Eberhard Cohrs- wegen drohenden Berufsverbots in den Westen

Schauspieler und Fernsehmoderatoren aus Ost und West

Eberhard Cohrs- wegen drohenden Berufsverbots in den Westen

Beitragvon augenzeuge » 8. Mai 2010, 21:31

1977 kam Eberhard Cohrs von einem Gastspiel in Westberlin nicht in die DDR zurück. Aber im Westen konnte kaum jemand über die Witze des kleinen Sachsen lachen – man verstand ihn einfach nicht.

"Der 56-jährige Conferencier Eberhard Cohrs hat nach einem Gastspiel in West-Berlin seine Frau und sein Kind verlassen.
Der berühmte sächsische Komiker hatte einen Auftritt vor den Beschäftigten der Westberliner S-Bahn genutzt, um der DDR den Rücken zu kehren. Frau und Kind durften ihm einige Tage später folgen.

In der DDR hatte Eberhard Cohrs im Winter 1977 ein Berufsverbot gedroht.

Seine Witze über Versorgungsmängel, SED-Alleinherrschaft und Alltagsnöte der DDR-Bürger wollte sich die Staatspartei nicht länger bieten lassen. "Das Auftreten von Eberhard Cohrs können wir uns in dieser Form nicht länger leisten", schrieb Politbüromitglied Albert Norden an den Rundfunk- und Fernsehfunktionär Gerhart Eisler. "Wenn er nur unpolitischen Humor bringen will, dann bitte sehr, aber wenn er politische Witze losschießt und sie ausschließlich gegen die DDR richtet, dann ist das unmöglich." Allerdings wollte ihm Albert Norden eine Art Bewährungsfrist einräumen. "Wir sollten alles tun, um uns diesen außergewöhnlichen Komiker zu erhalten. Es wäre großartig, wenn Du Dir eine halbe Stunde Zeit nehmen würdest, um ihm zu helfen, über seine Nasenspitze hinaus den Verlauf der Dinge in ganz Deutschland und der Welt zu erkennen."

Jahrelang hatte sich Eberhard Cohrs in der DDR erfolgreich "durchgewurschtelt": "Wir hatten immer dreimal so viel Material eingereicht wie wir brauchten. Egal, wie viel sie uns rausgestrichen haben, wir hatten immer noch genug. Und oft haben sie auch was übersehen." Doch damit war es 1976 vorbei. Die Zensoren strichen seine Programme unbarmherzig zusammen. "Was ich sagen durfte, darüber hat niemand gelacht und worüber mein Publikum gelacht hätte, das durfte ich nicht sagen." Cohrs sollte nun auch noch ein Mentor an die Seite gestellt werden und es wurde sogar erwogen, prinzipienfeste Satiriker seine Sketche schreiben zu lassen. Cohrs resignierte: "Da wäre der Cohrs nicht mehr der Cohrs gewesen ... Und so ging erst der Biermann, dann der Müller-Stahl, dann ging Manne Krug und dann ging och der kleene Cohrs."

1989, gleich nach der Maueröffnung, zog Cohrs wieder in den Osten zurück, in sein Haus am Rand von Berlin. Seine erste Veranstaltung hatte er in Dresden, im "Kulturpalast". Vor dem Auftritt beschlich Cohrs ein "mulmiges Gefühl". Er fürchtete, die Leute könnten ihm immer noch übelnehmen, dass er damals in den Westen gegangen war, "so nach dem Motto: 'Wir mussten hier bleiben und du bist abgehauen'". Und in den ersten Minuten, erinnerte sich Cohrs, war es tatsächlich schwierig.
"Doch als ich den ersten Gag losgelassen hatte – 'Es tut mir leid, dass ich damals abgehauen bin, denn am nächsten Tag gab's Tomaten' -, da hatte ich sie gleich wieder alle auf meiner Seite. Das war wunderschön."
MDR

AZ



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Re: Eberhard Cohrs- wegen drohenden Berufsverbots in den Westen

Beitragvon augenzeuge » 14. Juli 2010, 21:01

Cohrs als Kellner: Wirklich wahr: In der DDR war man zum Kellner (Ober) freundlich.....heute ist es umgedreht.



