Berlin Die Stasi kannte viele kleine Polizei-Geheimnisse

Berlin Die Stasi kannte viele kleine Polizei-Geheimnisse

Beitragvon Interessierter » 26. Januar 2017, 11:16

Doch einen Einfluss auf die West-Berliner Behörde hatte das MfS nicht. Das haben Forscher der Freien Universität herausgefunden

Er war der wichtigste, aber nur einer von ganz wenigen: Der West-Berliner Polizist Karl-Heinz Kurras hatte als Zuträger des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit nicht seinesgleichen. Das ist eins der Ergebnisse der Studie „Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR und die West-Berliner Polizei“. Der zur Freien Universität gehörende Forschungsverbund SED-Staat hat sie im Auftrag des Polizeipräsidenten Dieter Glietsch erstellt.

Ein weiteres Ergebnis: Kein Stasi- Mann hat es bis in die höheren Ränge der West-Berliner Polizei geschafft. Das MfS kannte viele Einzelheiten, hatte aber keine manipulative Kraft. Vor allem dieses Ergebnis nahm Glietsch mit einer Zufriedenheit hin: Die Studie habe „Sicherheit schaffen“ sollen, dass es keinen nennenswerten Einfluss der Stasi auf die Führung der Polizei im Westen gegeben hat. Das Ergebnis habe ihn „nicht überrascht“, so der Polizeipräsident – schließlich würden Polizisten in ihrer Karriere bei vielen Gelegenheiten überprüft.

Um so eifriger versorgten Polizeibeamte der unteren Dienstgrade die Stasi – auch wenn es nie besonders viele waren. Durchschnittlich zehn bis zwanzig Polizisten standen in den untersuchten Jahren 1950 bis 1972 im Dienst und im Sold des MfS, so die Studie. Laut Jochen Staadt vom Forschungsverbund war die Stasi an allem interessiert, was sie bekommen konnte: Fotos von Polizeiwachen, Namenslisten von Polizisten, biografische Einzelheiten, etwa zu finanziellen Verhältnissen, Ausstattung der Polizei, Waffendepots. Man habe so viel wie möglich für den Fall eines militärischen Angriffs auf West-Berlin wissen wollen – das sei die Strategie hinter der Informationsbeschaffung gewesen, so Staadt. Wäre es zu einem solchen Angriff gekommen, so der Historiker, hätte Kurras wohl mit seinem Führungsoffizier direkt zusammengearbeitet: Major Werner Eiserbeck, Kurras’ Mann beim MfS, sollte Dienststellenleiter in Schöneberg werden, wenn es die Stasi bis in den Westen geschafft hätte.

180 Aktenbände gehören zu dem ausgewerteten „Objektvorgang West-Berliner Polizei“. Dass es den Vorgang bei der Stasi-Unterlagenbehörde gab, wussten bis 2009 sogar in dieser Behörde nicht viele. Eine Historikerin stieß auf Berichte eines „Otto Bohl“ – und der erwies sich bei der Durchsicht der Akten als der Polizist Karl-Heinz Kurras, bis dahin bekannt als der Mann, der am 2. Juni 1967 bei einer Demonstration den Studenten Benno Ohnesorg erschoss.

In der Debatte über Kurras und das MfS kam die Frage auf, ob die Stasi den Auftrag für die tödlichen Schüsse auf den Studenten Benno Ohnesorg gegeben hatte – nichts spricht dafür. Außerdem kam die Praxis der Stasi-Überprüfung früherer Volkspolizisten zur Sprache.

Polizeipräsident Glietsch erinnerte am Mittwoch daran: 9000 ehemalige Volkspolizisten waren 1990 in die Berliner Polizei übernommen worden. 7600 wurden damals auf eine Stasi-Belastung untersucht, mehr als 1100 deshalb entlassen. In einer weiteren Überprüfung wurden fast 3000 höhere West-Berliner Polizisten auf eine Zusammenarbeit mit der Stasi überprüft – das schien es nicht gegeben zu haben. Kurras konnte damals nicht mehr auffallen - er war bereits entlassen.

Noch immer sind nicht alle Stasi-Zuträger namentlich bekannt. Die jetzt veröffentlichte Studie enthält keine Klarnamen – die werden nur intern genannt. Glietsch zufolge soll nun die Staatsanwaltschaft prüfen, ob ehemalige West-Berliner Polizisten noch wegen Geheimnisverrat zu belangen sind.

http://www.tagesspiegel.de/berlin/die-s ... 82660.html
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Re: Berlin Die Stasi kannte viele kleine Polizei-Geheimnisse

Beitragvon Dr. 213 » 6. Mai 2017, 18:59

Die Stasis waren zeitweise im Besitz von Nachschlüsseln zu den Polizei- Revieren, Ampelanlagen, Sprechsäulen der Polizei
und von Wohnungen von aus ihrer Sicht interessanten Persönlichkeiten.

