1977 kam Eberhard Cohrs von einem Gastspiel in Westberlin nicht in die DDR zurück. Aber im Westen konnte kaum jemand über die Witze des kleinen Sachsen lachen – man verstand ihn einfach nicht.
"Der 56-jährige Conferencier Eberhard Cohrs hat nach einem Gastspiel in West-Berlin seine Frau und sein Kind verlassen.
Der berühmte sächsische Komiker hatte einen Auftritt vor den Beschäftigten der Westberliner S-Bahn genutzt, um der DDR den Rücken zu kehren. Frau und Kind durften ihm einige Tage später folgen.
In der DDR hatte Eberhard Cohrs im Winter 1977 ein Berufsverbot gedroht.
Seine Witze über Versorgungsmängel, SED-Alleinherrschaft und Alltagsnöte der DDR-Bürger wollte sich die Staatspartei nicht länger bieten lassen. "Das Auftreten von Eberhard Cohrs können wir uns in dieser Form nicht länger leisten", schrieb Politbüromitglied Albert Norden an den Rundfunk- und Fernsehfunktionär Gerhart Eisler. "Wenn er nur unpolitischen Humor bringen will, dann bitte sehr, aber wenn er politische Witze losschießt und sie ausschließlich gegen die DDR richtet, dann ist das unmöglich." Allerdings wollte ihm Albert Norden eine Art Bewährungsfrist einräumen. "Wir sollten alles tun, um uns diesen außergewöhnlichen Komiker zu erhalten. Es wäre großartig, wenn Du Dir eine halbe Stunde Zeit nehmen würdest, um ihm zu helfen, über seine Nasenspitze hinaus den Verlauf der Dinge in ganz Deutschland und der Welt zu erkennen."
Jahrelang hatte sich Eberhard Cohrs in der DDR erfolgreich "durchgewurschtelt": "Wir hatten immer dreimal so viel Material eingereicht wie wir brauchten. Egal, wie viel sie uns rausgestrichen haben, wir hatten immer noch genug. Und oft haben sie auch was übersehen." Doch damit war es 1976 vorbei. Die Zensoren strichen seine Programme unbarmherzig zusammen. "Was ich sagen durfte, darüber hat niemand gelacht und worüber mein Publikum gelacht hätte, das durfte ich nicht sagen." Cohrs sollte nun auch noch ein Mentor an die Seite gestellt werden und es wurde sogar erwogen, prinzipienfeste Satiriker seine Sketche schreiben zu lassen. Cohrs resignierte: "Da wäre der Cohrs nicht mehr der Cohrs gewesen ... Und so ging erst der Biermann, dann der Müller-Stahl, dann ging Manne Krug und dann ging och der kleene Cohrs."
1989, gleich nach der Maueröffnung, zog Cohrs wieder in den Osten zurück, in sein Haus am Rand von Berlin. Seine erste Veranstaltung hatte er in Dresden, im "Kulturpalast". Vor dem Auftritt beschlich Cohrs ein "mulmiges Gefühl". Er fürchtete, die Leute könnten ihm immer noch übelnehmen, dass er damals in den Westen gegangen war, "so nach dem Motto: 'Wir mussten hier bleiben und du bist abgehauen'". Und in den ersten Minuten, erinnerte sich Cohrs, war es tatsächlich schwierig.
"Doch als ich den ersten Gag losgelassen hatte – 'Es tut mir leid, dass ich damals abgehauen bin, denn am nächsten Tag gab's Tomaten' -, da hatte ich sie gleich wieder alle auf meiner Seite. Das war wunderschön."
MDR
AZ