Hochzeit in der DDR

Hochzeit in der DDR

Beitragvon dein1945 » 1. Mai 2012, 12:22

Nicht Trauen

Erich Honecker war noch nicht lange der höchste Funktionär im Staate. Ich wohnte in Jena im Haus meiner Eltern, teilte mit meiner Freundin ein kleines Zimmer. Es war nicht heizbar und über den Winter konnten wir es nur im Bett aushalten. Sie wurde schwanger. Wir wollten eine eigene Wohnung. Die gab es in der DDR nur vom Amt. Ich sprach dort vor. Antwort: Nur für Verheiratete sei es möglich, einen Wohnungsantrag zu stellen. Ich mochte keine Ehe, versuchte dies und das und meldete dann notgedrungen unsere Hochzeit an. Scheidungen waren in der DDR ja schließlich ebenso preiswert wie das Heiraten.
Also treffen wir uns an einem Tag im Juni 1974 vor dem Rathaus im Kreise der Freunde. Ich betrete das Büro des Standesamtes.
"Ich möchte mich für die Trauung 9.30 Uhr melden. Hier sind die Papiere."
"Wo ist das Paar?"
"Die Braut ist draußen."
"Wie? – Sind sie das selbst?"
"Ja."
"So ... ja ... in diesem Aufzug wollen sie getraut werden?
"Was heißt denn Aufzug?"
"Nein, so geht das nicht! So werden sie von uns nicht getraut!"
"Wie ich aussehe, ist doch meine Angelegenheit."
"Das sehe ich anders. Ich darf sie auf Paragraph 25 des Familiengesetzbuches der DDR hinweisen. Dort wird gefordert, dass die Trauung in einer würdigen Form zu geschehen hat. Die ist mit ihrer ... Garderobe nicht gegeben."
"Meiner Würde genügt sie!"
"Dann müssen sie lernen, sich den gesellschaftlichen Gepflogenheiten anzupassen. So werden sie hier jedenfalls nicht getraut!"
"Ist das Ihr letztes Wort?"
"Gehen sie nach Hause. Ziehen sie sich vernünftig an. Dann werden sie getraut. Sonst nicht!"
"Wie sie wollen. Ich versichere ihnen, dass das ein Nachspiel hat. Auf Wiedersehen."
"Einen Moment, ... Herr H.
Die Vorsitzende des Amtes telefoniert.
"Guten Tag, Herr Stadtrat, hier ist das Standesamt. Vor mir steht ein junger Mann, der getraut werden möchte. Ich lehne das ab. Er ist in einem unmöglichen Aufzug erschienen ... – Ja, ich kann mal kurz beschreiben: Freizeitpullover, abgewetzte Cordhose, rote Socken und diese Jesus-Latschen ... lange Haare natürlich ... und unrasiert ist er obendrein. – Jawohl, Herr Stadtrat, nicht Trauen. Danke. Auf Wiedersehen. – Sie haben es gehört. Das war der Stadtrat des Inneren. In diesem Standesamt werden sie so nicht getraut."
Ich gehe hinaus zu den anderen und berichte. Die Braut stöhnt:
"Das habe ich geahnt."
Das nächste Paar wird in den Zeremonienraum gebeten. Meine Freundin versucht mit der Standesbeamtin zu reden. Die wiederholt schroff ihre Ablehnung.
Wir beschließen zum Stadtrat für Inneres zu gehen. Es ist ein kurzer Weg und wir werden dort auch sofort vorgelassen. Unsere Gäste aber werden abgedrängt und müssen im Treppenhaus der Behörde warten. Der Stadtrat empfängt uns kühl.
"Da sind sie also."
Wir nehmen Platz. Ich bringe meine Beschwerde vor.
"So einfach geht das nicht. Was sind sie von Beruf?"
"Krankenschwester, Elektriker."
"Als ich so alt war wie sie, habe ich auf dem Bau gearbeitet. Da waren die Zeiten nicht so wie heute. Ich habe mir zum Heiraten einen Anzug borgen müssen. Sie verdienen heute genug, um sich einen kaufen zu können."
"Warum soll ich mir für 300 Mark einen Anzug kaufen in dem ich mich nicht wohl fühle und den ich dann nie wieder gebrauchen kann. Ich verdiene 400 Mark im Monat. Das kann ich mir nicht leisten. Warum kann ich nicht in normalen Sachen heiraten?"
"Normal? – So gehe ich ja nicht mal auf den Sportplatz!"
"Warum können wir uns nicht von solchen Konventionen lösen? Kürzlich sah ich im Fernsehen, wie in Moskau ein junges Paar ohne Kostümfest in Freizeitsachen getraut wurde. Warum geht das nicht bei uns? Die Sowjetunion ist doch sonst unser großes Vorbild."
"Das fehlt noch, dass Leute wie sie mit unseren Freunden argumentieren!"
"Diese aufgeputzten Trauungen. Das sind doch bürgerliche Konventionen. Sollten wir die nicht abschaffen, wenn wir den Kommunismus aufbauen wollen?"
Der Stadtrat brüllt:
"Waaas?! Was wollen sie abschaffen? Den Kommunismus?"
Wir schauen uns ratlos an. Ich versuche nochmals meine Meinung darzulegen.
"Schluss! Ich frage mich nur, wie ein Mensch in ihrem Alter zu solchen Ansichten kommt. So etwas ist mir ja überhaupt noch nicht vor den Schreibtisch gekommen. Halt, doch: Einmal war da so ein Hippie-Pärchen. Die haben wir gleich wieder nach Hause geschickt. Sie hätten mal sehen sollen, wie die wieder angetreten sind. Geschniegelt und gebügelt. Wir leben in einer sozialistischen Gemeinschaft und da muss man sich unterordnen! Nein, so was ist mir noch nicht begegnet. Das ist Einzelgängertum, notorisches Einzelgängertum."
"Na so einzeln sind wir nicht. Draußen warten unsere Freunde. Die sehen auch so aus."
Er springt hinterm Schreibtisch auf.
"Noch mehr von der Sorte. Wollen sie hier eine Revolution veranstalten?"
Zur Sekretärin, die aufgeschreckt herein kommt:
"Rufen sie sofort die Polizei. Lassen sie das Haus räumen. Das ist doch die Höhe!"
Die Sekretärin blickte ihn prüfend an. Er scheint es ernst zu meinen. Sie geht hinaus, um zu telefonieren. Mir fährt der Schreck in die Glieder. Eine Polizeikontrolle. Ich hatte zur Hochzeit von meinen Freunden eine Biermann-Schallplatte bekommen, die sich in meiner Tasche befand. Zu meiner Freundin sage ich:
"Dann müssen wir uns eben nach Berlin wenden."
"Herr Stadtrat, sind sie sich bewusst, dass ich schwanger bin?" spielt meine Freundin unseren letzten Trumpf aus, der im Übrigen auch zu sehen war. Stadtrat Schindler verlässt das Büro. Nach einer Minute kommt er zurück.
"Gut. Ich habe es mir überlegt. Das Fräulein ist schwanger. Da muss ich Rücksicht nehmen. Aus diesem Grund – und nur aus diesem, damit sie mich nicht falsch verstehen – mache ich eine Ausnahme. Sie gehen jetzt zum Standesamt und werden dort getraut. Ich werde das veranlassen. Aber machen sie sich keine Illusionen! Wir sprechen uns noch."
Wir gehen hinaus. Unsere Freunde waren inzwischen auf die Strasse vertrieben worden. Polizei wurde nicht gesehen. Wir geben Bericht.
Im Standesamt müssen sich alle Gäste mit Namen und Anschrift in eine Liste eintragen. Für die Akten auf Anordnung des Stadtrates. Die Trauungszeremonie wird von der Leiterin des Amtes vollzogen. Wegen des Vorspiels gerät das zur Groteske. Immer wieder kann einer das Lachen nicht unterdrücken. Sie reagiert mit bösen Blicken. Nach der Trauung stürmen wir durch den Vorsaal hinaus. Dort warten die angestauten Hochzeitsgesellschaften und blicken uns mit offenen Mündern nach.
Der Stadtrat wurde bald darauf wegen seiner Alkoholabhängigkeit abgesetzt. Nach zwei Jahren ließen wir uns scheiden.

