es gab bekanntlich für die CSSR pro Tag nur einen bestimmten Satz an Kronen, ab 3 Tage pro Tag 40 Mark der DDR. Ansonsten für einen Tag 20 Mark, zwei Tage 30 Mark.
Wenn ich also Sonnabend und Sonntag nach Prag fuhr mußte ich also nach 24 Uhr in der Nacht zum Montag über die Grenze. In der Bank wurde nämlich nur der Datumsstempel kontrolliert. Maximal für 30 Tage im Jahr konnten Kronen getauscht werden. Bin ich laut Datumsstempel eher zurückgekommen wurde nämlich bei einem weiteren Kurztrip die ungerecht in Anspruch genommene Umtauschsumme mit der Neuen verrechnet. Das lief meiner Erinnerung sogar über das Jahr hinaus.
Ist bestimmt für einen Nicht-DDRler nicht so richtig nachvollziehbar.
Also: In der "Reiseanlage für den Visafreien Reiseverkehr" wie das Faltblatt welches in den PA eingeklebt wurde im sperrigen Amtsdeutsch hieß wurde von der Staatsbank die Umgetauschte Summe und die dafür vorgesehenen Tage eingetragen. Anhand der Daten vom Grenzübertritt war es einfach die Verweildauer zu ermitteln und stimmte ausgezahlte Summe nicht mit den vorgegebenen Tagen überein gab es eben für die nächste Reise entsprechend weniger Kronen. Ordnung muß schon sein.
Das eingeklebte Blatt zu entfernen war auch keine gute Idee, denn es wurde überlappend gestempelt.

Da die Bürger der CSSR einen wesentlich höheren Tagessatz zum tauschen hatten war es nicht allzu lukrativ dort schwarz zu tauschen.

Solch dämlichen Sprüche vom Zoll, bzw. von den Passkontrolleuren kenne ich zur genüge.

Mich hätten sie mal fast nicht nach Polen ausreisen lassen, die lieben Genossen von der Passkontrolle.
Da der DDR Ausweis zwanzig Jahr gültig war und ein Bild von einem 14 jährigen Jungen zwar niedlich aussieht aber kaum mehr Ähnlichkeiten mit dem 20jährigen Langhaarigen hat, habe ich mir in diesem Alter mit diesen langen Haaren einen neuen PA mit aktuellem Passbild machen lassen. War auch wichtig für Reisen nach Bulgarien, den die Grenzer verpassten einem dort gnadenlos den Haarschnitt den sie auf dem Bild des Ausweisinhabers sahen.
Nun hatte ich mir, als es nicht mehr aufmüpfig war lange Haare als Mann zu tragen, eine äußerst bequeme 10mm Kurzaarfrisur zugelegt.
Im Abteil des Zuges nach Danzig 7 Langhaarige und ein Kurzaariger junger Mann.
Der Genosse bekam also wie gefordert 8 Personalausweise gereicht und er blickte sieben mal sehr prüfend und ernst in den jeweiligen Ausweis und versuchte dann das richtige Kind im langhaarigen Manne zu finden dem er den richtigen PA zurückgeben konnte. Meiner war der letzte.
Solch ein Geschrei wie bei dem Anblick meines Passbildes und dem jungen Mann der da erwartungsfroh mit der feschen Kurzhaarfrisur vor ihm saß, hatte ich vorher noch nie gehört. Ob ich ihn verarschen wolle war das netteste und ich käme nur über seine Leiche nach Polen denn laut Passgesetz müsse Bild und lebende Person äußerlich übereinstimmen usw. usf.
Wieso dann die Jungs mit den langen Haaren dürften meine Frage, daran sei man schließlich gewöhnt seine Antwort.
Nächste Frage meinerseits ob denn nun auch eine Frau zwanzig Jahre die Frisur haben müsse wie auf ihrem Passbild. Er gab genervt auf.
Dafür holten sie sich doch noch ein Opfer, denn ihnen fiel plötzlich ein die Zahlungsmittel zu kontrollieren.
Es war, jedenfalls für Polen ratsam wenigsten 50 Mark in Zloty umzutauschen und beizuhaben. Da es für Polen keine Umtauschbeschränkungen gab hätte man dem Grenzer auch erzählen können das man nur einen Tagesausflug nach Stettin machen will; mit Kraxe, na klar.
Einer hatte Pech und keine Zloty bei. Selbst die Beteuerungen das er zu uns gehöre halfen nichts. Er hatte einen ziemlichen Berg DDR Geld bei sich.
Er wurde aus dem Zug geholt.

Da konnte man schon wie es heute so nett heißt so richtig abkacken und jeder war froh wenn er die Hürde dieser Ausreise überstanden hatte. Der nächste Höhepunkt war, wie bereits erwähnt, die Einreise.
Geld raus schmuggeln,Ware wieder rein schmuggeln und dazwischen das Gefühl aus dem umzäunten Gehege in ein Freilaufgebiet entwichen zu sein.

Hat das jetzt was mit Aufarbeitung zu tun?

Gruß
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Re: Was ist eigentlich Aufarbeitung?

