Ohne Kapitalisten gibt es keine guten Autos
Verfasst: 5. Mai 2017, 10:24
Der Trabi ist ein Beispiel für Wirtschaft ohne Wettbewerb. In der DDR war Konkurrenz nicht gewollt, darunter litt der Fortschritt erheblich.
Als sich nach dem Mauerfall die Grenze nach Westdeutschland öffnete, knatterten bald die Zweitaktmotoren der ostdeutschen Trabis über die Straßen. Für die Ostdeutschen, die ihr Land jahrelang kaum verlassen konnten, war das eine aufregende Fahrt. Endlich konnten sie wieder Verwandte und Freunde besuchen, endlich Köln, München oder Hamburg besichtigen.
Doch viele Westdeutsche lachten über die Trabis, machten Witze und nannten sie „Plastikbomber“, weil ihre Karosserie aus Kunststoff war. In Westdeutschland gab es viel mehr Autohersteller, und die hatten über die Jahre bessere Autos entwickelt. Wenn der eine Autohersteller etwas Neues erfand, dann versuchte der andere, bei seinem nächsten Fahrzeug wieder etwas besser zu machen. In der DDR gab es diese Konkurrenz nicht – und damit auch keinen Antrieb für den Hersteller, das Auto besser zu machen. Der Trabi ist ein Beispiel dafür, was passiert, wenn es keine Unternehmer gibt.
Für Karl-Heinz Paqué ist das eine schlimme Vorstellung. Er ist Wirtschaftswissenschaftler und leitet das Institut für internationale Wirtschaft an der Universität in Magdeburg. In seinem Buch „Die Bilanz“ hat er die deutsche Einheit untersucht. Das Ziel der sozialistischen Planwirtschaft in Ostdeutschland sei Technik ohne Unternehmertum gewesen, schreibt Paqué.
Dadurch sei viel Schaden angerichtet worden, denn das Unternehmertum sei dadurch verschwunden. „Ein Unternehmer setzt neue Ideen in Produkte um, die er dann auf nationalen Märkten anbietet oder international vertreibt.“ Ohne Unternehmertum könne es keinen Fortschritt geben, so seine These. Es heißt ja nicht umsonst „Konkurrenz belebt das Geschäft“. In der DDR war dies jedoch nicht gewollt. Außer dem Trabi gab es nur noch Wartburg. Am Anfang waren die beiden Modelle auch gar nicht schlecht, sie konnten mit den westdeutschen Autos locker mithalten.
Die Mauer verschärfte die Unterschiede
Doch je länger die Mauer zwischen West- und Ostdeutschland stand, desto größer wurden die Unterschiede. Im Osten wurden die Autos kaum weiterentwickelt. Da es keine Auswahl gab, konnten die Leute ja sowieso nur diese Wagen kaufen. „Und irgendwann verliert die Bevölkerung ihr Gefühl für Geschmack“, sagt Paqué, der von 2002 bis 2006 FDP-Finanzminister in Sachsen-Anhalt war. Auch die Unternehmer verlernten ohne Konkurrenzsituation vieles, was sie vorher konnten: „Die Menschen richten sich im System ein, weil der scharfe Wind des Wettbewerbs fehlt. Man vergisst einfach, sich anzustrengen, weil man nicht Teil des marktwirtschaftlichen Lebens ist.“
Auch in vielen anderen Ländern gab es sozialistische Planwirtschaft: In Polen, Tschechien oder Ungarn seien ähnliche Entwicklungen zu beobachten. Auch bei der tschechischen Automarke Skoda verebbten mit dem Einzug der Planwirtschaft hier Fortschritt und Unternehmergeist. Zwar ist die Marke inzwischen wieder sehr erfolgreich. „Skoda ist heute aber auch VW. Da ist nichts mehr drin von Skoda, obwohl sie Jahrzehnte früher technisch führend waren“, sagt Paqué.
Auch den Herstellern des Trabis blieb irgendwann nichts anderes übrig, als ihre Motoren auszutauschen und auf die Motoren des VW-Polo zu setzen. Dabei gab es viele gut ausgebildete Ingenieure in der DDR. Doch es fehlten die Unternehmer, die diese Talente weckten. Für Paqué ist dies der Grund, warum die Wirtschaft im Osten zugrunde ging: „Es war das fruchtbare Zusammenspiel zwischen unternehmerischer Initiative und technischem Fortschritt, das uns immer wirtschaftlich vorangebracht hat.“
Dass im Osten nach und nach die breite Produktpalette verschwand, führte zu Problemen, als die Grenzen geöffnet und Deutschland wiedervereinigt wurde. Plötzlich mussten ostdeutsche Produkte wieder mit anderen konkurrieren – mit Waren aus Westdeutschland, Japan, den USA und dem Rest der Welt. „Es fehlte jedoch einfach die Fähigkeit, diese Produkte auf dem Weltmarkt anzubieten. Man lebte ja lange wie unter einer Käseglocke“, sagt Paqué.