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Es handelt sich um den Wolfgang H. von dem ich am 10.April 2012, unter : Es passierte heute..... schrieb

Gruß aus Berlin
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Interessierter » 1. Mai 2012, 12:54

Heute kann man herzhaft darüber lachen, aber danach war den Betroffenen damals sicher nicht zumute.

[hallo]
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon HG82 » 1. Mai 2012, 18:24

das arme kind
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon dein1945 » 2. Mai 2012, 08:15

HG82 hat geschrieben:das arme kind


Das Kind hatte Glück, dank des so eingestellten Vaters konnte es noch 1976 die DDR verlassen, so blieb ihm so einiges erspart, brauchte auch nicht im Kollektiv auf den Nachttopf [laugh]

Gruß aus Berlin
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Edelknabe » 2. Mai 2012, 18:40

komisch, ich wurde geheiratet. ehrlich jetzt. erinnere ich mich an meine/unsere hochzeit war ich eigentlich nur mit. ich glaube auch, das war einfach so damals mitte der 70er, weil das ungeborene kind einen namen bekommen sollte. also meine schwiegereltern "managten" das alles und ich bin ihnen noch nicht mal böse darüber heute,ganz im gegenteil denn die frisur hält...ach quatsch, natürlich meine ich unsere ehe mit all ihren höhen und tiefen.

rainer-maria der findet die ehe wird zwar heute neumodisch irgendwie als auslaufmodell bezeichnet aber ist aber so verkehrt nicht...wenn sie denn gut hält
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Zicke » 2. Mai 2012, 18:43

dein1945 hat geschrieben:
HG82 hat geschrieben:das arme kind


Das Kind hatte Glück, dank des so eingestellten Vaters konnte es noch 1976 die DDR verlassen, so blieb ihm so einiges erspart, brauchte auch nicht im Kollektiv auf den Nachttopf [laugh]

Gruß aus Berlin


aber wenigstens konnten die Kinder mit 1Lebensjahr schon auf den Nachttopf, nicht wie die Bundeskinder die noch mit 2 1/2 in die Wegwerfwindel sch..ßen. [sick]
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 4. Mai 2012, 08:27

Zicke hat geschrieben:
aber wenigstens konnten die Kinder mit 1Lebensjahr schon auf den Nachttopf, nicht wie die Bundeskinder die noch mit 2 1/2 in die Wegwerfwindel sch..ßen. [sick]


Dies kann man nicht pauschal so sagen. Letztlich lag/liegt das immer an den Eltern (West). Im Osten delegierten diese ja solche Erziehungsmaßnahmen.....an die Kita.