Beitragvon Edelknabe » 19. August 2011, 17:50

Nostalgiker es war doch das Capitol. Ich Idiot schrieb vom Casino und das fiel mir erst in deinem Text auf mit dem ebenfalls "Pflichtprogramm."
Aber sei es drum und das liebte ich auch in unserem Arbeitsumfeld damals zu DDR-Zeiten...siehe das Maul mal richtig aufmachen und Dampf ablassen und dann änderte sich auch was, gerade, weil ich im Gegensatz zum heutigen System nicht gleich die Papiere bekam, wenn der ältere Meister eben ein "Arschloch"war oder wie wir jungen Kerle ihn noch mit manchmal sehr netten Worten vor Wut titulierten, denn wir bekamen immer Meister vorgesetzt, die aus völlig anderen Gewerken waren so Maler...."was wollte ich denn im Rohrleitungsbau mit einem Malermeister, der hatte doch von Tuten und Blasen keine Ahnung, der behinderte uns mehr und versaute am Ende noch die Prämien, weil er gleichzeitig seine Malertruppe(die betreute er auch noch)uns vorzog.
Das war auch so eine Art Ungerechtigkeit geboren aus den dummen Neuerervorschlägen irgendwelcher Sesselfurzer, ein Meister könnte mehrere Gewerke betreuen. Das ging aber auch sowas von daneben und so wehrten wir uns, wir waren jung, wir waren impulsiv, alles klappte nicht immer aber das Geld in der Lohntüte stimmte, jeder aus der Truppe hatte seine Macken und die waren teilweise nicht ohne,manche versoffen auch nur ihr Geld aber die Arbeit machte Spass.
Und da kommt heute halb Deutschland und meint die DDR war eben Scheisse und ihr fantasiert doch nur ihr Ossibrunos und wir müssen alles nochmal aufarbeiten und wenn ihr artig seit dann unterschreibt ihr am Ende das da, was wir hier "NEU" aufgearbeitet haben...Punkt um.
Aber Pustekuchen Nostalgiker, ich lasse mir doch mein gelebtes Leben nicht madig machen, da müsste ich ja total im Kopf meschugge geworden sein mit leichtem Hang zur Demenz.
Aber Spass beiseite, so war das damals und deswegen lasse ich auch heute nichts auf den Sozialismus kommen, zumindest den, der meine Familie und mich ganz persönlich betraf, auch weil ich kein Typ bin, der wartete, bis das kleine Glück doch zu ihm kommen möchte, ich war sinngemäß eher da und packte es mit beiden Händen.

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Re: Was ist eigentlich Aufarbeitung?

Beitragvon Interessierter » 19. August 2011, 21:02

Zitat Nostalgiker:
Die Frage welche Du stelltest, ob "eine Aufarbeitung mit einem Menschen, der einen Alltag ohne Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Reisefreiheit usw. als normal bezeichnet, überhaupt möglich ist?"
habe ich wahrscheinlich nicht beantwortet aber meine Meinung habe ich dazu gesagt.

Antwort:
Da Du ja selber erkannt hast auf meine Frage gar nicht eingegangen zu sein, nur eine kurze Erläuterung wegen Deiner Neugier was meine Person angeht.
Mit " Amerika " scheinen Deine Beziehungen/Seilschaften ja wohl noch zu funktionieren und als ich mit der Blechtrommel als Kleinkind herumgelaufen bin, da warst du noch gar nicht geboren. [flash]

[hallo]
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Re: Was ist eigentlich Aufarbeitung?

Beitragvon Nostalgiker » 19. August 2011, 21:20

scheinen Deine Beziehungen/Seilschaften ja wohl noch zu funktionieren
[laugh]

Herrlich!!!!

schon mal drüber nachgedacht das es Menschen gibt die A) lesen können und B) das gelesene kombinieren und C)ein Netzwerk, Beziehungen, Seilschaften schaden nur demjenigen der sie nicht hat.

Interessant das 'Interessierter' schon so alt ist.

Gruß
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Re: Was ist eigentlich Aufarbeitung?

Beitragvon Edelknabe » 20. August 2011, 05:16

Nun lass es doch mal raus Interessierter, was für ein Jahrgang bist du wirklich? Geburtsdatum uninteressant, das interessiert hier Keinen, nicht Einen.
Ich lege schonmal vor, also ich bin Jahrgang 1953 und nehme mal an, der Nostalgiker ist nur etwas älter wie ich , weil er von Gaschwitz schrieb. Das liegt übrigens bei Leipzig, meiner Geburtsstadt und war ein Tanzschuppen, wo meine spätere Frau immer so Kerle kennenlernte, die nicht unbedingt nur abtanzen wollten.
Mein Tanzschuppen war der "Sack" Interessierter, das Jugendklubhaus "Jörgen Schmidtchen",auch in Leipzig und zwar Schönefeld, das war übrigens der tote Grenzsoldat...hast du "alter Westmann" bestimmt mal drüber gelesen, deswegen bin ich dann später auch Grenzsoldat geworden, weil das Rotlicht von den Bühnenscheinwerfern mächtig intensiv gewesen ist und die Mädels dadurch immer so erotisch aussahen im Halbdunkeln.
Aber kleinen Ostspass beiseite...lass es mal raus, komm, öffne dich mal ein bißchen für uns Jungs aus dem Osten," Sag uns dazu noch, wo du stehst."

Rainer-Maria und allen einen guten Sonnabend ins Forum.
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Re: Was ist eigentlich Aufarbeitung?

Beitragvon LO-driver » 4. Dezember 2011, 20:03

Ein interessantes Resümee der Politischen Aussichten mit Lutz Rathenow habe ich hier gefunden.

http://www.dresdeneins.tv/gespraech/Pol ... -1359.html

LO-D
"Der Hintergrund für Stress ist der tägliche Kontakt mit Idioten." (Albert Einstein)
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