Erhellend auch der Teil über den in Westberlin lebenden Dessidenten Jürgen Fuchs.
Da macht man sich dann so seine Gedanken.

Hier eine etwas längerer Artikel aus der "Zeit".
Ich liebe solche Geschichten abseits der üblichen Tschekisten- Folklore.

http://www.zeit.de/2010/06/Stasischlues ... ettansicht


Gruss
Dr. 213
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Re: Berlin Die Stasi kannte viele kleine Polizei-Geheimnisse

Beitragvon augenzeuge » 6. Mai 2017, 21:33

Starker Artikel, da kommt Karnaks Buch nicht mit....

Ende 1978 verbuchte die HA VIII in feiner Perlschrift die Übernahme eines »speziellen Sicherheitsschlüssels« der Westberliner Polizei, »welcher für dienstliche Obliegenheiten im gesamten Territorium verwendet wird: Betätigung aller Verkehrslichtsignaleinrichtungen, Öffnen aller Polizeirufsäulen, Öffnen der Eingangstüren aller Reviere, Öffnen aller Einfahrtstore zu Polizeiparkplätzen«.

Mit dem Notschlüssel hätte die Stasi im Westen ein heilloses Chaos anrichten, sämtliche Ampeln auf Rot stellen können. In ihrem lächerlichen Hochgefühl ließ die »VIII« sich nicht lumpen, honorierte dem IM diesen »Ausdruck einer absoluten gegenseitigen Vertrauensbasis« mit 800 D-Mark Prämie.


Geiz ist geil hat der Media Markt also nur geklaut? Ich wusste es. [blush]
AZ

P.S.
Es kam wie es kommen musste. Der Führungsoffizier hielt nicht sein Wort.
Er wird durch die Akte überführt, die Lüer zu schreddern versprach: Am Anfang und am Ende hat ihn die Stasi mit einer Lüge hereingelegt.
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„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
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Re: Berlin Die Stasi kannte viele kleine Polizei-Geheimnisse

Beitragvon andr.k » 6. Mai 2017, 22:29

augenzeuge hat geschrieben:Starker Artikel, da kommt Karnaks Buch nicht mit....


Wirklich? Schau doch mal in das besagte Buch auf Seite 279. Da geht es um einen Passkontrolleur. Der nutzte die Gelegenheit ….
Man lebt ruhiger, wenn man nicht alles sagt, was man weiß, nicht alles glaubt, was man hört und über den Rest einfach nur lächelt.
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Re: Berlin Die Stasi kannte viele kleine Polizei-Geheimnisse

Beitragvon karnak » 7. Mai 2017, 17:28

augenzeuge hat geschrieben:Starker Artikel, da kommt Karnaks Buch nicht mit....


Nun geht es in"Karnaks Buch" auch nicht um solch"profanen "Dinge" wie vorhandene Nachschlüssel und ähnliches ,es geht um eine soziologische Bewertung des Systems MfS von rein"neutralen Boden"aus und das regelrechte ertappt und darauf gestoßen zu werden wie die Dinge EIGENTLICH damals zusammenhingen und warum sie sich zwangsläufig so entwickeln mussten wie sich entwickelt haben, dass hat es für mich so interessant gemacht. Das Buch ist natürlich von einem anderen Level als das Geschriebene von der Horch& Guck Fraktion oder irgendeinem MfS-Oberen. Wer über das Buch wirklich reden will muss es wenigstens gelesen haben und es wäre von Vorteil wenn er den guten Willen und den Wunsch hätte das System zu verstehen was nicht gleichbedeutend mit gutheißen ist, was ja in der Regel von den Horch& Gucklern erstmal "vorbeugend" unterstellt wird.
Ansonsten ist der Kahn jetzt losgeschaukelt, ob und wie ich hier die nächste Zeit aufschlagen kann weiß ich nicht so genau.
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Re: Berlin Die Stasi kannte viele kleine Polizei-Geheimnisse

Beitragvon Interessierter » 27. Juni 2018, 10:02

DDR und West-Berlin
Die Stasi kannte alle Polizisten


Sie hatte die West-Berliner Polizei massiv im Visier. Die Stasi wusste viel, konnte seit 1972 aber laut jüngsten Forschungsergebnissen kaum noch Spitzel platzieren.

Bild
Polizeipräsident Klaus Kandt und Professor Klaus präsentieren Forschungsergebnisse.

Die Agenten der DDR fotografierten alles, was auch nur im Entferntesten von Belang war. Polizeidienststellen, Autokennzeichen, die Straßen in der Umgebung. Vom Westteil Berlins erstellten sie ein „Stasi-Streetview“, wie es die Forscher nennen.

