Wer war damals mein Feind...aber heute nicht mehr ?

Alles was in den Zeitraum nach der Wende gehört. Das Zusammenwachsen von zwei grundverschiedenen Systemen, Probleme, Erwartungen, Empfindungen usw.

Wer war damals mein Feind...aber heute nicht mehr ?

Beitragvon Berliner » 27. März 2011, 22:16

Das Zitat von Dille ist der Grund fuer dieses Thema:

Dille hat geschrieben:Zu meinem damaligen SemSek habe ich übrigens heute ein freundschaftliches Verhältnis, wir treffen uns in einer größeren Gruppe von Kommilitonen (ja, nach über 40 Jahren) zu einer jährlichen Rad- Himmelfahrtstour über die Dörfer in der Lausitz, ich komme dazu extra aus München mit dem Rad auf dem Golf, singen die alten Lieder und trinken manches Bier zusammen – so wie es sein sollte, unterschiedliche Lebenswege und Erfahrungen – aber immer menschlich anständig !


In diesem Thread wird einfach gefragt wer damals wegen der politischen Verhaeltnissen mein "Feind" war, aber heute ein guter Bekannte oder gar Freund ist. [super]

Wer war vor der Wende Euer "Feind" aber jetzt ist Euer Freund ? [ich auch]

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Re: Wer war damals mein Feind...aber heute nicht mehr ?

Beitragvon augenzeuge » 28. März 2011, 15:33

Von Feinden kann ich nicht reden. Aber von Feiglingen. Im Umkreis meiner damaligen Bekannten und Freunde, auch Verwandten gab es 3 Beispiele. Sie hatten alle ausnahmslos den Kontakt zu den Ausreiseantragstellern gelöst, da sie Angst um ihren Job hatten. Darunter war nur einer, der wirklich für den Rat der Stadt tätig war.

Nach der Wende dauerte es Jahre, bis sie den Kontakt zu mir wieder gesucht haben. Sie haben sich alle erklärt und um Verständnis für ihre damalige Situation gebeten. Bei manchen hat es Zeit gebraucht. Heute habe ich zu allen ein freundschaftliches Verhältnis, obwohl die politischen Diskussionen offen, aber ohne Streit, geführt werden. Diese Offenheit traute sich damals keiner. Aber das haben gerade diese Leute vergessen.

Übrigens, allen geht es heute finanziell besser als früher. Sie reisen nach Gran Canaria wie früher an die Ostsee. Alles ist für sie so selbstverständlich geworden. Und manche lesen wieder Bücher von Krenz und Streletz mit Enthusiasmus. Doch davon, dass Streletz IM Birnbaum war und eigene Kollegen angeschwärzt hat, wissen sie nichts. Bis sie es von mir erfahren.
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Re: Wer war damals mein Feind...aber heute nicht mehr ?