Krisen brauchen Unternehmer
„Das Schlimmste, was abgeschotteten Märkten passieren kann, ist eine Krise in der benachbarten Marktwirtschaft“, sagt Paqué. In Krisen kommt es nämlich immer zu Neuordnungen. Wie Anfang der 70er-Jahre, als die westliche Welt eine Ölkrise erlebte, weil die arabischen Staaten weniger Öl lieferten. Plötzlich wurde Benzin knapp und daher teurer. Die Leute wollten aber weiter Auto fahren – und kauften Wagen, die weniger Benzin verbrauchten.
„Die Unternehmer haben ihre Produkte systematisch umgestellt“, sagt Paqué: „Diesen Prozess hat der Osten nicht mitgemacht. Er ist einfach auf seiner alten Technik sitzen geblieben.“ Auch Rotkäppchen Sekt hat das erlebt. Plötzlich konnten Kunden wechseln zu Mumm, Henkell Trocken oder Freixenet statt wie bisher immer nur die DDR-Marke zu kaufen. Rotkäppchen verkaufte 1990 nur noch knapp sieben Millionen Flaschen. Ein Jahr vorher waren es doppelt so viele. In der DDR war das Unternehmen sicher, nun musste es sich mit den anderen Marken messen.
„Der Unternehmer in Ostdeutschland war nach dem Mauerfall ja nicht zu blöd, er hatte nur einfach keine konkurrenzfähigen Produkte, die er anbieten konnte.“ Rotkäppchen Sekt gelang es schließlich, sich zu behaupten – dank beherzter Unternehmer: Der angestellte Geschäftsführer stieg als Teilhaber ein, andere folgten. Zum ersten Mal machte Rotkäppchen Werbung, investierte in neue Produkte, kaufte eine Abfüllanlage für Piccolo-Flaschen.
Mit Erfolg: Zehn Jahre später übernahm Rotkäppchen die Konkurrenzmarke Mumm. Das Beispiel zeigt, dass der Unternehmergeist in den Osten zurückkehrt. „Man merkt, dass heute die Innovationskraft wieder langsam entsteht“, sagt Paqué. Für den Trabi kam die Hilfe zu spät. Der letzte rollte am 23. April 1991 vom Band.
https://www.welt.de/wirtschaft/kinderle ... Autos.html
Ja, immer diese bösen Kapitalisten, obwohl ja eigentlich nur deren Wirtschaftssystem, der Planwirtschaft unendlich weit überlegen war.
Als sich nach dem Mauerfall die Grenze nach Westdeutschland öffnete, knatterten bald die Zweitaktmotoren der ostdeutschen Trabis über die Straßen. Für die Ostdeutschen, die ihr Land jahrelang kaum verlassen konnten, war das eine aufregende Fahrt. Endlich konnten sie wieder Verwandte und Freunde besuchen, endlich Köln, München oder Hamburg besichtigen.
Doch viele Westdeutsche lachten über die Trabis, machten Witze und nannten sie „Plastikbomber“, weil ihre Karosserie aus Kunststoff war. In Westdeutschland gab es viel mehr Autohersteller, und die hatten über die Jahre bessere Autos entwickelt. Wenn der eine Autohersteller etwas Neues erfand, dann versuchte der andere, bei seinem nächsten Fahrzeug wieder etwas besser zu machen. In der DDR gab es diese Konkurrenz nicht – und damit auch keinen Antrieb für den Hersteller, das Auto besser zu machen. Der Trabi ist ein Beispiel dafür, was passiert, wenn es keine Unternehmer gibt.
Für Karl-Heinz Paqué ist das eine schlimme Vorstellung. Er ist Wirtschaftswissenschaftler und leitet das Institut für internationale Wirtschaft an der Universität in Magdeburg. In seinem Buch „Die Bilanz“ hat er die deutsche Einheit untersucht. Das Ziel der sozialistischen Planwirtschaft in Ostdeutschland sei Technik ohne Unternehmertum gewesen, schreibt Paqué.
Dadurch sei viel Schaden angerichtet worden, denn das Unternehmertum sei dadurch verschwunden. „Ein Unternehmer setzt neue Ideen in Produkte um, die er dann auf nationalen Märkten anbietet oder international vertreibt.“ Ohne Unternehmertum könne es keinen Fortschritt geben, so seine These. Es heißt ja nicht umsonst „Konkurrenz belebt das Geschäft“. In der DDR war dies jedoch nicht gewollt. Außer dem Trabi gab es nur noch Wartburg. Am Anfang waren die beiden Modelle auch gar nicht schlecht, sie konnten mit den westdeutschen Autos locker mithalten.