Übrigens, die Wegwerfwindeln aus Berlin-West landeten dann gegen gutes Geld auf der Deponie Ost..... [flash]
Somit hatte der Osten sogar etwas davon. [laugh]
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Zicke » 4. Mai 2012, 08:33

augenzeuge hat geschrieben: Im Osten delegierten diese ja solche Erziehungsmaßnahmen.....an die Kita.


Jörg, das ist 100% falsch, die Kinder durften erst in die Kita wenn sie sauber waren.
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 4. Mai 2012, 08:36

Zicke hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben: Im Osten delegierten diese ja solche Erziehungsmaßnahmen.....an die Kita.


Jörg, das ist 100% falsch, die Kinder durften erst in die Kita wenn sie sauber waren.


Meine Ex-Kollegin in der DDR gab ihr Kind nach 10 Wochen, oder12?? ab, sie wollte wieder arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt ist kein Kind auf der Welt sauber. Aber ok, das hiess nicht Kita.... Und sie kümmerte sich definitiv nicht. Ein Einzelfall?
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Zicke » 4. Mai 2012, 08:43

augenzeuge hat geschrieben:Meine Ex-Kollegin in der DDR gab ihr Kind nach 10 Wochen, oder12?? ab


das war die Kinderkrippe
Kinderkrippen sind Einrichtungen oder Gruppen der Kindertagesbetreuung bzw. familienergänzende Kinderbetreuungen für Kleinkinder. Als Kurzform wird auch das Wort Krippe gebraucht.

WIKI
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon vs1400 » 4. Mai 2012, 09:25

augenzeuge hat geschrieben:
Meine Ex-Kollegin in der DDR gab ihr Kind nach 10 Wochen, oder12?? ab, sie wollte wieder arbeiten. Zu diesem Zeitpunkt ist kein Kind auf der Welt sauber. Aber ok, das hiess nicht Kita.... Und sie kümmerte sich definitiv nicht. Ein Einzelfall?
AZ


hi augenzeuge,

hast recht mit deiner aussage.
kleinstkinder durften ab der 6. woche in die einrichtungen gebracht werden. jede einrichtung hatte diese möglichkeit und genutzt wurde sie meist von lehrern, ärzten etc.pp., weniger von zb. schichtarbeitern. diese säuglingszimmer hatten meist so ca. 10 betten und diese waren auch fast immer gut belegt.

gruß vs
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon manudave » 5. Mai 2012, 06:41

Zicke hat geschrieben:
augenzeuge hat geschrieben: Im Osten delegierten diese ja solche Erziehungsmaßnahmen.....an die Kita.


Jörg, das ist 100% falsch, die Kinder durften erst in die Kita wenn sie sauber waren.


Das kann meine Schwester widerlegen, die hat mit 5 noch in die Windeln gefeuert - das verzogene Balg... [flash] - aber sie war brav in der Kinderkrippe...
Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Interessierter » 1. Juli 2013, 18:04

Sieht man vielleicht nach heutigen und damaligen Erkenntnissen, die Kinderkrippen zu positiv?

In einem Blog liest man das:

Das westdeutsche Lob auf die flächendeckende Krippenbetreuung der SED (Gerade von Herrn Sellering bei einem Auftritt in Berlin gehört) hat mich schon gewundert. Dahinter stehen dieselben Interessen wie bei westdeutschen Industrieverbänden, hinzu kam die Absicht, so früh es geht, ideologisch auf die Kinder Einfluss zu nehmen. Dass es seelische und körperliche Langzeitfolgen gibt, wird weltweit schon länger diskutiert.

Kleinkinder werden nur dann in öffentlichen Einrichtungen besser als zu Hause gefördert, wenn im Elternhaus sehr schlechte Bedingungen herrschen und wenn in der Kinderkrippe (wie in Finnland) für 4 anwesende Kinder mindestens ein Erzieher vorhanden ist. In den Krippen der neuen wie der alten Bundesländer kommen im Mittel etwa 9 Kleinkinder auf einen Erzieher. Sich hier aufzuhalten (womöglich ganztägig), ist für die Mehrzahl der Kinder von erheblichem Nachteil."

. In den 50-er Jahren wurde in der DDR die “Wochenkrippe” systematisch ausgebaut. Mit dem 3. Lebensmonat wurden Babys von Montag bis Freitag in einer Krippe betreut, was für die Arbeitsleistung der Eltern sehr förderlich war. Nicht förderlich war dies für die Kinder, wie man bald feststellen musste. Das Wochenkrippen-Programm wurde wieder zurückgefahren. Weil sie täglich Kontakt zu ihren Eltern hatten, entwickelten sich die Kinder in den Tageskrippen der DDR sehr viel besser als die Wochenkrippen-Kinder.