Beitragvon Edelknabe » 28. März 2011, 17:44

Jörg, du machst es dir zu einfach, so meine ich. Du stellst Menschen als Feiglinge hin, nur weil sie nicht deine Entscheidung, die DDR verlassen zu wollten, teilten, sie wenn man es so bezeichnen möchte deine Entscheidung " nicht gerade mit Beifall und Symphatie beklatschten?" Das wäre in etwa so, als würde ich Bergmensch als alleinerziehenden Vater und seinen Problemen mit der...keine Ahnung...sagen wir es war eine Waschmaschine in dem gestrigen Text, also als würde ich ihn als damaligen Versager hinstellen, unfähig, im Beziehungsgeflecht DDR das Teil besorgen zu können? Und mich dann als den großen Zampano aus der Großstadt Leipzig bezeichnen, der damit Null Probleme hatte dank meines Berufes und der vielen Nebenbeiarbeit, wo eine Hand die andere wusch und gut füllte.
Du warst so kühn, diesen Schritt zu wagen, warst auch noch relativ blutjung, eigentlich ein Habenichts und über diese schrieb ich schon öfters, du hattest keinerlei Verantwortung zu tragen, konntest also die Brücke hinter dir abbrechen aber konntest auf der anderen Seite nicht verlangen, das eben deine Freunde und Bekannte ihr eigenes Leben im Staate DDR mit dummen, vieleicht sogar unüberlegten Symphatiebekundungen zu dir aufs Spiel setzen.
Das ist keine Feigheit.Feigheit war eigentlich deine Entscheidung, den leichteren unbekümmerten Weg zu gehen, nur weil du nicht hier...und nicht da...verstehst du was ich meine, du schaltestest auf stur, meintest der Staat will übel mit dir und suchtest nicht den Königsweg, nein, du suchtest den ganz leichten Weg.
Und ohne Frage, du hast deinen Weg gemacht...aber eben deine Freunde, die Bekannten, diese die blieben auch. Warum sich da Einer dir gegenüber erkären wollte...nach der Wende, das ist mir ein echtes Rätsel? Die Leute haben doch nichts verkehrt gemacht, sie waren bodenständig und blieben....so wie ich.

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Re: Wer war damals mein Feind...aber heute nicht mehr ?

Beitragvon augenzeuge » 28. März 2011, 18:09

Edelknabe hat geschrieben:Jörg, du machst es dir zu einfach, so meine ich. Du stellst Menschen als Feiglinge hin, nur weil sie nicht deine Entscheidung, die DDR verlassen zu wollten, teilten.....

Ich denke du verstehst mich nicht. Wenn man Freunde hat, die man Jahre kennt, dann kann man mit ihnen auch reden, wenn sie den Ausreiseantrag stellten. Das machten viele, und es passierte ihnen deshalb nichts, wenn sie nicht einen politischen Job machten. Du selbst fühltest dich doch so sicher damals. Hättest du denn auch nicht mehr mit den Menschen reden wollen....? Klar hatten sie Verantwortung, aber wem nahm man den Job weg, weil er mit Ausreisewilligen sprach? Niemand. Und wer das dachte, war feige. Zu sich selbst. Weil er dem DDR-System nicht traute, aber immer gebückt so weitermachte.


..... du suchtest den ganz leichten Weg.
Leicht? Nicht zu wissen, ob es jemals klappt, nicht zu wissen wann es klappt, im Betrieb wie ein Aussetziger behandelt zu werden, einen PM 12 zu bekommen, der dich nicht mal an die Ostsee reisen lies, weil es Grenzgebiet war....nicht zu wissen, was einen drüben erwartet. Du weißt doch, wie wir informiert wurden. Nein, ich wusste, dass es sehr schwer werden würde...aber wenn ich blieb war vieles mehr als schwer bis unmöglich. Keine Alternative zu sehen, macht das Schwere doch möglich, Rainer.

Warum sich da Einer dir gegenüber erkären wollte...nach der Wende, das ist mir ein echtes Rätsel? Die Leute haben doch nichts verkehrt gemacht, sie waren bodenständig und blieben....so wie ich.
Warum erkannten dann die Leute ihren Fehler, warum entschuldigten sie sich dafür? Warum war es ihnen so wichtig mit mir klar Schiff zu machen? Warum sagten sie, dass man auch anders hätte handeln können....man sagte selbst über sich, dass man nicht den Mut dazu hatte. Ich war das gar nicht.
Rainer-Maria

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Re: Wer war damals mein Feind...aber heute nicht mehr ?

Beitragvon Dille » 28. März 2011, 18:23

Hallo Berliner (von einem Ex- Berliner) --

Dein neuer thread ist ja sehr schön – aber aus dem von mir Geschilderten eigentlich nicht abzuleiten, ich hatte keine von mir zu „Feinden“ erklärte Personen in meinem Umfeld.