Besonders hatte es die Stasi aber auf die Polizisten selbst abgesehen. Sie lichtete alle ab, die sie vor die Linse bekam, und versuchte sie zu identifizieren. Denn für die Staatssicherheit war die West-Berliner Polizei eine „bewaffnete gegnerische Kraft“. Ein Gegner also, den es zu besiegen galt, wenn es darum ging, am Tag X Berlin komplett unter die Herrschaftsgewalt der DDR und der Sowjetunion zu bringen. Entsprechende Besatzungspläne wurden bis in die späten 1980er Jahre hinein immer wieder auf den neuesten Stand gebracht.

„Die West-Berliner Polizei hätte nach aller Wahrscheinlichkeit schnell ausgeschaltet werden können, weil man die Infrastruktur kannte“, sagt der Politikwissenschaftler Klaus Schroeder, Professor an der FU Berlin. Schroeder und Co-Projektleiter Jochen Staadt haben mit ihrem Team vom „Forschungsverbund SED-Staat“ untersucht, in welchem Maße der DDR-Geheimdienst die West-Berliner Polizei im Visier hatte. Dabei werteten sie Akten der Stasiunterlagenbehörde aus. Die Forschungsergebnisse für die Zeit ab 1972 stellten sie am Mittwoch im Polizeipräsidium vor. Die Erkenntnisse für die Zeit bis 1972 waren bereits 2011 präsentiert worden.

Stasi wusste fast alles

Die zentrale Erkenntnis: Die Stasi erfasste bis Ende der 80er Jahre etwa 80 Prozent der West-Berliner Polizisten namentlich. In vielen Fällen wusste sie viel mehr als Name, Geburtsdatum und Dienstgrad. Sie interessierte sich auch für ihre Wohnadresse, Kontostand und das private Umfeld. Die Daten beschaffte sie sich auch per Computerangriff. Die Stasi-Hacker schafften es, in Inpol einzudringen, das interne Informationssystem. „Dass sie fast alles über die West-Berliner Polizei wussten, das hätten wir nie gedacht“, sagt Schroeder.

Im Gegensatz zu den 1950er und 60er Jahren gelang es der Stasi ab 1972 aber kaum noch, Spitzel bei der Polizei jenseits der Mauer zu platzieren. Gerade einmal 11 inoffizielle Mitarbeiter in den Reihen der West-Berliner Polizei konnten die Forscher ermitteln. In den beiden Jahrzehnten zuvor waren es noch insgesamt rund 200. Im Umfeld von Polizisten waren aber bis zum Ende der DDR eine ganze Reihe Zuträger der Stasi unterwegs.

Dass es die Stasi trotz immensen Aufwandes nicht geschafft hat, die West-Berliner Polizei zu unterwandern, ist für den Berliner Polizeipräsidenten Klaus Kandt ein „gutes Ergebnis aus unserer Sicht“. Sein Vorgänger hatte die Studie in Auftrag gegeben, nachdem herauskam, dass Karl-Heinz Kurras Stasi-IM war. Das ist der Polizist, der 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschoss.

Neue Erkenntnisse zu La Belle-Anschlag

Dass die Stasi über die West-Berliner Polizei Bescheid wusste, überrascht Georg Schertz nicht so richtig. Der 79-Jährige war von 1987 bis 1992 Polizeipräsident in Berlin, aus persönlichem Interesse ist er wegen der Studie an seinen alten Arbeitsplatz gekommen. „Es lag auf der Hand, dass wir ein Hauptzielpunkt der anderen Seite waren“, sagt er.

An spezielle Maßnahmen zur Spionageabwehr könne er sich nicht erinnern, aber man habe schon über besonders wichtige Dinge nicht am Telefon gesprochen. Überraschend sei nur, dass die Stasi es nicht schaffte, Spitzel an entscheidenden Positionen unterzubringen. Vielleicht liege das daran, dass die West-Berliner Polizei damals „stark antikommunistisch orientiert war“.

Die Forscher stießen bei ihrer Recherche auch auf Dinge, die zwar nichts direkt mit der West-Berliner Polizei zu tun haben, aber einiges über die DDR erzählen. Das Aufsehenerregendste: Die Stasi wusste schon im Vorhinein detailliert über den Bombenanschlag auf die Schöneberger Disco La Belle Bescheid. 1986 wurden bei dem Akt libyscher Terroristen drei Menschen getötet. Die Stasi hatte einen Spitzel in einer Gruppe, die an den Vorbereitungen beteiligt war. Sechs Tage vor dem Anschlag stellte sie zudem bei der Kontrolle eines libyschen Diplomaten einen Zettel sicher. Darauf drei Adressen, darunter die des La Belle.

Die Polizei war die am stärksten überwachte Berufsgruppe in West-Berlin, sagen die Forscher. Aber im Blickfeld der Stasi sei im Prinzip die komplette Politik und Verwaltung gewesen. Studienleiter Schroeder bemängelt, dass bislang keine andere West-Berliner Institution ihre Stasi-Vergangenheit aufgearbeitet hat. „Man will wahrscheinlich nichts Genaueres wissen.“

http://www.taz.de/!5040723/
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