Der ganze Blog hier:
http://ddrwebquest.wordpress.com/2012/04/06/2088/

" Der Interessierte "
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Volker Zottmann » 1. Juli 2013, 18:20

Interessierter hat geschrieben:
. In den 50-er Jahren wurde in der DDR die “Wochenkrippe” systematisch ausgebaut. Mit dem 3. Lebensmonat wurden Babys von Montag bis Freitag in einer Krippe betreut, was für die Arbeitsleistung der Eltern sehr förderlich war. Nicht förderlich war dies für die Kinder, wie man bald feststellen musste. Das Wochenkrippen-Programm wurde wieder zurückgefahren. Weil sie täglich Kontakt zu ihren Eltern hatten, entwickelten sich die Kinder in den Tageskrippen der DDR sehr viel besser als die Wochenkrippen-Kinder.



" Der Interessierte "


Ich selbst kam als Kleinkind 1952 in solche Wochenkrippe. Sonntagabend wurde ich abgeliefert und am Samstagmittag holte mich meine Muter wieder ab.
Ich kann das nie begreifen! Erst Kinder in die Welt setzen, um sie dann wegen einer politischen Verwaltungsschule abzugeben?
Finde ich daneben.
Danach wurde sie zwar Bürgermeisterin von Tanne, aber als normale Mutter hätte sie auch Beruf und Kinder an anderer Stelle unter einen Hut gebracht. Immerhin hatte sie da schon ausgelernt und war Verwaltungsangestellte.
Inwieweit mir das geschadet hat, sollten Andere beurteilen. [ich auch]
Normal, nach meinem Familienverständnis, sind diese Aufbewahranstalten nicht gewesen. Ein Auto kann ich eine Woche parken, aber Kinder? Neeeee!!

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon vs1400 » 1. Juli 2013, 20:22

Interessierter hat geschrieben:[b]Sieht man vielleicht nach heutigen und damaligen Erkenntnissen, die Kinderkrippen zu positiv?[/b]

In einem Blog liest man das:

Das westdeutsche Lob auf die flächendeckende Krippenbetreuung der SED (Gerade von Herrn Sellering bei einem Auftritt in Berlin gehört) hat mich schon gewundert. Dahinter stehen dieselben Interessen wie bei westdeutschen Industrieverbänden, hinzu kam die Absicht, so früh es geht, ideologisch auf die Kinder Einfluss zu nehmen. Dass es seelische und körperliche Langzeitfolgen gibt, wird weltweit schon länger diskutiert.

Kleinkinder werden nur dann in öffentlichen Einrichtungen besser als zu Hause gefördert, wenn im Elternhaus sehr schlechte Bedingungen herrschen und wenn in der Kinderkrippe (wie in Finnland) für 4 anwesende Kinder mindestens ein Erzieher vorhanden ist. In den Krippen der neuen wie der alten Bundesländer kommen im Mittel etwa 9 Kleinkinder auf einen Erzieher. Sich hier aufzuhalten (womöglich ganztägig), ist für die Mehrzahl der Kinder von erheblichem Nachteil."

. In den 50-er Jahren wurde in der DDR die “Wochenkrippe” systematisch ausgebaut. Mit dem 3. Lebensmonat wurden Babys von Montag bis Freitag in einer Krippe betreut, was für die Arbeitsleistung der Eltern sehr förderlich war. Nicht förderlich war dies für die Kinder, wie man bald feststellen musste. Das Wochenkrippen-Programm wurde wieder zurückgefahren. Weil sie täglich Kontakt zu ihren Eltern hatten, entwickelten sich die Kinder in den Tageskrippen der DDR sehr viel besser als die Wochenkrippen-Kinder.

wenn ich diesen blog so lese wird mir erst mal richtig bewusst, was in meiner kindheit falsch lief. [grin]
aber natürlich gibt es diesbezüglich immer pro und kontra und jeder ist sich sicher, dass beste zu tun.
tagesstätten finde ich prinzipiell gut, unabhängig vom system Wilfried. [wink]

gruß vom Torsten [hallo]

Der ganze Blog hier:
http://ddrwebquest.wordpress.com/2012/04/06/2088/

" Der Interessierte "
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Hausfreund » 1. Juli 2013, 22:03

Lieber Volker!

Volker Zottmann hat geschrieben:Ich selbst kam als Kleinkind 1952 in solche Wochenkrippe. Sonntagabend wurde ich abgeliefert und am Samstagmittag holte mich meine Muter wieder ab.
Ich kann das nie begreifen! Erst Kinder in die Welt setzen, um sie dann wegen einer politischen Verwaltungsschule abzugeben?


Mir sind solche, vereinzelten, Verhaltensweisen auch erinnerlich. Darüber haben wir uns schon damals gewundert.

Durch die langen Arbeitszeiten (einschließlich Sonnabend) oder den Armeedienst mit monatelangen Ausgangssperren waren die jungen Eltern leider oft gezwungen, die Kinder tagsüber in den Krippen betreuen zu lassen. Von den Müttern und Kindern wurden dabei viele Tränen vergossen und man hat dann natürlich versucht, an den Wochenden und in den Ferien eine maximale Privatheit zu gestalten.

Trotzdem hatte dieses "brutale" Verfahren auch gute Seiten: Frühzeitiger Umgang mit Gleichaltrigen, Einübung sozialer Standards, Vielfalt der spielerischen Gestaltung und anderes. Und vermutlich hing das Gelingen damals wie heute letztendlich von den handelnden Personen ab. Insgesamt hoffe ich, daß meine Kinder mir daraus inzwischen keinen Vorwurf mehr machen.