[flash]
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Re: Eberhard Cohrs- wegen drohenden Berufsverbots in den Westen

Beitragvon Affi976 » 16. Juli 2010, 18:20

Ich kannte E.C. persöhnlich, habe etliche Vorstellungen mit ihm machen dürfen und mich jedesmal kaputt gelacht.
Bereits vor der Vorstellung hatten wir uns getroffen und Witze erzählt. Während der Vorstellung, die Blechbläser haben ja immer ne Menge Zeit, haben wir seine Texte mitgesprochen, bis er eines Tages oben auf der Bühne aufhörte, zum Bühnenrand an die Orchesterwanne kam und sagte, "nun hört euch das an, die können meine Texte viel besser als ich", was denkt ihr was da los war, die Massen haben getobt. Er hat immer die Lacher auf seiner Seite gehabt, weil, er hat immer den Finger in die entsprechende Wunde gelegt und das ob Osten oder Westen.
Wie die anderen Namen in den vorherigen Beiträgen auch, war jeder, der gegangen ist, ein Verlust an Kultur in der DDR.
Somit wurde langsam aber sicher auch der ( künstlerisch ) kulturelle Niedergang eingeläutet. Schade, schade, war leider nicht zu ändern. Da haben selbst die Betonköpfe auf Westgeld verzichtet, nur um einigermaßen Ruhe im Land zu haben.
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Re: Eberhard Cohrs- wegen drohenden Berufsverbots in den Westen

Beitragvon augenzeuge » 16. Juli 2010, 21:51

Affi976 hat geschrieben:Ich kannte E.C. persöhnlich, habe etliche Vorstellungen mit ihm machen dürfen und mich jedesmal kaputt gelacht.
VG Affi



Oh, da beneide ich dich sehr...... [wink]

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Re: Eberhard Cohrs- wegen drohenden Berufsverbots in den Westen

Beitragvon augenzeuge » 23. Februar 2019, 22:35

Das Geheimnis des Komikers

Eberhard Cohrs bewahrte bis ans Ende seines Lebens ein düsteres Geheimnis. Erst auf dem Sterbebett machte er vage Andeutungen, die von Dokumenten später zweifelsfrei belegt werden: Der sächsische Komiker war ein SS-Mann. ....Die Staatssicherheit wusste tatsächlich über alles Bescheid.
sondern dass er als Funker bereits seit 1941 am "Krieg teilgenommen hat" und im August 1944 in die Waffen-SS eingetreten war.

SS-Wachmann im KZ Sachsenhausen
Einen Monat lang war Cohrs Mitglied eines SS-Panzer-Bataillons, bevor er am 6. September 1944 in das Konzentrationslager Sachsenhausen beordert wurde, "SS-dienstliche Verwendung: Wachposten". Bis zum Februar 1945 gehörte Cohrs dem SS-Totenkopf-Wachbataillon des Konzentrationslagers Sachsenhausen an. Zum Schluss war er "Rottenführer", der drittniedrigste Dienstrang bei der SS.


Als Cohrs am 19. Februar 1977 nach einem Gastspiel in Westberlin nicht in die DDR zurückkehrte, überlegten Mielkes Mannen, ob sie die brisanten Dokumente über Cohrs' Verstrickungen ins NS-System veröffentlichen sollten, um den "Republikflüchtling" moralisch zu diskreditieren und ihm einen Neuanfang im Westen unmöglich zu machen oder wenigstens zu erschweren. Am Ende sah man davon jedoch ab. Über die Gründe dafür kann man nur spekulieren, sicher scheint aber: Eine Publizierung der Akten hätte schwer am Selbstverständnis der DDR als antifaschistischem Staat gekratzt. Denn schließlich hätte man erklären müssen, wie es passieren konnte, dass ein ehemaliger SS-Mann und KZ-Aufseher in der DDR eine große Karriere macht.


https://www.mdr.de/zeitreise/artikel88766.html

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Re: Eberhard Cohrs- wegen drohenden Berufsverbots in den Westen

Beitragvon zonenhasser » 3. März 2020, 19:24

Schlagzeilen machte der inzwischen 78-Jährige erst wieder, als er im Juli 1999 seine Frau Dagmar niederschoss – mit einer Armeepistole aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie überlebte. Cohrs’ Anwalt konnte die Richter davon überzeugen, dass die Tat im Morphiumrausch geschah. Cohrs hatte Krebs im finalen Stadium. Sechs Wochen später starb er.tagesspiegel.de 21.07.2004
Die “Rote Fahne” schrieb noch “wir werden siegen”, da hatte ich mein Geld schon in der Schweiz.
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