Wie ich geschrieben habe, mein SemSek war ein richtiger Idealist, er hat sich bemüht, uns auf die „richtige“ Schiene zu kriegen, hat aber – und dafür achte ich ihn hoch, eine andere Meinung respektiert – ohne sie zu teilen. (eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber zu dieser Zeit durchaus nicht, und ich fürchte, auch heute nicht immer).
Er war auch so fair (wir waren in einem 6- Mann Zimmer in der Güntzstrasse Dresden) uns auch klar zu sagen, daß wir in seinem Beisein bittschön Westsender meiden sollten da er....... wohl auch angehalten war..... Auch dafür (so unsinnig dies auch heute erscheint), hab’ ich ihn geachtet. (man hatte es zwar schwer in Dresden, aber auf Langwelle kam der Deutschlandfunk auch dort sehr gut).

Er hat mich also durch seinen Idealismus (mit „meinem“ Papier in der Parteiversammlung zu argumentieren) in eine Inquisition gebracht mit seinerzeit ungewissem Ausgang – (es ist ja „gut“ ausgegangen) – aber dafür konnte ich ihn ja wahrlich nicht „verurteilen“.
Nein – ich hatte keine „Feinde“, ich habe manche dieser anderen Kriecher und Schleimer verachtet, zutiefst verachtet – „Feinde“ waren auch sie für mich nicht, das wäre zuviel der „Ehre“ gewesen, es war Verachtung !

Zurüch zu meinem SemSek – hätte er nicht als Idealist argumentiert, sondern so hintenrum die „zuständigen Organe“ informiert, möglichst noch zu seinem Vorteil, man mich vielleicht im 6. Semester exmatrikuliert hätte, er mir damit massiv in meinem Lebensweg geschadet hätte – damit hätte ich wohl bis heute ein Problem – ich glaube kaum, daß wir beide dann in der Lausitz gemeinsam singen und Biertrinken würden !

Das will ich eigentlich zum Thema herausarbeiten -- ich hatte Kontakt zu einem anderen Kommilitonen aus Dresden, den wir auch zur Lausitz- Tour „animieren“ wollten, von ihm kam ein „..ja, aber der „xx“ war doch in der Partei, und mit ihm kann ich nicht.....“ -- derselbe, den ich wegen seiner ehrlichen Haltung achte. Offenbar hatte derjenige wirklich einen „Feind“ (sich aber selbst aufgebaut) -- und das darf es ja wohl nicht sein, „in der Partei“ gewesen zu sein hieße automatisch „Feind“ ???
Gottseidank habe ich eben auch diese aufrechten Parteimitglieder kennengelernt, sie waren selten, sehr selten. Und dies off- topic : mein SemSek ist nach der Wende in ein tiefes Loch gefallen, hat lange mit sich gehadert, daß er „dies alles“ nicht erkannt hatte....

Ich habe dann natürlich auch die „Gegenteile“ kennengelernt – kurioserweise ist dies von einem IM (1971 im RZ Statistik Ost- Berlin) in seinem Bericht an das MfS dokumentiert (habe meine Akte eingesehen), dort heißt es „..die Mitarbeiter sind der Ansicht, daß der Parteisekretär schuld ist, daß Dille fort ist...“ (nach meiner „Republikflucht“) – zwar nicht ganz richtig dargestellt vom IM, aber es steckt schon einige Wahrheit doch drin, der war dumm wie Stulle (ich will der Stulle nicht weh tun), aber hatte Macht, und hat diese selbstherrlich ausgespielt (und damit das Faß zum Überlaufen gebracht).

So – was wollte ich eigentlich sagen ?? Ich hatte keine „Feinde“, wer mir aber seinerzeit aus Dummheit und/ oder Eigennutz massiv geschadet hätte – mit dem/ der (von mir zutiefst verachtet) könnte ich auch heute nicht normal umgehen – es gibt Charaktereigenschaften, die System- unabhängig sind....., und man kann sich auch heute nicht herausreden mit „..aber wir mußten ja so und nicht anders handeln....“ -- man brauchte eben Rückgrat (mußte vielleicht auch auf kleine Vorteile verzichten....), und wer es damals nicht hatte, der/ die wird es heute auch nicht haben, und würde unter vergleichbaren Bedingungen wieder so (schäbig) handeln.