Eine Beobachtung am Rande: Nach meiner Einschätzung wird heutzutage kaum noch Wert auf die Entwicklung der Selbständigkeit von Kindern gelegt. Will sagen: Die Eltern, Großeltern, Erzieher oder Lehrer bringen den Kindern rein mechanisch alles mögliche bei - idiotischerweise. Es bleibt kaum noch Raum für die eigene Erkundung der Welt, die Entwicklung eigener Vorstellungen und deren Austestung - letztendlich der Herausbildung freier Persönlichkeiten. Das war - man glaubt es nicht mehr - in der DDR sogar eine Staatsaufgabe.

mfG
Hausfreund
 

Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon vs1400 » 1. Juli 2013, 22:15

vs1400 hat geschrieben:
Interessierter hat geschrieben:[b]Sieht man vielleicht nach heutigen und damaligen Erkenntnissen, die Kinderkrippen zu positiv?[/b]

In einem Blog liest man das:

Das westdeutsche Lob auf die flächendeckende Krippenbetreuung der SED (Gerade von Herrn Sellering bei einem Auftritt in Berlin gehört) hat mich schon gewundert. Dahinter stehen dieselben Interessen wie bei westdeutschen Industrieverbänden, hinzu kam die Absicht, so früh es geht, ideologisch auf die Kinder Einfluss zu nehmen. Dass es seelische und körperliche Langzeitfolgen gibt, wird weltweit schon länger diskutiert.

Kleinkinder werden nur dann in öffentlichen Einrichtungen besser als zu Hause gefördert, wenn im Elternhaus sehr schlechte Bedingungen herrschen und wenn in der Kinderkrippe (wie in Finnland) für 4 anwesende Kinder mindestens ein Erzieher vorhanden ist. In den Krippen der neuen wie der alten Bundesländer kommen im Mittel etwa 9 Kleinkinder auf einen Erzieher. Sich hier aufzuhalten (womöglich ganztägig), ist für die Mehrzahl der Kinder von erheblichem Nachteil."

. In den 50-er Jahren wurde in der DDR die “Wochenkrippe” systematisch ausgebaut. Mit dem 3. Lebensmonat wurden Babys von Montag bis Freitag in einer Krippe betreut, was für die Arbeitsleistung der Eltern sehr förderlich war. Nicht förderlich war dies für die Kinder, wie man bald feststellen musste. Das Wochenkrippen-Programm wurde wieder zurückgefahren. Weil sie täglich Kontakt zu ihren Eltern hatten, entwickelten sich die Kinder in den Tageskrippen der DDR sehr viel besser als die Wochenkrippen-Kinder.

wenn ich diesen blog so lese wird mir erst mal richtig bewusst, was in meiner kindheit falsch lief. [grin]
aber natürlich gibt es diesbezüglich immer pro und kontra und jeder ist sich sicher, dass beste zu tun.
tagesstätten finde ich prinzipiell gut, unabhängig vom system Wilfried. [wink]

gruß vom Torsten [hallo]

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http://ddrwebquest.wordpress.com/2012/04/06/2088/

" Der Interessierte "


habs gerade bemerkt.
so muss das. [peinlich]

wenn ich diesen blog so lese wird mir erst mal richtig bewusst, was in meiner kindheit falsch lief. [grin]
aber natürlich gibt es diesbezüglich immer pro und kontra und jeder ist sich sicher, dass beste zu tun.
tagesstätten finde ich prinzipiell gut, unabhängig vom system Wilfried. [wink]

gruß vom Torsten [hallo]
vs1400
 

Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Volker Zottmann » 1. Juli 2013, 22:37

Hausfreund und Torsten,

Wir haben unsere Kinder auch in die Krippe gegeben und in die Kindergärten. Dagegen bin ich keineswegs.
Wir haben aber unsere Kinder nicht wochenlang abgegeben. Während unsere Kinder klein waren, ging meine Frau nur noch halbtags arbeiten. Als es ihr in einer Arbeitsstelle unmöglich gemacht wurde, hat sie gekündigt und neue Arbeit gesucht und gefunden, auch mehrere Jahre Heimarbeit gemacht. Und später dann volltags als Chefarztsekretärin gearbeitet.
Sicher waren das damals auch finanzielle Opfer, aber uns erschien und erscheint wichtiger, dass sich unsere Kinder normal entwickeln. Also unter ihresgleichen sind UND hauptsächlich von den Eltern erzogen.
Ich bilde mir ein, dass wir das bei unseren Kindern, Sohn und Tochter sehr gut hinbekommen haben. Beide waren im Gegensatz zu mir gute und sehr gute Schüler.
Niemand der wollend Kinder in die Welt setzt, sollte es dem Staat oder dem Zufall überlassen, wie die Förderung ausfällt. Damals wie heute!

