Der unpolitische DDR - Bürger/in ???

Der unpolitische DDR - Bürger/in ???

Beitragvon pentium » 1. November 2015, 10:25

Die Fragestellung:

...Konnte man in der DDR leben und absolut politisch uninteressiert sein...?

Eine Antwort dazu:

Ausgangspunkt hier war die Zeit der recht jungen Kindheit/Jugend, mehr nicht. Ich schrieb das schon ....politisch wurde da nix zweideutiges diskutiert gar erinnere ich mich das Eltern meinten...."aber darüber Junge musst du das Maul halten noch anderer Kram der mich als Jungen irgendwie in irgend welche Gewissenskonflikte gestürzt hätte"

Mein Vater, ab 1941(Ende 44-49 in Gefangenschaft) in der Sowjetunion als Wehrmachtssoldat dabei erzählte jeden Sonntag nach dem Essen seine erlebten Geschichten(darüber stehen hier und im AForum X Texte), da war nix Politisches dran außer das ich junges Kerlchen an seinen Lippen hing, auch schon mal ein Hakenkreuz an die Schultafel, auf die Treppe malte.

Was anderes? Ne, mein Vater war Drei Schichtenarbeiter, meine Mutter von 6.00Uhr bis 16.30 Uhr arbeiten, da war sonst alles ganz normal.

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Re: Der unpolitische DDR - Bürger/in ???

Beitragvon augenzeuge » 1. November 2015, 10:47

Wie konnte man in der DDR, wo man für das Malen von Panzern mit dem Sowjetstern schon in der Vorschule animiert und gelobt wurde, wo man bereits als 6jähriger eine "Uniform" mit Halstuch bekam, wo man regelmäßig an politischen Fahnenappellen teilnehmen musste, wo man wegen Wehrerziehung auf wichtige Lernstunden verzichten musste, wo man mit psych. Tricks schon als junger Teenie zum längeren Waffendienst animiert wurde, wo die gesellschaftliche Tätigkeit und politische Konformität jedes Jahr im Zeugnis erwähnt wurde und dies die Basis für das Weiterkommen stellte, wo man i.d.R. nur eine Ausbildung lernen konnte, wenn man sich der vormilitärischen Ausbildung nicht widersetzte, wo man gemaßregelt wurde, wenn man nur leise Kritik am System anbrachte, wo man Nachteile erwarten konnte, wenn man nicht an Demonstrationen teilnahm.....usw. dies zu Hause alles vergessen und ein unpolitisches Leben führen?

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Re: Der unpolitische DDR - Bürger/in ???

Beitragvon Volker Zottmann » 1. November 2015, 11:45

"Was ist Politik?"
"Alles ist Politik"
So etwa begann unser erster Staatsbürgerkundeunterricht. Vielleicht war es auch noch früher.
"Alles was ihr tut ist Politik! Selbst morgens das Schuhe zubinden, denn das tut ihr, um pünktlich zur Schule zu gehen und ...."
Das war so einer meiner ersten fest eingebrannten Eindrücke. Es gab in der DDR also nicht Unpolitisches. Selbst die Gartensparte hatte Meldungen zu erstatten und Gemüse abzuliefern.
Als ich meinen Berger de Brie in Sprotta bei Eilenburg kaufte, wollte ich dem Hund eine gute Ausbildung geben und trat in einen Hundeverein bei Eisleben ein, die sich nur dieser Rasse verschrieben hatten. Kaum eingetreten, bekam ich die Aufforderung Flaschen , Gläser und Altpapier gegen Quittung zu sammeln, denn sie stünden im Sozialistischen Wettbewerb. Mit wem weiß ich nicht, denn ich trat sofort wieder aus, nachdem ich einen bitterbösen Abschiedsbrief verfasste.

Fakt: Es konnte sich so gut wie kein Bürger der allgegenwärtigen Politik in der DDR entziehen.

Gruß Volker
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Re: Der unpolitische DDR - Bürger/in ???

Beitragvon Edelknabe » 1. November 2015, 12:53

Siehe der Rainer im Vortext mit:

"Ausgangspunkt hier war die Zeit der recht jungen Kindheit/Jugend, mehr nicht."
Textauszug ende

Rainer-Maria Wahnsinn, des Volkers Erinnerungsvermögen....das mit der Politik.
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Re: Der unpolitische DDR - Bürger/in ???

Beitragvon Spartacus » 1. November 2015, 15:58

Tja, mein Vater war ja - um seinen Meister machen zu können - in die SED eingetreten und war dennoch,
oder vielleicht gerade deswegen vollkommen unpolitisch. Am Abendbrottisch fanden jedenfalls keine
politischen Diskussionen statt, sondern es wurde vielmehr darum gestritten, ob man nun den Polizeiruf
110 anschaut, oder doch den Derek. [flash]

Auch in meiner Familie gab es nie politische Diskussionen zum Beispiel bei einer Geburtstagsfeier,
wohl aber jede Menge politische Witze, da man wohl meinte, innerhalb der Familie sicher zu sein.
( Bei uns war das so, bei vielen anderen nicht)

Interesse an der Politik erweckte in mir schon in sehr jungen Jahren mein Großonkel Willy (der aus dem
KZ Buchenwald) allerdings zum Nachteil für die SED. Wenn man in der DDR politisch interessiert war, so
war es - wenn ich heute so zurück denke - ein schönes Stück Arbeit und nicht selten Verbunden mit großen
Mühen, wenn man zum Beispiel ein entsprechendes Schriftstück einsehen wollte. Freigeistige Diskussionen
mit SED - Mitgliedern waren so gut wie nicht möglich, denn die hatten alle Kreide gefressen und logen
schlicht weg was das Zeug hielt, ob wohl sie es aus dem täglichem Leben besser wußten. ( Parallelen
zur heutigen Politik sind deutlich sichtbar)

Das Maul "verbrennen" konnte man sich überall und jederzeit, kam halt immer ganz darauf an, wer zuhörte.
Daher hat man in der Regel ganz einfach sein Maul gehalten und ist somit gut gefahren, in der kleinen DDR.

LG

Sparta


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Re: Der unpolitische DDR - Bürger/in ???

Beitragvon augenzeuge » 1. November 2015, 17:09

Spartacus hat geschrieben:Daher hat man in der Regel ganz einfach sein Maul gehalten und ist somit gut gefahren, in der kleinen DDR.
Sparta


Besser kann man die politische Resignation kaum zeigen.
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