Als die DDR sich auflösteGeschichten aus der Nachwendezeit

Alles was in den Zeitraum nach der Wende gehört. Das Zusammenwachsen von zwei grundverschiedenen Systemen, Probleme, Erwartungen, Empfindungen usw.

Als die DDR sich auflösteGeschichten aus der Nachwendezeit

Beitragvon Interessierter » 7. Dezember 2017, 15:29

Das Ende der DDR und die Wiedervereinigung sind Weltgeschichte – und zugleich millionenfach persönlich erlebte Geschichte. Kaum ein DDR-Bürger, für den die Zeit nicht ein riesiger Umbruch gewesen wäre, von Görlitz bis nach Bischofferode.

"Mein Name ist Helma Fix, ich wohne in Görlitz und habe zu DDR-Zeiten in einem Betrieb gearbeitet, in dem seit hundert Jahren Nähmaschinenteile hergestellt wurden."

Helma Fix ist heute 73 Jahre alt. An diesem Vormittag sitzt sie in den Räumen des Görlitzer Vereins "Frauen auf dem Weg nach Europa".

"Zur Zeit der Wende war es so, dass in den Betrieb Vertreter aus Westdeutschland kamen, sich alle technischen Unterlagen angeguckt haben, technische Unterlagen mitgenommen haben, weil der Betrieb ja nicht so gut produzieren konnte wie ein westdeutscher Betrieb – wie gesagt, seit 100 Jahren. Die Teile wurden alle nach Westdeutschland geliefert, zu Singer und allen möglichen Nähmaschinenteilefirmen. Schon dieser Punkt war, wo man allen Beschäftigten mitgeteilt hat: ‚Ihr seid unfähig, Ihr seid dumm gewesen, also nur wir können, und deshalb nehmen wir Euch das alles weg‘."


Auftrag, die Kündigung zu schreiben


Wie Kolonialherren seien die Vertreter aufgetreten. Das war der erste Kontakt mit der westdeutschen Marktwirtschaft, den die damalige stellvertretende Betriebsleiterin Fix machte.

Bild
Helma Fix (Bastian Brandau)

"Der Belegschaft wurde dann erst mal gesagt, bei Euch geht es weiter, daraufhin haben sich natürlich einige Kredite genommen, Haus gekauft und dann lief die Firma noch ungefähr ein Jahr. Und dann kriegte ich einen Auftrag von unserem Hauptwerk, für alle die Kündigung zu schreiben. Oder schreiben zu lassen, habe ich ja nicht selber gemacht. Meine eigene eingeschlossen. Dann durfte ich die in den Schreibtisch legen, war bloß das Datum noch. Ich hatte drei Tage Urlaub, und am vierten Tag, es war vor Ostern, war in meinem Briefkasten meine Kündigung.

Es war ein Betrieb mit vielen Frauen, die keine Chance mehr hatten, eine Arbeit zu bekommen. Da kenne ich eine Kollegin, die hat sich das Leben genommen. Die hat sich dann die Pulsadern aufgeschnitten, weil sie damit nicht zurecht kam, auf einmal nicht mehr gebraucht zu werden. Nur noch auf das Geld vom Mann angewiesen zu sein, oder manchmal war das ja auch nicht mehr da, weil die ja genauso arbeitslos waren. Und dieses Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, völlig unnötig zu sein. Und zu Hause dieses Hausfrauendasein, was für mich persönlich die Hölle war."

Die Erlebnisse weiterer Bürger findet man hier:
http://www.deutschlandfunkkultur.de/als ... _id=400151
Interessierter
 

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