Die Mauer verschärfte die Unterschiede
Doch je länger die Mauer zwischen West- und Ostdeutschland stand, desto größer wurden die Unterschiede. Im Osten wurden die Autos kaum weiterentwickelt. Da es keine Auswahl gab, konnten die Leute ja sowieso nur diese Wagen kaufen. „Und irgendwann verliert die Bevölkerung ihr Gefühl für Geschmack“, sagt Paqué, der von 2002 bis 2006 FDP-Finanzminister in Sachsen-Anhalt war. Auch die Unternehmer verlernten ohne Konkurrenzsituation vieles, was sie vorher konnten: „Die Menschen richten sich im System ein, weil der scharfe Wind des Wettbewerbs fehlt. Man vergisst einfach, sich anzustrengen, weil man nicht Teil des marktwirtschaftlichen Lebens ist.“
Auch in vielen anderen Ländern gab es sozialistische Planwirtschaft: In Polen, Tschechien oder Ungarn seien ähnliche Entwicklungen zu beobachten. Auch bei der tschechischen Automarke Skoda verebbten mit dem Einzug der Planwirtschaft hier Fortschritt und Unternehmergeist. Zwar ist die Marke inzwischen wieder sehr erfolgreich. „Skoda ist heute aber auch VW. Da ist nichts mehr drin von Skoda, obwohl sie Jahrzehnte früher technisch führend waren“, sagt Paqué.
Auch den Herstellern des Trabis blieb irgendwann nichts anderes übrig, als ihre Motoren auszutauschen und auf die Motoren des VW-Polo zu setzen. Dabei gab es viele gut ausgebildete Ingenieure in der DDR. Doch es fehlten die Unternehmer, die diese Talente weckten. Für Paqué ist dies der Grund, warum die Wirtschaft im Osten zugrunde ging: „Es war das fruchtbare Zusammenspiel zwischen unternehmerischer Initiative und technischem Fortschritt, das uns immer wirtschaftlich vorangebracht hat.“
Dass im Osten nach und nach die breite Produktpalette verschwand, führte zu Problemen, als die Grenzen geöffnet und Deutschland wiedervereinigt wurde. Plötzlich mussten ostdeutsche Produkte wieder mit anderen konkurrieren – mit Waren aus Westdeutschland, Japan, den USA und dem Rest der Welt. „Es fehlte jedoch einfach die Fähigkeit, diese Produkte auf dem Weltmarkt anzubieten. Man lebte ja lange wie unter einer Käseglocke“, sagt Paqué.
Krisen brauchen Unternehmer
„Das Schlimmste, was abgeschotteten Märkten passieren kann, ist eine Krise in der benachbarten Marktwirtschaft“, sagt Paqué. In Krisen kommt es nämlich immer zu Neuordnungen. Wie Anfang der 70er-Jahre, als die westliche Welt eine Ölkrise erlebte, weil die arabischen Staaten weniger Öl lieferten. Plötzlich wurde Benzin knapp und daher teurer. Die Leute wollten aber weiter Auto fahren – und kauften Wagen, die weniger Benzin verbrauchten.
„Die Unternehmer haben ihre Produkte systematisch umgestellt“, sagt Paqué: „Diesen Prozess hat der Osten nicht mitgemacht. Er ist einfach auf seiner alten Technik sitzen geblieben.“ Auch Rotkäppchen Sekt hat das erlebt. Plötzlich konnten Kunden wechseln zu Mumm, Henkell Trocken oder Freixenet statt wie bisher immer nur die DDR-Marke zu kaufen. Rotkäppchen verkaufte 1990 nur noch knapp sieben Millionen Flaschen. Ein Jahr vorher waren es doppelt so viele. In der DDR war das Unternehmen sicher, nun musste es sich mit den anderen Marken messen.
„Der Unternehmer in Ostdeutschland war nach dem Mauerfall ja nicht zu blöd, er hatte nur einfach keine konkurrenzfähigen Produkte, die er anbieten konnte.“ Rotkäppchen Sekt gelang es schließlich, sich zu behaupten – dank beherzter Unternehmer: Der angestellte Geschäftsführer stieg als Teilhaber ein, andere folgten. Zum ersten Mal machte Rotkäppchen Werbung, investierte in neue Produkte, kaufte eine Abfüllanlage für Piccolo-Flaschen.
Mit Erfolg: Zehn Jahre später übernahm Rotkäppchen die Konkurrenzmarke Mumm. Das Beispiel zeigt, dass der Unternehmergeist in den Osten zurückkehrt. „Man merkt, dass heute die Innovationskraft wieder langsam entsteht“, sagt Paqué. Für den Trabi kam die Hilfe zu spät. Der letzte rollte am 23. April 1991 vom Band.
https://www.welt.de/wirtschaft/kinderle ... Autos.html
Ja, immer diese bösen Kapitalisten, obwohl ja eigentlich nur deren Wirtschaftssystem, der Planwirtschaft unendlich weit überlegen war.