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon vs1400 » 1. Juli 2013, 23:06

" ... Niemand der wollend Kinder in die Welt setzt, sollte es dem Staat oder dem Zufall überlassen, wie die Förderung ausfällt. Damals wie heute! ..."

pro und kontra eben Volker,
jeder hat diesbezüglich seine ansicht, ist aber ok so.

gruß vom Torsten [hallo]
vs1400
 

Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Interessierter » 23. März 2017, 14:25

Viele DDR-Kinder verbrachten ihre Kindheit in Wochenkrippen, mit oft weitreichenden Folgen. Forschungsergebnisse, die auf die Nachteile für die Entwicklung der Kinder hinwiesen, unterdrückte die DDR. Heute arbeiten Betroffene und Forscher die Folgen auf.

Wochenkrippen-Kinder. Die meisten von ihnen dürften heute zwischen 40 und 60 Jahre alt sein. Wie viele es genau gewesen sind? Niemand weiß es. Denn bislang gibt es kaum Untersuchungen zu diesem Thema. Eigene Hochrechnungen zeigen jedoch, dass auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zwischen 1949 und 1989 Hunderttausende von Säuglingen und Kleinstkindern werktags in Heimen betreut wurden.

Die DDR in den 50er-Jahren: Der Aufbau der sozialistischen Gesellschaft hat begonnen. Es gilt die Sechs-Tage-Woche, auch für Mütter. Artikel 7 der noch jungen Verfassung lautet: "Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufgehoben". Doch die Gleichberechtigung gilt nur für Frauen und nur am Arbeitsplatz. Die Frage, wer sich um die Kinder kümmert, trifft besonders alleinerziehende Mütter.

Forschung unter Druck

Innerhalb von fünf Jahren, so das Gesetz, sollen auf dem Gebiet der DDR 160.000 Kindergartenplätze, 40.000 Kinderkrippenplätze und 60.000 Heimplätze für Kleinstkinder entstehen. In der Folge steigt allein die Zahl der Wochenheimplätze für Säuglinge und Kleinstkinder, später Wochenkrippen genannt, von 2.500 im Jahr 1950 auf etwa 14.300 im Jahr 1955. Zehn Jahre später, 1965, weist die Statistik bereits 37.900 Wochenheimplätze für Kinder unter drei Jahren aus. Begleitet wird der Ausbau von einer massiven Werbekampagne. Bis Mitte der 60iger Jahre werden Wochenkrippen als gleichwertige, wenn nicht bessere Alternative zur familiären Betreuung gepriesen.

Mitte der 50er-Jahre beginnt die Ostberliner Humboldt-Universität mit den ersten wissenschaftlichen Untersuchungen zur Entwicklung von Krippenkindern in der DDR. Leitende Ärztin ist die spätere Direktorin des Instituts für Hygiene des Kindes- und Jugendalters in Berlin, Eva Schmidt-Kolmer. Sie lässt die Entwicklung von mehr als 1.700 Kindern zwischen null und drei Jahren dokumentieren, zur Stichprobe gehören auch 440 Wochenkrippen-Kinder. Untersucht wird, wie gut sich die Kinder im Raum orientieren und bewegen können und wie weit ihr Sprachvermögen und Sozialverhalten entwickelt ist. Die Ergebnisse dieser Untersuchung offenbaren gravierende Defizite bei den Wochenkrippenkindern - in allen getesteten Bereichen.

Die Mama als Fremde

Nur wenige Jahre später sind solche Interpretationen fast vollständig aus der DDR-Forschungsliteratur verschwunden. Auch über Formen des Hospitalismus: ausdruckslos vor sich hinstarrende Kleinkinder, die ihren Oberkörper vorwärts und rückwärts schaukeln oder ihren Kopf im Gitterbett immer wieder hin und herdrehen, darf nach dem Mauerbau nicht mehr geschrieben werden.

René Grünewald verbrachte seine ersten Lebensjahre in einer Wochenkrippe. Wie prägend diese Zeit für den heute 46-Jährigen war, lässt sich heute nur schwer sagen. Eigene Erinnerungen daran hat er nicht. Wohl aber an den Tag als seine Heimzeit plötzlich endet:

"Ich war dreieinhalb Jahre im Wochenheim und ich kann mich an den Tag erinnern, wo mir gesagt wurde, dass ich nicht mehr ins Wochenheim muss. Das ist ein Tag, wo ich allein auf einem Berliner Hinterhof mit meinem Dreirad fahre, auf einem Garagenhof. Und schleifenartig vor mich hin rede, dass diese Frau meine Mama ist und dass ich hier wohne. Das war ein sehr unwirkliches Gefühl, weil diese Frau, die mich zur Welt gebracht hat und mich dann bei sich aufgenommen hat, für mich eine fremde Frau war."

Der vollständige Beitrag hier:
http://www.deutschlandradiokultur.de/al ... _id=379620

Wie empfinden eigentlich Mütter, wenn sie ihre Kleinkinder nur Sonntags bei sich haben können? Müßte das nicht das Herz einer jeden Mutter brechen? Ich kann verstehen wenn dadurch die Mütter entfremdet werden.
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Beethoven » 23. März 2017, 15:17

Ich weiß, dass ich auch ein oder eineinhalb Jahre, während des Studiums meiner Mutter, mein Vater arbeitete im Bezirk Rostock, in Kleinmachnow bei Potsdam, in solch einer Einrichtung war. Mit mir waren auch meine beiden Schwestern, beide älter als ich, dort.