Gruß Dille
Dille
 

Re: Wer war damals mein Feind...aber heute nicht mehr ?

Beitragvon S51 » 29. März 2011, 10:07

Berliner hat geschrieben:...Wer war vor der Wende Euer "Feind" aber jetzt ist Euer Freund ? [ich auch]

Berliner [hallo]


Ich hatte und habe mit dem Wort "Feind" Probleme.
Ein Feind ist für mich jemand, der ohne Rücksicht auf Verluste meinen Schaden will und den ich nur mit der maximal möglichen Reaktion stoppen kann. Und würde.
Ich habe noch nie jemanden als "Feind" betrachtet und legte und lege mich gerne mit Leuten an, die das anders definieren.
Mit Gegnern hatte ich schon oft zu tun.
Im Sport der von der Nachbarbahn, denn ich will siegen, also besser sein. Wenn das Spiel vorbei ist, ist auch das vorbei und man reicht sich die Hand.
Im Revier stellvertretend die Gesellen von der schwarzen Borste, die den Mais so lecker finden. Wenn die Borstenviecher weg sind, ist wieder Frieden aber manchmal bleibt auch eines zurück. Weil es schmeckt.
An der Grenze war der mein möglicher Gegner, der mich und mein Land zu überfallen drohte. Oder von dem ich das glaubte bzw. für möglich hielt. Egal, welche Uniform. Das hat mich aber nicht daran gehindert, ansonsten mit ihm klar zu kommen. Denn er hatte seine Befehle und ich auch. Es war nichts Persönliches und er somit kein Feind. Auch, wenn ein solches Zusammentreffen hart gewesen wäre. Mein Gegner war auch der, der die Linie ungesetzlich zu überwinden versuchte. Mein Job war es, dies zu verhindern und das habe ich dann bei Notwendigkeit getan. Doch wenn ich "ihn" hatte, war das Thema gegessen. Ich war nicht scharf auf sein Leben oder seine Gesundheit. Machtmittel wären dort zum Einsatz gekommen, wo notwendig und gerechtfertigt. Ansonsten eben nicht.
Bei Polzens war mein Gegner der, der die Gesetze mißachtete und anderen Schaden zufügte. Den wollte ich stoppen und günstigstenfalls kriegen. Damit der Bürger sicher und geborgen leben konnte und ich auch. Doch auch dort galt die Gegnerschaft nur, bis das Ziel erreicht war. Leben und Gesundheit wollte ich nicht von ihm, hätte es aber bei Notwendigkeit riskiert. Wenn die Umstände es gerechtfertigt hätten. Zwar konnte so jemand nicht auf meine Freundschaft spekulieren, weil ich ihn halt immer als potentiellen Gegner betrachtet habe, doch glaube ich nicht, dass jemand dies gewünscht hätte. Denn ich war als recht konsequent bekannt wie, na ja...
Heute ist mein Gegner der, dem mein Auftrag gilt.
Doch niemand von ihnen ist für mich ein Feind.
Alle anderen sind Menschen, die neben mir existieren, die gleichen Rechte und Pflichten wie ich beanspruchen oder haben und die für mich nicht in diese Schublade passen. Manche sind auch Freunde.
S51
 

Re: Wer war damals mein Feind...aber heute nicht mehr ?

Beitragvon Berliner » 29. März 2011, 15:48

ich lasse die Formulierung so, "Feind". Eigentlich war aber damit "Gegner" gemeint.

Das waere vielleicht auch einen neuen Thread Wert..."ist es moeglich richtig zu hassen ?". [denken]

Gruss uebern Teich, [hallo]
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