Ich habe keinerlei Erinnerung daran aber es wurde mal davon erzählt.
Meine Schwestern erinnern sich noch an eine große Villa, in welcher dieses Wochenheim untergebracht sein musste, seinerzeit.

Von meinen Schwestern und mir kann ich sagen, dass wir drei unseren Weg gemacht haben. Eine Lehrerin, eine Kathographieingenieurin na und eben ich.
So schlimm wird es, jedenfalls bei uns also nicht gewesen sein.

Gruß
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

Das Gesetz ändert sich, die Gesinnung nicht.
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon HPA » 23. März 2017, 16:08

Das dürfte eine Einrichtung gewesen sein, welche direkt der Parteihochschule in Kleinmachnow angeschlossen war.
HPA
 

Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Volker Zottmann » 23. März 2017, 18:51

So habe ich es erfahren und dann niedergeschrieben:

Ganze 6 Wochen war ich alt, da schleppten sie mich schon allmorgendlich, des Geldverdienens wegen, für ganze Tage in die Kinderkrippe “Elisabeth-Stift”, in die Wallstraße. Am 11.Juni 1951 fand dort mein erstes “Vorstellungsgespräch” statt. Und die haben mich auch gleich dabehalten.

Kaum hatte ich die Gesichter der Betreuerinnen einigermaßen intus, wurde ich schon wieder dieser Krippe entwöhnt und wurde im Wochenheim Halberstadt stationiert. Und das hatte die Bewandtnis, dass meine Mutter eine politische Verwaltungsschule besuchte. Mein Aufenthalt dort begann im Juli 1952 und dauerte bis Dezember gleichen Jahres. Im Gegensatz zur Krippe, die ich täglich verlassen durfte, empfand ich den Halberstädter Aufenthalt wohl eher als verschärfte Haft. Denn hier blieben alle armen Wichte ohne ihre Mütter die ganze Woche in Verwahrung. Da ging es erst sonnabends zurück in die Heinrich-Zille-Straße, um sonntags gegen Abend schon wieder abgeliefert zu werden.


Ob ich als Kleinkind einen Knacks bekam oder nicht, ist im Nachhinein für mich selbst nicht spürbar. Festhalten möchte ich aber, dass solch unnötiges Ansinnen selbst damals zu umgehen gewesen wäre. Ich sehe für mich, dass ich meiner Mutter offenbar nie so wichtig war, wie ihre Karriere in der SED. Klingt brutal hart, ist aber nüchtern betrachtet so!
Ich weiß noch, wie wir uns freuten, als unser Sohn geboren wurde. In dieser Situation wären wir niemals auf solchen kranken Gedanken gekommen, unser Kind von uns freiwillig zu entwöhnen!
Ist es denn nicht schon schlimm genug, wenn Kinder, besonders auch Kleinkinder schon einen oder beide Elternteile duch Tod, Unfall oder Krieg verlieren?
Muss man da in absoluten Friedenszeiten auch noch zusätzlich seelische Notstände erzeugen? Ich finde dies abartig.

Gruß Volker
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Nostalgiker » 23. März 2017, 19:17

Aha, du als Wunderkind konntest also im zarten Alter von einem Jahr vergleichend feststellen das Wochenkrippe fast so wie verschärfte Haft war.

Die "politische" Verwaltungsschule befand sich genau wo?
Dein Vater lebte und arbeitete am Wohnort und hatte so ungünstige Schichten das er dich weder Morgens in die Krippe bringen konnte und Abends auch nicht abholen .....

Auf das mit dem Knacks gehe ich nicht weiter ein ......
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon andr.k » 23. März 2017, 19:20

Volker Zottmann hat geschrieben:So habe ich es erfahren und dann niedergeschrieben:

Ganze 6 Wochen war ich alt, da schleppten sie mich schon allmorgendlich, des Geldverdienens wegen, für ganze Tage in die Kinderkrippe “Elisabeth-Stift”, in die Wallstraße. Am 11.Juni 1951 fand dort mein erstes “Vorstellungsgespräch” statt. Und die haben mich auch gleich dabehalten.

Kaum hatte ich die Gesichter der Betreuerinnen einigermaßen intus, wurde ich schon wieder dieser Krippe entwöhnt und wurde im Wochenheim Halberstadt stationiert. Und das hatte die Bewandtnis, dass meine Mutter eine politische Verwaltungsschule besuchte. Mein Aufenthalt dort begann im Juli 1952 und dauerte bis Dezember gleichen Jahres. Im Gegensatz zur Krippe, die ich täglich verlassen durfte, [b]empfand ich den Halberstädter Aufenthalt wohl eher als verschärfte Haft.
Denn hier blieben alle armen Wichte ohne ihre Mütter die ganze Woche in Verwahrung. Da ging es erst sonnabends zurück in die Heinrich-Zille-Straße, um sonntags gegen Abend schon wieder abgeliefert zu werden.
[/b]

Ob ich als Kleinkind einen Knacks bekam oder nicht, ist im Nachhinein für mich selbst nicht spürbar. Festhalten möchte ich aber, dass solch unnötiges Ansinnen selbst damals zu umgehen gewesen wäre. Ich sehe für mich, dass ich meiner Mutter offenbar nie so wichtig war, wie ihre Karriere in der SED. Klingt brutal hart, ist aber nüchtern betrachtet so!
Ich weiß noch, wie wir uns freuten, als unser Sohn geboren wurde. In dieser Situation wären wir niemals auf solchen kranken Gedanken gekommen, unser Kind von uns freiwillig zu entwöhnen!
Ist es denn nicht schon schlimm genug, wenn Kinder, besonders auch Kleinkinder schon einen oder beide Elternteile duch Tod, Unfall oder Krieg verlieren?
Muss man da in absoluten Friedenszeiten auch noch zusätzlich seelische Notstände erzeugen? Ich finde dies abartig.

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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Beethoven » 23. März 2017, 22:21

HPA hat geschrieben:Das dürfte eine Einrichtung gewesen sein, welche direkt der Parteihochschule in Kleinmachnow angeschlossen war.


Das kann sein aber meine Mutter hat zu jener Zeit Geschichte studiert und so weit ich weiß, in Berlin.
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Volker Zottmann » 23. März 2017, 22:37

Nostalgiker hat geschrieben:Aha, du als Wunderkind konntest also im zarten Alter von einem Jahr vergleichend feststellen das Wochenkrippe fast so wie verschärfte Haft war.

Die "politische" Verwaltungsschule befand sich genau wo?
Dein Vater lebte und arbeitete am Wohnort und hatte so ungünstige Schichten das er dich weder Morgens in die Krippe bringen konnte und Abends auch nicht abholen .....

Auf das mit dem Knacks gehe ich nicht weiter ein ......



Ich denke Du hast Verwandte in HSB und dich ausführlich mit meiner Vita befasst? Und dann fragst Du noch?
Dort war ebenfalls die Schule. Allerdings bis in die Abendstunden Unterricht, so dass keine Kinder mehr für Stunden abgeholt oder besucht werden konnten. (Aussage Mutter)
Und mein Vater lieber Thoth, der lag fast 18 Monate im Dippestift QLB mit Tuberkulose.
blau da kannst Du mal sehen, wie weit ich war! [laugh]

Ab Januar 1953 verschlimmerte sich meine Lage nochmals dramatisch. Ich durfte überhaupt nicht mehr nach Hause. Ich hatte mich mit Tuberkulose infiziert.
Ob letztes Heim so zugig war oder ich mich beim Vati (auch TBC-krank) ansteckte, blieb ungeklärt. Jedenfalls lautete meine neue postalische Anschrift nun Kinder-Krankenhaus Brühlstraße in Quedlinburg, die meines Vaters TBC-Krankenhaus “Dippe-Stift” in der Taubenbreite. Das währte so bis in den Juli 1953, bis meine Hylus-Drüsen-TBC ausgeheilt war.

Nun irgendwann lernte ich auch meine Eltern und die Oma wieder kennen.

Volker
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Nostalgiker » 23. März 2017, 23:23

Volker Zottmann, du warst kein Stadtgespräch in Halberstadt und im Gegensatz zu dir habe ich zu deiner Person genau das gelesen was öffentlich von dir selbst in's Internet gestellt wurde.
Du bist nicht so interessant das ich dir mit unlauteren Mitteln hinterschnüffeln müßte.

TBC bekommt man bestimmt nicht durch Zugluft ....... aber das ist ein anderes Thema.

Übrigens gab es solch ähnliche Situationen, ein Elternteil in Fortbildung und das andere im Krankenhaus oder ebenfalls Fortbildung, auch bei mir in meiner Kindheit. Allerdings hatten wir am Wohnort keine reichhaltige Verwandtschaft die mich mal für mehrere Wochen in Vollzeitbetreuung hätten nehmen können. Also vergnügte ich mich in einem Kinderheim. Zwei Dinge haben mir dort nicht gefallen; einmal die Milch- oder Puddingsuppe zum Frühstück und das wir zum spielen eine Schürze umbinden mußten. Ähnlich der die Gartenzwerge tragen. Uns fehlte nur noch die grüne Zipfelmütze ........

Es gibt schlimmeres.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon Beethoven » 26. März 2017, 09:19

Ein Beitrag eines älteren Herren über ein Wochenheim in der damaligen DDR.

Zu meinem Fall: Meine Mutter war geschieden und nahm an der PH Potsdam ein Lehrerstudium auf. In dieser Zeit war mein kleiner Bruder und ich selbst im Kinderheim Königsheide in Berlin Johannisthal untergebracht. In diesem Heim wurden wir gut betreut. Eines Tages kam die Idee auf, hinter der Schule ein Planschbecken zu bauen. Alle waren begeistert dabei, es wurde geschachtet, der Sand auf Loren abtransportiert und unter tätiger Anteilnahme vieler Freiwilliger entstand ein Planschbecken. Wunderbar.
Aber was muss ich jetzt lesen, nachdem die Stadt Berlin einen Fonds für die "Opfer" eingerichtet hat? Zwangsarbeit, brutale Antreiberei, usw. in diesem Stil. Es ist einfach zum Kotzen, was Einige dieser Zeitzeugen von sich geben, nur um irgendwie an Knete zu kommen. Erbärmliche Typen, das.
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Re: Hochzeit in der DDR

Beitragvon HPA » 26. März 2017, 11:42

Der ältere Herr landete ja auch mit Sicherheit nicht in einem Spezialkinderheim.
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